Börse aktuell

Hier erfahren Sie, was an der Börse aktuell geschieht. Unser Börsenexperte Ronald Gehrt beobachtet täglich das aktuelle Börsengeschehen und fasst die neuesten Börsendaten und Börsenberichte wöchentlich für Sie zusammen. Mit Börse aktuell bringen wir die wichtigsten Börsennachrichten auf den Punkt und kommentieren, was momentan an der Börse los ist.

Börse: Aktuelle Nachrichten der Woche

Neues von der Börse: Unsere aktuellen Börsennachrichten informieren Sie jede Woche über die derzeitige Börsenentwicklung. Was beschäftigt die Börse? Was steht diese Woche an? Diktieren Bullen oder Bären die Märkte? Sollten Sie Ihre Investitionen erhöhen oder lieber Gewinne mitnehmen? Wir geben Ihnen die Antworten auf diese Fragen, wagen einen Ausblick auf die kommende Börsenwoche und bewerten anstehende Ereignisse, die Auswirkungen auf den Börsenverlauf haben könnten.


Börse aktuell vom 30.-05.01.2025

Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt: Diese Sache mit den Prognosen

In diesem Artikel

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Zum DAX

Nicht nur der Schnitt der Expertenprognosen lag 2024 für die wichtigsten Märkte daneben, bisweilen war nicht einmal der extremste Wert, der von einem Analysten geschätzt wurde, in der Nähe des Levels, auf dem man jetzt, zum Jahresultimo, gelandet ist. Sind Prognosen also sinnlos? Nein, sie sind durchaus nützlich … wenn man sie richtig einsetzt.

Ende November 2023 lag der Schnitt der Kursziele für den marktbreiten S&P 500-Index für das jetzt erreichte Jahresende 2024 bei 4.900 Punkten. Zu diesem Zeitpunkt notierte der Index etwa bei 4.600 Zählern. Am Freitagabend schloss er bei 5.971 Punkten. Statt einer eher dünnen Performance, die die Experten erwartet hatten, kam es also zu einer sehr guten.

Börse aktuell: Entwicklung S&P 500 im Jahr 2024 und durchschnittliches Kursziel für 2024 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung S&P 500 im Jahr 2024 und durchschnittliches Kursziel für 2024 | Quelle: marketmaker pp4

Noch extremer fiel die Diskrepanz beim DAX aus. Im Schnitt lag das Ende 2023 bestehende 2024er-Kursziel von 26 Banken und Investmenthäusern bei 17.200 Punkten. Beendet hatte der DAX das Jahr 2023 bei 16.752 Zählern, auch hier war die Erwartung in Sachen Kursgewinne also verhalten … und damit lag man dramatisch daneben. Selbst das höchste der damals vergebenen Kursziele lag mit 18.600 Zählern ein gutes Stück zu tief.

Börse aktuell: Entwicklung DAX im Jahr 2024 und durchschnittliches Kursziel für 2024 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung DAX im Jahr 2024 und durchschnittliches Kursziel für 2024 | Quelle: marketmaker pp4

Gold: Man sah nicht viel Spielraum für das Edelmetall, immerhin wirkte die 2.000 US-Dollar-Marke schon als luftige Höhe, nachdem der Kurs nach einer durchschnittlichen Prognose von 1.860 US-Dollar für das Jahresende 2023 mit 2.065 US-Dollar deutlich höher als gedacht aus dem Jahr gegangen war. Daher war man eher verhalten, sah nur noch moderaten Aufwärtsspielraum. Die Konsens-Prognose für das Jahresende 2024 lag bei 2.110 US-Dollar, die Spanne der Ziele lag zwischen 1.950 und 2.250 US-Dollar. Schlusskurs am Freitag: 2.616 US-Dollar.

Börse aktuell: Entwicklung Gold von 2020 bis 2025 und durchschnittliche jährliche Kursziele | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung Gold von 2020 bis 2025 und durchschnittliche jährliche Kursziele | Quelle: marketmaker pp4

Und bei Rohöl? Da hatten die Schätzungen zu hoch gelegen … für die Verbraucher zum Glück. Brent Crude Oil beendete das Vorjahr mit knapp 79 US-Dollar, im Schnitt sahen die Experten den Ölpreis bis zum jetzigen Jahresende auf knapp 87 US-Dollar steigen. Am Freitag ging Brent Crude mit 73,43 US-Dollar aus dem Handel.

Börse aktuell: Entwicklung Rohöl im Jahr 2024 und durchschnittliches Kursziel für 2024 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung Rohöl im Jahr 2024 und durchschnittliches Kursziel für 2024 | Quelle: marketmaker pp4

Jahresziel-Prognosen als irreführender Wegweiser?

Zusammengefasst lagen die durchschnittlichen Prognosen bei all diesen wichtigen Märkten nicht nur ein bisschen, sondern drastisch daneben. Hätte man anhand dieser Prognosen einen Trade initiiert, hätte man zwar in Sachen Aktienindizes und Gold womöglich mehr verdient als gedacht. Aber nur, wenn man nicht mit diesen Prognosen im Hinterkopf und den mehrmals im Jahr überkauften Kursen nervös geworden wäre und lieber den Gewinn mitgenommen hätte. Immerhin hätte man sich denken müssen, dass die Kurse da überziehen und jederzeit wegbrechen können. Was sie indes nicht taten.

Wenn man bedenkt, dass Prognosen öfter daneben als richtig liegen … denken wir da nur an die großen Baissen einiger Aktien im endenden Jahr, die es laut den Kurszielen der Analysten nicht hätte geben dürfen, so z.B. bei SMA Solar, Aixtron, Porsche AG, Bayer, Siltronic, Carl Zeiss, Sartorius und vielen mehr, könnte man diese Prognosen an sich als sinnlos ansehen.

Mehr noch, sie sind ja, wenn man ihren reinen Zahlenwerten folgt, sogar irreführend. Auch im Fall steigender Kurse. Denn dass man seitens der Analysten bei Aktien wie Rheinmetall, Siemens Energy oder SAP im Jahresverlauf immer wieder die Kursziele anheben musste, um nicht völlig daneben zu liegen, enthebt eine Prognose, die man am Ende eines Jahres für das Ende des nächsten abgibt, ihrem Sinn. Und ja, wenn man sich nur auf die prognostizierten Zielkurse reduziert, können solche Prognosen mehr schaden als nutzen. Aber betrachten wir sie einfach mal in einem anderen Licht:

Das „Warum“ bei der Vergabe eines Kursziels ist wichtiger als die reine Zahl!

Als die Analysten ihre Kursziele Ende 2023 abgaben, taten sie dies unter bestimmten Annahmen in Bezug auf die Rahmenbedingungen. Bezogen auf DAX und S&P 500 sah man zwar sinkende Leitzinsen als positives Element. Man sah aber auch bremsende Faktoren wie ein vermutlich dünnes Wachstum und eine eher hartnäckige Teuerung, die 2024 über der Zielzone der Notenbanken bleibt. Und man erwartete vorsichtige Verbraucher.

Was die USA angeht, hatte man den Kauftrieb der Verbraucher offensichtlich unterschätzt, die auch bei teuren Krediten nahezu ungebremst weiter konsumierten wie vor der Inflationsphase. In Europa lag man mit diesen Vermutungen aber absolut richtig. Nur die Kurse, die taten nicht, was sie rein logisch betrachtet in diesem Umfeld hätten tun müssen, nämlich bestenfalls im Geländegang nach oben kriechen. Wobei:

Eigentlich lief auch das so wie gedacht, wenn man sich den europäischen Leitindex Euro Stoxx 50 oder den MDAX ansieht. Wie die nachstehende Abbildung zeigt, ist es ja nur der DAX, der so völlig entgegen den Erwartungen stieg und ein weit über dem langjährigen Schnitt liegendes Plus erzielte. Und in dieser Hinsicht sind die Prognosen sehr wohl zu etwas zu gebrauchen:

Börse aktuell: Entwicklung Euro Stoxx 50 im Jahr 2024 und durchschnittliches Kursziel für 2024 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung Euro Stoxx 50 im Jahr 2024 und durchschnittliches Kursziel für 2024 | Quelle: marketmaker pp4

Sie halten dazu an, die Entwicklungen der Kurse mit den Rahmenbedingungen abzugleichen und dadurch umgehend zu erkennen, wenn etwas nicht läuft, wie es normalerweise sollte. Denn immer, wenn es dazu kommt, entsteht ein Risiko. Was beim DAX hieße: Ein enormer Rückschlag, der den Index auf eine normale Bewertung zurückführt, könnte an der Börse aktuell jederzeit kommen, während die Fallhöhe bei Euro Stoxx 50 oder MDAX viel geringer wäre.

Wenn man also nicht einfach nur das Kursziel einer Prognose ansieht, sondern sich anschaut, warum der betreffende Experte dieses Ziel ausgegeben hat, bekommt man einen Einblick in die Lage, die zum Zeitpunkt der Prognose vorlag. Man kann die Erwartungen des Analysten in Bezug auf die kommende Entwicklung der Rahmenbedingungen mit dem abgleichen, was wirklich passiert und hat damit immer ein Bein auf dem Boden der Fakten.

Prognosen sind nützlich … aber nur für diejenigen, die sich die Zeit nehmen, genau hinzuschauen!

Dass diese Prognosen im Jahresverlauf dann andauernd revidiert werden bzw. werden müssen, belegt zwar, dass die Vergabe konkreter Kursziele eigentlich Unsinn ist, denn jede Revision ist ein Beweis dafür, dass man den Prognosen an sich nicht folgen sollte. Aber letzten Endes sind auch dann Begründungen zu finden. Begründungen, die das Kursziel den Veränderungen im Umfeld angleichen, die man nicht hatte vorhersehen können. Denken wir nur daran, wie wichtig für die US-Wirtschaft war, wer Anfang November die Wahl gewinnen würde. Oder wer im Februar 2025 dann bei uns die Regierung stellen wird. Wie wollte man das prognostizieren? Aber wie gesagt:

Geht man von den reinen Zahlen weg und schaut auf die Grundlagen und Annahmen, deren Ergebnis die Prognose war, wird die Sache nützlich. Da das aber auch viel mehr Aufwand bedeutet, ist es schon so:

Prognosen richten mehr Schaden als Nutzen an. Was aber weniger die Schuld derer ist, die sie abgeben, immerhin wollen die Marktteilnehmer solche Prognosen haben. Es ist vor allem die Schuld derer, die die dazu gehörige „Bedienungsanleitung“ nicht lesen. Die zu ignorieren ja, wie die Erfahrung lehrt, immer eine schlechte Idee ist.

Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Börsenwoche und einen guten Rutsch ins Jahr 2025!

Ihr

Ronald Gehrt

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Börse aktuell: DAX, Dow Jones und Co.

Die heutigen Top-News und Börsenmeldungen zum DAX und der Börse USA mit dem Dow Jones, dem Nasdaq und dem S&P 500 als weltweit einflussreiche Indizes bilden einen Schwerpunkt unserer aktuellen Berichterstattung von der Börse. Auch gute Aktien, die momentan sehr stark im Fokus der Anleger stehen und steigende Börsenkurse prophezeien, werden wir Ihnen hier vorstellen. So bekommen Sie einen umfassenden Börsenausblick und können Ihre eigenen Börsenprognosen verifizieren oder falsifizieren.

Börse: Aktuelle Entwicklung und Trends

Die aktuelle Entwicklung und der aktuelle Trend an der Börse werden maßgeblich von Wirtschaftsnachrichten, Konjunkturdaten und Neuigkeiten von börsennotierten Unternehmen bestimmt. Diese wirken sich nicht nur auf Aktienkurse aus, sondern auch auf andere Assetklassen wie börsengehandelte Fonds, Optionen und Futures. Des Weiteren werden durch Börsennachrichten auch die Anleihemärkte und Rohstoffmärkte in Bewegung versetzt. Daher haben wir auch die Zinsen, den Ölpreis und Goldpreis immer im Blick.

Börse: Aktuelle Tipps zum Marktgeschehen

Neben Börsennews bekommen Sie auch hilfreiche Tipps, um das gegenwärtige Marktgeschehen besser zu interpretieren. Der Börsenmarkt setzt sich aus vielen verschiedenen Märkten zusammen. Jedes Land, jede Branche und jedes Finanzprodukt wird von individuellen Faktoren beeinflusst, sodass es schwierig ist, alle Märkte mit ihren jetzigen Chancen und Risiken zu verfolgen und zu analysieren. Mit Börse aktuell liefert Ihnen unser Börsenprofi die Börseninformationen, die wirklich wichtig sind, und zugleich eine kompakte Börsenvorschau der Woche.

Börse aktuell: Die letzten Nachrichten

Dass es in einem intensiven Aufwärtstrend ausgerechnet kurz vor einem Jahresende zu Turbulenzen kommt, ist äußerst untypisch. Selbst für diejenigen, die das Credo der Börsen „Unverhofft kommt oft“ immer im Hinterkopf haben. Die Frage ist: Wie geht es jetzt weiter, nachdem der Fahrplan der Bullen so abrupt über den Haufen geworfen wurde?

Zum Auslöser des heftigen „Schluckaufs“ der Aktienindizes hatte ich mich ja in mehreren Analysen im LYNX Börsenblick am Donnerstag und Freitag schon ausgelassen, daher nur kurz gefasst: Dass die US-Notenbank am Mittwochabend für 2025 eine höhere Inflationsrate und dafür weniger Leitzinssenkungen als zuletzt im September avisiert projizierte, löste den Abverkauf aus. Die eigentliche Ursache war aber, dass diese in der Tat für die Aktienmarkt-Bullen unerfreuliche Voraussage eigentlich tendenziell absehbar war, zu viele aber die Risiken, die über der Hausse wie ein Damoklesschwert schweben, einfach ignorierten. Das geht am Ende immer schief. Doch sind wir denn jetzt bereits dort, am „Ende“? Das ist nämlich gar nicht mal sicher.

Erste Reaktion durch Terminmarkt verstärkt

Die großen Adressen im bullische Lager haben in der zweiten Monatshälfte des Dezembers immer eine Art „Fahrplan“, sofern der Trend nach oben weist. Die letzten Notenbanksitzungen, dann der „dreifache Hexensabbat“, sprich die große Abrechnung an der Terminbörse und dann das die Kurse meist weiter nach oben ziehende „Window Dressing“ der Fonds, mit dem diese ihre Performance zum wichtigen Jahresultimo werbewirksam optimieren. Da soll es nach oben gehen … und dabei geht selten etwas schief. Aber wenn, dann richtig, so wie diesmal. Das Problem war:

Diese Terminmarkt-Abrechnung findet immer freitags statt, die Notenbankentscheidungen meist, wie auch diesmal, am Mittwoch davor. Da liegt also sehr wenig Zeit dazwischen. Und wenn man mit einer Abrechnung auf Rekordhoch rechnet, dann aber kippende Kurse am Mittwochabend sieht, tickt die Uhr äußerst laut. Da muss sofort entscheiden werden. In der Regel werden die Abschläge direkt nach einer Notenbankentscheidung mit der Brechstange aufgekauft. Diesmal passierte das nicht, wie der folgende Chart, der den Nasdaq 100 Intraday für die letzte Woche auf 15 Minuten-Basis zeigt, deutlich macht.

Da kamen ausgelöste Stop Loss-Verkaufsorders zu einer ersten, negativen Reaktion hinzu, ebenso Hedging-Operationen der Terminmarkt-Akteure, die Long-Positionierungen mit Short-Trades gegensicherten, was die Kurse zusätzlich drückte. Aber diese Abrechnung ist ja jetzt vorüber. Und wir sehen in diesem Chart auch, dass der Nasdaq 100, ebenso wie alle größeren Indizes in Europa und den USA, am Freitag, dem Abrechnungstag, stieg.

Börse aktuell: Entwicklung Nasdaq 100 nach Fed-Entscheidung und Terminmarktabrechnung im Dezember 2024 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung Nasdaq 100 nach Fed-Entscheidung und Terminmarktabrechnung im Dezember 2024 | Quelle: marketmaker pp4

Könnte das bedeuten, dass mit der Terminmarkt-Abrechnung auch das Schreckgespenst einer Abwärtstrendwende an der Börse aktuell vorbei ist, wir in den letzten Handelstagen des Jahrs wieder steigende Kurse sehen … und die Anleger zum Start ins neue Jahr auf die Fortsetzung der Hausse hoffen dürfen?

Charttechnisch zwischen den Stühlen

Es könnte so kommen. Immerhin sind ja noch ein paar Tage Zeit, zudem sind wichtige Unterstützungen in dieser zweiten Hälfte der Vorwoche entweder gehalten oder nur marginal unterboten und dann zurückerobert worden. Aber es muss nicht so kommen. Denn noch wurde mit den Käufen des Freitags nur Schlimmeres verhindert. Bullisch sind die Indizes alleine dadurch noch nicht. Sehen wir uns den S&P 500-Chart an:

Börse aktuell: Entwicklung S&P 500 von Juli bis Dezember 2025 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung S&P 500 von Juli bis Dezember 2025 | Quelle: marketmaker pp4

Im Chart dick grün hervorgehoben ist das sogenannte „Trump Gap“, die Kurslücke, die als Reaktion auf Trumps Wahlsieg am 6. November entstand. Dessen obere Begrenzung wurde bereits Mitte November im Zuge eines Pullback angelaufen und hielt, die Folge waren neue Rekordhochs. Sollte der Index jetzt noch einmal in dieses Gap eintreten, müsste man zumindest damit rechnen, dass es geschlossen wird, wenn es ganz übel kommt, wird es sogar nach unten verlassen. Damit wäre dieser symbolhafte Kurssprung nach der Wahl abverkauft … das würde den Tradern das Signal liefern, dass man da zuvor in die falsche Richtung gelaufen sein könnte.

Der Ansatz zur Schließung des Gaps war zur Eröffnung am Freitag, dem „Hexensabbat“, wie man die Abrechnungsphase des Terminmarkts auch nennt, bereits erfolgt. Doch dann kamen Käufe. Und die führten dazu, dass die Sache im Sinne der Bullen gerade noch mal hingebogen wurde. Problem:

Das dabei entstandene „bullish engulfing pattern“ braucht eine Bestätigung in Form zeitnah, idealerweise gleich heute, weiter steigender Kurse, erst dann wäre es als positives Signal gültig. Und eigentlich müsste der S&P 500 mindestens über die 6.000 und damit wieder in diesen keilförmigen Aufwärtstrendkanal zurück, bevor man den Selloff der vergangenen Tage wirklich als Ausrutscher abheften könnte. Das kann klappen. Aber es muss nicht, alleine, weil der US-Anleihemarkt Signale hinter den Signalen der US-Notenbank nicht nur erkannt, sondern durch steigende Bond-Renditen auch umgesetzt hat. Was für alle sichtbar ist … auch für die Trader am Aktienmarkt. Was ist mit „Botschaft hinter der Botschaft“ gemeint?

Die Botschaft hinter der Botschaft der „Fed“

Die Inflation war auch im September noch nicht im Griff und kam langsamer zurück als gedacht, vor allem die Kernrate lag weiter deutlich zu hoch. Trotzdem avisierte die „Fed“ damals im September, bei der vorherigen Projektion für Wachstum, Arbeitslosenrate, Inflation und Leitzinsen, dass die Inflation 2025 auf 2,1 Prozent fallen und vier Zinssenkungen um 0,25 Prozent drin wären. Jetzt nicht mehr. Aber warum?

Börse aktuell: Entwicklung Rendite US-Staatsanleihen mit 10 Jahren Laufzeit 10 von 2020 bis 2024 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung Rendite US-Staatsanleihen mit 10 Jahren Laufzeit 10 von 2020 bis 2024 | Quelle: marketmaker pp4

Was sich entscheidend verändert hat, ist nicht die Inflation oder das Wachstum. Es ist das politische Umfeld. Dass die Notenbanker jetzt restriktiver werden und mit einer nicht sinkenden Inflation rechnen, dürfte mit hoher Wahrscheinlichkeit die Reaktion auf Donald Trumps Wirtschaftspläne sein, die tendenziell inflationstreibend wirken. Die Botschaft hinter diesen veränderten Projektionen in Sachen Inflation und Leitzins lautet damit:

Wir wissen, dass die Sache jetzt schwieriger vorhersagbar wird, aber wir wissen auch, dass die Risiken jetzt zugenommen haben. Was man auch übersetzen kann mit: Wenn sich abzeichnet, dass wir mit unserer Sorge richtig liegen, kann aus zwei kleinen Zinssenkungen ggf. auch gar keine werden … oder sogar, wenn es zu heftig würde, wieder höhere Leitzinsen. Wenn wir uns ansehen, dass die Rendite der US-Staatsanleihen (T-Bonds) mit zehn Jahren Laufzeit jetzt wieder auf 4,5 Prozent gestiegen ist … trotz bereits um 1,0 Prozent gesenktem Leitzins … und damit auf dem Level des Leitzinses, ist das ein stark bärisches Signal. Denn dass diese Rendite der zehnjährigen T-Bonds nicht unter dem Leitzins liegt, war zuletzt in der Phase der Fall, als die „Fed“ die Leitzinsen noch anhob!

Jetzt beginnt das große Belauern

Also, was haben wir: Einen seidenen Faden für die Aktienmarkt-Bullen, der halten kann, aber nicht muss und einen Schuss vor den Bug seitens der US-Notenbank, die klar machte, dass die Risiken wieder zunehmen. Werden jetzt, nach diesem aufrüttelnden Abverkauf, mehr Trader vorsichtig und ggf. aussteigen? Oder wird der seidene Faden ausreichen, um die Käufer in alter Stärke und Entschlossenheit zurück zu bringen? Weiß das jemand?

Nein, das weiß niemand. Denn in einer solchen Gemengelage agieren selbst Entscheider großer Adressen nicht nach Schema F, sondern entscheiden aus der Situation heraus. Die im steten Fluss ist – was einer tut, kann irrelevant sein, aber es kann auch anstecken. Das ist es, worum es jetzt gehen wird:

Börse aktuell: Entwicklung DAX von Mai bis Dezember 2025 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung DAX von Mai bis Dezember 2025 | Quelle: marketmaker pp4

Alle wissen, dass die Entwicklung am Aktienmarkt jetzt eine Wundertüte ist. Es kommt darauf an, was die anderen tun werden. Dann entscheidet man selbst, ob man mitzieht, sich heraushält oder sich auf die Gegenseite stellt. Die Gegenseite von …? Eben.

Jetzt beginnt das große Belauern der anderen. Sehr viele werden jetzt bei jedem Ruck in den Kursen überlegen, ob das nicht eine Bedeutung haben könnte, ob nicht genau in diesem Moment ein großer Impuls startet. Aber es weiß niemand wirklich. Das führt zu dünnen Nerven, Augenrändern und zu emotionalen, meist voreiligen, hastigen Reaktionen. Ob das auch in den drei (in den USA viereinhalb) Tagen bis zum Jahresende passiert, ist zwar offen. Aber als sicher würde ich zumindest annehmen, dass der Start in das Jahr 2025 eher zu den ruppigeren Jahresstarts der letzten Jahrzehnte gehören wird.

Ob Sie jetzt mitlauern werden/wollen oder nicht: Das rosarote Szenario der Bullen hat erste Risse bekommen, die Volatilität wird zunehmen. Dabei kann alles herauskommen, von einem kapitalen Kurseinbruch bis zu einer Super-Rallye als letztes Aufgebot der Bullen. Das Beste, was man da als privater Trader tun kann ist: Kapitalexposition und Risiko herunterfahren. Das habe sogar ich jetzt getan.

Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Börsenwoche!

Ihr

Ronald Gehrt

Die Jahresend-Rallye, einige immer wiederkehrende Termine, die die Käufer bei der Stange halten und ein Jahresabschluss mit optimalem Plus: Die letzten Wochen eines Jahres laufen oft nach einem sturen Schema ab. Das funktioniert, weil alle damit rechnen und entsprechend handeln. Aber wie weit reicht die Strecke, die da nach Fahrplan abgefahren wird?

Wir wissen es ja eigentlich alle: Die Rahmenbedingungen sind der Leitstrahl der Aktienmärkte. Zumindest, sofern sie bullisch sind. Sind sie es nicht, hängt ihr Einfluss auf das Kursgeschehen von zwei Dingen ab: Erstens, ob sie die Akteure zur Kenntnis nehmen wollen. Und zweitens hängt wiederum Ersteres davon ab, ob viele Marktteilnehmer mit diesen Daten überhaupt etwas anfangen können, indem sie über das dafür nötige Grundwissen verfügen.

Beides ist derzeit kaum bis gar nicht zu beobachten. Weshalb der DAX auch eine Rallye im Alleingang vollzieht, obwohl damit der Aktienmarkt genau des Landes nach oben aus der Spur läuft, bei dem es am wenigsten logisch ist. Und der dadurch im Verhältnis der in ihm gelisteten Unternehmen teurer bewertet ist als beispielswiese der Nasdaq 100. Letzterer hat zwar gerade ein Kurs/Gewinn-Verhältnis von 34,9, der DAX von 18,5. Aber da die großen Nasdaq-Unternehmen in Wachstumsbranchen agieren und deren Gewinne zulegen, während das Gros der DAX-Unternehmen konservativen Branchen angehört und deren Gewinne nicht zulegen, sind diese 18,5 teuer.

Die 34,9 relativ zum langjährigen Schnitt zwar auch. Aber die Fallhöhe ist geringer, einfach, weil die wichtigsten unternehmen der Nasdaq deutlich mehr Dynamik zeigen. Aber das ist nur einer von vielen Aspekten, den man derzeit als DAX-Bulle in den Wind schießen muss. Und es auch tut. Denn dafür ist gerade Saison.

Das Phänomen der „self fulfilling prophecy“

Aus einem körperlosen Schlagwort kann umgehend etwas Reales werden, wenn genug Beteiligte daran glauben und entsprechend handeln. Die „Jahresend-Rallye“ ist ein Beispiel dafür. Wenn man mir oft genug ins Ohr flüstert, dass der Aktienmarkt im vierten Quartal steigt, glaube ich daran. Und nicht nur das, ich folgere, dass es clever ist, da mitzumachen. Der Effekt: Meist haut das genau deswegen auch hin. Es gibt keinen zwingenden Grund, warum die Aktienindizes im Herbstquartal besser laufen müssen als im Sommer. Aber wenn genug Trader kaufen, weil sie glauben, dass es so kommt, erfüllt sich die Prophezeiung von selbst. So gesehen 2022, 2023 und in diesem Jahr an der Börse aktuell.

Große Investoren wissen das. Und da die Finanzindustrie nun einmal daran verdient, dass immer mehr Menschen immer öfter immer mehr Aktien kaufen, argumentiert da niemand dagegen. Schließlich hat die Sache auch noch ein paar vorteilhafte Aspekte, die sich für die „big player“ nutzen lassen. Auch und gerade dann, wenn die Jahresend-Rallye ganz und gar nicht zu den Rahmenbedingungen passt und sich damit eine Hoffnungs- oder besser „Gier-Blase“ bildet. Denn am besten kommt in solchen Situationen derjenige davon, der die Nadel in Händen hält, die die Blase ansticht. Aber da sind wir noch nicht. Es gibt schließlich einen Fahrplan.

Die Neun-Uhr-Käufe

Irgendwann zwischen Ende September und Ende November muss erstmal der Zug losfahren. In einem Umfeld wie diesem muss man den zwar anschieben, aber alleine das Schlagwort „Jahresend-Rallye“ und der Umstand, dass das in den vergangenen zwei Jahren auch so lief, sorgt dafür, dass das Anschieben nicht lange dauert und dessen Kapitaleinsatz überschaubar bleibt. Denn wir haben es ja erlebt: Es wird umgehend gekauft wie wild. Auch ohne Grund. Was ja schon deswegen nicht überrascht, weil das Gros der Anleger gar nicht auf die Idee kommt, auch mal auf der Short-Seite aktiv zu werden. Man ist „long only“ … und damit sind Fakten, die andeuten, dass man damit auf dünnem Eis tanzt, unerwünscht. Und werden, wie eingangs geschrieben, entweder ignoriert oder nicht verstanden. Und so läuft der Zug auf einmal von alleine … und die Anleger kaufen weiter, wie der folgende Chart andeutet.

Börse aktuell: Entwicklung DAX im November und Dezember 2024 - Die Neun-Uhr-Käufe | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Börse aktuell: Entwicklung DAX im November und Dezember 2024 – Die Neun-Uhr-Käufe | Quelle: marketmaker pp4

Hier sehen wir den DAX seit Beginn der Rallye auf 60-Minuten-Basis. Mit Pfeilen markiert ist die erste Handelsstunde eines jeden Tages. Wir sehen: Um neun wird gekauft. Sogar an den zwei Tagen, in denen diese erste Handelsstunde eine rote Kerze erzeugte, sprich der Schlusskurs tiefer lag als der Eröffnungskurs, war das ein Anstieg zum Vortages-Schlusskurs, weil der DAX da mit einer Aufwärts-Kurslücke startete. Und wenn der DAX mal um neun nicht recht lief, so wie am Montag, den 2.12., wurde das Problem in den nächsten Stunden erledigt.

Das Interessante ist, dass diese Neun-Uhr-Käufe darauf hindeuten, dass da viel Geld nach dem Handelsende des Vortags in Kauforders verwandelt wurde, die dann umgehend am Folgetag ausgeführt werden und den DAX höher ziehen. Das sind Käufe in Einzelwerten, aber auch und gerade in ETFs. Die müssen dann am Folgetag sofort kaufen, denn sie müssen immer voll investiert sein, um den DAX korrekt nachbilden zu können. Kurz: Diese ungewöhnliche Häufung der Neun-Uhr-Käufe seit Rallyestart, verbunden mit dem so bärischen Umfeld, deutet an, dass da viele Privatanleger kräftig auf Rekordlevel im DAX zugreifen.

Der Fahrplan der großen Adressen

Muss das nicht schiefgehen? Ja, wenn sich die Rahmenbedingungen nicht äußert hurtig immens aufhellen. Was sich nicht abzeichnet. Aber noch wird gekauft. Und egal, wer da bereits mit hochgezogener Augenbraue auf den Ausstieg oder eine tadellose Short-Chance lauert: Solange gekauft wird, ist es nicht sinnvoll, in größerem Umfang dagegenzuhalten. Zumal diese Jahresend-Rallyes ja einem gewissen Fahrplan folgen, indem sie Richtung Jahresende bestimmte Haltestellen ansteuern in der Hoffnung, dass da noch ein paar Passagiere zusteigen oder zumindest nicht aussteigen. Die da sind? Die Charts zeigen es, zunächst anhand des Vorjahres 2023:

Börse aktuell: Entwicklung DAX von Oktober 2023 bis Januar 2024 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Börse aktuell: Entwicklung DAX von Oktober 2023 bis Januar 2024 | Quelle: marketmaker pp4

Die letzten Notenbank-Sitzungen sollen Hoffnung für das nächste Jahr machen. Immerhin schätzen die Statistiker bei „Fed“ und EZB ja im Dezember die Perspektiven für das Folgejahr neu. Und meist optimistisch, zumal kleine Zinssenkungen die Stimmung zusätzlich aufhellen. Und dass solche Weissagungen dauernd korrigiert werden müssen, weil niemand ernsthaft wissen kann, was kommt, wissen viele Anleger nun einmal nicht. Oder wollen es nicht wissen.

Dann haben wir immer am dritten Freitag des Dezembers die große Abrechnung der Optionen und Futures an der Terminbörse, im aktuellen Fall am kommenden Freitag, sprich am 20.12. Da diese Termine einen Trend meist intensivieren und der gerade aufwärts weist, hält das die Kurse meist stabil. Und dann kommt der Jahresultimo. Und auch das zieht die Kurse, wenn das Jahr eine stark positive Performance zeigte. Um ihr werbendes Schaufenster für potenzielle Neukunden und als Verlockung zum weiteren Zukaufen schön zu schmücken, versuchen Fonds, Pensionskassen und ETFs ihre Performance so gut es geht zu steigern, was dazu führt, dass die stark gelaufenen Aktien gezielt noch mehr gekauft werden und die schwachen eher abgestoßen werden. In einem Jahr mit einem steigenden DAX zieht das die Kurse daher tendenziell höher.

Börse aktuell: Entwicklung DAX von Oktober bis Dezember 2024 mit kommenden Terminen | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Börse aktuell: Entwicklung DAX von Oktober bis Dezember 2024 mit kommenden Terminen | Quelle: marketmaker pp4

So soll es auch diesmal laufen. Und die Chance, dass die fleißigen Käufer den von den großen Adressen geschriebenen Fahrplan einhalten, steht nicht schlecht. Und dann … ja, was dann?

Der Januar gehört nicht zur Fahrstrecke des Rallye-Zuges

Dann, ab Januar, werden die Karten neu gemischt, wenn man es als Plattitüde ausdrücken mag. Langfristig betrachtet gibt es keinen Zusammenhang zwischen der Frage, ob davor eine Jahresend-Rallye kam und der Performance eines Januars. Ich habe mir mal die Januar-Performances der letzten 31 Jahre angesehen. In 17 der 31 Jahre war der Januar positiv, einmal nahezu unverändert (2005), 13 Jahre war der Januar negativ. Die folgende Grafik zeigt das für 20 Jahre, alles konnte ich da nicht hineinpacken, sonst würde man nichts mehr erkennen. Also: Es gibt eher keine statistische Vorlage, die einem sagen könnte, ob ein Januar bullisch wird, egal, ob mit oder ohne vorgelagerter Jahresend-Rallye. Aber eines fällt auf – und das ist auch völlig nachvollziehbar:

Börse aktuell: Kursentwicklung beim DAX im Dezember und Januar in den letzten 20 Jahren | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Börse aktuell: Kursentwicklung beim DAX im Dezember und Januar in den letzten 20 Jahren | Quelle: marketmaker pp4

Wenn die Rahmenbedingungen bärisch sind und/oder der Markt heißgelaufen ist, dann ist die Neigung der großen Adressen, die „unten“ eingestiegen sind und den Zug ins Rollen brachten, ihre satten Gewinne mitzunehmen und, wenn die Nachfrage es zulässt, auch Positionen deutlich zu reduzieren oder Short zu gehen, hoch. So beispielsweise im Januar 2000. Oder, die folgende Grafik zeigt es, im Januar 2008. Und dieser Chart zeigt auch:

Börse aktuell: Entwicklung DAX von November 2007 bis Februar 2008 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Börse aktuell: Entwicklung DAX von November 2007 bis Februar 2008 | Quelle: marketmaker pp4

Bis zum Fahrplanende an Silvester 2007 deutete nichts auf ein böses Erwachen hin. Klar, wer wollte, wusste, dass da gerade eine gewaltige Blase am US-Immobilienmarkt platzt, was fatale Folgen für die Weltwirtschaft haben muss. Aber all diejenigen, die den Dezember 2007 brav nach Fahrplan und somit kaufend absolviert haben, wussten es nicht oder wollten es nicht wissen.

Diese Grafik ist wichtig, denn aktuell haben wir wieder einmal keine positiven Rahmenbedingungen und einen DAX auf Rekordniveau. Und die Jahreswende ist nahe. Das heißt nicht, dass es auch diesmal spätestens Anfang Januar auf einmal Aktien hageln muss. Aber es heißt, dass es sehr klug wäre, das nicht einfach auszuschließen und sich entsprechend abzusichern!  

Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Börsenwoche!

Ihr

Ronald Gehrt

Der DAX saust über die 20.000 und bislang immer weiter. Der Euro Stoxx 50 bleibt zurück. Der Dow Jones ist abgehängt. Und die Lage? Die würde eher zu eine Baisse passen. Natürlich sind viele Kommentatoren dann schnell mit der Aussage zur Hand, dass die Anleger euphorisch sind. In der Regel ohne zu erwähnen, dass Euphorie gerne das Ende einer Hausse markiert, aber ich meine, man irrt sich bereits teilweise bei der Beurteilung der Marktstimmung.

Euphorie ist eine überschwängliche Freude, eine Ausgelassenheit, die gerne mit Leichtsinn einhergeht. Man denkt, alles laufe perfekt und ist so berauscht, dass man nicht genauer hinschaut. Das erinnert mich irgendwie an die Verliebtheit meiner Jugend. Und, was die Börse angeht, an 1999. Aber damals wie heute würde man zu kurz greifen und dadurch am Ende Chancen und Risiken nicht korrekt einschätzen können, wenn man die Sache mit Euphorie betitelt und es dabei belässt.

Die völlig Ahnungslosen sind euphorisch, aber wer sich nur ein bisschen auskennt …

Die Gesamtsituation habe ich schon so oft beschrieben, dass ich mich hier auf den Telegrammstil beschränke: Kein Wachstum, auch keine Perspektive hierfür, Zinsen hoch, Inflation immer noch ein Risiko. Kein Anschub aus China und die Erwartung höherer Hürden für den Export in die USA. Dazu die anstehenden Neuwahlen und die dann absehbar schwierige Regierungsbildung. Das passt zu einer DAX-Hausse auf neue Rekorde wie Senf zu Sahnetorte.

Dazu kommt ein DAX selbst, bei dem 15 der 40 Aktien im Abwärtstrend sind. Und das zu Recht. Schlüsselbranchen, ohne die eine Hausse eigentlich gar nicht denkbar ist: Autos, Chemie, Pharma. Und die Bewertung ist entsprechend: Zuletzt hat der DAX ein Kurs/Gewinn-Verhältnis von 18,5 erreicht. Höher lag er seit dem Platzen der Internetblase im Jahr 2000 außerhalb von die Bewertung verzerrenden Rezessionen nur 2015. Und da ging es danach dann fast ein Jahr abwärts.

Um da gelassen beide Daumen hochzurecken, muss man schon ohnehin „automatisch“, über Sparpläne, kaufen, sprich nicht mehr aktiv entscheiden, ob man zukauft oder nicht. Und man muss zugleich von der Börse wenig bis gar keine Ahnung haben. Wer sich auch nur ein bisschen auskennt, dem müssten eigentlich die Haare zu Berge stehen und der Gedanke kommen: Das geht schief.

Aber diese regelmäßigen Käufe der Sparer, die über Sparpläne monatlich in Fonds und ETFs investieren, haben den DAX ja zu den vorherigen Monatswenden auch nicht durch die Decke getrieben. August, September, Oktober, November: keine Rallye zu Monatsbeginn, im Gegenteil ging es meist sogar abwärts. Warum also diesmal rauf … und dann noch so extrem?

Die Antwort ist ein entscheidender Schlüssel zur Beurteilung der Gründe für diesen Aufwärtsimpuls … und damit für dessen Perspektiven.

Die Angst, etwas zu verpassen – das bringt kluge Leute auf dumme Gedanken

Irgendwer muss da ja massiv gekauft haben. Aber wer und warum? Dass normale Anleger auf einmal und ausgerechnet jetzt viel mehr Geld investieren, ist nicht nachvollziehbar. Dass irgendwelche international agierende Großinvestoren in diesem für die deutsche Wirtschaft so negativen Umfeld auf die Schnapsidee gekommen sein könnten, ausgerechnet Deutschland in einem internationalen Großportfolio massiv überzugewichten, wäre noch absurder. Aber irgendwer muss es ja gewesen sein.

Börse aktuell: Entwicklung DAX Mai bis Dezember 2024 - Kaufwelle im Dezember | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung DAX Mai bis Dezember 2024 – Kaufwelle im Dezember | Quelle: marketmaker pp4

Bei dieser Dimension, bei einer DAX-Rallye von beinahe 1.300 Punkten binnen sieben Handelstagen, müssen große Adressen entscheidend beteiligt sein, nur vermutlich aus einem anderen Motiv heraus als dem Gedanken, der DAX sei gerade ein Schnäppchen. Und damit landen wir bei der Börsenpsychologie und auch wieder beim Jahr 1999. Wobei ich vermute, dass das Beispiel 1999 diese großen Adressen nur gelockt hat zu tun, was sie taten, nämlich gezielt die Emotions-Karte zu spielen.

Damals wie heute haben jahrelang steigende Kurse, die am Ende an Fahrt auch noch zulegten, immer mehr Menschen in den Aktienmarkt gelockt, die nicht nur keine Erfahrung mit dem Aktienmarkt hatten bzw. haben, sondern auch glauben, sich kein Fachwissen aneignen zu müssen, denn „es“ läuft ja von alleine. Diese wachsende Gruppe ist von den großen Akteuren am Markt beeinflussbar, indem sie deren emotionale Reaktionen „aktivieren“, die mangels Wissen über Chart- und Markttechnik, wirtschaftliche Grundlagen und die Funktionsweise der Börse an sich deren maßgebliche Handlungsmotive sind. Bei diesen großen Adressen sitzen alte Hasen, die neben Erfahrung auch das nötige Kapital haben, um die Märkte zu bewegen. Und sie wissen eines ganz genau:

Neben der Gier ist es die Angst, die am stärksten auf die unerfahrenen Anleger einwirkt. Und es gibt nicht nur die Angst vor Verlusten. Noch stärker ist die Angst, etwas zu verpassen, konkret in Bezug auf die Börse: Die Angst, Gewinne zu verpassen. Das klingt schräg bis absurd? Überlegen wir mal:

Das ist einer der gefährlichsten Fehler eines Anlegers

Hatten Sie nicht auch ein eher ungutes Gefühl, als der DAX auf einmal an und über die 20.000 ging? Wer sich auskennt, hatte – sinnvollerweise – seine Positionen spätestens bei der Seitwärtsbewegung im Oktober/November eher heruntergefahren. Und jetzt zieht der DAX davon. Und man selbst ist an der Börse aktuell nur gering oder gar nicht mehr dabei. Das macht nervös. Trotz des Wissens, dass der Index da eigentlich in die logisch betrachtet falsche Richtung läuft. Manch einer dürfte da die Nerven verloren und gekauft haben. Zugekauft, Zurückgekauft, Hauptsache wieder dabei. Dann geht es einem irgendwie besser. Trotz des Wissens um das Risiko, denn dieses unschöne Gefühl, Ahnung zu haben und trotzdem sehen zu müssen, dass einem da ein großer Impuls entgeht, ist stärker als die Vernunft. Zumindest bei vielen.

Dieses „Zurückkaufen“ als Reaktion auf eine eigentlich vernünftige Handlung, nämlich bei hohen Kursen in einem immer gefährlicher werdenden Umfeld auszusteigen, ist genau das, was wir 1999 und Anfang 2000 erlebt haben. Es passiert gerade erneut.

Dazu kommen die vielen, die die Risiken gar nicht kennen oder sie nur diffus wahrnehmen. Die treten mit Hurra zur Attacke an, ohne auch nur zu ahnen, wie immens das Risiko ist, dabei am Ende fatal zu scheitern. Auch das ist eine Parallele zu 1999.

Börse aktuell: Entwicklung DAX 1999 bis 2000 - Die Angst etwas zu verpassen | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung DAX 1999 bis 2000 – Die Angst etwas zu verpassen | Quelle: marketmaker pp4

Dass die Mehrheit der Anleger gar nicht wahrnimmt, wenn solche Situationen entstehen und dass die durchaus gezielt initiiert wurden … nicht 1999, aber heute, mangels eines damals „ziehenden“ Motivs namens „New Economy“ … liegt an einem Aspekt, den ich zu den gefährlichsten Fehlern zähle, die man als Anleger begehen könnte:

Sich selbst als „ich“ und alle anderen als „die anderen“ zu sehen und zu glauben, dass diese anderen ganz anders denken und handeln als man selbst. Wenn ein Anleger denkt „ja schau, eine Rallye“ und mitmacht, ohne zu wissen, was da eigentlich genau los ist, dann tut er genau das. Denn dann geht er davon aus, alle anderen würden schon wissen, was sie tun und macht deswegen vertrauensvoll mit. Aber was, wenn all diese anderen eben genau das auch denken, weil deren Emotionen, Gier und Angst, etwas zu verpassen, sie genauso lenken wie einen selbst?

Und meist ist genau das eben der Fall. Auch, wenn man sich sagt: Ich kenne mich mit der Börse zwar nicht aus, aber ich muss ja nur mit der Herde mitlaufen. Klingt schlau, ist es aber nicht. Denn wenn diese Herde mit Masse ebenso keinen Plan hat, kann das in die Hose gehen. Oder wenn die Herde gezielt gelenkt wird, indem große Adressen sie dorthin lenken, wohin sie sie haben wollen …

… was „fies“ wirkt, aber grundsätzlich völlig okay ist. Denn die mit der größten Kapitalkraft „machen“ nun einmal die Trends. Dass sie die dann, wo es geht, gezielt zu steuern versuchen, ist opportun … wir würden es, hätten wir gerade ein paar Milliarden zur Hand, wohl nicht anders machen, denn das Ziel ist ja, selbst Gewinn zu erzielen und nicht dafür zu sorgen, dass irgendwelche anderen kassieren und man selbst nicht. Aber was genau wollen diese „Cowboys“, die die Herde steuern, erreichen?

Das Motiv ist simpel, das konkrete Ziel ist schwerer zu fassen

In erster Linie werden solche Bewegungen – das gilt durchaus genauso für Selloff-Impulse, die man aber seltener bei Indizes hinbekommt und daher meist bei Einzelwerten auftauchen – initiiert, um Gewinn zu machen, das ist klar. Aber was uns jetzt interessieren muss ist die Frage: Wie lange geht das noch so weiter bzw. wann kommt der Rücksetzer der sich, in diesem eigentlich ja bärischen Umfeld, auch leicht zu einem „bösen Erwachen“ auswachsen könnte?

Normalerweise wissen solche „Big Player“ das selbst noch nicht, wenn sie ihre Hebel ansetzen. Man schaut sich einfach an, wie sich diese losgelassenen Emotionen der Masse auswirken. Was man vermuten darf: Auf diesem Level ist man längst „durch“ mit den eigenen Käufen. Jetzt kaufen die, die von der Gier oder der Angst, nicht dabei zu sein, gehetzt werden. So lange, bis sie sich mit einem vollen oder zumindest volleren Depot besser fühlen – oder das Geld alle ist. Dann dürften diejenigen, die „unten“ die Rallye begonnen haben konstatieren, dass man jetzt „oben“ ist und werfen mit sattem Gewinn auf den Markt, was sie zu Beginn der Rallye eingesammelt haben. Und diese Gewinne können gewaltig sein, denn da agiert man ja gerne über die Futures und somit mit immensen Hebeln.

Was übrigens auch dazu motiviert haben könnte, diese aus logischer Sicht so absurde Rallye ausgerechnet beim Leitindex des „Hinkebeins der Eurozone“ loszutreten ist nicht nur, dass die Überrumpelung da am größten ist, sondern auch, weil man so eine Gelegenheit findet, bei ausreichend hoher Nachfrage eigene, als zu groß angesehene Positionen in steigende Kurse hinein auf Rekordniveau abbauen zu können, sprich:

Börse aktuell: Entwicklung DAX April bis Dezember 2024 - Wo liegt der Kipppunkt? | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung DAX April bis Dezember 2024 – Wo liegt der Kipppunkt? | Quelle: marketmaker pp4

Das, was wir gerade sehen, kann auch Teil einer sogenannten Distributionsphase sein, in der große Adressen ihre Positionen an die „zittrigen Hände“, d.h. an die Unerfahrenen und Gierigen, weiterreichen. Dass es vorher seitwärts ging und dies die Umsätze mit der Zeit einschlafen ließ, könnte ein zusätzliches Motiv gewesen sein, diesen Impuls zu provozieren, um auf diese Weise wieder mehr Nachfrage zu generieren, um selbst besser verkaufen zu können.

Lassen Sie sich nicht kirre machen

Der DAX hängt komplett in der Luft und scheint die Schwerkraft ausgehebelt zu haben. Aber da wir heute kein „Dauerbrenner-Argument“ haben wie damals 1999/2000, als viele sicher waren, mit dem Internet werde eine neue Zeit anbrechen, in der alles neu und besser ist und jeder an der Börse reich wird, ist die Dauer dieses „Schwebens“ begrenzt.

Diese Rallye wird weitergehen, solange Gier und „Verpassens-Angst“ genug Geld in den Markt ziehen. Ist das vorbei, d.h. jeder, der wieder zurückkaufen oder zukaufen wollte damit durch ist, wird auch die Schwerkraft in Form der Faktenlage zurückkehren. Was, das sollte man besser einkalkulieren, gerne mal äußerst abrupt vonstattengeht, daher:

Wer vorher sukzessiv ausgestiegen ist, sollte sich genau überlegen, was diesen Drang, jetzt doch noch schnell bei der Rallye mitmachen zu wollen, motiviert: Die Überzeugung, dass jetzt gegenüber Ende November eine Lage vorliegt, die so gut ist, dass man sogar jetzt noch einsteigen und berechtigt auf weiter steigende Kurse hoffen darf … oder nur die Angst, nicht dabei zu sein!

Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Börsenwoche!

Ihr

Ronald Gehrt

Insgesamt gesehen hat der Aktienmarkt seit dem Corona-Crash eine Vielzahl von „Stressfaktoren“ überstanden, die alle eine große Abwärtswende hätten einläuten können. Aber das passierte nicht. Deswegen neigen immer mehr Anleger dazu, Risiken zu ignorieren, nach dem Motto: Es passiert ja sowieso nichts. Die Börsenhistorie lehrt, dass genau das die Sache erst richtig gefährlich macht. Aber wie erkennt man, dass die Hausse vorbei ist … und was wäre dann zu tun?

Börse hat nicht nur ein bisschen mit Emotionen zu tun, eigentlich wird sie von ihnen völlig dominiert. Und das zu jedem Zeitpunkt. Was unter anderem dazu führt, dass sehr viele – sogar erfahrene – Anleger glauben, es müsse das Ziel sein, genau am Tief zu kaufen und genau am Hoch zu verkaufen. Denn das würde sich eben maximal gut anfühlen, den optimalen Gewinn bringen. Das sagen einem die Emotionen. Die Logik, die einem sofort klar machen würde, dass man sich Unmögliches wünscht, hat da nichts zu melden.

Eine Logik, die einem sagen würde: Wenn ich vorher wissen kann, wo das Hoch sein wird, können das alle anderen ja auch wissen. Aber wenn jeder weiß, wo „oben“ ist, kauft da ja schon nahe dran keiner mehr. Wenn aber da keiner mehr kauft, kommt der Kurs gar nicht an diesen Zielpunkt heran und dreht bereits vorher. Vice Versa gilt das für untere Wendepunkte.

Ein Trendbruch findet nie ganz nahe an einem Hoch statt … damit muss man leben können!

Aber das ist ja noch nicht alles, was einem die Realität so an Stöcken in die Speichen eigener Wünsche wirft. Es ist ja nicht einmal klar erkennbar, dass ein Kurs von X am Tag Y das Hoch ist. Da ist dann nämlich kein Gipfelkreuz zu sehen, und zum idealen Ausstieg wird im Börsensaal auch nicht mit einem Glöckchen geklingelt.

Dass da ein Hoch war, kann man dann als sicher verbuchen, wenn von dort ein Rücksetzer beginnt und der sich zu einer Korrektur auswächst. Und wenn die dann wider Erwarten nicht stoppt, der Kurs nicht dynamisch nach oben dreht, wo er drehen sollte, indem er Chartmarken durchbricht, die eigentlich hätten halten müssen, ja dann wissen wir: Hoppla, da hatten wir ein Hoch!

Börse aktuell: Entwicklung DAX von 1985 bis 1988 - Trendwechsel 1987 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung DAX von 1985 bis 1988 – Trendwechsel 1987 | Quelle: marketmaker pp4

Was bedeutet: Es wäre zwar nett, schon nahe an einem Hoch zu wissen, dass daraus ein Trendbruch wird, aber so läuft es eben nicht. Denn wenn Sie an einem Punkt, von dem Sie erst später ahnen, dass er ein Hoch oder zumindest ein Zwischenhoch sein könnte, nicht wissen, was Sie selbst wo und wann tun werden, wenn sich die Kurse ab jetzt so oder so entwickeln, geht es allen anderen ja auch so. Trends sind „lebendig“. Und was heute klar scheint, kann morgen auf einmal Makulatur sein. Was z.B. hieße:

Sicher ist an der Börse nichts … aber das darf nicht dazu führen, dass man alles laufen lässt

Eine klar wirkende obere Wende wird nicht, wie man es erwarten könnte, zu einem Abwärtstrend, sondern zu einer Bärenfalle, indem ein Kurs plötzlich im charttechnischen Nirgendwo dreht und senkrecht nach oben saust und das alte Hoch, das wie in Stein gemeißelt wirkte, einfach überrennt. Das passiert. So gesehen kann (und sollte) man zwar einen Plan haben, eine Strategie, die vorsieht, was in welchem Fall zu tun ist. Aber eine Garantie dafür, dass dann alles auch sauber und dauerhaft optimal funktioniert, haben Sie nie.

Aber bedeutet das, dass man sowieso nie weiß, was passiert und daher einfach mal aus dem Bauch heraus agieren und immer investiert bleiben kann (oder sogar sollte), statt sich mit der Kursentwicklung zu befassen und einzugreifen, wenn es nötig scheint?

Nein, das bedeutet es auf keinen Fall. Denn nur, weil man sich oft mit dem Unerwarteten konfrontiert sieht und Strategien auch mal nicht funktionieren, heißt das ja nicht, dass ein „laissez faire“ besser wäre als Disziplin und Konsequenz.

Da das letzte Mal, dass Wegschauen und fehlendes Grundwissen brutal bestraft wurden, nunmehr gut 15 Jahre her ist (die geplatzte Subprime-Blase nebst Folgen 2008-2009) scheint es mittlerweile so, als könne nichts passieren. Aber das dachten die meisten damals auch. Vor dem Abriss 2008 ebenso wie vor allen Baissen in der Börsengeschichte zuvor. Denn, um an die eingangs erwähnte Aussage anzuknüpfen: Wären nicht immer zu viele zu leichtsinnig, würde es Crashs und Baissen ja nie geben, weil ein Markt mit ausschließlich besonnenen Anlegern nicht heiß laufen würde. Also, eine Art Grundkonzept braucht’s auf jeden Fall!

Sich vorzusehen ist besser, als später das Nachsehen zu haben

Eine auf den ersten Blick clevere Methode wäre, immer eine Sicherung mitlaufen zu lassen. Aber wenn man sein Depot z.B. mit Put-Optionen absichert, kostet das Geld. Wenn man das direkt vor einer Abwärtswende täte, wäre der Kosten/Nutzen-Faktor natürlich perfekt. Aber da man eben nicht weiß, wann und wo „oben“ sein wird, kann man eine solche Absicherung Monate oder Jahre mitschleppen. Und dann kann das weit teurer kommen als es am Ende den Verlust reduziert.

Börse aktuell: Entwicklung DAX von 2007 bis 2008 - Trendwechsel Anfang 2008 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung DAX von 2007 bis 2008 – Trendwechsel Anfang 2008 | Quelle: marketmaker pp4

Besser ist meiner Ansicht nach: hinschauen, beobachten, nachdenken. Und das nicht ab und zu mal, sondern konstant. Warum auch nicht, immerhin hieße das nicht, Nächte vor dem Rechner sitzen zu müssen, da können ein paar Minuten am Tag reichen. Die einem, wieder meine subjektive Ansicht, sein Erspartes wert sein sollte. Natürlich sollte man dazu ein wenig Börsenwissen erworben haben, über Charts, Markttechnik, idealerweise auch über Fundamentaldaten ein wenig Bescheid wissen. Aber das sollte einem sein Geld nun wirklich wert sein, immerhin würden Sie auch kein haarstäubend teures Gerät erwerben und dann einfach ohne Lesen der Bedienungsanleitung daran herumfummeln, bis Sie es dadurch kaputt gekriegt haben. Das unterstelle ich zumindest mal. Aber was kann man da konkret tun, sprich woran könnte man erkennen, dass hier jetzt an der Börse aktuell etwas Größeres passieren könnte?

Indizien für anstehende oder gerade laufende Trendwenden

Ich beschreibe das jetzt für Abwärtswenden, weil „aufwärts“ derzeit ja nur in wenigen Bereichen ansteht, das Prinzip, dann halt spiegelbildlich, gilt für Aufwärtswenden aber genauso.

Ein aus meiner Warte heraus ganz entscheidender Hinweis dafür, dass wir am Markt keinen kurzlebigen Rücksetzer sehen, den man für Zukäufe Long nutzen könnte, sondern etwas faul ist wäre, dass, wie oben schon erwähnt, die Kurse dort nicht aufwärts drehen, wo sie hätten drehen müssen. Oder dass sie dort, wo eine Aufwärtswende generiert werden könnte, nach unten abgewiesen werden.

Das deutet an, dass die Käufer nicht kommen, dafür aber Erholungen für Abgaben genutzt werden und/oder die Bären sich zeigen und die Kurse gezielt drücken. D.h. zuvor unterbotene Unterstützungen, die dann zu Widerständen werden, bleiben Widerstände, ebenso dreht der Kurs an gleitenden Durchschnitten nach unten. Da klingelt die Alarmglocke. Ein Beispiel ist das aktuelle Chartbild des Hang Seng China Enterprises Index, bei dem jetzt passiert ist, was ich unlängst an dieser Stelle schon als Risiko genannt hatte: Die Käufer bleiben weg, eine immens wichtige Unterstützung ist gefallen:

Börse aktuell: Entwicklung Hang Seng China Enterprises Index im Jahr 2024 - Mögliche Abwärtswende voraus | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung Hang Seng China Enterprises Index im Jahr 2024 – Mögliche Abwärtswende voraus | Quelle: marketmaker pp4

Das heißt nicht, dass es jetzt wie ein Strich abwärts gehen muss, wie gesagt: Alles fließt, die Emotionen regieren, gerade in kritischen Phasen ist daher alles möglich. Aber es zeigt, dass hier etwas äußerst faul ist. Und das erfordert dann konsequentes Handeln. Zweites Beispiel:

Wenn Zwischenhochs unter den vorherigen liegen … und das gleich mehrmals nacheinander und dann Gleitende Durchschnitte (hier ist die 20-Tage-Linie bei den Bären beliebt) zu einem klar erkennbaren Leitstrahl des Kurses nach unten werden, dominieren die Bären offenbar bereits das Geschehen. Hier dann zu glauben, das sei alles nur eine harmlose Korrektur und man könne gelassen die Hand aufhalten und in fallende Kurse hineinkaufen, wäre dann brandgefährlich, im Gegenteil: Bei solchen Chartbildern sollte man schon nicht mehr investiert sein … und wenn, dann trendkonform, will heißen Short!

Börse aktuell: Entwicklung BASF im Jahr 2024 - 20-Tage-Linie als Widerstand | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung BASF im Jahr 2024 – 20-Tage-Linie als Widerstand | Quelle: marketmaker pp4

Mit vollen Segeln ist man zwar schnell, erleidet aber auch am ehesten Mastbruch

Aber bei der Frage, was man ganz konkret tun kann, wenn man ein Aktiendepot hat und sieht, dass die Sache an der Börse aktuell zu kippen beginnt, wird man auf ein simples, immer funktionierendes Rezept lange warten, einfach, weil jede Situation immer etwas anders ist als eine frühere, ähnlich wirkende. Weil andere Akteure mitmischen, die Nachrichtelage sich anders darstellt, die Stimmung nicht dieselbe ist wie bei einem früheren, Fall, der ähnlich zu sein scheint, aber nicht ähnlich genug ist, um als Blaupause dienen zu können. Also, was könnte man tun?

Salopp gesagt: Schauen, dass die Bremsen funktionieren und ein, zwei Gänge herunterschalten. So sorgt man dafür, dass man einem steigenden Risiko am Markt mit einem verminderten Risiko im eigenen Depot begegnet.

Börse aktuell: Entwicklung DAX im Jahr 2024 - Bereich möglicher Stop-Orders | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung DAX im Jahr 2024 – Bereich möglicher Stop-Orders | Quelle: marketmaker pp4

Die Bremsen: Stoppkurse bzw. in hoch volatilen Aktien oder Derivaten Stop Loss-Verkaufsorders. Die nicht immer funktionieren, keine Frage, ohne die es aber nicht geht. Sie sollten an den entscheidenden charttechnischen Supportlinien orientiert sein (z.B. beim DAX derzeit an der Zone 18.780/19.045 Punkte und mit einem Sicherheitspuffer von ein bis anderthalb Prozent in einem Index oder zwei bis fünf Prozent bei einer Aktie darunter liegen (abhängig davon, wie volatil der Kursverlauf da üblicherweise ist). Solche Stopps sollten immer da sein und, die Mühe muss man sich einfach machen, regelmäßig überwacht und mit fortschreitendem Trend nachgezogen werden, um immer up to date zu sein.

Die Gangschaltung: Wenn die Schwankungen zunehmen, wenn erste Signale einer Abwärtswende auftauchen, sollte man den Grad des aktiv investierten Kapitals zurückfahren und besonders riskante Positionen verkleinern oder ganz loswerden.

Börse aktuell: Entwicklung JPMorgan Chase von 2021 bis 2024 - Bereich möglicher Gewinnmitnahmen | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung JPMorgan Chase von 2021 bis 2024 – Bereich möglicher Gewinnmitnahmen | Quelle: marketmaker pp4

Und nicht nur, wenn es wirkt, als sei bereits etwas in Schieflage, sollte man ggf. ein paar Segel reffen. Wenn die Rallye besonders extreme Züge annimmt und markttechnische Indikatoren heiß laufen, wie wir das derzeit z.B. bei einer Aktie wie JP Morgan sehen, kann es nicht schaden, ein paar Gewinne mitzunehmen. So geht die Kapitalexposition sukzessiv etwas runter, je wilder es rauf geht. Denn ja, mit vollen Segeln ist man zwar am schnellsten, sprich mit randvollem Depot kann man am meisten Gewinn erzielen. Aber man erleidet auch am ehesten einen fatalen Mastbruch.

Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Börsenwoche!

Ihr

Ronald Gehrt

Ein Schiff sinkt nicht, weil auf dem Promenadendeck ein Glas Champagner umfällt. Es sinkt, weil unter der Wasserlinie, von allen unbemerkt, ein Leck entstanden ist. Ähnlich ist es auch an den Börsen. Es ist entscheidend, nicht nur den Blick auf das zu werfen, was die Medien beherrscht, sondern auch hinter den Vorhang auf kleinere Bereiche zu schauen. Denn wenn die nicht so laufen wie die Kurse auf der großen, medialen Bühne, ist Vorsicht angesagt. Und da gibt es derzeit einige Bereiche, auf die man aufpassen sollte.

Donald Trump hat die Wahl gewonnen. Nach seiner ersten Wahl ging es steil aufwärts, also taten viele Akteure an den Bösen aktuell diesmal genau dasselbe. Doch auch, wenn die Börsenhistorie für Investoren viele entscheidende Beispiele liefert, wie eine bestimmte Situation ablaufen kann, so ist nichts, was heute passiert, eine exakte Kopie vergangener Jahre. Irgendetwas ist immer anders. Das können Kleinigkeiten sein. Es können aber auch Faktoren sein, die dazu führen, dass man mit der Strategie, einfach zu tun, was andere in einer ähnlichen Situation auch taten, Schiffbruch erleidet … einfach, weil die Ähnlichkeit nur oberflächlich ist.

Die erste Reaktion war tatsächlich eine Art Kopie der Tage nach der US-Wahl 2016, dazu auch mehr in einem Webinar, das ich an diesem Mittwoch um 19 Uhr zu diesem Thema halten möchte, die Möglichkeit, daran teilzunehmen, finden Sie hier: Aktienmärkte nach der US-Wahl: Blaupause 2016 … oder wird diesmal alles anders?

Das US-Flaggschiff präsentiert sich stark … die gesamte Flotte weitaus weniger

Aber das galt nur für die Wall Street, in Europa, wo es damals auch aufwärts ging, wurde verkauft. Denn diesmal ist klarer als vor acht Jahren, was der kommende US-Präsident in Sachen Wirtschaft tun wird. Und das ist keineswegs erfreulich für die Eurozone … und für China. Für den US-Aktienmarkt wertet man das indes allgemein als massiv bullisch. Und ja, wenn man sich das US-Index-Flaggschiff Dow Jones so ansieht: Der Index hat zwar zuletzt etwas zurückgesetzt. Aber das ist charttechnisch gesehen noch kein Beinbruch – und nach einem derart immensen Kurssprung auch normal. Allerdings …

Börse aktuell: Entwicklung Dow Jones nach der US-Wahl 2024 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung Dow Jones nach der US-Wahl 2024 | Quelle: marketmaker pp4

… geht es da auch nur um 30 Aktien. Und wenngleich das alles große Blue Chips sind, der Gesamtmarkt ist für die Frage, wie sich die Investoren insgesamt zu der Lage und den Perspektiven stellen, aussagekräftiger. Und wenn man sich den breiten Markt anhand des NYSE Composite Index mit seinen gut 2.000 US-Aktien ansieht, sieht die Sache schon weniger glorreich aus. Das vorherige Zwischenhoch ist bereits klar unterboten, der Ausbruch nach der Wahl also eine Bullenfalle geworden. Achten Sie daher vor allem auf dieses „Leck“ unter der Wasserlinie und die beiden jetzt wichtigen Supportlinien in Form der bereits nahegekommenen August-Aufwärtstrendlinie bei aktuell 19.400 und das direkt vor der Wahl markierte Zwischentief bei 19.200 Punkten!

Börse aktuell: Entwicklung NYSE Composite nach der US-Wahl 2024 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung NYSE Composite nach der US-Wahl 2024 | Quelle: marketmaker pp4

In China bleiben die Daumen oben … aber nur da, wo man nötigenfalls die Daumenschraube anlegt

Auch in Sachen China ist es wichtig, nicht nur dorthin zu schauen, wo der schöne Schein nötigenfalls aufpoliert werden kann. Ein Teil der gigantischen Summen, mit denen man in Peking das Wachstum wieder flottmachen will, ist für ggf. für nötig befundene Eingriffe am Aktienmarkt reserviert, man geht da von etwa 100 Milliarden US-Dollar aus. Eine Summe, die viel am Bild des wichtigen Shanghai Composite Index aufpolieren kann. Und der kommt durchaus „poliert“ daher:

Börse aktuell: Entwicklung Shanghai Composite nach der US-Wahl 2024 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung Shanghai Composite nach der US-Wahl 2024 | Quelle: marketmaker pp4

Mitte Oktober wurden die Verkäufe nach der ersten, auf den Maßnahmen zur Wachstumsbelebung basierenden Rallye genau da abgefangen und der Index gedreht, wo es darauf ankam: Auf Höhe des Mai-Hochs als entscheidendem Support. Danach ging es wieder dynamisch aufwärts. Und selbst nach der US-Wahl hielt man sich wacker, nachdem die erwarteten Steuersenkungen für Jedermann in China ausblieben. Es wirkt, als sei hier alles im Griff, der Bruch der kurzfristigen Aufwärtstrendlinie ist noch nicht sehr deutlich … und solange das Mai-Hoch bzw. Oktober-Tief hält, ist das Gesamtbild ja noch bullisch. Doch wenn man sich dann den HSCEI ansieht, den Hang Seng China Enterprises Index, der die 50 wichtigsten China-Aktien listet, die in Hongkong frei gehandelt werden und wo Stützungen aus Peking nicht hin reichen, sieht man: Abseits des Promenadendecks scheint es ein Leck zu geben:

Börse aktuell: Entwicklung Hang Seng China Enterprise nach der US-Wahl 2024 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung Hang Seng China Enterprise nach der US-Wahl 2024 | Quelle: marketmaker pp4

Hier gab es die zweite Rallye ab Mitte Oktober nicht. Und während der Shanghai Composite noch deutlich von der entscheidenden Supportlinie entfernt ist, ist der HSCEI bereits direkt dran. Unter der Wasserlinie und daher unbemerkt von vielen hat die Hoffnung, dass China mit dem jetzt geschnürten Maßnahmenpaket umgehend die Kurve kriegt, ein erhebliches Leck. Das sollte man jetzt im Auge behalten!

Starker Dollar … und schwaches Öl?

Zwei weitere Bereiche, die meiner Ansicht nach einen genauen und steten Blick wert sind: der US-Dollar und der Ölpreis. Der folgende Chart zeigt die US-Dollar/Euro-Relation, also das übliche Bild spiegelverkehrt, weil man hier sieht, wie viel Euro ein US-Dollar gerade kostet. Und wir sehen: Der steigt, deutet bislang keine Umkehr an, wie man es am US-Aktienmarkt mehr (NYSE Composite oder auch der Russell 2000) oder weniger (Dow Jones oder Nasdaq 100) sehen kann. Ist das ein Beleg, dass man zumindest am Devisenmarkt überzeugt ist, dass die US-Wirtschaft jetzt massiv durchstarten wird?

Börse aktuell: Entwicklung Dollar / Euro nach der US-Wahl 2024 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung Dollar / Euro nach der US-Wahl 2024 | Quelle: marketmaker pp4

Das kann man so interpretieren, man könnte sich indes damit irren. Denn man kann nicht auseinanderhalten, wie viel dieser aktuellen Dollar-Käufe womöglich Käufe sind, weil man den US-Dollar als Safe Haven“-Währung sieht, sprich nicht vermehrt in Dollars umschichtet, weil man dort das stärkste Wachstum erwartet, sondern weil man zunehmende Probleme in der Weltwirtschaft befürchtet und den Greenback als relativ stabilste Währung einordnet. Dieser Gedanke kommt deswegen auf, weil das Bild bei Rohöl nicht zu einem „Hurra-Szenario“ in Sachen Wachstum passen mag:

Börse aktuell: Entwicklung Rohöl nach der US-Wahl 2024 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung Rohöl nach der US-Wahl 2024 | Quelle: marketmaker pp4

Donald Trump will die fossilen Energien wieder voranbringen, mehr Öl und Gas fördern und den Weg in Richtung erneuerbarer Energien entweder verlangsamen oder womöglich sogar rückgängig machen. Zugleich will er die Industrie wieder gezielt in Schwung bringen. Eigentlich müsste das den Ölpreis nach oben ziehen. Doch es scheint, als würde man am Ölmarkt nicht überzeugt sein, dass wir jetzt unmittelbar vor einer Wachstumsphase mit einer damit einhergehenden, anziehenden Ölnachfrage stehen. Auch das ist ein Bereich, den man, wenn man nicht von einem Leck unter der Wasserlinie überrascht werden will, unbedingt beobachten sollte.

Diesmal könnte es durchaus anders laufen

Aus meiner persönlichen Wahrnehmung heraus könnten es die jetzt Schlag auf Schlag herein kommenden Nominierungen für wichtige Ämter in der kommenden US-Regierung sein, die die Sache jetzt doch problematischer für die Investoren machen. Denn sicher könnte man es so interpretieren, dass diese die Fachleute mehrheitlich beunruhigenden Nominierungen dafür sorgen, dass verkrustete Strukturen durch frischen Wind aufgebrochen werden. Aber in erster Linie sollten Minister Erfahrung und Kompetenz mitbringen. Nicht zwingend politisch, aber fachbezogen.

Dieser Eindruck entsteht jedoch nicht. Und es scheint immer mehr Anlegern zu dämmern, dass die kommenden Jahre für die US-Wirtschaft ebenso wie für die Weltwirtschaft vielleicht mehr Wachstum, aber ganz sicher mehr Schwierigkeiten bringen. Achten Sie auf diese Lecks unter der Wasserlinie wie den NYSE Composite, den HSCEI und den Ölpreis, zudem dürfte es lohnen, die zunächst rasant nach oben geschossenen US-Bankwerte wie Goldman Sachs oder JP Morgan im Auge zu behalten!

Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Börsenwoche!

Ihr

Ronald Gehrt