Börse aktuell

Hier erfahren Sie, was an der Börse aktuell geschieht. Unser Börsenexperte Ronald Gehrt beobachtet täglich das aktuelle Börsengeschehen und fasst die neuesten Börsendaten und Börsenberichte wöchentlich für Sie zusammen. Mit Börse aktuell bringen wir die wichtigsten Börsennachrichten auf den Punkt und kommentieren, was momentan an der Börse los ist.

Börse: Aktuelle Nachrichten der Woche

Neues von der Börse: Unsere aktuellen Börsennachrichten informieren Sie jede Woche über die derzeitige Börsenentwicklung. Was beschäftigt die Börse? Was steht diese Woche an? Diktieren Bullen oder Bären die Märkte? Sollten Sie Ihre Investitionen erhöhen oder lieber Gewinne mitnehmen? Wir geben Ihnen die Antworten auf diese Fragen, wagen einen Ausblick auf die kommende Börsenwoche und bewerten anstehende Ereignisse, die Auswirkungen auf den Börsenverlauf haben könnten.


Börse aktuell vom 28.-04.05.2025

Das Hoffen auf eine V-Formation: Wie stabil ist dieses Eis?

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DAX
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Gültigkeit der Analyse
1 Woche
Erwartung:
Neutral
Zum DAX

Erst Panik, dann Rückkäufe und kurz darauf wieder eitel Sonnenschein am Aktienmarkt: 2020 lief es so. Eine V-Formation hatte sich damals gebildet. Gut drei Monate nach dem Corona-Crash war der Großteil der Verluste aufgeholt, kein Jahr später waren neue Rekorde erreicht. Diesmal, so hoffen viele, wird es genauso laufen. Aber die Rahmenbedingungen sind jetzt andere. Und man vergisst zudem gerne: Nicht jeder Versuch einer V-Formation endet erfolgreich.

Dass man aktuell seitens der Käufer auf eine V-Formation setzt, ist zwar einerseits nicht überraschend, weil man noch gut in Erinnerung hat, dass genau das 2020 passiert war und damals diejenigen, die einfach in einen Crash hinein gekauft hatten oder mit vollem Depot gar nicht reagierten, heil bzw. mit gutem Gewinn aus der Sache herauskamen. Andererseits sind solche Formationen keineswegs üblich, blickt man auf die Historie der Märkte, sind sie deutlich seltener als die Klassiker unter den Trendwendeformationen wie Doppel- und Dreifachtiefs oder umgekehrte Schulter-Kopf-Schulter-Formationen. Und ihre Seltenheit begründet sich in den für ein „schnell runter, schnell rauf“ nötigen Szenarien. Zwei Szenarien wären dafür denkbar.

Wie eine V-Formation entstehen kann

Dabei muss man mit dem Abwärtsimpuls als Basis einer möglichen V-Formation anfangen. Normalerweise laufen Abwärtsbewegungen eher kontrolliert und in Wellen ab. Die Gemengelage und/oder der Ausblick trüben sich ein, die Anleger werden unruhig. Die Zahl der Käufer nimmt ab, die der Verkäufer zu, die Kurse rutschen ab. Für eine V-Formation bedarf es aber eines ziemlich drastischen und weitreichenden Abverkaufs als Basis.

So etwas kann dann entstehen, wenn entweder sehr dramatische Ereignisse unverhofft auftauchen oder wenn zu viele Marktteilnehmer eine Verschlechterung der Gemengelage zu lange bewusst ignoriert haben, so dass es zu einer Art „Deichbruch“ kommt, wenn die ersten erst einmal anfangen, auszusteigen. 2020 war es der drastische Impact durch Corona, 2022 der Angriff auf die Ukraine, was diese massive Veränderung der Lage ausgelöst hatte. Der folgende Chart zeigt diese beiden Fälle ebenso wie die aktuelle Situation.

Börse aktuell: V-Formationen im DAX von 2020 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
V-Formationen im DAX von 2020 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4

Übrigens ordne ich die Bewegungen im Herbst 2020 und im Herbst 2022 nicht als V-Formationen ein, wenn, dann sind das Miniaturausgaben einer solchen Wende, weil es zuvor nicht stark und weit genug abwärts ging. Aber sie haben durchaus Ähnlichkeiten von der Sache her:

Man war im Vorfeld sehr negativ, dann aber änderte sich das Bild seitens der Lage bzw. seitens dessen, was die Trader erwarteten. Im Herbst 2020 resignierte man beim Warten auf Impfstoffe, aber dann drehte der Markt auf dem Absatz, als die ersten Corona-Impfstoffe als „fertig“ gemeldet und die US-Wahl zu einem Sieg der Demokraten führte. Im Herbst 2022 setzte man sehr frühzeitig darauf, dass die Inflation in den Griff bekommen wird und bekam am Ende auch Recht damit.

Aber zurück zu den beiden großen V-Formationen, bei denen die erste 2020 gelang … die zweite 2022 am Ende aber scheiterte und der DAX, den wir hier als Beispiel nehmen, erst hängenblieb und dann in den folgenden Monaten unter das Tief vom Jahresbeginn fiel. Was entscheidend ist, ob eine solche Formation gelingt oder nicht, ist der Grund, wieso die Kurse auf einmal schlagartig wieder nach oben sausen. Sehen wir uns diese Fälle an:

Warum „funktionierte“ die V-Formation im Jahr 2020?

Die 2020er V-Formation gelang, weil aus Hoffnungen Fakten wurden. Am Anfang einer V-Formation stehen ja immer Gewinnmitnahmen der Short-Seller, sprich der Bären. Ob diese bei leer verkauften Aktien oder bei Short-Positionen im Future den Gewinn sichern wollen: In beiden Fällen müssen sie kaufen – entweder die zuvor leer verkauften Aktien oder den Future Long – um die Positionen zu schließen. Und das zieht die Kurse nach oben. Hier findet bereits die erste wichtige Weichenstellung statt:

Kaufen die Bären, weil sich die Lage zum Positiven gewandelt hat oder nur, weil der vorherige Selloff eine massive Übertreibung auf kurzfristiger Ebene war? Bei solchen kapitalen Kurseinbrüchen, die V-Formationen ausmachen, ist meist Letzteres der Fall. Was die Sache anfangs immer sehr wacklig macht, denn wenn sich die Gründe für die vorherigen Verkäufe nicht verringern, sich ggf. sogar intensivieren, kommen die Bären schnell wieder zurück.

Aber nach diesen Gewinnsicherungen der Bären kommen gemeinhin sofort andere Käufe. Käufe rein technisch ausgerichteter Trader und dann die Käufe derer, die hoffen, der Spuk wäre vorbei und man würde, wollte man abwarten, eine grandiose Chance verpassen. Letztere Käufe müssen dann aber auf der festen Erwartung basieren, dass sich die Lage wirklich wieder verbessert und/oder die Verkäufe zuvor trotz negativem Umfeld viel zu weit gegangen waren. 2020 klappte das.

Denn man setzte darauf, dass Corona und die dadurch verbundenen Lockdowns zwar einen harten Schnitt in der Weltwirtschaft bedeuten, dies aber alles ohne Folgeschäden wieder aufholbar sei. Und damit lag man grundsätzlich richtig. Wichtig war hier aber, und damit geht der Blick auf den Oktober des Jahres 2020, als es dann doch beinahe noch schief gegangen wäre, dass diese Hoffnungen in absehbarer Zeit auch Bestätigung finden.

Börse aktuell: V-Formation und Sockel im DAX 2020 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
V-Formation und Sockel im DAX 2020 | Quelle: marketmaker pp4

Wenn die Meldung über Impfstoffe und der den Markt freuenden Ausgang der US-Wahl Anfang November 2020 nicht gerade noch rechtzeitig gekommen wären, hätte diese V-Formation am Ende auch scheitern können und hätte das vorherige Hoch nicht überboten! Der Index war bereits aus dem „Sockel“ … einer Seitwärtsrange, die dem rechten Schenkel des „V“ oft folgt und die Entscheidungszone bildet, ob die Formation wirklich nach oben vollendet wird oder scheitert … nach unten ausgebrochen. Impfstoffe und US-Wahl rissen das Ruder im letzten Moment herum.

Warum scheiterte der Versuch einer V-Formation 2022?

Die V-Formation Anfang 2022 scheiterte hingegen, weil sich die Hoffnungen, die die Trader zum Einstieg verleiteten, nicht erfüllten, sondern die Lage im Gegenteil sukzessiv kritischer wurde.

Börse aktuell: Gescheiterte V-Formation im DAX 2022 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Gescheiterte V-Formation im DAX 2022 | Quelle: marketmaker pp4

Zum einen konnte der Ukraine-Konflikt nicht zügig beigelegt werden und blieb ein über den Märkten hängendes, geopolitisches Damoklesschwert mit Relevanz für die Energieversorgung.

Zum anderen hatten sich Politik, Notenbanker und auch manche Volkswirte geirrt, als sie gebetsmühlenartig wiederholten, dass die seit Herbst 2021 deutlich anziehenden Preise als Folge der vorherigen Lockdown-Phasen nur ein kurzzeitiges Phänomen seien, das sich zeitnah von selbst erledigen werde. Im Gegenteil mussten die Anleger im weiteren Verlauf des Jahres 2022 sehen, dass die Inflation aus dem Ruder lief und die Notenbanken die Leitzinsen schnell und weit anhoben.

Auffällig dabei war, dass es der DAX bis an die Nackenlinienzone der vorherigen Toppformation geschafft hatte, bevor er nach unten abdrehte und sukzessiv neue Tiefs markierte.

Wir sehen: Es kommt entscheidend darauf an, ob die Argumente, die die Anleger, die nach den ersten Eindeckungen der Bären kaufen und damit aus einer normalen Gegenbewegung eine potenzielle Aufwärts-Trendwende in V-Form machen, sich als stichhaltig erweisen oder nicht. Wenn die da gespielten Karten nicht stechen, ist das Risiko, dass aus dem Ansatz eines „V“ am Ende doch keine Aufwärtswende wird, sondern die Abwärtsbewegung wieder einsetzt, immens hoch. Wie sieht es da heute aus, jetzt, da man erneut auf eine „V-Formation“ setzt?

Und heute? Hopp oder Topp?

Manche von Ihnen würden es vielleicht so lapidar formulieren, wie ich es jetzt tue: Gar nicht gut schaut es dahingehend aus. Denn die Faktoren, die den Selloff befeuert hatten, sind ja alle noch da:

Die Zölle bedrohen die Weltwirtschaft immens. Und die US-Politik wirkt derzeit planlos und mehr aus dem Bauch heraus, so dass man schlicht nicht absehen kann, wie sich die Lage in drei, sechs oder zwölf Monaten darstellen könnte, wirtschaftlich wie geopolitisch. Zumal: Sollte es zu für die USA zufriedenstellenden „Deals“ kommen, würden die Vorteile, die die US-Wirtschaft dadurch erlangt, ja auf Kosten der restlichen Länder und der dortigen Unternehmen errungen. Keine gute Basis für eine nachhaltige Aufwärtswende … aber!

Man darf auf keinen Fall ignorieren, dass eine sachliche, rationale Lagebetrachtung selten die Kurse führt. Es sind Emotionen. Zuerst, beim Kurseinbruch, Angst oder sogar Panik, danach Gier und/oder die Furcht, eine Super-Chance zu verpassen. Das ist es, was den meisten Akteuren die Hand führt.

Daher können auch irrational wirkende Argumente zu steigenden Kursen führen und eine Hausse generieren, die erst „abgeschossen“ wird, wenn die Faktenlage derart finster wird, dass wirklich auch die letzten Luftschlösser platzen. Dass der DAX, vor allem aber die US-Indizes, bereits so weit nach oben gelaufen sind, deutet zwar an, dass hier gerade eine ganze Menge Akteure die Realität gegen eine vom Wunsch nach Gewinnen rosa eingefärbte, subjektive Zukunft tauscht. Aber was fängt man mit dieser Erkenntnis an?

Börse aktuell: Mögliche V-Formation im DAX 2025 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Mögliche V-Formation im DAX 2025 | Quelle: marketmaker pp4

Letztlich ist, in emotional dominierten Phasen noch mehr als sonst, nie klar vorhersehbar, wie es weitergeht. Aber immer dann, wenn die Rallye und die rational wahrscheinlichere Entwicklung der Rahmenbedingungen nicht zusammenpassen, ist größte Vorsicht angesagt, wenn es um die Frage geht: Mitmachen oder wegbleiben? Zumal es diesmal noch einen anderen Aspekt gibt, der zur Vorsicht anhalten sollte:

Die Märkte waren zuvor so stark gestiegen, dass sie extrem teuer bewertet waren. Und über eines sollten die gerade einlaufenden Ergebnisse des ersten Quartals nicht hinwegtäuschen: Dass die großenteils gut ausfallen, hat nichts zu sagen, denn die ersten, heftigeren Zölle kamen erst im März, der große Rundumschlag Trumps erst Anfang April. Die Zahlen fallen sogar eher wegen der Zölle so gut aus, denn:

Die waren ja absehbar, daher wurde so viel wie möglich im Vorfeld in die USA verschifft und von den Verbrauchern in Erwartung der durch die Einfuhrzölle stark steigenden Preise vorgekauft. Was bedeutet: In der Folge fällt das Wachstum in ein Loch. Und das ist eines, aus dem man ohne wirklich taugliche und vor allem zeitige Lösungen so schnell nicht mehr herauskommen wird.

Die eigentliche Entscheidungszone kommt erst jetzt

Dabei gibt es einen Bereich in den Kursen, egal, welchen Index man da hernehmen wollte, den man als eine Art „Nagelprobe“ für die Solidität und Kraft einer denkbaren V-Formation hernehmen kann, nämlich genau den Punkt, über dem man ein solches „V“ als vollendet, die Wende als gelungen ansehen könnte. Und das hat auch auf logischer Ebene etwas für sich.

Die Charts zeigen: Die Nackenlinie der vorherigen Toppformation ist in der Regel eine entscheidende Hürde. Der Grund: Das ist der Punkt, wo der Kurseinbruch und damit der linke Schenkel des „V“ seinen Ursprung hatte. Würde man den Kurs, hier des DAX, über diesen Punkt ziehen, wäre man also auf einem Kurslevel, der implizieren würde, dass die Gründe, die den Selloff ausgelöst haben, komplett aufgekauft sind. Was dann nachvollziehbar wäre, wenn alles in der Tat wieder ist, wie zuvor … oder man wenigstens unterstellen dürfte, dass es sehr bald und ziemlich sicher so sein wird. Und das ist in unserem aktuellen Szenario nicht der Fall.

Börse aktuell: V-Fomation im Dow Jones 2002 - erst vollendet, dann gescheitert | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
V-Fomation im Dow Jones 2002 – erst vollendet, dann gescheitert | Quelle: marketmaker pp4

Donald Trump hat seine Amtszeit gerade erst begonnen, überschreitet diese Woche gerade mal die 100-Tage-Linie dieser. Man müsste darauf setzen, dass er sich umgehend deutlich anders verhalten wird und seine mehrheitlich untauglichen Minister schnell gegen fachkundige und pragmatisch agierende Leute austauscht. Nur so könnte man erwarten, dass der DAX über dieser Nackenlinie des Februar-/März-Topps trotz der sehr teuren Bewertung eine Chance hat, dauerhaft darüber zu bleiben und im Idealfall über das bisherige Hoch zu laufen. Das vorstehend gezeigte Beispiel des Dow Jones aus der Zeit der Baisse 2000-2003 zeigt: Kurzfristig kann eine Vollendung durchaus auch mal gelingen, aber damit sie dauerhaft ist, muss eben das Umfeld passen.

Können wir das erwarten? Hoffen kann man das immer, aber wenn man die Ratio „zuschaltet“, bröckelt eine solche Hoffnung doch ganz erheblich, daher meine ich: Vorsicht ist jetzt unbedingt angebracht!

Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Börsenwoche!

Ihr

Ronald Gehrt

Wir beabsichtigen nicht, diesen Artikel zu aktualisieren. In Zukunft können aber Analysen zum selben Finanzinstrument veröffentlicht werden.
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Nach dem Abitur 1984 studierte der gebürtige Hamburger an der Universität der Bundeswehr Betriebswirtschaftslehre. Im Anschluss an seine Dienstzeit als Offizier begann seine Zeit als Analyst und Finanzjournalist. Seit 1996 war und ist er als Redakteur, Referent und Kolumnist in zahlreichen Funktionen aktiv, seit 2016 ist er unter anderem Analyst bei LYNX. Gehrt ist ein Allrounder, der in der fundamentalen, d.h. volks- und betriebswirtschaftlichen Analyse ebenso sattelfest agiert wie in den verschiedenen Disziplinen der Technischen Analyse wie Chart- und Markttechnik und Sentinentanalyse.


Börse aktuell: DAX, Dow Jones und Co.

Die heutigen Top-News und Börsenmeldungen zum DAX und der Börse USA mit dem Dow Jones, dem Nasdaq und dem S&P 500 als weltweit einflussreiche Indizes bilden einen Schwerpunkt unserer aktuellen Berichterstattung von der Börse. Auch gute Aktien, die momentan sehr stark im Fokus der Anleger stehen und steigende Börsenkurse prophezeien, werden wir Ihnen hier vorstellen. So bekommen Sie einen umfassenden Börsenausblick und können Ihre eigenen Börsenprognosen verifizieren oder falsifizieren.

Börse: Aktuelle Entwicklung und Trends

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Börse: Aktuelle Tipps zum Marktgeschehen

Neben Börsennews bekommen Sie auch hilfreiche Tipps, um das gegenwärtige Marktgeschehen besser zu interpretieren. Der Börsenmarkt setzt sich aus vielen verschiedenen Märkten zusammen. Jedes Land, jede Branche und jedes Finanzprodukt wird von individuellen Faktoren beeinflusst, sodass es schwierig ist, alle Märkte mit ihren jetzigen Chancen und Risiken zu verfolgen und zu analysieren. Mit Börse aktuell liefert Ihnen unser Börsenprofi die Börseninformationen, die wirklich wichtig sind, und zugleich eine kompakte Börsenvorschau der Woche.

Börse aktuell: Die letzten Nachrichten

Am Mittwochabend verkündete der US-Präsident die zeitweilige Aussetzung der gerade erst eine Woche zuvor verhängten Extrem-Zölle für diejenigen Länder, die sich diesen Maßnahmen nicht widersetzt haben. Am Samstag hieß es, es gebe jetzt das nächste Bonbon für die Märkte. Trump rudert zurück, titeln die Medien … aber haben diejenigen, die daraufhin wie wild einstiegen oder Positionen zurückkaufen, damit festen Boden unter den Füßen?

Ich schreibe bewusst „am Samstag hieß es“, weil die Meldung, dass Elektronikprodukte wie Computer, Festplatten, Chips oder Smartphones auf einmal generell von den Zöllen ausgenommen werden sollen, auf Dokumenten der US-Zollbehörde basiert, die sich auf ein Memorandum Trumps vom Freitag beruft. Doch das Weiße Haus hat das, Stand Sonntagmittag unserer Zeit, bislang nicht offiziell verkündet. Wurde da etwas weitergeleitet, das eigentlich nur als Option in der Schublade liegen sollte? Man weiß es nicht … aber selbst, wenn das so zutrifft und damit die nächste größere Ausnahme erfolgt, sind die Gaben, die Mr. Trump da verteilt, vergiftet.

Natürlich reagieren manche am Aktienmarkt erleichtert, wenn man ihnen nach den bizarren Aktionen à la Abrissbirne auf einmal Bonbons zuwirft. Der US-Aktienmarkt war einfach zu schnell zu weit gefallen, unabhängig von der Schwere der Argumente, die diesen Abwärtstrend ausgelöst haben. Eine drastische Gegenbewegung war daher jederzeit möglich. Und dass die extrem ausfiel basierte letzten Endes auch darauf, dass die vorherige Abwärtsbewegung nicht minder extrem war. Und je mehr Akteure Short sind, desto mehr muss sofort eingedeckt werden, wenn die Kurse plötzlich drehen.

Trendwende oder nur Gegenbewegung? Beides sieht gleich aus, bis …

Börse aktuell: Entwicklung DAX Anfang April 2025 - unfassbare Kurslücken | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung DAX Anfang April 2025 – unfassbare Kurslücken | Quelle: marketmaker pp4

Dass z.B. der vorstehend abgebildete DAX im Bann solcher immens seltenen Extrem-Impulse willenlos mit gewaltigen Kurslücken in beide Richtungen reagiert und dadurch letzte Woche eine Handelsspanne zeigte, die sonst für ein ganzes Quartal reichen würde, ist da kein Wunder. Aber dass es gelang, das Minus zum Freitags-Closing großenteils aufzuholen (wenn man die nachbörslichen Kurse vom Freitagabend nimmt, sogar ganz), wirkt zwar, als sei an der Börse aktuell ein perfekter Moment, frühzeitig auf den nächsten, großen Hausse-Impuls zu setzen, aber:

Tatsächlich ist dieses Aufholen dramatischer und zugleich auf dieser kurzen Zeitebene überzogener Verluste kein Beleg dafür, dass der Spuk jetzt vorbei wäre. In Bezug auf die Ursache dieses Chaos nicht, dazu gleich, aber auch nicht in Bezug auf die Charttechnik. Zumindest noch nicht. Wenn wir uns dazu den marktbreiten US-Index S&P 500 ansehen, erkennt man das sofort:

Börse aktuell: Entwicklung S&P 500 von November 2024 bis April 2025 - Kursrückgang und Gegenbewegung | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung S&P 500 von November 2024 bis April 2025 – Kursrückgang und Gegenbewegung | Quelle: marketmaker pp4

Die Kursgewinne folgen auf nicht minder heftige Kursverluste im Vorfeld. Wir sehen Tagesveränderungen wie im Tollhaus, Intraday-Schwankungen bis hinunter auf die kürzesten Zeitebenen, die so groß sind, dass man klar erkennen kann, dass sich Trader und Handelsprogramme da gerade zu Tode zocken. Aber noch ist der S&P 500 nicht über seine Februar-Abwärtstrendlinie hinaus (um 5.600 Punkte) und nicht über die wichtige 200-Tage-Linie zurückgelaufen (5.754 Punkte).

Das könnte, wenn diese erneute Ausnahme der zuvor ins Extreme gepushten Zölle offiziell bestätigt wird, vielleicht heute gelingen. Aber bis dahin sehen wir eben nur eine Gegenbewegung innerhalb eines intakten Abwärtstrends.

Solange die für mittelfristige Kaufsignale relevanten Chartmarken nicht überboten sind, sehen eine Gegenbewegung, die an Widerständen endet, an denen das bärische Lager gemeinhin wieder aktiv wird, und eine zukünftige Trendwende genau gleich aus. Schauen wir uns dazu nur mal die Turbulenzen im Jahr 2008 an. Wie gigantisch waren auch damals die Abwärtsschübe und die Gegenbewegungen. Und doch endeten Impulse, die wie Aufwärtswenden wirkten, in neuen Baisseschüben.

Börse aktuell: Entwicklung S&P 500 von 2008 bis 2009 - Beginn einer Trendwende oder Gegenbewegung | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung S&P 500 von 2008 bis 2009 – Beginn einer Trendwende oder Gegenbewegung | Quelle: marketmaker pp4

Daher täte man gut daran, das Fell der Bären … die sich derart wilden Kaufwellen gemeinhin nicht entgegenstellen, sondern im Stil der Torero-Taktik warten, bis die Bullen sich verausgabt haben … noch nicht zu verkaufen, bevor sie wirklich besiegt sind. Und dieser Rat zu Vorsicht basiert nicht nur auf der reinen Charttechnik.

Denn sie wissen nicht, was sie tun

Dass die Weltwirtschaft derzeit derart von den Entscheidungen eines einzigen Menschen abhängig ist, ist hoch gefährlich und damit per se schon nicht gut. Aber immer mehr Investoren wird jetzt klar, dass derjenige, der da alleine entscheidet, wild auf der Tastatur der US-Wirtschaft herumdrückt ohne zu verstehen, was passiert, was diese Tasten bewirken. Es findet sich so gut wie kein Experte (ich habe zumindest noch von keinem gehört, Trumps Berater zähle ich da mal nicht zu diesem Kreis) der glauben würde, dass die Idee, den US-Staat über Einfuhrzölle reich zu machen und damit ein goldenes Zeitalter einzuläuten, funktionieren würde. Donald Trump prophezeit Entwicklungen, die sich gegenseitig rein von der Logik her ausschließen und scheint die Haken der Sache einfach nicht sehen zu wollen. Er selbst sagte am 2. April, dass er sich wundere, dass kein US-Präsident zuvor diese geniale Idee hatte. Die Experten wundert das weniger. 

Börse aktuell: Entwicklung S&P 500 und Gold von November 2024 bis April 2025 im Vergleich | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung S&P 500 und Gold von November 2024 bis April 2025 im Vergleich | Quelle: marketmaker pp4

Hinzu kommt, dass diejenigen, die die herein tröpfelnden Ausnahmen als Kaufargument sehen, mehrere Aspekte ignorieren. Erstens sind ja gerade solche nachträglichen Ausnahmen der Beweis dafür, dass die Sache, die derart fatal auf die Weltwirtschaft wirkt, nicht zu Ende gedacht, aber trotzdem einfach mal gemacht wurde.

Zweitens scheint man zu übersehen, dass es an keiner Front so läuft wie seitens des US-Präsidenten vorher prophezeit. Wo ist das Rohstoff-Abkommen mit der Ukraine, wo bleibt eine echte Waffenruhe? Was ist denn jetzt mit Gaza und … Grönland nebst Panamakanal? Der vorstehende Chart macht deutlich, dass etwa Anfang März die Phase begann, in der immer mehr Marktteilnehmer erkannten, dass die Sache aus der Spur läuft und die Flucht ergriffen: Raus aus US-Aktien, rein in, unter anderem, Gold. Und diese Flucht endete nicht mit der Rallye der US-Aktien seit Mittwochabend. Sehen wir uns dazu die nächsten Charts an:

Kapital auf der Flucht … nur am US-Aktienmarkt nicht. Noch nicht?

Diese Schritte zurück in Bezug auf die Zölle basieren nicht darauf, dass man es sich anders überlegt hat (was, als unstetes Handeln, auch nicht positiv wäre), sondern darauf, dass man vorher die Folgen der Zölle nicht verstanden hatte. Bestätigt man im Weißen Haus diese drastische Ausnahme für Smartphones, Laptops und ähnliches, hieße das zweierlei: Scheinbar in Stein gemeißelte Strategien des US-Präsidenten sind tatsächlich nur das Herumdrücken auf Knöpfen und könnten jederzeit auf den Kopf gestellt werden. Und die US-Regierung lässt sich von US-Konzernen beeinflussen, wenn die nur laut genug Zeter und Mordio schreien und folgt damit mitnichten einem „Masterplan“.

Börse aktuell: Entwicklung Rendite US-Staatsanleihen mit Laufzeit 10 Jahre - Einfluss von Zollentscheidungen | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung Rendite US-Staatsanleihen mit Laufzeit 10 Jahre – Einfluss von Zollentscheidungen | Quelle: marketmaker pp4

Daraus entsteht der Gesamteindruck immenser Schwäche. Die man zwar als beeindruckende Stärke verkauft, nur kaufen die internationalen Investoren das dieser Ein-Mann-Regierung im Weißen Haus nicht mehr ab. Und damit verlieren die USA ihr Etikett der Stabilität und Stärke, die US-Märkte mutieren von scheinbar „sichern Häfen“ zu Risikoinvestments. Die Folgen sieht man bei den US-Anleihen, die zu einem Viertel von ausländischen Investoren gehalten werden – in der vorstehenden Grafik – ebenso wie beim US-Dollar (im folgenden Chart):

Hier sehen wir nicht das hierzulande übliche Chartbild, bei dem man sieht, wie viel US-Dollar ein Euro kostet, sondern das Währungspaar mal anders herum: Hier sehen wir, wie viel Euro man für einen US-Dollar zahlt, sprich wir sehen hier bei einem fallenden Kurs, dass der US-Dollar schwächer wird. Und er wird schwächer … und das zügig.

Börse aktuell: Entwicklung USD zum Euro von Oktober 2024 bis April 2025 - Kapitalflucht aus dem Dollar | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung USD zum Euro von Oktober 2024 bis April 2025 – Kapitalflucht aus dem Dollar | Quelle: marketmaker pp4

Das internationale Kapital flieht aus dem US-Markt. Die Anleihen werden verkauft, die Währung rutscht ab … da wäre es ziemlich überraschend, wenn die internationalen Investoren nur bei US-Aktien das Gegenteil täten.

Eine Rallye durch Eindeckungen und Hoffnungskäufe ist immer drin, auch in der jetzt gesehenen Größenordnung, die vermutlich auch durch die Ende der Woche anstehende Abrechnung am Terminmarkt intensiviert wird. Aber eine echte, tragfähige Aufwärtswende ohne das Geld der internationalen Investoren, die den USA gerade den Rücken kehren, das ist kaum zu machen. Und dass dieses Geld zurückkommt, solange man den Eindruck hat, dass im Weißen Haus „try and error“ gespielt wird, ist nicht wahrscheinlich.

Die US-Börsen sind aktuell toxisch … aber es könnte Alternativen geben

Die Angst, große, schnelle Gewinne zu verpassen ist erfahrungsgemäß noch größer als die Furcht, Verluste zu erleiden. Dies in Kombination mit einer um sich greifenden und immer wieder durch die bizarren Entscheidungen aus dem Weißen Haus genährten Angst macht die Intensität, mit der diese Kaufwellen zuletzt abliefen, verständlich. Je größer die Angst, desto fadenscheiniger kann der Bonbon sein, nach dem die verunsicherten Anleger greifen: Man schluckt ihn trotzdem unbesehen.

Aber solange man nicht ansatzweise absehen kann, was all diejenigen am Markt tun werden, die das anders sehen, wenn die Kurse weit genug gestiegen sind, um die Short-Seite wieder lukrativ zu machen … und solange sich zugleich nicht abzeichnet, dass der US-Regierung eine besonnene, zielführende Politik gelingt … dürften diese Bonbons in Form eines Rückbaus der zuvor mit großem Getöse hochgezogenen Zollmauer vergiftet sein. Denn so, wie sich das bislang darstellt, sind diese Schritte kein Zeichen von Einsicht, sondern das Indiz dafür, dass man in Washington keinen Plan hat, aber so tut, als wüsste man genau, was man macht. Das internationale Kapital setzt sich ab … und solange das so bleibt, ist die Long-Seite in Bezug auf die US-Börsen die deutlich riskantere. Aber:

Irgendwo muss das Kapital, das aus US-Anleihen abfließt und den US-Dollar verlässt, ja hin. Und wenn man sein Geld aus den USA abzieht, dann ja auf Basis der Befürchtung, dass die derzeitige US-Regierung ihr Schiff mit Schwung auf Grund setzen wird. Zurückrudern hin oder her, das wird selbstredend die Weltwirtschaft insgesamt in die Bredouille bringen, aber: Am Ende könnten Europa und Asien diejenigen Regionen sein, die als erste und/oder am besten wieder zurück in die Spur finden. Auch bei uns in Europa und an den asiatischen Börsen gilt, dass man sich hüten sollte, eine Aufwärtswende zu sehen, wo noch keine ist. Aber zumindest Stand heute und aus meiner persönlichen Einschätzung heraus verlagert sich das Pendel der Chancen sukzessiv weg von den US-Börsen hin in die anderen Regionen dieser Welt.

Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Börsenwoche!

Ihr

Ronald Gehrt

Quellen:

Meldungen zur Zoll-Ausnahme für Elektronikprodukte, 12.04.2025:
https://www.n-tv.de/politik/USA-machen-Zoll-Ausnahme-bei-Smartphones-und-Computern-article25700513.html
https://edition.cnn.com/2025/04/12/tech/trump-electronics-china-tariffs/index.html

Wir beabsichtigen nicht, diesen Artikel zu aktualisieren. In Zukunft können aber Analysen zum selben Finanzinstrument veröffentlicht werden.

Die Aktienindizes sind zum Wochenende nach unten gerauscht wie defekte Fahrstühle. Die Verluste waren immens … und man könnte versucht sein, folgendes zu denken: „Jetzt auszusteigen lohnt sich nicht mehr“ (wenn man ein normaler Anleger ist) und „jetzt kann ich extrem viel Geld in kürzester Zeit machen“ (wenn man ein Trader ist). Beides könnte für die Situation an der Börse aktuell stimmen. Aber in chaotischen Marktphasen sind einfache Antworten selten richtig. Wie handelt man in einer Phase wie dieser?

Ich muss sehr am Riemen reißen, um nicht wieder etwas zu den Entwicklungen in Absurdistan zu schreiben, das Land, das man bis vor kurzem noch die USA nannte. Aber erstens bin ich kein politischer Journalist, zweitens habe ich mich im Zuge der Analysen im LYNX Börsenblick darüber ausgelassen und drittens schreiben berufenere Geister schon genug darüber. Also braucht es meine Sicht der Dinge nicht auch noch. Und ein Wechsel hin zum heutigen Thema war letztlich zwingend angesichts dessen, was da am Freitag ablief.

Nein, das war noch kein Crash, obwohl ich die ganze Zeit darauf wartete, ob die US-Indizes es schaffen, in die erste Circuit Breaker-Phase zu rutschen, bei der bei einem Minus von sieben Prozent in einem der großen Indizes für zehn Minuten der Handel ausgesetzt wird. Ein Crash, das ist das, was Sie im folgenden Chart sehen:

Börse aktuell: Dow Jones - Börsencrash Oktober 1987 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Dow Jones – Börsencrash Oktober 1987 | Quelle: marketmaker pp4

Das nenne ich einen Crash. 22,6 Prozent Verlust im Dow Jones an einem Tag, damals, im Oktober 1987. Ich zeige Ihnen diesen Chart nicht, weil ich hier herum orakeln wollte, dass ein solcher Tag bevorsteht. Ich habe keine Ahnung, ob das der Fall sein wird. Ich weiß aber, dass es fatal unklug wäre, das einfach auszuschließen – mit den -5,5 Prozent vom Freitag dürfte ja auch kaum jemand gerechnet haben. In diesem Umfeld die eingangs formulierten Gedanken zu hegen, sollte man, so meine Meinung, lieber lassen. Nein, es ist nie zu spät, um zu verkaufen, weil man eben nicht weiß, wie es weitergeht. Das weiß man sowieso nie sicher. Aber jetzt haben wir eine Chaos-Phase, in der immer mehr Akteure völlig kopflos agieren. Da schließt man als Anleger besser absolut nichts aus … dazu unten gleich mehr. Und nein, in einer Situation wie dieser ist es nicht leicht, als Trader einen Haufen Gewinn zu machen.

Was Trader jetzt schaffen müssen

Ich bin offen gesagt eher nicht derjenige, der imstande ist, sich von der Logik der Rahmenbedingungen effektiv zu lösen und diszipliniert wie ein Computer zu traden. Dennoch war diese letzte Woche für mich als Trader erfolgreich. Aber es war Knochenarbeit. Absolut diszipliniert und konzentriert zu bleiben … und das vor allem ab Mittwochabend nonstop … das ist kein leicht verdientes Geld. Und wenn man nicht wirklich imstande ist, sich wie ein computergesteuertes Handelssystem zu verhalten, sprich dauernd aufmerksam zu bleiben und schnell und entschieden in der Reaktion zu sein, geht das schief! Schauen Sie sich hier mal den Chart des DAX für Freitag auf Fünf-Minuten-Basis an, dann wird deutlich, was ich meine:

Börse aktuell: DAX Entwicklung am 04. April 2025 - extreme Volatilität | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
DAX Entwicklung am 04. April 2025 – extreme Volatilität | Quelle: marketmaker pp4

Es gab eine einzige kurze Phase, die aber nur 20 Minuten dauerte, in der es stetig abwärts ging. Das war ab 12 Uhr, also in dem Moment, in dem China die Gegenzölle verkündete. Ich glaube nicht, dass es vielen da anders ging (wobei ich nicht diesen Index trade, aber das ist nicht der Punkt):

Der Markt rauscht plötzlich viel extremer nach unten als vorher, aber man hat keine Ahnung, was los ist. Bis ich mitbekam, was da passiert, war der Markt schon drastisch gefallen. Noch mitziehen bzw. Position ausbauen oder die Chance nutzen, um Kasse zu machen? Wie will man das entscheiden, wenn man gar nicht weiß, was los ist? Andererseits:

Sobald man es weiß, kommt gleich die nächste Frage: Wie weit drückt das die Kurse? Immerhin krachte der DAX mit den US-Futures mit ein, obwohl es ihn nur in zweiter Linie betrifft, da hätte jederzeit eine Gegenbewegung kommen können. Die dann ja auch kam, gegen 15 Uhr war fast der gesamte, vorherige „China-Selloff“ wieder aufgeholt, nur, um dann sofort einer erneuten Abwärtsbewegung zu weichen. Willkommen in der Achterbahn der Bekloppten!

Sehen Sie sich dazu die Skalierung an: Selbst in diesem Tagesverlauf klein wirkende Kerzen machten 100 und mehr Punkte aus. Da kann man nicht einfach mal so vor sich hin traden. Nicht mit nennenswerten Positionen. Denn es kann jederzeit, egal ob mit Rückenwind vom Nachrichtenticker oder ohne, zu extrem starken Gegenbewegungen kommen. Alleine, wenn Bären nur ein paar Gewinne mitnehmen wollen, kann das einen rasant fallenden Markt auf dem Absatz in die Gegenrichtung schicken.

Wer in diesem Markt agiert, muss daher vier Dinge schaffen, um am Ende erschöpft, aber mit mehr Geld als zuvor aus dem Getümmel zu kriechen:

1. Obwohl es so wirkt, als würde man gerade jetzt mit vollen Segeln fahren müssen, weil die Kurse so weite Strecken zurücklegen: Agieren Sie mit einem gezielt kleineren Kapitaleinsatz als sonst, denn die Kurse schwanken in beide Richtungen extrem und das dauernd und ohne Vorwarnung. Da wird man zwangsläufig immer mal wieder auf dem falschen Fuß erwischt, das muss man sich leisten können. Und das kann man nur, wenn man wenig Verlust macht, weil man auch wenig Geld einsetzt.

2. Sie müssen damit klarkommen, ggf. drei, vier oder fünfmal „blöd“ ausgestoppt zu werden. Ein guter Trader bleibt dran, weil er weiß: Bleibt man diszipliniert am Ball, kommen auch irgendwann die Impulse, die viele kleine Verluste mehr als kompensieren.

3. Diese Disziplin ist jetzt nicht wünschenswert, sondern unabdingbar. Bleiben Sie gelassen (was leichter ist, wenn man nicht um Haus und Hof zockt!) und folgen Sie Ihrem Trading-Ansatz. Wenn Sie ein Handelssystem haben, das sich bewährt hat, nutzen Sie es auch. Die Kurse bewegen sich ja wie immer, nur viel schneller und über größere Distanzen, was es aber nur nötig macht, Ihren Trading-Ansatz auf kürzere Zeitraster herunter zu schrauben. Beispiel: Mein Handelsansatz agiert normalerweise in Zeitrastern zwischen minimal 15 Minuten und maximal vier Stunden. Am Freitag bin ich zeitweise auf ein Zehn-Sekunden-Raster heruntergegangen, um mithalten zu können.

4. Verkneifen Sie sich jegliche Meinung darüber, wie es in einer Stunde oder morgen weitergeht. Sie können es nicht wissen. Aber wenn Sie ein Bild vor sich haben und zulassen, dass Ihnen dieses Bild und nicht das, was gerade wirklich passiert, die Hand führt, sind Sie auf einmal in einer Rallye Short und in einem Selloff Long, wenn es dumm läuft. Und da kann einmal reichen, um den Gewinn aus zehn disziplinierten Trades zu eliminieren!

Was Sie als Anleger schaffen müssen

Wer nicht tradet, sondern investiert, hat dafür immer zwei grundlegende Möglichkeiten: Kaufen und liegenlassen oder aber kaufen und jederzeit den Markt im Blick behalten, um aktiv auf Situationen zu reagieren. Ich bin absolut kein Freund der ersten Möglichkeit, alleine, weil man sich dann darauf verlässt, dass Aktien langfristig immer steigen. Was zwar stimmt, der Haken ist aber, dass „langfristig“ auch mal länger sein kann als man denkt. Und will man wirklich in einer Situation sein, in der man 13 Jahre warten will, um nur seinen Einstandskurs wiederzusehen, weil man sich von einer Hausse hat in den Markt ziehen lassen und deswegen nahe am Hoch gekauft hat? So, wie man als Käufer Anfang 2000 bis 2013 warten musste, um wieder dazu stehen, wo man herkam?

Börse aktuell: DAX Entwicklung - 13 Jahre bis zu einem neuen Hoch | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
DAX Entwicklung – 13 Jahre bis zu einem neuen Hoch | Quelle: marketmaker pp4

Ich rate dringend dazu, das Ersparte nicht einfach sinnbildlich unter den Teppich zu schieben und zu hoffen, dass es mehr geworden ist, wenn man ab und an mal nachschaut. Jeder Anleger, der sein Erspartes ernst nimmt, muss damit auch entsprechend umgehen. Und das heißt: Grundkenntnisse in Sachen Börse, überlegter Einsatz des Geldes und nichts ohne Stoppkurs. Schauen Sie nochmal ganz nach oben auf die Grafik des 1987er-Chrashs:

Wer aufmerksam war, wäre vor dem Crash ausgestiegen. Vorher hatte der Dow Jones zunächst ein Topp vollendet und dann, einen Tag vor dem Crash, auch die 200-Tage-Linie durchbrochen. Hätte man auf Ersteres nicht reagiert, so hätte man es spätestens beim Bruch der 200-Tage-Linie sofort tun müssen. Nicht „bei Gelegenheit kümmere ich mich drum“, sondern sofort!

Ja, was wir damals sahen und heute sehen, passiert nicht oft. Aber wenn es passiert, ist schnell mal der Gewinn eines Jahres weg … mit dem Risiko, dass es noch schlimmer wird. Sehen Sie dazu nur den Dow Jones an der Börse aktuell an:

Börse aktuell: Dow Jones - Alarmsignale vor dem 04. April 2025 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Dow Jones – Alarmsignale vor dem 04. April 2025 | Quelle: marketmaker pp4

Wir haben die gleichen Signale wie damals 1987 … und jeder, der das nötige Grundwissen hat und weiß, dass man auf sein Geld aufpassen muss, wäre am vorher, also am Abend des Donnerstags oder gleich am Freitagmorgen, aufgrund der bärischen Signale im Chart ausgestiegen!

Als Anleger muss es Ihnen gelingen, die Grundregeln des Investierens konsequent umzusetzen. Vorsichtig agieren, das Kapital auf verschiedene Bereiche verteilen, nie ohne Stoppkurse agieren und, das gilt für jetzt besonders: Nie ins fallende Messer greifen, sprich nie gegen den Trend agieren!

Was wir jetzt alle schaffen müssen

Dieses „nie gegen den Trend“ ist dabei viel, viel leichter in die Tasten gehauen als umgesetzt, das ist mir schon klar. Denn natürlich kann es durch Eindeckungen von Short-Positionen jederzeit zu immensen Gegenbewegungen kommen. Von denen man nicht über den Haufen gerannt wird, wenn man zwar trendkonform Short ist, aber diszipliniert mit kleinem Kapitaleinsatz agiert und eine Stop Loss-Verkaufsorder platziert, die knapp über vermutlich entscheidenden Chartmarken liegt. Aber wenn man weiß, dass es auch zu Kaufwellen kommen kann wie z.B. damals im März 2020, will man denen nicht entgehen, nein, man will sie mitmachen!

Wogegen grundsätzlich auch nichts spricht, aber wenn, dann eben mit der nötigen, absoluten Disziplin, will heißen: Nicht auf die Idee kommen, das Tief erwischen zu wollen. Wir bewegen uns in einer Phase, in der nichts absehbar ist. Washington ist derzeit komplett unberechenbar. Dass wir jetzt also so etwas sehen wie im März 2020, als aus einer Gegenbewegung eine Trendwende wurde, die von Hoffnung getragen wurde und im November, als die Sache gerade zu kippen drohte, mit der US-Wahl und den ersten Impfstoffen gerade rechtzeitig die nötige Unterfütterung bekam, ist nicht komplett unmöglich. Aber es ist unwahrscheinlich genug, um …

Börse aktuell: DAX Entwicklung nach dem Corona-Crash im Jahr 2000 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
DAX Entwicklung nach dem Corona-Crash im Jahr 2000 | Quelle: marketmaker pp4

… als Anleger zu sagen: Ich mache einfach nichts, das wird schon wieder … oder als Trader gegen den Trend zu agieren. Was wir, wenn wir in einer Marktphase, die nur für Unbedarfte simpel wirkt (einfach auf fallende Kurse setzen und reich werden, haha) und in Wahrheit kaum schwieriger zu bewältigen sein könnte, zwingend schaffen müssen ist, die absolute, emotionslose Konsequenz aufzubringen, die das Gros der Akteure gerade vermissen lässt. Und, noch einmal:

Je kleiner der Kapitaleinsatz ist, desto besser. Auch, wenn die Kurse sich in normalen Phasen weniger schnell und weit bewegen, so sind es diese „normalen“ Zeiten, in denen man mit weniger Unsicherheit und dadurch mit der Möglichkeit, größere Positionen zu fahren, mehr verdient. Wobei ich jetzt mal abschließend eine kühne Behauptung wage:

Wer es schafft, heil durch ein derartiges, im Nebel liegendes Minenfeld zu kommen, weil er/sie es hinbekommen hat, sich nicht verleiten zu lassen (zumindest in der Mehrzahl der Fälle, wir sind ja keine Maschinen) und diszipliniert zu bleiben, den haut danach nichts mehr um. Sobald man diesen Punkt erreicht hat, bleiben Phasen wie diese „Trump-Börse“ zwar anstrengend. Aber sie schrecken einen nicht mehr. Das zu erreichen, ist ein lohnendes Ziel.

Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Börsenwoche!

Ihr

Ronald Gehrt

About the author

Nach dem Abitur 1984 studierte der gebürtige Hamburger an der Universität der Bundeswehr Betriebswirtschaftslehre. Im Anschluss an seine Dienstzeit als Offizier begann seine Zeit als Analyst und Finanzjournalist. Seit 1996 war und ist er als Redakteur, Referent und Kolumnist in zahlreichen Funktionen aktiv, seit 2016 ist er unter anderem Analyst bei LYNX. Gehrt ist ein Allrounder, der in der fundamentalen, d.h. volks- und betriebswirtschaftlichen Analyse ebenso sattelfest agiert wie in den verschiedenen Disziplinen der Technischen Analyse wie Chart- und Markttechnik und Sentinentanalyse.

Wir beabsichtigen nicht, diesen Artikel zu aktualisieren. In Zukunft können aber Analysen zum selben Finanzinstrument veröffentlicht werden.

Die meisten Menschen unterteilen das, was sie tun oder beurteilen, oft unbewusst in Abschnitte. Uhr und Kalender spielen für uns eine große Rolle. Und das gilt genauso für die Börse. Einzelne Quartale werden von den Unternehmen als Berichtsabschnitte genutzt, von institutionellen Investoren als strategische Meilensteine … und sie können daher uns Anlegern als Chance dienen. Sehen wir uns das mal an.

Wenn ich das hier fertig habe, mache ich mir erst einmal einen Kaffee … denken wir nicht fast alle so? Sagen wir uns nicht: Wenn ich diese Woche hinter mir habe, gönne ich mir erst einmal ein gemütliches Wochenende? Hört man sich nicht bisweilen sagen: Dieser Monat war heftig, aber nächsten Monat werde ich endlich sparen / abnehmen / mehr Sport treiben / gesünder essen / die Steuererklärung machen? Ich kann nicht für jeden sprechen, aber ich kenne kaum Ausnahmen:

Wenn man mal genau hinschaut, unterteilen wir unser Leben in kleine und große Abschnitte, und sei es, indem man sich sagt: Dazu komme ich nie, aber wenn ich erst einmal Urlaub habe / in Rente bin / wieder gesund bin, dann geht’s aber los! Und dieses „Abschnitts-Denken“ spiegelt sich, wen wollte es wundern, auch an der Börse wider.

Die Börse läuft in Abschnitten … und Quartalsübergänge sind da dominant

Eine „Taktung“ nach dem Kalender findet sich auch, aber deutlich weniger oft und weniger zuverlässig als bei Branchen und Einzelwerten, bei großen Indizes. Sie basiert darauf, dass zwei wichtige Termine nahe am bzw. direkt am Quartalsende liegen.

Da ist zunächst die große Abrechnung an der Terminbörse an jedem dritten Freitag des dritten Monats eines Quartals. Nur da, an diesem sogenannten „dreifachen Hexensabbat“, werden über die Optionen hinaus auch noch die Futures abgerechnet, zugleich orientieren sich die Laufzeiten vieler Optionsscheine und Zertifikate an diesen Terminen. Dadurch entsteht für die großen Adressen am Markt nach diesen nahe am Quartalsende liegenden Terminen eine Zäsur – die sich aber oft erst etwas später auswirkt, weil dann auch noch der Quartalsultimo nahe ist. Und auch der ist für die großen Akteure, vor allem für die Fonds, wichtig, denn:

Börse aktuell: Entwicklung deutscher Branchenindex Automobile von 2022 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4 | Onliner Broker LYNX
Entwicklung deutscher Branchenindex Automobile von 2022 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4

Große Adressen nutzen Quartalswenden gerne zur Adjustierung ihres Portfolios

Weil wir in Abschnitten denken und Quartale dabei eine hohe Relevanz besitzen, nicht zuletzt, weil ja auch die Unternehmen quartalsweise Zwischenmeldungen abliefern, sind die Performances einzelner Quartale von besonderer Bedeutung. Die werden genau beachtet, oft dienen sie als Entscheidungsgrundlage dafür, wie Anleger ihre Positionen einordnen. Daher versuchen Fonds und Hedgefonds (ETFs haben diesen Spielraum ja aufgrund der Notwendigkeit nicht, Benchmarks genau nachzubilden), ihre Performance zu solchen Quartalsenden hin zu optimieren. Das nennt sich „Window Dressing“ – ein gutes Bild, weil man da ja in der Tat nichts anderes tut, als durch gezielte Käufe und Verkäufe das Schaufenster des eigenen „Ladens“ werbewirksam aufzuhübschen.

Sind die große Abrechnung am Terminmarkt und der Quartalsultimo aber vorüber, haben diese großen Akteure die ideale Gelegenheit, ihre strategische Ausrichtung zu überprüfen und ggf. anzupassen. Und das bietet die Basis für neue Trendimpulse, indem bestimmte Branchen, die entweder schon gut bzw. zu gut gelaufen sind oder deren Perspektiven sich eingetrübt haben, Verkaufsdruck sehen … und indem andere, die als günstig oder perspektivisch spannender eingeordnet werden, durchstarten. Und das bietet demjenigen eine Chance, der zu solchen Quartalswenden, wie wir sie jetzt gerade sehen, genau hinschaut.

Börse aktuell: Entwicklung Standard & Poor's US-Halbleiter-Index von 2021 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4 | Onliner Broker LYNX
Entwicklung Standard & Poor’s US-Halbleiter-Index von 2021 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4

Neues Quartal, neuer Trade … aber es gibt ein paar Dinge zu beachten

Die den Beitrag begleitenden Charts zeigen Beispiele für solche Fälle. Hier die Augen offen zu halten und frühzeitig zu erkennen, was offenbar nicht nur von ein oder zwei, sondern einer größeren Zahl an großen Adressen als im neuen Quartal kaufenswert angesehen wird, kann sich durchaus lohnen. Wenn man zwei Aspekte im Hinterkopf behält:

Erstens gibt es natürlich nicht nur zu Quartalswenden Richtungswechsel. Ob es im Mai 2023 der Beginn des KI-Hypes war oder die Rallye der Rüstungsaktien ab Februar: Natürlich richten sich externe Einflüsse nicht nach dem Kalender. Nur alle drei Monate einmal genauer hinzusehen, reicht also nicht aus, wenn man sein Portfolio sinnvoll an den Gesamtmarkt-Trend angepasst halten will.

Zweitens müssen solche zu Quartalswenden auftauchende Impulse nicht ein Vierteljahr lang vorhalten. Die Dynamik kann versanden, die Sache kann sogar als Bumerang enden. Und zwar dann, wenn einige der „Großen“ zwar zu Beginn eines neuen Quartals stärker auf eine bestimmte Branche oder einige der aus ihrer Sicht stärksten Aktien der Branche setzen, andere institutionelle Investoren das aber nicht mittragen und die Käufe der anderen nutzen, um eigene Positionen in diesem Bereich abzubauen oder sogar, wenn es um Hedgefonds geht, aktiv gegen den Trendimpuls zu spekulieren.

Börse aktuell: Entwicklung führender Aktien der Luxusgüterbranche von 2021 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4 | Onliner Broker LYNX
Entwicklung führender Aktien der Luxusgüterbranche von 2021 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4

Genau hinsehen lohnt: Es kann um die ganze Branche gehen oder um Einzelwerte

Wichtig ist auch, sich zugleich Branchenindizes anzusehen und dann die wichtigsten Einzelwerte innerhalb der Branche. Denn es kann durchaus sein, dass ein Branchenindex nicht gezogen oder gedrückt wird, weil große Investoren die gesamte Branche neu bewerten und entsprechend umstrukturieren, sondern es ihnen um einzelne Aktien innerhalb der Branche geht, bei denen sie ihre Ausrichtung verändern. Ein gutes Beispiel dafür ist die Luxusgüterbranche, in der es seit einigen Jahren zu einer auffälligen Übergewichtung von Hermès kommt, während die Kering-Aktie massiv unter Druck stand und aktuell auch noch weiter steht, wie unser vorstehender Chart zeigt.

Auch bei den Halbleiter-Unternehmen haben wir eine solche interne Schere. Oben hatten wir Ihnen ja den S&P 500 Halbleiterindex als Beispiel für öfter auftretende Wendepunkte an oder nahe an Quartalswenden gezeigt. Hier einmal ein zusätzlicher Blick auf einige der wichtigeren Aktien innerhalb dieses Index. Sie sehen:

Börse aktuell: Entwicklung Standard & Poor's US-Halbleiter-Index und Einzeltitel der Branche im Vergleich von 2021 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4 | Onliner Broker LYNX
Entwicklung Standard & Poor’s US-Halbleiter-Index und Einzeltitel der Branche im Vergleich von 2021 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4

Auch da gibt es interessante Einzeltrends, die eine Beobachtung lohnen. Achten Sie da aber immer auch auf die Quartalszahlen. Liegen die, wie bei vielen Halbleitern, nahe nach einer Quartalswende, kann sich ein größerer Trendwechsel von der eigentlichen Quartalswende in den ersten Monat des neuen Quartals verlagern, weil man abwartet, bis diese Bilanzdaten vorliegen. 

Die „Großen“ geben die Richtung vor

Diese Quartalswechsel sind also grundsätzlich eine Zeitspanne mit höheren Chancen auf neue, frische Trendimpulse. Ebenso wie die großen Adressen da ihre Portfoliostruktur prüfen und ggf. ändern, kann man das als Privatanleger also auch tun. Wobei man natürlich auch eigene Ideen entwickeln und umsetzen könnte, was im neuen Quartal besser laufen und was man im Gegenteil besser aus dem Depot werfen könnte, aber:

Diese institutionellen Investoren sind von der Kapitalstärke her eben diejenigen, die Trends „machen“ und aufrechterhalten können. Eine eigene Idee ist zwar individueller und spannender als mit dem Strom zu schwimmen. Aber nur, wenn man mit seiner Erwartung eines neuen Trendimpulses nicht alleine steht, wird auch etwas daraus. Da bietet die „Herde“ also schon ein wenig mehr Schutz vor unliebsamen Entwicklungen, wobei:

Wie gesagt können solche Impulse zu Beginn oder nahe am Beginn eines Quartals auch „abgeschossen“ werden. Wenn man solchen auffälligen Bewegungen folgen möchte, die auf Neuausrichtungen bei großen Adressen hindeuten, darf man das nie ohne eine konsequente Absicherung über Stoppkurse tun!

Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Börsenwoche!

Ihr

Ronald Gehrt

About the author

Nach dem Abitur 1984 studierte der gebürtige Hamburger an der Universität der Bundeswehr Betriebswirtschaftslehre. Im Anschluss an seine Dienstzeit als Offizier begann seine Zeit als Analyst und Finanzjournalist. Seit 1996 war und ist er als Redakteur, Referent und Kolumnist in zahlreichen Funktionen aktiv, seit 2016 ist er unter anderem Analyst bei LYNX. Gehrt ist ein Allrounder, der in der fundamentalen, d.h. volks- und betriebswirtschaftlichen Analyse ebenso sattelfest agiert wie in den verschiedenen Disziplinen der Technischen Analyse wie Chart- und Markttechnik und Sentinentanalyse.

Wir beabsichtigen nicht, diesen Artikel zu aktualisieren. In Zukunft können aber Analysen zum selben Finanzinstrument veröffentlicht werden.

Das am vergangenen Mittwoch veröffentlichte Statement sowie die neuen Projektionen der US-Notenbank wirkten insgesamt eher widersprüchlich. Die aktuelle Lage macht den Währungshütern Probleme, keine Frage. Aber wenn die größer werden, was könnte die „Fed“ dagegen tun?

Es ist kompliziert … ein banaler Spruch, der aber für die US-Notenbank vollumfänglich gilt. Es ist wirklich kompliziert, jetzt das Richtige zu tun. Und es dürfte im weiteren Verlauf des Jahres eher noch komplizierter werden.

Wie diffizil sich die Sache darstellt, lässt sich unmittelbar daran erkennen, dass sich die aktuellen, vierteljährlich aktualisierten Prognosen der US-Notenbank (kurz „Fed“ als Abkürzung für „Federal Reserve Bank“) für Wachstum, Inflation und Arbeitslosenrate zwar durchweg in Richtung „schlecht“ veränderten, die Eigenprognose in Sachen Leitzinssenkungen aber unverändert bleib. Konkret sah das so aus:

Der Himmel zieht sich zu, aber die „Fed“ senkt die Zinsen … wirklich?

Das Wachstum des US-Bruttoinlandsprodukts sieht man bei den Statistikern der US-Notenbank jetzt nur noch bei 1,7 Prozent im laufenden Jahr. Die vorherige, im Dezember präsentierte Prognose hatte da noch 2,1 Prozent vorausgesehen. Auch die Ausblicke auf die Jahre 2026 und 2027 wurden leicht nach unten korrigiert.

In Sachen Verbraucherpreise fürchtet man jetzt einen stärkeren Anstieg: Man erwartet eine Inflationsrate von 2,7 Prozent statt zuvor 2,5 Prozent im laufenden Jahr, 2026 dann 2,2, 2027 endlich 2,0 Prozent.

Nur beim Arbeitsmarkt ist man weiterhin optimistisch, die „Fed“ erwartet 2025 am Ende eine Arbeitslosenrate von 4,4 Prozent (bislang 4,3) und 2026/2027 eine bei 4,3 Prozent. Was nach dem Lehrbuch Vollbeschäftigung bedeuten würde (<4,5 Prozent).

Wenn man aber eine Inflationsrate erwartet, die sich auch in diesem Jahr konsequent und mehr als marginal über der Zielzone von 2,0 Prozent hält, wie kann man dann weitere Leitzinssenkungen prognostizieren? Diese Frage stellten sich einige Mitglieder des Federal Market Committee (FOMC), des Entscheidungsgremiums der „Fed“, das über den Zins entscheidet, allerdings auch, denn:

Diese zwei Senkungen um je 0,25 Prozent sind ein Mittelwert und keineswegs allgemeiner Konsens im Gremium. Einige wenige Ratsmitglieder sehen gar keine Senkung, andere, allerdings auch wenige, sogar drei und mehr. Da gibt es einen Dissens, der einen guten Hinweis darauf bietet, dass man eigentlich nicht wirklich weiß, was kommt. Und erst recht nicht, was dann zu tun wäre.

Börse aktuell: Entwicklung Inflationsrate und BIP-Wachstum der USA im Vergleich von 1971 bis 1986 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung Inflationsrate und BIP-Wachstum der USA im Vergleich von 1971 bis 1986 | Quelle: marketmaker pp4

Die Quadratur des Kreises: Die „Fed“ könnte vor eine unmögliche Aufgabe gestellt werden

Im Gegensatz zur EZB, die alleine Preisstabilität sicherzustellen hat und sich nicht aktiv in Wachstumsfragen einmischen darf, kann und soll das die US-Notenbank im Grundsatz tun, denn neben Preisstabilität ist die Sicherstellung günstiger Rahmenbedingungen für Vollbeschäftigung eine ihrer unmittelbaren Aufgaben. Sie kann und muss also einerseits zusehen, dass die Inflation nicht zu hoch ist, aber auch keine Deflation entsteht, andererseits aber auch ein Umfeld ermöglichen, in dem Wachstum einen gesunden Arbeitsmarkt sicherstellt. Das ist normalerweise auch machbar. In Phasen, in denen vieles nicht normal ist, kann das aber die Quadratur des Kreises erfordern. Und genau das zeichnet sich ab.

Umfassende Entlassungen im Bereich der öffentlichen Hand werden Probleme am Arbeitsmarkt und bei der Effizienz der Behörden nach sich ziehen. Zugleich werden die vom Weißen Haus verhängten Einfuhrzölle Probleme machen: Die Importeure bekommen Preisdruck, Lieferketten können reißen, Importwaren werden teurer, die heimischen Unternehmen werden das ausnutzen und so weit wie möglich ebenfalls mit ihren Preisen nach oben gehen. Auch für den Arbeitsmarkt sind Folgen der Zölle denkbar. Hinzu kommt die Verunsicherung der Verbraucher, die sich bereits in markant sinkenden Verbrauchervertrauens-Daten niederschlagen.

Börse aktuell: Entwicklung US-Konsumentenvertrauen von 2014 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung US-Konsumentenvertrauen von 2014 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4

Das Problem für die Notenbank ist aber: Noch ist das alles nicht oder nur im Ansatz in den Daten sichtbar. Wie stark die Effekte sein werden, ist daher bislang offen. Aber grundsätzlich müsste die „Fed“ im Fall eines wegbrechenden Arbeitsmarkts, einer anziehenden Teuerung oder, wenn es dumm kommt, bei beidem zugleich, rasant handeln, denn bis Notenbank-Maßnahmen greifen, dauert es seine Zeit. Nur wäre ein präventives Handeln riskant, weil eben nicht sicher ist, was genau auf die US-Wirtschaft zukommt.

Zumal man das Problem hat, dass man eine Rezession bei zugleich anziehender Inflation nicht zeitgleich effektiv bekämpfen könnte, denn:

Entweder man versucht, die Teuerung herunterzubekommen, indem man Konsum und Investitionen und damit den Preisanstieg über Druck auf die Nachfrage durch teurere Finanzierungen bekämpft. Das aber würde die Konjunktur noch mehr unter Druck setzen.

Oder man versucht, das Wachstum wieder in Fahrt zu bekommen, indem man die Zinsen schnell und deutlich senkt und so die Nachfrage über billige Kredite befeuert. Was dann aber das Risiko beinhaltet, dass die Inflation nur noch mehr anzieht, weil ein Konsum- und Investitionsboom nun einmal preistreibend wirkt.

Beides zugleich wird man also kaum schaffen, nur könnte es sein, dass genau diese Quadratur des Kreises in Kürze gefragt wäre. Und das Problem für die „Fed“ ist eben nicht nur diese Zwickmühle an sich, sondern dass nicht abzuschätzen ist, ob sie sich überhaupt aufbaut und wenn ja, wann und wie heftig es dann laufen würde.

Die Trump’sche Zollpolitik stellt die „Fed“ vor Probleme

Donald Trump ist jetzt gut zwei Monate im Amt und hat in dieser Zeit zwar so allerhand an Stellenstreichungen zugelassen und an Zöllen verfügt, die Volkswirte warten aber vergebens auf eine Art Plan dahinter, auf Berechnungen, was das genau wann und warum bringen wird, was es für Risiken gibt und so weiter und so fort. Wohl, weil es diese Planungen und Berechnungen, z.B. seitens Finanz- oder Handelsministerium, nicht gibt. Andererseits: Wie auch, wenn Mr. Trump vieles offenbar eher spontan entscheidet. Das verstört aber nicht nur die Verbraucher, sondern auch die US-Notenbank.

Denn damit hat man keine Vorlaufzeit, kann immer nur reagieren statt proaktiv zu handeln. Wüsste man, was alles mit Einfuhrzöllen belegt wird, wie lange das andauern wird und, auch mit entscheidend, welche Nationen dann welche Gegenmaßnahmen treffen würden, könnte man zumindest grob schätzen, welche Konsequenzen das für Wachstum und Teuerung haben dürfte. So wie es die EZB am Donnerstag tat. Dort nahm man einfach mal an, die von Donald Trump für den 2.4. avisierten „25 Prozent auf alles“ treten in Kraft, dann würde, so die EZB-Statistiker, das Eurozone-Wachstum um 0,3 Prozent im laufenden Jahr gedrückt und die Inflation um 0,5 Prozent höher ausfallen als ohne Zölle. Da kann die US-Notenbank nur neidisch über den Atlantik blicken, denn die EZB hat nur einen „Gegner“ in Sachen Handel zu berechnen. Die „Fed“ kann nicht einmal ahnen, wie viele es ab wann und wie lange sein werden.

Börse aktuell: Entwicklung der Inflation in der Eurozone von 2015 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung der Inflation in der Eurozone von 2015 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4

Das bedeutet, dass man vermutlich andauernd „behind the curve“ unterwegs sein, sprich der Entwicklung hinterherlaufen wird. Und wenn dann zeitgleich die Inflation steigt und das Wachstum wegbricht, hat man ohnehin ein Problem, denn:

Donald Trump und die „Fed“: Hand in Hand zu arbeiten wäre wichtig, aber …

Beides zugleich mit den Mitteln der „Fed“ zu bekämpfen ist eben nicht drin … und dass man überhaupt auch nur ein Problem löst, ist nie sicher, denn die Notenbank kann ja weder Politik noch Verbraucher zu etwas zwingen. Man kann die Steuern nicht beeinflussen, die Kreditaufnahme nur bedingt über den Zins steuern, man kann nicht in die Rechtsprechung eingreifen. Und vor allem hat man, das zeigte schon Trumps erste Amtszeit, keinen guten Draht zur Regierung. Der aber wichtig wäre, wenn es ernst wird.

Das Problem ist, dass Donald Trump nicht wirklich wie ein Ökonom handelt und seine Minister ihm offenbar selten bis nie widersprechen, egal, was er tut. Für ihn sind hohe Zinsen immer schlecht, weil sie die Wirtschaft behindern. Inflation kümmert ihn wenig, womöglich, weil diejenigen, die ohnehin genug Geld haben, damit kein Problem haben, es ist ja genug Geld da. Zumal seine Philosophie ist, dass Inflation deswegen ein nicht wirklich wichtiger Aspekt ist, weil starkes Wachstum, das Inflation erzeugt, auch für steigende Löhne sorgt, also kostet zwar alles mehr, aber es verdienen auch alle mehr, da bleibt doch alles beim alten.  

Die US-Notenbank weiß, dass es nicht so ist, zumal man jetzt noch dem Risiko ausgesetzt ist, dass die Zollpolitik zum Bumerang wird und statt starkem Wachstum Stagnation entsteht, im schlimmsten Fall Rezession mit Inflation einhergeht. Und zugleich weiß man bei der „Fed“, dass Donald Trump eigentlich der Ansicht ist, dass er und nicht irgendwelche Notenbanker zu bestimmen haben, wie das mit den Zinsen zu laufen hat. Wenn es zu einer problematischen Situation kommt, wird die „Fed“ also vermutlich auch noch permanente Attacken und Forderungen aus dem Weißen Haus auszuhalten haben, womöglich wird man dort sogar versuchen, gegen das geltende Recht Notenbankmitglieder zu feuern und gegen Personen auszutauschen, die bereit sind, den Vorstellungen und Forderungen des Präsidenten nachzukommen.

Börse aktuell: Entwicklung der wichtigsten US-Indizes nach der US-Wahl | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung der wichtigsten US-Indizes nach der US-Wahl | Quelle: marketmaker pp4

Fazit: Es könnte ruppig werden, seien Sie auf Überraschungen gefasst

Dass der US-Aktienmarkt derzeit nach unten läuft, kommt also nicht von Irgendwoher. Einige mochten sich davon blenden lassen, dass die „Fed“ letzte Woche versuchte, diesem „vielleicht“ auf allen Ebenen irgendwie eine ruhige Hand entgegenzusetzen und weiterhin kommuniziert, dass die Leitzinsen in diesem Jahr zweimal sinken könnten, weil der Arbeitsmarkt noch stabil ist und das Wachstum gedrückt, aber doch erhalten bleiben könnte. Aber die Notenbank kann nicht einmal ansatzweise wissen, ob diese Projektionen eintreffen, egal welche von ihnen. Vermutlich wird man alles, und das mehrfach, korrigieren müssen.

Das ist eine Gemengelage, die Investoren fürchten wie der Teufel das Weihwasser, vor allem das internationale Kapital, daher: Es kann nicht schaden, sich in Sachen US-Aktienmarkt, US-Anleihen, Gold, Euro/US-Dollar und sicherlich auch in Bezug auf die Energiepreise darauf einzustellen, dass in nächster Zeit der ewige Begleiter der Trader, das Unerwartete, immer mal wieder hereinschaut!

Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Börsenwoche!

Ihr

Ronald Gehrt

Quellen:
Statement der US-Notenbank vom 19.03.2025; https://www.federalreserve.gov/newsevents/pressreleases/monetary20250319a1.htm
Konjunktur-Projektionen der US-Notenbank vom 19.03.2025; https://www.federalreserve.gov/monetarypolicy/files/fomcprojtabl20250319.pdf

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Wir beabsichtigen nicht, diesen Artikel zu aktualisieren. In Zukunft können aber Analysen zum selben Finanzinstrument veröffentlicht werden.

Wenn man in einer globalisierten und komplexen Welt an einem wichtigen Faden zieht, kann man nie sicher sein, was sich dann am anderen Ende der Welt, aber auch direkt vor der eigenen Nase, alles in Bewegung setzt. Donald Trumps „Zoll-Strategie“ tut genau das. Die Folgen sind unabsehbar: Sie könnten sich im Rahmen halten und womöglich Trumps Ziele erreichen. Oder die Sache kann völlig aus dem Ruder laufen. Wo liegen die Risiken?

So, wie sich US-Präsident Trump die Sache vorstellt, ist sie ebenso einfach wie effektiv. Er hebt die Einfuhrzölle für ausländische Waren an, um a) dadurch ein Druckmittel zu haben, um die betroffenen Länder dazu zu bringen, mehr US-Waren zu importieren und/oder ihre Einfuhrzölle für US-Güter zu senken oder zu eliminieren. Zugleich füllt das b) die US-Staatskasse und ermöglicht es, aufgrund der daraus erzielten Einnahmen andere Dinge zu finanzieren, medial propagiert werden da natürlich vor allem Steuersenkungen. Und c) drängt er dadurch unerwünschte ausländische Produkte vom US-Markt und protegiert die heimische Wirtschaft, was den Unternehmen mehr Gewinn, den Bürgern mehr Jobs und zugleich höhere Löhne bringen soll.

Das Dumme ist nur, dass es so einfach eben nicht ist. Denn Mr. Trump sieht oder proklamiert nur die Vorteile, nicht die Fallsticke mit drastisch negativen Konsequenzen. Ob er die nicht sehen kann oder nicht sehen will, sei mal dahingestellt. Aber wer sollte ihn davon abbringen, obige Vorteile als alleine relevant zu sehen? Seine Berater? Davon mal abgesehen, dass Donald Trump erfahrungsgemäß keiner ist, der Widerspruch oder auch nur ein „aber“ hören mag, zeichnen sich seine Berater bislang nur dadurch aus, dass sie mit ihm völlig einer Meinung sind und Kompetenz und Weitblick ihres Chefs preisen.

Man täte also gut daran, nicht damit zu rechnen, dass der Kurs korrigiert wird, wenn er in den Graben führt. Um mal einen Anhalt zu bekommen, wie leicht ein solches Gezupfe am Netz der Weltwirtschaft schiefgehen kann, muss man nicht weit in der Geschichte zurückgehen:

Materialengpässe, Inflation, Lieferketten-Chaos … nur wegen der Lockdowns.

Im Nachhinein könnte man behaupten, das, was als Folge der Corona-Lockdowns passierte, sei absehbar gewesen, weil es eine Kette in sich schlüssiger Ereignisse und Folgen war. Doch wieso hatte das dann niemand genau so vorhergesagt? Weil jede dieser Entwicklungen kommen konnte, aber nie musste und aus Entwicklungen heraus entstand, die ebenfalls so kommen konnten, aber nicht mussten. Blicken wir zurück:

Als man das öffentliche Leben und mit ihm die Produktion einfror, hatte man weltweit vor allem den Schutz der Menschen im Blick. Was die Wirtschaft anging, dachte man sich, im ersten Moment ja auch scheinbar logisch: Wenn da für ein paar Wochen die Bänder stillstehen, holt man das halt später einfach mit ein paar Zusatzschichten wieder auf. Erst mit der Zeit wurde klar, dass man mit Zitronen gehandelt hatte, weil diese Lockdowns einen Nachfrageüberhang auslösten und, vor allem, weil sie nicht überall zugleich stattfanden.

Börse aktuell: Entwicklung Industrieproduktion Europa 2017 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung Industrieproduktion Europa 2017 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4

Das führte dazu, dass in einigen Regionen zwar die Produktion lief, aber die nötigen Zulieferteile ausblieben, weil die in Zonen hergestellt wurden, in denen gerade Lockdown war und daher nichts herauskam. Oder es gab zwar Teile, die kamen aber nicht an, weil am Versandort, Zielort oder unterwegs Flughäfen oder Häfen dicht waren. Oder die Teile wurden zwar hergestellt und verschickt, konnten aber nicht verbaut werden, weil die Fabrik in einer Lockdown-Zone lag. Was dann zu Stornierungen führte, die später einen Nachfrageüberhang auslösten, die die Fabrik, die am einen Ende der Welt stillstand, weil ein Kunde am anderen Ende der Welt gerade nicht produzieren konnte, dann nicht so schnell aufholen konnte. Und dass die Lockdowns in China viel radikaler waren und länger dauerten als in Europa und den USA, machte die Sache noch komplizierter.

Und selbst wenn ein Unternehmen einigermaßen in der Spur blieb, fehlte es an Frachtraum, denn natürlich ist der in etwa so dimensioniert, dass er dem normalen Bedarf entspricht. Passiert zuerst eine Zeit lang gar nichts und soll dann auf einmal ruckzuck das Doppelte quer um den Globus transportiert werden, geht das halt schief. Und das war ja nur der erste Schritt der Probleme.

Weil die Verbraucher nach den Lockdown-Phasen wieder vor Ort kaufen konnten und wollten, war die Nachfrage, vorher weggebrochen, auf einmal immens. Aber es war eben wegen vorgenannter Entwicklungen nicht alles verfügbar, erst recht nicht in den größeren Mengen. Und so schlitterten die USA und Europa in die Inflation. Das chaotische Gewurstel bei Produktion und Transport hatte ohnehin schon die Produktions- und Frachtkosten nach oben katapultiert, jetzt gingen die Verkaufspreise über die gestiegenen Kosten hinaus noch höher, weil die Verkäufer natürlich wussten: Ist die Nachfrage groß, das Angebot aber klein, kann man fein die Preise anheben, denn wenn etwas knapp ist, zahlen manche eben problemlos viel mehr dafür.

Börse aktuell: Entwicklung der Erzeugerpreise und Inflationsrate in Europa von 2017 bis 2025 im Vergleich | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung der Erzeugerpreise und Inflationsrate in Europa von 2017 bis 2025 im Vergleich | Quelle: marketmaker pp4

Das wiederum führte zu steigenden Zinsen als Versuch, die Inflation herunterzubekommen. Da man aber wusste, dass Geld auf Pump dadurch erst einmal immer teurer wird, kauften viele zu den gestiegenen Preisen vor, um nicht zu teureren Kreditzinsen und noch höheren Preisen kaufen zu müssen … was aber die Preise erst recht höher trieb. Und wodurch jetzt, während die Zinsen sinken, die Nachfrage dennoch nicht großartig durchstartet, weil so viele bereits Anschaffungen auf Jahre hinaus vorgezogen hatten. Und bei dieser Gemengelage sind externe Faktoren wie der Ukraine-Konflikt noch nicht einmal mit drin. Sie sehen:

Welche negativen Effekte sind bereits jetzt klar absehbar?

Etwas, das im ersten Moment kontrollierbar wirkt, kann, wenn eins zum anderen kommt, völlig aus dem Ruder laufen, ohne dass irgendwer im Vorfeld die Risiken wirklich genau benennen und bewerten könnte. Einfach, weil alles passieren könnte, aber nichts wirklich zwingend passieren muss. Und dieses Verhängen von US-Einfuhrzöllen gehört in genau diese Kategorie: Die Sache wirkt logisch und überschaubar, ist aber letzten Endes wie eine Wundertüte: Man weiß nicht, was dabei wirklich herauskommt. Wobei das im Fall von diesen Zöllen nur für die Nebenwirkungen derjenigen Nebenwirkungen gilt, die unmittelbar auf der Hand liegen. Denn die gibt es ja, nur werden sie im Weißen Haus einfach nicht kommuniziert. Die da wären?

1. Ein ganz unmittelbares Problem ist, dass die höheren Zölle ja primär von den US-Unternehmen gezahlt werden müssen, die die mit Strafzöllen belegten Waren einführen und anbieten. Was sie ja nicht tun, weil sie sonst nichts zu tun haben, sondern weil die Verbraucher diese Waren haben wollen. Damit stecken sie in der Zwickmühle. Führen sie sie trotzdem weiter ein und schlagen die höheren Zollkosten auf die Verkaufspreise drauf, kann es sein, dass diese Güter niemand mehr kauft. Importieren sie sie nicht mehr, kann es sein, dass die Kunden woanders hingehen, statt vom Importeur alternativ angebotene, heimische Produkte zu kaufen. Was übrigens auch für große Unternehmen im Einzelhandel zum Problem wird, weshalb Walmart offenbar chinesische Hersteller nötigen wollte, ihre Preise in der Größenordnung der höheren Einfuhrzölle zu senken, damit die US-Handelskette selbst Verkaufspreise und Gewinnspannen halten kann. Was in China natürlich für Ärger sorgte.

2. Da dieses Hickhack absehbar war, weil Mr. Trump diese Zölle ja groß angekündigt hatte, kam es zu vergleichbaren Vorkaufswellen wie damals im Vorfeld des Hochs der Inflation nebst Zinserhöhungen ab Mitte 2022. Chinas Exporte sind im Januar und Februar drastisch gestiegen, die US-Importe ebenfalls. Die Importeure sahen zu, dass sie so viel wie möglich an Gütern, die man im Weißen Haus ins Visier genommen hatte, vor Verhängung der Einfuhrzölle ins Land schafft. Damit bestehen jetzt große Vorräte, zugleich dürften sich auch viele Verbraucher frühzeitig mit Waren aus China, Kanada oder Mexiko, ggf. auch aus Europa eingedeckt haben, die man als Anschaffung vorziehen oder auf Vorrat kaufen kann. Was bedeutet: Kurzfristig stützt das den US-Konsum und kann dazu führen, dass viele glauben, die Trump-Zölle hätten ja gar keine negative Wirkung. Aber was heute vorgezogen gekauft wird, wird morgen und übermorgen eben nicht mehr gekauft … das Loch, in das die US-Wirtschaft fallen könnte, kommt mit Zeitverzögerung!

Börse aktuell: Entwicklung der Importe der USA von 2011 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung der Importe der USA von 2011 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4

3. Die Preise werden steigen. Denn die US-Unternehmen, die auf einmal von der unliebsamen Konkurrenz befreit werden, weil deren Waren durch die Zölle teurer werden als die eigenen Produkte, dürften die Preise so weit wie möglich an das Konkurrenzlevel angleichen, will heißen: Was da dann weit unter dem Preis der Konkurrenz liegen würde, wird so weit teurer gemacht, dass man erwarten kann, dass die US-Verbraucher trotzdem dieses und nicht das künstlich durch Zölle verteuerte europäische oder chinesische Produkt nehmen. Dass Unternehmen das nicht tun, dass sie das Wohl der Verbraucher über das eigene Profitstreben stellen und die Preise auch da, wo man noch etwas herauskitzeln könnte, stabil halten … das zu erwarten ist naiv, weil es jeder Erfahrung widerspricht. Damit werden die Einfuhren teurer, die heimischen Produkte auch. Und dass die Unternehmen die Löhne proportional zu den Preisen anheben, auch das ist nicht zu erwarten.

4. Natürlich reagieren die betroffenen Länder und verhängen Gegenzölle oder verlangen, wie z.B. die kanadische Provinz Ontario bei der Lieferung von Strom in die USA, zusätzliche Gebühren. Letzteres trägt ebenso zu Inflationsdruck in den USA bei. Ersteres drückt auf die Verkaufszahlen der US-Unternehmen im Ausland. Was den Vorteil des Mehrabsatzes eigener Waren in den USA deutlich mindern wird, ggf. sogar komplett aufzehrt und ins Gegenteil verkehrt. Denn auch, wenn die USA weit mehr einführen als exportieren: Die „Angegriffenen“ und die Verbraucher dort reagieren oft sehr heftig auf derartige Aktivitäten, schließlich weiß man ja, dass diese Zölle die eigenen Unternehmen aus den USA herausdrängen sollen, ohne Rücksicht auf die Arbeitsplätze in China, Europa, Kanada, Mexiko und anderswo. Das bringt leicht genug Verbraucher auf die Barrikaden, dass so manches US-Produkt zum Ladenhüter werden kann.

Das Wundertüten-Problem bei den Nebenwirkungen der Nebenwirkungen

Aber das sind nur die absehbaren Nebenwirkungen. Damit muss es keineswegs getan sein, weil eben eine Veränderung eine oder mehrere andere erst auslöst und damit erst erkennbar macht, wenn sie stattgefunden hat. Was mir dahingehend so einfallen würde:

Gerade werden in rauen Mengen Staatsbedienstete entlassen. Die man auch dann, wenn Trumps Idee, dass die Zölle in der US-Industrie neue Jobs kreieren würden, nicht einfach von eben auf gleich in qualifizierte Techniker verwandeln kann. Die Arbeitslosigkeit wird also zunehmen, auf der anderen Seite weiterhin spezialisierte Fachkräfte fehlen – was den inflationstreibenden Lohnanstieg hoch halten wird. Damit steigt die Zahl derer, die sich höhere Preise nicht leisten können. Und von denen gibt es in den USA ohnehin schon genug. Ein solcher Wandel kann funktionieren, wenn man ihn über Jahre vorantreibt. Donald Trump will aber alles sofort. Und das ist hochgefährlich.

Dass vor allem chinesische Produkte so beliebt sind, liegt daran, dass sie billiger und, anders als vor 20 oder 30 Jahren, deswegen nicht schlechter sind. Die vielen US-Bürger, die nicht zu den Wohlhabenden gehören, haben diese Güter nicht gekauft, weil sie keine Patrioten sind, sondern, weil ihr Budget heimische, teure Produkte nicht hergibt. Wenn die Importwaren jetzt durch Zölle künstlich verteuert werden und die heimischen Hersteller die Gelegenheit beim Schopf packen, um die eigenen ein wenig teurer zu machen, wird die Kostenbelastung für viele dramatisch sein … mit unabsehbaren Konsequenzen für die US-Wirtschaft.

Börse aktuell: Entwicklung der Walmart Aktie von 2024 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung der Walmart Aktie von 2024 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4

Davon mal abgesehen werden ja auch die US-Hersteller durch die Zölle unter Druck gesetzt, denn die Welt ist nun einmal globalisiert. Die meisten Industriezweige brauchen Zulieferteile aus dem Ausland. Die jetzt durch Trumps Zölle teurer werden, nehmen wir da nur die flotten 25 Prozent obendrauf für Stahl und Aluminium. Nicht umsonst weist der Verband „Autos Drive America“ die US-Regierung jetzt darauf hin, dass diese Zölle auch die Produktion ausländischer und heimischer Autobauer im Land in die Bredouille bringen. So heißt es da: „Die Autohersteller können ihre Lieferketten nicht über Nacht umstellen, und Kostensteigerungen werden unweigerlich zu einer Kombination aus höheren Verbraucherpreisen, weniger angebotenen Modellen und der Schließung von US-Produktionslinien führen, was zu einem möglichen Verlust von Arbeitsplätzen in der gesamten Lieferkette führen wird.”

Zwar hat Donald Trump als Lösung parat, dass er dann einfach die Steuern senkt, finanziert aus den Zolleinnahmen. Aber bislang findet sich keine taugliche Schätzung, die aussagen würde, dass das, was die Zölle einbringen (vor allem, wenn entsprechende Güter dann weniger eingeführt werden) ausreichen, um nennenswerte Steuersenkungen für alle zu bezahlen, kurz: Die Staatsverschuldung müsste steigen, die Zinsen bleiben oben, die Kredite bleiben teuer.

Dann erneut gegenzusteuern, indem man noch mehr Geld für Bildung, Soziales und Healthcare zusammenstreicht, hat wiederum Folgen für das Sozialgefüge in den USA, die völlig unvorhersehbar sind, aber zumindest eines ließe sich sicher sagen: Dass dann weniger mehr, zugleich aber mehr weniger haben, ist nicht gut.

Fazit: Die Büchse der Pandora ist offen

Hier wurde im Weißen Haus nur bis zu dem Punkt gedacht, der in der allerersten Ebene Vorteile ausweist. Was aus diesen Zöllen im weiteren Verlauf an Problemen und ggf. auch lange andauernden Spätfolgen entstehen kann, wird ignoriert. Wenn man an die Folgen der Lockdowns denkt, sollte klar sein, dass man im Weißen Haus gerade agiert wie Goethes Zauberlehrling mit seinem Besen:

Man glaubt, die Sache locker im Griff zu haben, dürfte sich dabei aber irren. Doch während Goethe zur Rettung den alten Zauberer auftreten und ihn die Sache ruckzuck korrigieren lässt, ist der in unserer Realität nicht in Sicht. Daher sollte man, nicht nur, aber auch in Sachen Zölle einkalkulieren, dass uns in nächster Zeit so manche unerwartete Entwicklung ins Haus steht, die die Börsen erheblich in Wallung bringt.

Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Börsenwoche!

Ihr

Ronald Gehrt

Quellen:
Statement Autos Drive America; https://www.n-tv.de/wirtschaft/Angst-vor-Vergeltung-Tesla-meldet-Zweifel-an-US-Zoellen-an-article25628796.html?utm_source=firefox-newtab-de-de

About the author

Nach dem Abitur 1984 studierte der gebürtige Hamburger an der Universität der Bundeswehr Betriebswirtschaftslehre. Im Anschluss an seine Dienstzeit als Offizier begann seine Zeit als Analyst und Finanzjournalist. Seit 1996 war und ist er als Redakteur, Referent und Kolumnist in zahlreichen Funktionen aktiv, seit 2016 ist er unter anderem Analyst bei LYNX. Gehrt ist ein Allrounder, der in der fundamentalen, d.h. volks- und betriebswirtschaftlichen Analyse ebenso sattelfest agiert wie in den verschiedenen Disziplinen der Technischen Analyse wie Chart- und Markttechnik und Sentinentanalyse.