Börse aktuell

Hier erfahren Sie, was an der Börse aktuell geschieht. Unser Börsenexperte Ronald Gehrt beobachtet täglich das aktuelle Börsengeschehen und fasst die neuesten Börsendaten und Börsenberichte wöchentlich für Sie zusammen. Mit Börse aktuell bringen wir die wichtigsten Börsennachrichten auf den Punkt und kommentieren, was momentan an der Börse los ist.

Börse: Aktuelle Nachrichten der Woche

Neues von der Börse: Unsere aktuellen Börsennachrichten informieren Sie jede Woche über die derzeitige Börsenentwicklung. Was beschäftigt die Börse? Was steht diese Woche an? Diktieren Bullen oder Bären die Märkte? Sollten Sie Ihre Investitionen erhöhen oder lieber Gewinne mitnehmen? Wir geben Ihnen die Antworten auf diese Fragen, wagen einen Ausblick auf die kommende Börsenwoche und bewerten anstehende Ereignisse, die Auswirkungen auf den Börsenverlauf haben könnten.


Börse aktuell vom 12.-18.08.2024

Das bärische Lager … selten sichtbar, aber wenn, dann richtig.

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Wenn es an den Börsen wie aktuell mal wieder hektisch zugeht, sehe ich mir gerne an, was die US-Investmentbanken zu sagen haben. Ihre Beobachtungen sind da ebenso interessant wie wichtig. Was sie daraus schließen jedoch weniger. Denn die Zukunft wird gerade in chaotischen Phasen nicht davon bestimmt, was sein müsste, sondern von Emotionen und geschickten, großen Tradern. Und wenn man über Letztere nachdenkt, sollte man das Bären-Lager besser nicht vergessen.

Auffällig war, dass die US-Banken sofort mit den wegsackenden Kursen ihre Erwartungen an die US-Notenbank hochschraubten. Citigroup und JP Morgan sehen sogar zwei 50 Punkte-Senkungen in diesem Jahr, nachdem man vor dem schwachen Einkaufsmanagerindex und den mageren US-Arbeitsmarktdaten nur eine einzige von 0,25 Punkten sah. Sogar von einem „Emergency Cut“, einer Senkung außerhalb der regulären Sitzungen, war die Rede. Goldman Sachs indes machte klar: 

Ansichten der US-Investmentbanken zur Lage

Der Marktstresslevel mag erhöht sein, bewegt sich aber nicht auf einem Niveau, das die Fed zum Eingreifen bringen würde, so das Investmenthaus. Und in der Tat wäre das nach diesen ja eigentlich nur mäßig miesen Konjunkturdaten und der bislang noch in einem ganz normalen Rahmen laufenden Korrektur der US-Indizes massiv übertrieben.

Ich würde dazu ja sagen „Ball flachhalten, da kommen schließlich vor den nächsten Sitzungen von Fed und EZB noch die August-Arbeitsmarktdaten“ … aber flache Bälle will derzeit ja niemand spielen.

Und was wissen die US-Investmentbanken zur Gesamtsituation zu berichten? Goldman Sachs meint, dass es immer klarer werde, dass die US-Verbraucher den Gürtel enger schnallen, während für JP Morgan das Rezessionsrisiko von 25 auf 35 Prozent gestiegen ist und CEO Jamie Dimon nicht damit rechnet, dass die Inflation auf zwei Prozent zurückkommt. Gut, das sind Beobachtungen, aber keine Wegweisungen. Denn dass die US-Konjunktur jetzt eben doch den Druck hoher Zinsen spürt, kann jeder Anleger selbst sehen, entweder durch einen Blick vor die Haustür oder auf die Konjunkturdaten.

Und jetzt zum Aktienmarkt. Nach Ansicht eines Goldman Sachs-Marktstrategen ist die Korrektur noch nicht abgeschlossen, da die Bewertungen an der Börse aktuell weiter ungewöhnlich hoch sind (sieh an, hat vorher niemand wissen wollen). Und JP Morgan sieht zwar die Möglichkeit, dass der Abgabedruck weitergeht, stellt aber fest, dass der Verkaufsdruck von großen Adressen abnimmt und Hedgefonds im Saldo am Rallye-Donnerstag auf der Käuferseite standen.

Allerdings schrieb man auch, dass die Privatanleger in die fallenden Kurse massiv gekauft hätten. Was hieße, dass die normalerweise eine echte Korrektur abschließende Kapitulation der weniger erfahrenen Dauer-Bullen noch nicht da ist. Auch die Bank of America beobachtete zum Wochenschluss, dass die Privaten einfach stur weiterkaufen, sprich die abkippenden Kurse als Chance und nicht als Warnsignal wahrnehmen. Das ist kurzfristig ein entscheidender Grund, warum es zum Wochenschluss wieder aufwärts ging. Aber ist dieser Rücksetzer damit wirklich „durch“, der Weg nach unten zugestellt und der nach oben frei?

Börse aktuell: Entwicklung Dow Jones mit aktuellen Entscheidungszonen im August 2024 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Börse aktuell: Entwicklung Dow Jones mit aktuellen Entscheidungszonen im August 2024 | Quelle: marketmaker pp4

„Die Bären“ an sich gibt es nicht

Das glauben viele, nicht zuletzt, weil die erdrückende Mehrheit am Aktienmarkt ja immer nur Long ist. Das prägt die Wahrnehmung. Und das eigene Handeln nicht minder, weswegen es mich absolut nicht überrascht, dass die Privatanleger mehrheitlich nicht konsequent auf Basis vernünftig gesetzter Stoppkurse ausgestiegen sind, sondern einfach trotz bärischer Signale in vielen Charts stur weiter gekauft haben. Wie kürzlich ein Kollege so treffend schrieb: Sehr viele kennen es ja auch nicht anders, als dass ein Rücksetzer immer eine Kaufgelegenheit war. Die letzte, größere Baisse geht auf die Jahre 2008/2009 zurück!

Aber auch, wenn das Geld der Privaten im übergeordneten Bild den Trend macht, weil letztlich diejenigen, die dieses Geld zu verwalten haben, seien es Pensionsfonds, Fonds oder ETFs, nicht dauerhaft gegen einen einfach weitergehenden Strom frischen Geldes agieren können: Kurzfristig geht das sehr wohl, insbesondere wenn es um Hedgefonds und andere, große spekulative Trader geht. Und die können nicht nur bärisch agieren, sie tun es auch … wenn sie sich dabei Chancen ausrechnen.

Wobei ich kurz mal abschweifen möchte: Es gibt keine „Bullen“ und „Bären“ in dem Sinne, in dem sie oft medial gezeichnet werden. Wenn es um diese Thematik geht, geht es nicht um Privatanleger, die Aktien kaufen, sondern um erfahrene Trader. Und da ist niemand aus Prinzip immer „Bulle“ oder immer „Bär“. Die Bären an sich gibt es also nicht. Es gibt nur Trader, die bärisch agieren könnten … wenn sie es denn wollen. Und, wollen sie, die Bären?

Das ist ja der springende Punkt: Das weiß man ja nie genau, weil man dazu wissen müsste, was in den Köpfen zahlloser Akteure rund um den Globus vorgeht und ob das, was die sich so überlegen, auch in Taten mündet. Was die Sache knifflig macht, denn wer heute bullisch daherkommt, könnte morgen schon massiv auf den Markt eindreschen. Also kann man nur eines tun: Die Rahmenbedingungen und die Charts genau abklopfen und horchen, ob da irgendetwas klingt, als könnte es für massivere Short-Attacken lukrativ sein.

Börse aktuell: Entwicklung Nasdaq 100 mit aktuellen Entscheidungszonen im August 2024 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Börse aktuell: Entwicklung Nasdaq 100 mit aktuellen Entscheidungszonen im August 2024 | Quelle: marketmaker pp4

Die Rahmenbedingungen wären für einen größeren Abwärtsimpuls perfekt, wenn…

Eine sich abkühlende Konjunktur in den USA trifft jetzt auf eine ohnehin längst um die Nulllinie dahin vegetierende Wirtschaft in der Eurozone. Und auf einen chinesischen Markt, der weiterhin nicht richtig in Fahrt kommt und vor allem durch steigende Exporte zulegt … die indes wiederum Druck auf die Eurozone- und US-Unternehmen ausüben, die das nicht verkaufen, was China im Ausland an den Kunden bringt. Diese Gemengelage beginnt auch auf die Gewinne der großen Unternehmen zu drücken, wie die jüngste Welle an Quartalsergebnissen zeigt, die weit weniger übertroffene Prognosen aufwies wie sonst in den letzten Jahren. Und das, obwohl sich die Analysten bemühen, im Zweifel lieber zu tief zu schätzen. Eine grundsätzlich perfekte Ausgangslage dafür, die Kurse gezielt erneut anzuschubsen. Es sei denn…

…man würde bei den großen Tradern mehrheitlich zu dem Schluss kommen, dass da noch dermaßen viel frisches Geld seitens der Privatanleger in den Markt strömen wird, dass man mit Short-Trades einfach überrannt würde. Aber genau das ist jetzt eben fraglicher als in den vielen Jahren zuvor, eben weil die Leitzinsen hoch sind. Das macht Anleihen als Alternative für viele attraktiv, vor allem für diejenigen, die auch früher lieber Bonds hielten. Und teure Kredite und stark gestiegene Preise können mehr und mehr Menschen nicht mehr so kompensieren für in der Anfangszeit, als man noch genug „Überschuss-Geld“ auf dem Koto hatte. Da kommt Goldman Sachs‘ Hinweis auf den enger geschnallten Gürtel zum Tragen. Und die Leitzinssenkungen?

Die wirken eben erst einmal bremsend, bevor sie stimulieren. Auch, wenn es wirklich so kommt, die „Fed“ den Leitzins noch im laufenden Jahr zweimal um 0,5 Prozent herunternimmt und die EZB zumindest mit 0,25er-Schritten nachzieht:

Damit sind Kredite und Investitionen noch lange nicht wieder billig. Und wer kann, wartet auf deutlich tiefere Zinsen, so dass die unter „Privaten“ so verbreitete Mär, dass erste Zinssenkungen sofort einen Wachstumsschub und damit eine Super-Hausse auslösen, nicht nur deswegen wacklig ist, weil die Kurse für eine Super-Hausse vorher erst einmal hätten fallen müssen. Und die Charts?

Börse aktuell: Entwicklung DAX mit aktuellen Entscheidungszonen im August 2024 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Börse aktuell: Entwicklung DAX mit aktuellen Entscheidungszonen im August 2024 | Quelle: marketmaker pp4

Die Charts: Noch haben die Bären gar nicht richtig angefangen

Die sind noch einmal spannender als die Rahmenbedingungen, denn hier sehen wir: So richtig tragfähig sind die mit ein, zwei Tagen immer auftauchenden Aussagen, die Korrektur sei vorbei, nicht. Sie kann es trotzdem sein, keine Frage, falls man sich bei den großen Adressen entschieden hat, mit den Privatanlegern mitzuziehen und wieder richtig zuzulangen. Aber das ist nicht nur aufgrund des Umstands offen, dass man nicht weiß, was die großen Trader vorhaben. Es ist auch aus rein charttechnischer Sicht nicht zwingend.

Wenn Sie sich die diesen Artikel begleitenden Charts der großen Indizes Dow Jones, Nasdaq 100, DAX und Euro Stoxx 50 ansehen, werden Sie feststellen, dass zwar wichtige Supportlinien gefallen sind, diese aber bislang mit wenigen Ausnahmen noch nicht zurückerobert wurden. Darüber hinaus fällt mir auf, dass diese drei massiv schwachen Tage zum Start in den August mehr aussehen wie eine Kombination aus Verkäufen von Fonds oder ETFs, bei denen Geld abgezogen wurde, so dass sie verkaufen mussten und aus einer Kaskade von ausgelösten Stop Loss-Verkaufsorders. Es wirkt aber nicht wie eine gezielte, umfassende Attacke großer, auf die bärische Seite übergelaufener Trader. Was mich vermuten lässt: Die Bären sind noch gar nicht in größerem Umfang aufgetaucht. Und das könnte noch kommen, wenn … ja wenn was?

Börse aktuell: Entwicklung Euro Stoxx 50 mit aktuellen Entscheidungszonen im August 2024 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Börse aktuell: Entwicklung Euro Stoxx 50 mit aktuellen Entscheidungszonen im August 2024 | Quelle: marketmaker pp4

Glaskugel sinnlos: Wie es weitergeht, entscheidet sich aus dem Augenblick heraus

Ob man einen größeren Short-Trade eingeht, entscheidet sich immer an bestimmten, neuralgischen Punkten im Chart in Verbindung mit der Marktstimmung und den Rahmenbedingungen. Genauso, wie potenzielle Käufer ihre Kauforders ruckzuck löschen, wenn sie sehen, dass der Kurs mit dramatischem Schwung an den Punkt rutscht, an dem sie kaufen wollen, weil sie fürchten, dass die da einfach überrannt werden, entscheiden auch die Short-Seller aus der Situation heraus. Was für die kommenden Tage konkret folgende Möglichkeiten offerieren würde:

Entweder, es kommt gleich heute oder morgen zu einer massiven Attacke, noch bevor wichtige Charthürden erreicht sind. Das könnte das Ziel haben, den Bullen deutlich zu machen, dass sie auf verlorenem Posten stehen und weitere Käufe gar nicht erst versuchen sollten.

Oder, zweite Möglichkeit, die Bären warten bis zu den im Chart hervorgehobenen Widerstandszonen. Denn sollte der Kaufdruck dann erlahmen, hätten sie eine sicherere Ausgangsbasis und könnten mit engeren, knapp über diesen neuralgischen Bereichen platzierten Stop Loss arbeiten. Das wäre der Normalfall, so läuft es oft … wenngleich nicht immer!

Oder aber sie tauchen gar nicht auf, d.h. Dow, DAX & Co. sausen einfach ungebremst durch die Widerstände nach oben durch und gehen sofort die alten Hochs an. Was dann denkbar wäre, wenn diejenigen, die bärisch gestimmt sind, erkennen, dass sie zu wenige und zu schwach sind, um die hoffnungsvollen Bullen kleinzukriegen. Zwar bleibt der Faktor der anfangs bremsenden Zinssenkungen und der schwachen Konjunktur, verbunden mit der hohen Bewertung der Aktienmärkte, eine gute Basis für die Bären. Aber dann würden diese mehrheitlich wie gesagt erfahrenen Akteure wohl warten, bis den Bullen Geld, Zuversicht oder beides ausgeht und dann erst angreifen.

Das alles ist also eine Art Eiertanz für beide Seiten. Was man tun will und ob man es dann wirklich tut, ist immer davon abhängig, was die anderen tun … und das weiß man eben erst, wenn es passiert. Hüten Sie sich daher davor, eine feste Meinung dazu zu haben, was in den kommenden Wochen passieren wird … denn wie schon letzte Woche geschrieben, ist es wie immer in hoch volatilen Phasen das Unerwartete, das den Taktstock führt!

Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Börsenwoche!

Ihr

Ronald Gehrt

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Börse aktuell: DAX, Dow Jones und Co.

Die heutigen Top-News und Börsenmeldungen zum DAX und der Börse USA mit dem Dow Jones, dem Nasdaq und dem S&P 500 als weltweit einflussreiche Indizes bilden einen Schwerpunkt unserer aktuellen Berichterstattung von der Börse. Auch gute Aktien, die momentan sehr stark im Fokus der Anleger stehen und steigende Börsenkurse prophezeien, werden wir Ihnen hier vorstellen. So bekommen Sie einen umfassenden Börsenausblick und können Ihre eigenen Börsenprognosen verifizieren oder falsifizieren.

Börse: Aktuelle Entwicklung und Trends

Die aktuelle Entwicklung und der aktuelle Trend an der Börse werden maßgeblich von Wirtschaftsnachrichten, Konjunkturdaten und Neuigkeiten von börsennotierten Unternehmen bestimmt. Diese wirken sich nicht nur auf Aktienkurse aus, sondern auch auf andere Assetklassen wie börsengehandelte Fonds, Optionen und Futures. Des Weiteren werden durch Börsennachrichten auch die Anleihemärkte und Rohstoffmärkte in Bewegung versetzt. Daher haben wir auch die Zinsen, den Ölpreis und Goldpreis immer im Blick.

Börse: Aktuelle Tipps zum Marktgeschehen

Neben Börsennews bekommen Sie auch hilfreiche Tipps, um das gegenwärtige Marktgeschehen besser zu interpretieren. Der Börsenmarkt setzt sich aus vielen verschiedenen Märkten zusammen. Jedes Land, jede Branche und jedes Finanzprodukt wird von individuellen Faktoren beeinflusst, sodass es schwierig ist, alle Märkte mit ihren jetzigen Chancen und Risiken zu verfolgen und zu analysieren. Mit Börse aktuell liefert Ihnen unser Börsenprofi die Börseninformationen, die wirklich wichtig sind, und zugleich eine kompakte Börsenvorschau der Woche.

Börse aktuell: Die letzten Nachrichten

Die vergangene Woche hatte so einiges zu bieten, mit dem sogar eher erfahrene Anleger wohl nicht gerechnet hatten. Dabei mögen die in dichter Folge eingetrudelten Quartalszahlen von US-Mega- Caps ein Auslöser gewesen sein, aber beileibe kein vernünftiger Grund für das chaotische Geschehen am Aktienmarkt, vor allem in den USA. Es wirkt, als würden immer mehr nicht wissen, was sie tun. Und ich fürchte: Es wirkt nicht nur so. Und dann kommt noch das Thema Zinsen dazu.

Was ich Ihnen im folgenden Chart zeigen möchte ist für mich der Beleg dafür, dass an der Börse aktuell ein Punkt erreicht wurde, an dem zu viele nicht wissen, was sie da gerade tun, es aber trotzdem tun und damit nicht nur den Bereich ihrer Spielwiese, sondern den gesamten Bereich darum herum in Gefahr bringen, sprich den Aktienmarkt insgesamt.

Dass Hypes wie der derzeitige um das Thema KI die Spekulation hochkochen lassen, wissen alle. Dass die Spekulation sich dann immer weiter hochschaukelt und damit Risiken generiert, mit denen einige spielen, ohne damit umgehen zu können, wissen auch alle. Aber ebenso hoffen alle, dass sich das schon nicht wie früher öfter … vom Tulpencrash des 17. Jahrhunderts bis zum Platzen der Dot.Com-Blase 2000 … in einem großen Knall entlädt, sondern schon irgendwie gutgehen wird. Wenn wir uns aber mal den folgenden Chart der vergangenen Handelswoche auf Stundenbasis ansehen, muss man wohl einräumen, dass da einige gerade dabei sind, mit überhöhter Geschwindigkeit aus der Kurve zu fliegen:

Börse aktuell: Entwicklung AMD Aktie und andere Chipaktien im Vergleich rund um die Veröffentlichung der Quartalsergebnisse von AMD| Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Börse aktuell: Entwicklung AMD Aktie und andere Chipaktien im Vergleich rund um die Veröffentlichung der Quartalsergebnisse von AMD| Quelle: marketmaker pp4

Am Dienstagabend kam Advanced Micro Devices, kurz AMD, mit seiner Quartalsbilanz. Die war gut, leicht über den Erwartungen. Eine Offenbarung war das indes nicht. Aber man sprach bei AMD davon, mehr in KI zu investieren. Das schien gereicht zu haben, um die Aktie am Folgetag kräftig nach oben zu tragen.  Wobei der Kurs im Vorfeld erheblich korrigiert hatte, das passte also durchaus. Aber was völlig irre war: AMD stand kurz vor dem Handelsende des Mittwochs, an dem die Akteure auf die Bilanz reagierten, keineswegs an der Spitze der Nasdaq 100-Gewinner. Es waren zahllose andere Chipwerte, siehe die Liste der im Chart als Linien mit abgebildeten Titel, die weit stärker stiegen als AMD selbst.

Wir hatten also eine Aktie mit einer guten Bilanz und spannenden Perspektiven in Sachen KI, die aber im Vorfeld nach einem zu rasanten Anstieg zu weit korrigiert hatte, nämlich nahe ans Jahrestief. Die stieg und diente als „Grund“, andere Aktien der Branche noch stärker zu kaufen. Weil? Weil AMD beweist, dass alle anderen genauso gute oder noch viel bessere Umsatz- und Gewinnzuwächse zeitigen müssten? Das müssen sie nicht! Da schlugen erfahrene Investoren schon die Hände über dem Kopf zusammen. Aber wir wissen ja: Normalerweise können absurde Kursbewegungen hartnäckiger sein, als man denkt. Diesmal aber nicht. Und damit kommt des Irrsinns zweiter Akt, den Sie ebenso im vorstehenden Chart sehen, unten noch einmal in einer Darstellung auf Tagesbasis über einen Monat:

Börse aktuell: Entwicklung AMD Aktie und andere Chipaktien im Vergleich von Juli bis August 2024| Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Börse aktuell: Entwicklung AMD Aktie und andere Chipaktien im Vergleich von Juli bis August 2024| Quelle: marketmaker pp4

Fast alle dieser Chip-Titel, die am Mittwoch die Gewinnerliste anführten, führten am Donnerstag die Verliererliste an … und fielen am Freitag weiter. Die meisten von ihnen notierten zum Wochenschluss tiefer als vor der wilden Kaufwelle des Mittwochs. Das ist, vor allem, wenn man sich überlegt, wie viel Geld da unterwegs war, ein ziemlich deutliches Indiz für einen um sich greifenden Kontrollverlust.

Und wenn man so etwas sieht, sollte man sich sehr klar darüber sein, dass a) vorerst nichts vorhersehbar und b) nichts unmöglich ist. Zumal die Bank of America noch Öl ins Feuer goss, indem sie diese Spekulation um das Thema KI insgesamt infrage stellte und hervorhob, dass extrem gestiegene Investitionen, wie man sie jetzt in diesem Bereich sieht, bislang immer zu einer Underperformance des entsprechenden Sektors führten. Was meiner Ansicht nach zwar eine Aussage ist, über die sich trefflich streiten ließe. Aber für nervöse Zocker war das nicht gerade beruhigend.

Ja, das könnte sich alles schnell wieder beruhigen. Aber ein solches Extrem-Jojo bei Aktien, bei denen sich die Zocker hochkant stapeln, ist eine ganz heiße Kiste! Vor allem, weil man dann in Sachen Chaos gleich mal noch eine zweite Kasse aufmachte.

Wollen große Adressen die US-Notenbank „erpressen“?

Erpressung ist ein böses Wort, aber in der Wirtschaft ja dennoch nicht so selten, auch, wenn man es gemeinhin mehr „gezielte Beeinflussung“ nennt. Denken wir nur an den Druck, den große Unternehmen nicht minder großer Branchen auf die Politik ausüben können und es auch tun. Wenn ihr dies tut oder jenes unterlasst, werte Politiker, heißt es dann, müssen wir schrecklich viele Leute entlassen, das wollt ihr doch nicht zu verantworten haben?

Das gleiche Spiel kann man auch mit Notenbanken treiben. Wobei das aktuell nun wirklich nicht zum ersten Mal passiert. Zinssenkungen mit der Brechstange durch massive Marktbewegungen erzwingen zu wollen, das habe ich in meinen 35 Jahren als Börsianer schon öfter erlebt. Also, was tut sich da?

Sie und ich wissen, dass die US-Wirtschaft seit Anfang dieses Jahres immer mehr Hinweise lieferte, dass die hohen Zinsen nun doch noch Druck ausüben. Viele Konjunkturdaten verschlechterten sich. Einkaufsmanagerindizes, Frühindikatoren, zuletzt auch einige Daten vom Immobilienmarkt: Alles wirkte immer mehr grau in grau. Dass viele das einfach ignorierten, mag ja sein. Aber vorhanden waren die mieser werdenden Daten eben trotzdem.

Und jetzt, auf einmal, schreit alles „Rezessionsgefahr“. Man tut so, als seien die US-Arbeitsmarktdaten vom Freitag das erste und zugleich ultimative Signal dafür, dass eine Rezession droht, die US-Notenbank (Fed) schon viel zu spät dran ist mit Zinssenkungen und sie jetzt umso schneller agieren müsse. Und weil man das noch untermauert, indem man diese „plötzlich Gefahr“ quer durch die Medien schleift, US-Banken Prognosen von drei Zinssenkungen im Rest des Jahres oder von zwei großen Schritten von je 0,5 Prozent herumreichen und die Renditen am Anleihemarkt einbrechen, als wären die Senkungen schon vollzogen, ist das eine Drohung an die „Fed“ zu tun, was der Markt will:

Börse aktuell: Entwicklung US-Staatsanleihen mit 2 Jahren Laufzeit| Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Börse aktuell: Entwicklung US-Staatsanleihen mit 2 Jahren Laufzeit| Quelle: marketmaker pp4

Hektische Zinssenkungen waren schon einmal ein großer Fehler

Zinsen runter, und zwar flott und in großen Schritten. Wenn nicht … Crash. Denn schaut mal, so die Botschaft, was passiert, wenn wir Anleger Angst vor einer Rezession haben müssen. Und wenn Dow & Co. einbrechen, dann geht den Menschen viel Geld verloren. Dann kaufen sie nichts mehr, die Rezession wird noch schlimmer, und das so kurz vor der Wahl … eieiei!

Aber, ließe sich einwenden, die „Fed“ hat doch nicht die Aufgabe, die Börsen zu stützen? Ja, sie soll ein Umfeld sicherstellen, das einen gesunden Arbeitsmarkt sicherstellt und damit auch die Konjunktur im Blick haben. Aber in allererster Linie geht es um Preisstabilität und nicht um eine „Komfortzone“ für Konsumenten. Und würde man jetzt hektisch auf Arbeitsmarktdaten reagieren, die zwar schwach, aber in keiner Weise dramatisch waren (knapp 100.000 neue Stellen, Arbeitslosenrate von 4,1 auf 4,2 Prozent gestiegen) müsste man angesichts des Verhaltens der US-Verbraucher und der US-Unternehmen in den letzten zwei Jahre fürchten, dass die Inflation sofort wieder auf ein kritisches Niveau steigt.

Wir hätten das gleiche Szenario wie Ende der 70er/Anfang der 80er Jahre, als die US-Notenbank auf Druck der Märkte die Zinsen zu früh und zu weit senkte, die Inflation mit Macht zurückkam und der Leitzins, der vorher von 16,5 auf 11,0 Prozent gesenkt wurde, rasant auf 19 Prozent hochgezogen werden musste. Erinnert sich keiner an damals?

Da muss nur einer „Feuer“ schreien…

Viele sicherlich nicht. Und selbst wenn: Zum einen käme dann sowieso die übliche Floskel, dass das früher mit heute doch gar nicht zu vergleichen sei (doch, ist es). Zum anderen zählt für fast alle nicht, was ihr Tun von heute in ein, zwei Jahren für Konsequenzen hätte, sondern nur das „Jetzt“. Und da schreit man gerade in Sachen KI und Konjunktur gleichzeitig „Feuer“, nachdem die meisten gedacht hatten, alles laufe super. Wenn dann zu viele zugleich aus dem gleichen Notausgang hinaus wollen und potenzielle Käufer sicherheitshalber ihre Orders zurückziehen, wird es „tricky“.

Bemerkenswert finde ich, dass die großen Banken da mitschreien. Wieder war es die Bank of America, die mit einem Eimer Öl daherkam, indem sie am Freitag konstatierte, dass Kreditprodukte momentan eine Null-Prozent-Wahrscheinlichkeit für eine Rezession einpreisen würden, man bei der Bank aber der Ansicht sei, dass diese Wahrscheinlichkeit zu niedrig ist. Warum kommt man da so bärisch daher? Verdient man nicht sein Geld damit, dass immer mehr Menschen immer mehr Geld in den Märkten investieren?

Börse aktuell: Entwicklung Nasdaq 100 von Oktober 2023 bis August 2024| Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Börse aktuell: Entwicklung Nasdaq 100 von Oktober 2023 bis August 2024| Quelle: marketmaker pp4

Schon. Aber wenn die „großen Adressen“ imstande waren, in einer Phase, in der sie wissen, dass der Markt gerade heiß gelaufen ist, die Anleger das aber nicht einmal ahnen, zu hohe Bestände abzubauen, indem man sie eben diesen Anlegern verkauft, ist man gerüstet für einen kippenden Markt. So etwas nennt man „Distributionsphase“. Eine Phase, um die Worte der Börsenlegende André Kostolany zu wählen, in der Aktien von den sicheren Händen der erfahrenen Investoren und großen Adressen in die zittrigen Hände der Unerfahrenen wandern.

Ist eine solche Distributionsphase über die Bühne, können Kassandrarufe den Abstieg anschieben. Wer schon damals dabei war, dürfte sich erinnern, wie auffällig die Großbanken im Sommer 2008 auf einmal zu Schwarzsehern wurden, obwohl der Zusammenbruch des Kartenhauses namens „Subprime-Kredite“ längst im Gange war und man zuvor nur „Daumen hoch“ sehen konnte. Danach ging das große Verkaufen am Aktienmarkt los … und nicht erst, wie manche heute glauben, mit der Pleite von Lehman Bros.

Fazit: Erwarten Sie das Unerwartete

Erpressen die großen Adressen mit dem Druck auf Aktien und Anleiherenditen gerade die US-Notenbank? Haben große Investmentbanken ihre Schäfchen im Trockenen und machen deshalb jetzt verbal Druck? Hat man im Bereich der Tech-Branchen seitens der Trader die Kontrolle verloren? Ist KI eine Blase und platzt sie gerade oder nicht?

Ich wäre ein erbärmlicher Trader, Analyst und Journalist, würde ich jetzt wagen, auch nur eine dieser Fragen sicher zu beantworten. Ja, in Phasen wie diesen hätte man gerne Antworten und, bitte, eine funktionierende Glaskugel. Aber da das nun einmal nicht geht und man den Menschen nicht in die Köpfe schauen kann, ist es schon höchst hilfreich, wenn man um die Fragen weiß, die jetzt im Raum stehen. Denn aus ihnen lässt sich ableiten, dass wir jetzt in einer Situation sind, in der nichts unmöglich ist, in beide Richtungen, und wieder einmal das zum Tragen kommt, was unsichtbar über den Toren jedes Börsensaals prangt: Erwarten Sie das Unerwartete!

Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Börsenwoche!

Ihr

Ronald Gehrt

Nimmt die Volatilität zu, ohne dass man dabei bereits absehen könnte, ob sich Bullen oder Bären am Ende durchsetzen werden, macht das beide Lager nervös. Was die Schwankungsintensität noch steigern kann. Diese Woche wird eine, die Weichen stellen kann. Allen ist das klar. Aber keiner weiß, wie das am Ende ausgeht – damit wird die Sache zu einer Zerreißprobe für Trader mit schwachen Nerven.

Ich hatte kürzlich eine Dokumentation über die entscheidende Phase in Bezug auf die Eroberung Galliens durch Gaius Iulius Caesar gesehen. Und die kam mir in den Sinn, als ich mir über diese anstehende Handelswoche Gedanken machte. Klingt absurd, ist es aber gar nicht. Denn damals lag eine vergleichbare Situation vor wie die, mit der sich die Trader in den kommenden Tagen konfrontiert sehen: Man weiß an der Börse aktuell nicht, was die Gegenseite macht, weiß aber, dass man dann reagieren sollte. Klar ist also: Es gibt einiges zu tun und es kann entscheidend sein. Nicht klar ist, was das sein wird. Nicht gut in Sachen ruhiger Nachtschlaf, wenn man zu hoch und/oder zu riskant investiert ist. Aber sehen wir uns mal an, was damals passiert war, natürlich im „Schnelldurchlauf“:

Alesia … ein Nervenspiel mit unerwartetem Ausgang

Um zu verhindern, dass Rom die volle Kontrolle über Gallien erlangt, schlossen sich zahlreiche gallische Stämme um 52 v. Chr. zusammen. Zu ihrem Führer wurde der Avernerfürst Vercingetorix erkoren (den Namen kennen heute noch viele durch die Asterix-Bände). Der versuchte, die römische Armee unter Führung Caesars zu überrumpeln und aufzureiben, scheiterte aber trotz Übermacht an der extrem professionellen Taktik der Römer. Vercingetorix‘ Armee zog sich in die Feste Alesia zurück, um sich neu zu formieren.

Doch Caesar setzte nach. Da die Einnahme Alesias nicht realistisch war – dazu war der Ort zu gut befestigt – entschied man sich, die Feste zu belagern und die Besatzung sowie die Einwohner auszuhungern, um sie so zur Aufgabe zu zwingen. Vercingetorix aber gelang es, Verstärkung zu organisieren. Die zwar noch rechtzeitig eintraf, bevor Alesia aufgeben musste, die aber nicht an Caesars Belagerungsring vorbeikam. Also bildete die Verstärkung wiederum einen Belagerungsring um den römischen Belagerungsring. Wenn es einem gelingt, die Tragik und das mit all dem verbundene Leid kurz auszublenden, erkennt man darin eine irgendwie komische Situation … die ein überraschendes Ende hatte.

Denn die römischen Einheiten waren durch Nahrungsmangel geschwächt und zahlenmäßig unterlegen. Die Besatzung von Alesia und der äußere Ring der gallischen Stämme hätte die Römer nicht nur vernichtend schlagen können, sondern eigentlich müssen. Aber das ging, aus bis heute unklaren Gründen, schief. Vercingetorix machte einen Ausfall, zugleich sollten die Gallier im Belagerungsring die Römer an zwei Stellen angreifen. Doch der Angriff an der empfindlicheren, entscheidenden der beiden Stellen blieb aus. Im Gegenteil gelang unter Casesars Führung dort ein Ausbruch römischer Kavallerie, die wiederum die belagernden Gallier von hinten und der Seite attackierten. Die gallischen Belagerer flohen, der Ausfall von Alesia aus wurde abgebrochen, Vercingetorix musste sich in die Feste zurückziehen und wenig später aufgeben.

Das war eine Entwicklung, in der nie sicher war, was die anderen tun, in der man schnell und richtig auf Überraschungen reagieren musste und wiederum nicht sicher sein konnte, was das auslösen würde. Äußere Ereignisse konnten viel beeinflussen. Und man war sich der Stärke des eigenen Lagers ebenso nie sicher wie der des Gegners. Und damit sind wir bei der Ausgangslage heute in Bezug auf den Aktienmarkt angekommen.

Eine offene Ausgangslage … noch ist völlig offen, wie es weitergeht

Wollte man versuchen, die Lage der Aktienmärkte mit dem Szenario um Alesia zu vergleichen, wären wir momentan vermutlich an dem Punkt, an dem die gallischen Stämme einen Überraschungsangriff gegen die Römer starteten und sich nicht ausreichend durchsetzen konnten, um die Legionen zu schlagen. Also ganz am Anfang. Sehen wir uns das mal in drei über den Artikel verteilten Charts an, die die Lage bei Nasdaq 100, Dow Jones und DAX zeigen. Klar ist: Der Überraschungsangriff wurde vom zuvor massiv unter Druck stehenden, bärischen Lager vorgenommen. Die Vehemenz der Verkäufe insbesondere beim Nasdaq 100 geht über reine „Unbill der Umstände“ in Form von normalen Gewinnmitnahmen hinaus, da wurde mit großer Wahrscheinlichkeit bereits aktiv auf der Short-Seite agiert.

Börse aktuell: Entwicklung Nasdaq 100 von Oktober 2023 bis Juli 2024 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Börse aktuell: Entwicklung Nasdaq 100 von Oktober 2023 bis Juli 2024 | Quelle: marketmaker pp4

Wir sehen aber auch, dass das bärische Lager bislang nicht mehr erreicht hat, als die Bullen zu überraschen. Geschlagen sind sie noch in keiner Weise, nicht einmal ernsthaft in der Bredouille. Selbst beim vorstehenden Nasdaq 100 ist, trotz der Dynamik der Verkäufe, bislang noch keine wirklich wichtige Supportlinie gefallen. Die sind zwar in Form der Oktober 2023er-Aufwärtstrendlinie und der Hochs der Monate März und April nahe. Aber eben noch nicht gebrochen. Was bedeutet:

Es kommt an der Börse aktuell auf die kommende Woche an, in der zahlreiche Termine für eine Verlagerung der Kräfte sorgen können und werden. Da man aber in beiden Lagern weder weiß, ob das Positive oder das Negative bei den einlaufenden Nachrichten überwiegt und wie stark dann die Reaktion der Gegenseite ausfällt, haben beide Seiten allen Grund, nervös zu sein. Was wiederum das Risiko von hektischen, überzogenen Reaktionen und von Bullen- und Bärenfallen birgt. Was steht konkret in den kommenden Tagen im Terminkalender?

Termine Schlag auf Schlag … in dieser Woche könnte jeder Tag Entscheidendes bewegen

Der Montag bleibt ruhig, dann aber geht es richtig zur Sache.

Dienstag: Um 10 Uhr kommt die erste Berechnung des deutschen Bruttoinlandsprodukts (BIP) des 2. Quartals, um 11 Uhr die für die Eurozone. Um 14 Uhr folgt die Vorab-Berechnung der deutschen Inflation im Juli. Am Abend nach US-Handelsende stehen die Quartalsergebnisse von AMD und Microsoft an.

Mittwoch: Um 11 Uhr kommen die Inflationsdaten der Eurozone für Juli. Um 20 Uhr steht die Entscheidung der US-Notenbank an. Und abgeschlossen wird der Tag dann mit den Quartalszahlen von Meta Platforms.

Donnerstag: Nach US-Handelsende stehen die Quartalsergebnisse von Apple und Amazon an.

Freitag: Um 14:30 Uhr kommen die US-Arbeitsmarktdaten für den Juli.

Und das sind nur die ganz wichtigen Termine, dazu kommen noch zahlreiche andere Quartalsbilanzen, auch und gerade aus Deutschland bzw. der Eurozone. Damit ist allen Tradern klar, egal ob bullisch oder bärisch ausgerichtet, dass am Ende dieser Phase entweder ein großer Sieg oder ein große Niederlage stehen kann. Da gelassen und locker zu bleiben, ist nicht leicht. Vor allem, wenn man fürchten muss, dass das Gros der anderen, ob im eigenen oder im gegnerischen Lager, keineswegs besonnen bleiben wird.

Und damit wird die Sache ebenso knifflig wie faszinierend, denn genau solche Situationen sind es, die die Börse so spannend (und riskant) machen.

Börse aktuell: Entwicklung Dow Jones von 2023 bis Juli 2024 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Börse aktuell: Entwicklung Dow Jones von 2023 bis Juli 2024 | Quelle: marketmaker pp4

Das Alesia-Problem: Kann man es wagen … oder kann man es nicht?

Überlegen wir uns mal die Problematik, mit der man jetzt konfrontiert wird, egal, in welchem Lager man steht. Andauernd kommen neue Zahlen auf den Tisch. Die können das, was gerade vorher veröffentlicht wurde, in der grundsätzlichen Tendenz, bullisch oder bärisch, bestätigen … oder abrupt auf den Kopf stellen. Man weiß es nicht. Und wird es auch bis Donnerstagabend, wenn die Sache mit Apple und Amazon zu Ende geht (sofern die US-Arbeitsmarktdaten am Freitag nicht völlig aus dem Rahmen fallen und erneut alles ändern) nicht wissen.

Dabei steht man bei jedem einzelnen kursrelevanten Ankerpunkt vor weiteren Fragen. Sind diese Daten wirklich klar bullisch oder bärisch und wenn ja, in welcher Dimension? Wird man darauf am Markt entsprechend stark reagieren? Oder wollen und/oder können zu viele andere auf meiner oder aber auf der Gegenseite nicht reagieren, weil sie diese Daten a) als nicht entscheidend genug ansehen, b) anders auslegen oder c) weitere Daten abwarten wollen? Und wird sich die Gegenseite auf Basis solcher Daten zurückziehen und erst einmal einigeln, einen Ausfall wagen oder gar, weil die Daten in ihrem Sinne ausgefallen sind, attackieren? Wenn die Gegenseite attackiert, ist meine Seite dann stark genug, um die Attacke abzuwehren oder wird man überrollt? Oder sieht es nur so aus, als hätte man verloren, am Ende kommt es aber zu einer überraschenden Gegenattacke und was sicher schien, endet als Bullen- oder Bärenfalle?

Börse aktuell: Entwicklung DAX von Januar bis Juli 2024 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Börse aktuell: Entwicklung DAX von Januar bis Juli 2024 | Quelle: marketmaker pp4

Sie sehen: Niemand weiß, wie das am Ende ausgeht. Wie geht man mit einer solchen Situation um? Eigentlich ist die Antwort klar … aber wenn ich mir ansehe, wie viele in vergleichbaren Phasen Jahr um Jahr das Gegenteil dessen taten, was klug ist, kann es nicht schaden, es einfach noch einmal zu erwähnen:

Durch ein nebelverhangenes Minenfeld kommt man nicht sicherer, wenn man blind durchrennt und dabei auch noch alles einsetzt, was man hat. Das ist nicht so wirklich viel cleverer als beim Roulett alles, was man besitzt, auf eine Zahl zu setzen. Richtig ist einerseits, dass eine Entscheidung jederzeit fallen kann, so dass die Indizes bzw. Einzelwerte am Ende der Woche schon so weit vom aktuellen Ausgangspunkt entfernt liegen, dass eine charttechnische Entscheidung nicht nur gefallen ist, sondern sich bereits voll ausgewirkt hat und man eventuell zu spät käme, wenn man erst dann reagiert.

Trotzdem kann man das abwarten, wenn man sich darüber im Klaren ist, dass die Minen dicht an dicht liegen. Wer sich indes durch diese Woche „durchtasten“ will, sollte genau das auch tun: Step by Step mit kleinen Trades, die einen vom Kapitaleinsatz her nicht zu emotionalen Handlungen verführen. Ob Attacke, Belagerung, Ausfall oder Finte: Am Ende gewinnt bei einem solchen Nervenspiel, wer eben diese behält!

Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Börsenwoche!

Ihr

Ronald Gehrt

„What goes up, must come down“ … eigentlich weiß das an der Börse jeder. Und wenn sich ungewöhnlich massive Scheren zwischen den Performances einzelner Indizes und Branchen auftun, werden sich die, sobald das fundamental berechtigte Maß zu weit überschritten wird, schließen. Genau das zeichnet sich gerade ab, insbesondere in Bezug auf die Überflieger-Aktien der Nasdaq. Wieso also regen sich gerade alle so darüber auf?

Eigentlich kann es auf diese Frage nur eine Antwort geben: Weil vermutlich zu viele zu lange zu viel Geld mit zu hohen Hebeln in zu wenige Aktien gestopft haben und denen jetzt der A… auf G… geht. Und zwar weil man, wie die Börsenpsychologie weiß, vor allem dann ernstlich glaubt, rasante, umfangreiche Gewinne werden nonstop immer größer, wenn man sich durch sein eigenes Tun (nämlich, die Sache zu übertreiben) in eine innere Zwangslage manövriert, die vor allem dann entsteht, wenn man mit hohem Hebel herumzockt und schon kleine Rücksetzer große Probleme auslösen. Aber das ist … hoffentlich … nicht das Problem der Mehrheit der Investoren.

Bis jetzt ist noch nichts angebrannt

Klar, dass Aktien, die vorher Wochen und Monate schon beim kleinsten neuen Rekordhoch eine Schlagzeile lostraten, auch umgehend zu „Breaking News“ werden, wenn sie auf einmal fünf oder zehn Prozent nachgeben. Aber wenn wir uns mal die Charts in diesem Beitrag ansehen, so sehen wir sofort: Bis jetzt ist das alles nur ein medial „gehypter“ Sturm im Wasserglas. Was den Nasdaq 100 angeht, der bei dem bisherigen Rücksetzer ebenso heraussticht wie zuvor bei der Aufwärtsbewegung, hat dieser bislang nur in etwa die Dimension der Korrektur des Aprils. Also alles noch im Rahmen des Normalen. Kein Grund zur Aufregung. Oder?

Börse aktuell: Kursentwicklung Nasdaq 100, Dow Jones und S&P 500 im Vergleich von Januar bis Juli 2024 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Börse aktuell: Kursentwicklung Nasdaq 100, Dow Jones und S&P 500 im Vergleich von Januar bis Juli 2024 | Quelle: marketmaker pp4

Nein, bis jetzt tatsächlich nicht. Dass bestimmte Indizes oder Branchen von Anlegern bevorzugt werden und andere dann zurückbleiben, ist normal und gleicht sich mittelfristig fast immer aus. So sehen wir im vorstehenden Chart, dass, was vorher stärker stieg, an den US-Börsen jetzt eben auch stärker fällt. Und wir sehen im nächsten Chart, dass diese Schere, die durch eine auffallende Outperformance des DAX zwischen Herbst 2022 und Sommer 2023 entstanden war und die ich im Juni 2023 an dieser Stelle thematisiert hatte, nicht größer wurde und sich jetzt zu schließen beginnt, indem der vorausgelaufene DAX jetzt wackelt und der Dow Jones in den letzten Wochen erheblich aufholt.

Börse aktuell: Kursentwicklung Dow Jones, DAX und DAX Kursindex im Vergleich von August 2022 bis Juli 2024 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Börse aktuell: Kursentwicklung Dow Jones, DAX und DAX Kursindex im Vergleich von August 2022 bis Juli 2024 | Quelle: marketmaker pp4

What goes up, must come down … eigentlich ist das völlig normal

Und das ist auch in Bezug auf Einzelwerte normal, natürlich immer im Rahmen der Fundamentals. Es ist nur dann denkbar, dass auf einmal die Letzten die Ersten sein werden, wenn sich die Rahmenbedingungen erheblich verändern. Aber eine Übertreibung, in der wenige Aktien zu lange von zu vielen präferiert wurden und daher eine chart- und markttechnische Überhitzung ebenso wie eine Überbewertung zu korrigieren haben, wird eben immer mal wieder auf den Boden der Realität zurückgeholt. Ebenso können Aktien, die der Markt als die Schwächsten ansieht und die dadurch vom bärischen Lager so lange attackiert wurden, dass selbst diese de facto ja durchaus schwachen Titel überzogen gefallen sind, alleine durch Eindeckungen von Short-Positionen immer mal wieder steigen.

Die nachfolgende Grafik zeigt die stärksten und schwächsten drei Aktien des Nasdaq 100, gerechnet ab Jahresanfang, aber im Chart gezeigt ab dem Ende der April-Korrektur. Wir sehen:

Börse aktuell: Top 3 und Flop 3 Nasdaq 100 Aktien 2024 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Börse aktuell: Top 3 und Flop 3 Nasdaq 100 Aktien 2024 | Quelle: marketmaker pp4

Auch hier wird eine zuvor immens weit auseinander klaffende Schere jetzt wieder kleiner. Aber das heißt ja nicht, dass sich das, was in den letzten Monaten als „richtig“ galt, komplett auf den Kopf stellen müsste, sprich die Tech-Favoriten ab jetzt massiv unter Druck geraten und bleiben, während Branchen, die man vorher als „langweilig“ und nicht gewinnträchtig genug ansah, in den kommenden Monaten auf einmal in den Hausse-Modus übergehen. Eigentlich.

Je extremer der Boden überspannt wurde …

Aber die Sache ist dennoch nicht ohne Risiko, d.h. dass man jetzt am Aktienmarkt nervöser wirkt als im April, ist nicht völlig unberechtigt … aus zwei Gründen:

Erstens ist eine kleine, aber abrupte Korrektur wie die bisherige in dem Fall noch bei Weitem nicht genug, wenn sich herausstellen sollte, dass die Bullen in Bezug auf die „Magnificent Seven“, die Pacemaker der Nasdaq-Hausse bzw. in Sachen „KI-Hype“ den Bogen überspannt haben. Denn bei einem Hype ist sehr vieles Erwartung und weniges bereits Fakt. Weder ist klar, wie viel zuerst investiert werden musste bzw. noch muss, bis das große Geld fließt. Noch ist klar, wie viel Gewinne die „KI“ letztlich bringen wird … und wem.

Wie schon beim „Internet-Hype“ vor einem Vierteljahrhundert werden auch jetzt an der Börse aktuell Aktien von allen Unternehmen durch die Decke gekauft, von denen man annimmt, dass sie am Ende zu den großen Gewinnern gehören könnten. Damals waren das am Ende aber nur einige. Viele Unternehmen, die man damals blind und unlimitiert gekauft hatte, sind heute vergessen. Das wird diesmal nicht anders sein. Und auch die wildesten Zocker wissen das sehr wohl … auch, wenn man das gerne verdrängt. Das schürt die Nervosität, wenn es auf einmal anders läuft als gedacht.

Börse aktuell: Kursentwicklung Nvidia von Januar bis Juli 2024 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Börse aktuell: Kursentwicklung Nvidia von Januar bis Juli 2024 | Quelle: marketmaker pp4

Zweitens stecken diese Schlagzeilen an, machen auch die nervös, die es gar nicht sein müssten. Wer gelassen und mit konsequenten Stop Loss trendkonform agiert, müsste eigentlich nichts fürchten. Aber dieser massive „Turnaround“ des Bias in der Berichterstattung kann die bislang noch überschaubare Nervosität steigern. Und wenn dann weitere Abgaben auftauchen, die z.B. dazu führen, dass eine Aktie wie Nvidia, das Flaggschiff des KI-Hype, die im Chart gezeigte, seit drei Tagen belagerte Unterstützungslinie bricht und dadurch ein Topp vollendet, kann die Sache auch ohne Not aus dem Ruder laufen.

Zu viele wollten zu lange zu viel. Damit war der Bogen heftig überspannt … und dann können eben, wenn der Bogen bricht, auch die Folgen heftiger ausfallen als normalerweise. Was heißt:

Jetzt ist eine ruhige Hand zwingend

Es kann bei einer normalen Korrektur bleiben, die momentane Aufregung vieler überzogen sein. Aber es muss nicht. Noch müssten die bisherigen Top-Performer ein gutes Stück nachgeben, bevor sie als „auskorrigiert“ gelten könnten. Zugleich müssen die Käufe in „Underdogs“ nicht weitergehen. Es ist ein reines Nervenspiel, ob die Sache aus dem Ruder läuft oder nicht. Ich kann da ebenso wie Sie alle nicht mehr tun, als zuzusehen, was weiter passiert. Diejenigen, die im ungünstigen Fall finanziell übel auf dem Bauch landen und diejenigen, die eine solche Situation gewinnbringend zu nutzen verstehen, unterscheidet da dann eigentlich nur eines:

Letzte wissen, dass wir jetzt eine Situation vor uns haben, in der kurzfristige Überreaktionen die Lage eskalieren lassen können, in der aber, wenn die ausbleiben, alles umgehend wieder in ruhiges Fahrwasser kommt. Wer die nötige Erfahrung hat weiß: Da geht es um emotionale Entscheidungen … und Emotionen kann man weder vorhersehen noch eingrenzen. Daher ist der beste Weg, jetzt gut durch die kommenden Wochen zu kommen einzusehen, dass eine gelassene, konsequente Reaktion auf das, was passiert, jetzt zwingend, eine „Markmeinung“ oder Zwänge durch zu viel Risiko hingegen äußerst toxisch sind.

An der Börse ist nichts unmöglich, heißt es oft. Leicht dahingesagt, wenn der Markt friedlich daherkommt. Aber wenn wir in einem Umfeld stehen wie jetzt, dann hat man dieses „Unmögliche“ auf einmal direkt vor der Nase. Da ist eine ruhige Hand gefragt. Und egal, ob Sie Long oder Short engagiert sein sollten: Achten Sie auf ihre Risiko-Exposition, zu große Positionen müssen so lange reduziert werden, bis der ruhige Nachschlaf wieder sichergestellt ist!

Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Börsenwoche!

Ihr

Ronald Gehrt

Der Bereich der sogenannten Sentiment-Analyse ist neben der Chart- und Markttechnik ein immens nützliches Tool für das Trading. Der vom US-Sender CNN ermittelte Fear & Greed-Index gehört dabei zu den bekanntesten und besten Werkzeugen. Und er ist normalerweise auch zuverlässig. Das Problem ist aber: Es gibt Sondersituationen, die der Index nicht erfassen kann. Und dann werden seine Signale problematisch … so wie aktuell. Sehen wir uns das mal an.

Die Sentiment-Analyse beharkt den Bereich der Börsenpsychologie: Wie verhalten sich Anleger, was lässt sich daraus ableiten? Dabei wird durchaus zu Recht unterstellt, dass die Stimmungslage der Masse der Marktteilnehmer wie ein Kontraindikator fungiert, wenn sie zu extrem wird. So indiziert extrem bullische Stimmung Gier (Greed). Gier macht unvorsichtig, das verfügbare Kapital wird voll investiert … und irgendwann gehen dem Markt dann die Käufer aus und die Sache kippt. Umgekehrt bedeutet eine massiv negative Stimmung Angst (Fear). Wer Angst hat, verkauft oder hat das bereits getan. Damit ist kaum noch jemand da, der in die gefallenen Kurse hinein aussteigen will, das bedeutet, die Kurse werden über kurz oder lang steigen.

Der Haken dabei ist aber dieses „über kurz oder lang“. Sentiment-Indikatoren sind für das unmittelbare Timing von Trades nicht gut geeignet, „Greed“- oder „Fear“-Phasen können bisweilen verblüffend lange anhalten, daher sind einzelne Indikatoren ebenso spannend wie unzuverlässig. Dieses Problem versucht der „Fear & Greed“-Index von CNN Business zu lösen, indem er sich nicht auf einen, sondern auf gleich sieben Indikatoren stützt.

Sieben einzelne Indikatoren ergeben ein Gesamtsignal … das ist grundsätzlich ideal

Da dieser Fear & Greed-Index CNN Business gehört, kann ich ihn an dieser Stelle nicht einfach abbilden, daher hier der Link dorthin, dann können Sie ihn sich selbst ansehen und nachvollziehen, wo es momentan klemmt: https://edition.cnn.com/markets/fear-and-greed.

Grundsätzlich ist dieser Index ein herausragendes Tool, das ich auch selbst gerne mit in meine Überlegungen einbeziehe, denn er hat einen bedeutenden Vorteil gegenüber den meisten anderen Indikatoren, egal, ob aus dem Bereich Sentiment oder Markttechnik:

Er besteht aus sieben Unterkomponenten und erzeugt damit ein sehr breites Bild, so dass man nicht wie bei Fehlsignalen von Einzel-Indikatoren komplett auf den falschen Dampfer gerät. Folgende sieben Indikatoren bilden zusammen diesen Index:

Die einzelnen Indikatoren: Wer in diesem Index alles mitmischt

Zunächst haben wir da das Momentum, die Schwungkraft des Marktes. Dazu wird hier geprüft, ob und wie weit der marktbreite S&P 500 an der Börse aktuell über dem gleitenden Durchschnitt der letzten 125 Handelstage notiert. Warum man mit 125 Tagen ausgerechnet ein ansonsten nie benutztes Zeitraster gewählt hat, sei dahingestellt, aber vom Prinzip her passt die Aussage: Je weiter der S&P 500 über dieser 125-Tage-Line notiert, desto größer ist das Momentum. Und mit ihm die Euphorie. Euphorie aber heißt, dass die meisten vermutlich schon investiert sind (weil man eher nicht euphorisch ist und zugleich ein leeres Depot hat). Und das bedeutet: Abwärtsrisiko. Umgekehrt gilt: Je weiter der S&P 500 unter der Linie notiert, desto größer ist der Pessimismus, d. h. wer verkaufen wollte, hat wohl schon verkauft. Und das bedeutet: Chancen auf der Oberseite.

Der zweite Indikator ist die Marktbreite des Trends. Je mehr Aktien an der NYSE (New York Stock Exchange) neue Hochs markieren im Vergleich zu denen, die neue Tiefs markieren (immer bezogen auf die letzten 52 Wochen), desto massiver ist die Hausse. Und wenn eine Hausse extrem wird, steht sie eben oft kurz vor ihrem Ende. Daher wird ein hoher Wert von 52-Wochen-Hochs minus 52-Wochen-Tiefs als bullisch und das wiederum als „Gier“ eingestuft, im Gegenzug ist ein geringer oder sogar negativer Wert (wenn mehr neue Tiefs als Hochs vorliegen) extrem bärisch und würde „Fear“ indizieren, d. h. es bieten sich Chancen für steigende Kurse.

Börse aktuell: Entwicklung neuer 52 Wochen Hochs und Tiefs in den USA von 2022 bis 2024 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Börse aktuell: Entwicklung neuer 52 Wochen Hochs und Tiefs in den USA von 2022 bis 2024 | Quelle: marketmaker pp4

Als drittes haben wir eine Messgröße für die Trendstärke des Aktienmarkts, indem die Zahl der jeweils zum gemessenen Zeitpunkt (während der Handelszeit alle paar Minuten) steigenden zu den fallenden Aktien an der NYSE mit ihren insgesamt um die 2.400 dort notierten Unternehmen ermittelt wird. Ist dieser Wert relativ niedrig, steigen also nur wenig mehr Aktien als zugleich fallen oder ist die Zahl nachgebender Aktien sogar höher, wertet der Fear & Greed-Index das als „Fear“.

Indikation Nummer 4 ist die sogenannte Put/Call-Ratio. Hier wird gemessen, wie sich das Verhältnis der am Terminmarkt gekauften Put- und Call-Optionen darstellt. Das ist eine gute Indikation, weil Optionen, anders als hierzulande, in den USA immer noch „das“ Derivat der Privatanleger sind. Wenn der Anteil an Puts über den der Calls steigt ist das ein Signal dafür, dass sich auffallend viele Anleger abzusichern scheinen, weil sie nervös sind. Das ist bärisch, weil man das als Kontraindikation sehen kann: Ungewöhnlich viele Trader, die skeptisch sind, bieten Chancen nach oben. Im Gegenzug ist ein starker Überhang an Calls ein Signal für Leichtsinn und damit als Kontraindikation potenziell bärisch.

Nummer 5: der VIX oder Volatilitätsindex. Er basiert auch auf dem Optionsmarkt und versucht zukünftige Preis-Volatilität zu messen. Steigt der VIX stark an, ist das ein Signal für „Fear“, ein niedriger VIX-Level zeugt von „Greed“.

Die sechste Komponente misst die Kursgewinne am US-Aktien- und am US-Anleihemarkt über die letzten 20 Tage mit jeweiligen Durchschnittswerten. Die Aussage: Wenn die Gewinne am Aktienmarkt höher sind als am Anleihemarkt, ist das ein Signal höherer Risikobereitschaft und wird als Gier, sprich „Greed“ gewertet. Wenn dieses Verhältnis aber zu Gunsten der Anleihen dreht, nimmt der Wunsch der Investoren zu, sich abzusichern, das signalisiert „Fear“.

Zuletzt haben wir noch das Verhältnis der Renditen von Anleihen mit schlechter Bonität (Junk Bonds) zu denen von US-Staatsanleihen, die die höchste Bonität aufweisen. Junk Bonds haben eine deutlich höhere Rendite, sprich man bekommt dort mehr Zinsen als Ausgleich für das höhere Risiko wegen der schwachen Bonität der Anleihe-Emittenten. Wenn die Spanne zwischen den Renditen von Junk Bonds und den US-Staatsanleihen zunimmt, zeugt das von zunehmender Risikobereitschaft und damit von Leichtsinn, was die Gefahr von Rückschlägen erhöht, daher wird das als „Greed“ eingestuft. Wird diese Rendite-Schere kleiner, greifen die Trader also vermehrt zu den weniger hoch rentierenden, aber sichereren US-Staatsanleihen, sieht man das als Signal von Angst, also „Fear“.

Wie wird der Fear & Greed-Index berechnet?

Wie macht man aus sieben Indikationen eine? Das Berechnungsprinzip ist ebenso simpel wie sinnvoll: Alle sieben Indikatoren werden in einer Range zwischen 0 und 100 Punkten berechnet, die sich aus der für diese Indikatoren normalen Spanne ergibt. Diese jeweiligen, aktuellen Wertungen zeigen für sich genommen, Sie sehen das selbst, wenn Sie den obigen Link auf die CNN Business-Seite nutzen, ob der Indikator gerade Angst oder Gier aussendet.

Aus diesen sieben Punktwertungen der Einzelindikatoren wird dann der Wert des Fear & Greed-Index ermittelt, indem die sieben Werte addiert und dann durch sieben geteilt werden, so dass jeder Einzelindikator die gleiche Gewichtung für den Endwert des Fear & Greed-Index erhält.

Dieser bewegt sich ebenso in der Skalenspanne 0 bis 100 Punkte, wobei er fünf Zonen ausweist:  0 bis 24 Punkte werden als „extreme Fear“ gewertet, 25 bis 44 Punkte als „Fear“. Die Zone zwischen 45 und 54 Punkten ist die neutrale Zone, danach sehen wir zwischen 55 und 74 Punkten „Greed“ und darüber, zwischen 75 und 100 Zählern, „Extreme Greed“.

Erinnern wir uns, bevor wir uns jetzt des Pudels Kern ansehen: Das ist ein Kontraindikator, den man also „auf den Kopf gestellt“ nutzt, indem „Fear“ bullisch und „Greed“ bärisch gewertet werden, sobald die Indikationen in die Extremzonen eintreten … und nur, wenn sie in den Extremzonen sind. Erst unter 25 Punkten sollte man den Fear & Greed“-Index als Hinweis auf einen baldigen Aufwärtsschwenk betrachten und erst über 75 als Vorboten einer nahenden Abwärtsbewegung. Zwischen 25 und 75 ist nichts extrem, Trends, die laufen, während der Index in diesem Bereich liegt, sind also, zumindest auf Basis dieser Ebene des Sentiments, nicht gefährdet.

Der Stand der Indikatoren zum Wochenende … und die Quelle des Problems

Die einzelnen Elemente gingen per Freitagabend mit folgenden Aussagen in den Gesamtindex ein:

Indikator 1, Momentum: Extreme Greed

Indikator 2, Marktbreite: Extreme Fear

Indikator 3, Trendstärke: Extreme Fear

Indikator 4, Put/Call-Ratio: Extreme Greed

Indikator 5, VIX: Neutral

Indikator 6, Spanne Anleihe/Aktienkurse: Greed

Indikator 7: Junk Bonds vs. Staatsanleihen: Greed

Damit lag der Fear & Greed-Index insgesamt bei 56 Punkten und damit in der völlig harmlosen Zone zwischen 40 und 60 Punkten, in der er schon seit Ende Mai unterwegs war … und das, obwohl der US-Aktienmarkt seither ungewöhnlich stark zugelegt hat. Doch der Fear & Greed-Index meldete: Alles im grünen Bereich, keine Übertreibung zu sehen. Seltsam?

Und ob das seltsam ist. Also muss man die Sache mal abklopfen … und wird umgehend fündig. Denn wie ist es möglich, dass das Markt-Momentum und die Put/Call-Ratio, also die Indikatoren 1 und 4, extreme Gier vermelden, die Indikatoren für Marktbreite und Trendstärke, Nummer 2 und 3, zugleich aber extreme Angst? Das ist, wenn man mal logisch denkt, unmöglich. Und genau da haben wir unser Problem!

Wieso der Fear & Greed-Index aktuell falsche Signale ausweist

Dieses Problem könnte jeder erkennen … aber die meisten schauen nur auf die Summe, nicht auf die einzelnen Komponenten und merken daher gar nicht, dass hier gerade etwas nicht passt. Vor allem Handelsprogramme, die den Fear & Greed-Index als Signalgeber nutzen und nicht seine einzelnen Elemente, sind dadurch derzeit auf dem falschen Dampfer, den der Index eigentlich vermeiden sollte und es in der Regel ja auch tut. Worum geht es?

Es geht natürlich um die Indikatoren Nummer 2 und 3, die gerade melden, dass am Aktienmarkt extreme Angst umgeht, während der Überhang von Calls zu Puts zuletzt so groß war wie zu keinem Zeitpunkt in den vergangenen zwölf Monaten und die Aktienmärkte von einem Rekordhoch zum nächsten marschieren.

Wer nicht will, dass der Index zu viel Leichtsinn meldet, weil er sich weiter steigende Kurse erhofft, freut sich über diese Werte des Gesamtindex im harmlosen Bereich und schaut nicht genauer hin, wieso das so ist. Was indes genau das noch unterstreicht: Leichtsinn. Das wäre, als würde mein Motor auf einmal dramatische Geräusche von sich geben und ich als Reaktion darauf das Radio lauter stellen. Denn ja, dieser „Motor“ sendet gerade falsche Signale aus, weil diese beiden Unterindikatoren Nummer 2 und 3 normalerweise in ihrer Aussage richtig eingeordnet werden. Aber aktuell haben wir eben eine ganz und gar nicht normale Börsenphase in der das, was man hier als positiv, d.h. für steigende Kurse zuträglich wertet, genau das nicht ist. Basis all dessen:

Die extreme und schon lange anhaltende Konzentration von immer mehr Anlegern und immer mehr Kapital auf ungewöhnlich wenige US-Aktien.

Börse aktuell: Anzahl steigender zu fallender Aktien an der NYSE und Entwicklung NYSE Composite und S&P 500 im Vergleich 2024 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Börse aktuell: Anzahl steigender zu fallender Aktien an der NYSE und Entwicklung NYSE Composite und S&P 500 im Vergleich 2024 | Quelle: marketmaker pp4

Der Run in die sogenannten „Magnificent Seven“, also die Mega-Caps unter den Hightechs Apple, Alphabet, Amazon, Nvidia, Meta, Microsoft und Tesla sowie zudem in Aktien wie z.B. Broadcom oder ARM Holdings, die im „KI-Hype“ immens zulegen, hat dazu geführt, dass diese Aktien in ihren Indizes ein immer höheres Gewicht haben und so den ganzen Markt dominieren. Diese Entwicklung, dass extrem viele extrem wenige Aktien kaufen, die aber immer mehr und mehr, ist alles, nur nicht klug. Es erhöht das Risiko von Rückschlägen extrem … und die ersten Ansätze davon haben wir am Donnerstag und erneut dann zum Handelsende des Freitags ja bereits zu sehen bekommen.

Aber weil diese Sondersituation den Effekt hat, dass nur wenige Aktien neue Hochs markieren, weil so viele sich auf so wenige Aktien stürzen und der Rest quasi auf dem Grabbeltisch liegen bleibt, haben wir eine geringe Zahl neuer 52-Wochen-Hochs und eine schwache Relation von steigenden zu fallenden Aktien. Zwar stieg der Markt insgesamt trotzdem immer höher, weil diese wenigen „Dauerläufer“ die Indizes immer höher zogen – eines der krassesten Signale für brandgefährlichen Leichtsinn. Aber:

Diese beiden Indikatoren 2 und 3 für Marktbreite und Trendstärke sind dadurch schwach, liegen festgezurrt im Bereich „Extreme Fear“ und führen so dazu, dass der Gesamtindex gar nicht in die „Extreme Greed-Zone“ vorstoßen kann, obwohl genau das am Markt vorherrscht. Einfach, weil die Werte der beiden Indikatoren immens niedrig sind, mit zwei Siebteln in die Gesamtberechnung eingehen und so für den „Fear & Greed“-index selbst einen Deckel aufgebaut haben, der verhindert, dass Werte über 75 Punkte und damit „Extreme Greed“ erreicht werden können.

Börse aktuell: Umverteilung vom Nasdaq 100 zum Russel 2000 am 11. Juli 2024 | Quelle: TWS | Online Broker LYNX
Börse aktuell: Umverteilung vom Nasdaq 100 zum Russel 2000 am 11. Juli 2024 | Quelle: TWS

Fazit: Der „Fear & Greed“-Index könnte die Hausse unfreiwillig noch intensiviert haben

Wenn man sich überlegt, dass der Fear & Greed-Index allgemein immer mehr Beachtung findet und er sich zudem sehr gut eignet, um Signalgeber von computergesteuerten Handelsprogrammen zu sein, kann es einem ein wenig bange werden. Einem Handelsprogramm muss man ja einfach vorgeben „unter 25 kaufen, unter 20 Long mit Derivaten … über 75 Long verkaufen, über 80 Short mit Derivaten“. Das funktioniert gut, denn der Indikator an sich ist ja ein tadelloses Tool. Aber wäre es so, kommt der Gedanke auf, dass diese durch diese Sondersituation hervorgerufene Fehlfunktion die Hausse am US-Markt noch intensiviert haben könnte. Und damit das Rückschlagrisiko. Vor allem, wenn passieren sollte, was sich am‚ Donnerstag andeutete:

Nämlich, dass die „Anderen“, die vielen lange ignorierten Aktien, anziehen, weil begonnen wird, Geld aus den glühend heiß gelaufenen „Magnificent Seven“ in konservativere Aktien umzuschichten. Dann steigen eben auch einmal ganz viele statt ganz wenige Aktien. Dann werden relativ bald sehr viele neue 52-Wochen-Hochs erreicht. Dann haut das aber die beiden „Fehlfunktionen“ in Form der Indikatoren 2 und 3 sofort nach oben, die senden plötzlich „Extreme Greed“ und der Fear & Greed-Index zieht rasant nach oben, während der Gesamtmarkt, gedrückt von den wenigen Super-Schwergewichten, aus denen dann viele herauswollen, fällt!

Kommt es so? Dass das passieren kann, hat vor allem der Donnerstag ja gezeigt. Also? Also ist es wie immer an der Börse zwingend, sich nicht einem schönen Schein hinzugeben, sondern unbedingt und bei allem genauer hinzusehen!

Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Börsenwoche!

Ihr

Ronald Gehrt

Quellenangaben:
Fear & Greed-Index, CNN Money: https://edition.cnn.com/markets/fear-and-greed

Angeblich wird das zweite Halbjahr 2024 ziemlich bullisch. Das sagen zumindest Statistiken. Erstens, weil der Juli besonders bullisch ist, angeblich. Und weil der Aktienmarkt in US-Wahljahren statistisch gesehen steigt. Das Problem ist: Statistiken sind „biegsam“. Sie zeigen nur einen Durchschnittswert, der aussagt: Tendenziell stiegen die Kurse in den vergangenen Jahren im Schnitt ab jetzt erst mal weiter. Schön, nur heißt das eben übersetzt: Oft ist das so … wenn aber nicht, dann nicht. Auf dieser Basis soll man traden? Sehen wir uns mal Beispiele an.

Nehmen wir mal an, Sie kommen an eine Brücke, die, vorsichtig formuliert, wenig vertrauenerweckend daherkommt. Am anderen Ende gibt es aber eine dicke Belohnung, das lockt, hinüberzugehen. Aber wenn der zuständige Brücken-Troll ihnen mitteilt, dass diese Brücke in zwei Drittel der Fälle gehalten hat, wenn jemand darüber gelaufen ist, man ansonsten aber publikumswirksam 80 Meter tiefer im Abgrund zerschellt … würden Sie dann ohne lange nachzudenken frohgemut losmarschieren? Nein? Aber sehr viele Anleger tun genau das – und zwar mit ihrem Geld.

Gut, Geld und der eigene Körper sind nicht dasselbe, aber wenn Sie ihre Ersparnisse verzocken, sind die Folgen auch nicht ganz ohne. Und glaube niemand, diese Leute tun das, weil der für den Trend zuständige Börsen-Troll genuschelt hat. Sie hören nur nicht hin und sehen einfach das, was sie sehen wollen. Genauer hinzusehen wäre aber höchst ratsam, auch und gerade in Sachen Statistiken.

Die Aussage einer Statistik hängt entscheidend von der erfassten Zeitspanne ab

In einem Artikel von „Morningstar“ las ich dieser Tage, dass die Bespoke Investment Group mitteilte, dass der Juli der beste Monat für den S&P 500 in Sachen Performance sei, seit dessen Berechnungsstart ebenso wie über die letzten 20 Jahre. Na, sagt sich der geneigte Bulle daraufhin zweifellos, da kann man also noch ein paar Schippen Kohle nachlegen.

Kann man? Da mir das mit dem Top-Performer Juli nicht bewusst und irgendwie suspekt war, habe einfach mal woanders nachgeforscht. So hat die Nachrichtenagentur Reuters die durchschnittliche monatliche Performance des S&P 500 seit 1945 berechnet. Da kommt man aber für den Juli nur auf Platz vier nach November, Dezember und April. Und sieht diese durchschnittliche Juli-Performance bei 1,2 Prozent.

(Einwurf: Beim DAX kommt der Juli bei einer solchen Rechnung, beginnend 1959, nur zusammen mit dem Januar auf Platz fünf nach März, November, Dezember und April.)

Wie belieben? 1,2 Prozent im Schnitt beim S&P 500? Aber das haben wir ja in den vier bisherigen US-Handelstagen des Julis schon abgefrühstückt, wir liegen da an der Börse aktuell ja schon bei +1,95 Prozent!? So ist es. Was indes nicht heißt, dass jetzt in Sachen Hausse Feierabend sein muss. Es zeigt aber eines auf:

Schnittwerte sind, wenn sie über eine zu kurze Zeitspanne ermittelt werden, nichts wert. Und ist die Zeitspanne andererseits zu lang, kommt nur statistischer Matsch heraus, weil nun einmal kein Monat dauernd steigende oder fallende Kurse liefert, sondern es immer mal so, mal so läuft.

Und dass die einen den Juli als Top-Performer ausrufen, die anderen nicht, basiert einfach darauf, dass die Berechnungen zu unterschiedlichen Zeitpunkten begannen. So liegen die üblen Jahre 2000-2003 eben außerhalb der von Bespoke Investment Group erwähnten 20 Jahre. Und was den erwähnten „Beginn der Berechnung“ des S&P 500 angeht, ist diese Aussage unklar, denn je nach Betrachtung kann dieser Beginn 1923, 1928 oder 1957 sein.

Es läuft immer mal so, mal so … der Schnitt davon bringt einem Trader so gut wie nichts

Nicht, weil ich nichts Besseres zu tun gehabt hätte, sondern um der Sache etwas mehr Struktur zu verleihen, habe ich mir die Performances im Juli für den S&P 500 über die letzten 20 Jahre (2004 – 2023 inklusive) mal genau angesehen. Folgendes kam heraus:

In den letzten neun Jahren brachte der Juli jedes Mal einen Kursgewinn. Und insgesamt lag die Zahl der positiven zu den negativen Juli-Monaten bei 15 zu 5. Das wirkt überzeugend. Aber:

Börse aktuell: Kursentwicklung S&P 500 im Juli von 2013 bis 2024 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Börse aktuell: Kursentwicklung S&P 500 im Juli von 2013 bis 2024 | Quelle: marketmaker pp4

Bisweilen fiel eine Aufwärtskorrektur in einem insgesamt schwächeren Markt ausgerechnet auf den Juli, so z.B. 2022 oder aber es ging dafür direkt danach, im August, massiv abwärts. Was übrigens auch etwas ist, das man in solchen Statistiken nicht liest: Der August ist im langfristigen Schnitt eine Nullnummer, der September dann der im Schnitt schwächste Monat von allen. Warum also im Juli noch einsteigen? Aber weiter mit meiner Rechnerei:

Dann dachte ich mir, dass 20 Jahre aktuell ein höchst cleverer Zeitpunkt für eine bullische Aussage sind, weil das die schlechten Jahre 2000-2003 ausnimmt. Also habe ich den Zeitraum auf 25 Jahre erweitert, also ab 1999 bis 2023 einschließlich. Und schon sieht das Bild anders aus, denn sogar 1999 brachte der Juni ein Minus, 2000, 20001 und 2002 ebenso, nur 2003 kam ein kleines Plus heraus. Bei 25 Jahren haben wir also eine Relation von 16 zu 9 … das ist schon deutlich weniger überzeugend.

Das zeigt schon: Da läuft es wie beim eingangs erwähnten Brücken-Beispiel. Es kann mal so, mal so laufen, der Schnittwert davon ist somit kein Wegweiser für egal was. Davon mal abgesehen, dass er ja nur aufzeigt, was im Schnitt der vergangenen X Jahre passiert war. Da sich die Welt aber bekanntlich weiterdreht, jede Situation anders ist als eine in der Vergangenheit und Überraschungen an der Börse deren tägliches Brot sind, taugt das als Blick nach vorne … gar nichts. Davon mal abgesehen:

Wenn man Statistiken und Schnittwerte beachtet, dann aber auch die ungünstigen

Gerade erst vor zwei Wochen aktualisierte Reuters den Stand der Dinge in Sachen S&P 500-Kursziele der Analysten, konkret am 22. Mai, basierend auf einer vom 13. bis 22. Mai durchgeführten Umfrage unter 50 Marktstrategen. Deren Kursziel lag im Schnitt bei 5.302 Punkten für den 31.12.2024. An diesem Punkt sind wir an der Börse aktuell aber schon um fünf Prozent vorbei gelaufen, sprich der Index müsste im zweiten Halbjahr fallen, wenn er dorthin kommen wollte.

Haben die Marktstrategen keine Ahnung? Warum sind die überhaupt so komisch skeptisch, Kursziele liegen doch sonst fast immer weit über dem aktuellen Kurs, egal ob bei Einzelaktien oder Indizes?

Nun, das könnte daran liegen, dass die Rahmenbedingungen … im Gegensatz zu entsprechend von Startzeitpunkt und Fragestellung her zurechtgebogenen Statistiken … nicht zu einer Dauer-Hausse auf Rekordniveau passen. Da werden sogar Leute vorsichtig, die sonst immer bullisch sind. Und wer als Trader einigermaßen bei Sinnen ist, beachtet, wenn man schon Statistiken zur eigenen Orientierung hernehmen will, beide Seiten der Medaille und registriert auch solche Zahlen, die einem nicht in den Kram passen. Aber, so mag ein irritierter Bulle einwenden: Was ist denn mit dem „Wahljahr-Effekt“?

Wahljahre sind bullisch? Wie man’s nimmt.

Auch da kommt es darauf an, wo man anfängt, die Statistik zu berechnen. In einem Artikel von Franklin Templeton gab es u.a. eine Statistik (Link dazu ganz unten), die die Jahre 1990 bis 2018 beim S&P 500 hinsichtlich dessen Performance in den vier Jahren eines Wahlzyklus abklopft. Das für manche sicher erstaunliche++ Ergebnis: Es waren die Jahre außerhalb von Präsidentschafts- und Zwischenwahlen, die die starke Performance brachten, nicht das Wahljahr selbst. Da kam im Schnitt der in diesen Zeitraum fallenden sieben Präsidentschaftswahlen nur eine S&P-Performance von 5,83 Prozent zusammen.

Nimmt man die Wahl 2020 mit hinein, korrigiert sich das zwar nach oben, denn 2020 erreichte der Index eine Performance von 18,4 Prozent. Aber der Schnitt … und da sind wir wieder bei diesem Faktor … verschiebt sich dadurch ja nur mäßig, von 5,83 auf 7,36 Prozent. Und bis jetzt, stand Schlusskurs 5. Juli, liegt die bisherige Jahres-Performance des Index bereits bei 16,7 Prozent. Tja.

Und um diese Sache mit der Aussageschwäche von Schnittwerten zu untermauern, habe ich die Jahres-Performances dieser Wahljahre 1992 bis 2020 inklusive mal einzeln herausgerechnet: 1992 7,6% … 1996 23,0% … 2000 -9,1% … 2004 10,9% … 2008 -37,0% … 2012 16,0% … 2026 12,0% … 2020 18,4%.

Börse aktuell: Kursentwicklung S&P 500 in US-Wahljahren von 1992 bis 2024 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Börse aktuell: Kursentwicklung S&P 500 in US-Wahljahren von 1992 bis 2024 | Quelle: marketmaker pp4

Die Spanne reicht also von -37 bis +23 Prozent. Dass insgesamt trotzdem ein Plus herauskommt liegt daran, dass sechs dieser acht Wahljahre einen Kursanstieg brachten, von denen aber nur die 1996 und 2020 höher lagen als das, was der S&P 500 bereits jetzt, zur Halbzeit, eingefahren hat. Und alleine der Umstand, dass die schwachen Jahre 2000 und 2008 nicht wegen der Wahl, sondern wegen der Rahmenbedingungen schwach waren sollte klar machen: Die wiegen immer deutlich schwerer als das politische Possenspiel vor Präsidentschaftswahlen, im positiven ebenso wie im negativen Sinn.

Hinschauen ist sinnvoll, blind daran zu glauben nicht

Gerechnet ab 1929 und damit über 95 Jahre, hat der S&P 500 nur in 30 Jahren im Jahressaldo ein Minus ausgewiesen, auch dazu finden Sie unten einen Link. Somit sind, statistisch gesehen, 68,5 Prozent aller Jahre bullisch. Das klingt wie eine sichere Bank, aber wieder siehe oben: Bei einer Brücke würden Sie vermutlich anders denken. Und wenn Jahre übel wurden, dann gerne richtig. Nur liegt das letzte fatal schwache Jahr mit -38,5 Prozent gut 15 Jahre zurück, das war 2008. Lange genug, um es zu verdrängen und in alte Muster zurück zu fallen. Aber ich meine:

Kaum etwas ist gefährlicher, als eine Gefahr zu ignorieren, indem man sich nur die Daten heraussucht, die einem in den Kram passen. Im „realen Leben“ ebenso wie an der Börse. Aber Statistiken sind wunderbar geeignet, entsprechend unklug zu verfahren, weil sie einem vorgaukeln, einen Blick auf die Zukunft werfen zu können.

Ich gehe an keiner Statistik vorbei: Kommt da etwas, schaue ich hin. Aber es gibt auch keine Statistik, die ich nicht sofort hinterfrage und gegenprüfe. Für mich ist dieser Juli 2024 ein Börsenmonat wie jeder andere und das Jahr 2024 ein Börsenjahr wie jedes andere. Was im Durschnitt von X Jahren in einem Juli oder einem Wahljahr passiert ist, ist zweifellos interessant anzusehen. Aber es kann nie ein verlässlicher Wegweiser für die Zukunft und das eigene Trading sein!

Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Börsenwoche!

Ihr

Ronald Gehrt

Quellenangaben:
Morningstar-Artikel über die S&P 500-Performance: https://www.morningstar.com/news/marketwatch/20240629284/sp-500-gain-in-first-half-of-2024-blows-historical-average-out-of-the-water
Reuters-Grafik über die monatliche S&P 500-Performance ab 1945: https://www.reuters.com/graphics/USA-MARKETS/SEPTEMBER/zdvxozbwqpx/
Reuters-Meldung über die Kursziele der Analysten für den S&P 500: https://www.reuters.com/markets/us/sp-500-end-2024-around-current-levels-after-strong-run-2024-05-22/
Franklin Templeton-Artikel zum Thema Wahljahre in den USA: https://www.franklintempleton.de/aktuelles/2024/institute/kurze-uberlegungen-haben-die-wahlen-entscheidenden-einfluss-auf-die-markte
Jahres-Performances des S&P 500 seit 1929: https://www.macrotrends.net/2526/sp-500-historical-annual-returns