Nicht nur der Schnitt der Expertenprognosen lag 2024 für die wichtigsten Märkte daneben, bisweilen war nicht einmal der extremste Wert, der von einem Analysten geschätzt wurde, in der Nähe des Levels, auf dem man jetzt, zum Jahresultimo, gelandet ist. Sind Prognosen also sinnlos? Nein, sie sind durchaus nützlich … wenn man sie richtig einsetzt.
Ende November 2023 lag der Schnitt der Kursziele für den marktbreiten S&P 500-Index für das jetzt erreichte Jahresende 2024 bei 4.900 Punkten. Zu diesem Zeitpunkt notierte der Index etwa bei 4.600 Zählern. Am Freitagabend schloss er bei 5.971 Punkten. Statt einer eher dünnen Performance, die die Experten erwartet hatten, kam es also zu einer sehr guten.
Noch extremer fiel die Diskrepanz beim DAX aus. Im Schnitt lag das Ende 2023 bestehende 2024er-Kursziel von 26 Banken und Investmenthäusern bei 17.200 Punkten. Beendet hatte der DAX das Jahr 2023 bei 16.752 Zählern, auch hier war die Erwartung in Sachen Kursgewinne also verhalten … und damit lag man dramatisch daneben. Selbst das höchste der damals vergebenen Kursziele lag mit 18.600 Zählern ein gutes Stück zu tief.
Gold: Man sah nicht viel Spielraum für das Edelmetall, immerhin wirkte die 2.000 US-Dollar-Marke schon als luftige Höhe, nachdem der Kurs nach einer durchschnittlichen Prognose von 1.860 US-Dollar für das Jahresende 2023 mit 2.065 US-Dollar deutlich höher als gedacht aus dem Jahr gegangen war. Daher war man eher verhalten, sah nur noch moderaten Aufwärtsspielraum. Die Konsens-Prognose für das Jahresende 2024 lag bei 2.110 US-Dollar, die Spanne der Ziele lag zwischen 1.950 und 2.250 US-Dollar. Schlusskurs am Freitag: 2.616 US-Dollar.
Und bei Rohöl? Da hatten die Schätzungen zu hoch gelegen … für die Verbraucher zum Glück. Brent Crude Oil beendete das Vorjahr mit knapp 79 US-Dollar, im Schnitt sahen die Experten den Ölpreis bis zum jetzigen Jahresende auf knapp 87 US-Dollar steigen. Am Freitag ging Brent Crude mit 73,43 US-Dollar aus dem Handel.
Jahresziel-Prognosen als irreführender Wegweiser?
Zusammengefasst lagen die durchschnittlichen Prognosen bei all diesen wichtigen Märkten nicht nur ein bisschen, sondern drastisch daneben. Hätte man anhand dieser Prognosen einen Trade initiiert, hätte man zwar in Sachen Aktienindizes und Gold womöglich mehr verdient als gedacht. Aber nur, wenn man nicht mit diesen Prognosen im Hinterkopf und den mehrmals im Jahr überkauften Kursen nervös geworden wäre und lieber den Gewinn mitgenommen hätte. Immerhin hätte man sich denken müssen, dass die Kurse da überziehen und jederzeit wegbrechen können. Was sie indes nicht taten.
Wenn man bedenkt, dass Prognosen öfter daneben als richtig liegen … denken wir da nur an die großen Baissen einiger Aktien im endenden Jahr, die es laut den Kurszielen der Analysten nicht hätte geben dürfen, so z.B. bei SMA Solar, Aixtron, Porsche AG, Bayer, Siltronic, Carl Zeiss, Sartorius und vielen mehr, könnte man diese Prognosen an sich als sinnlos ansehen.
Mehr noch, sie sind ja, wenn man ihren reinen Zahlenwerten folgt, sogar irreführend. Auch im Fall steigender Kurse. Denn dass man seitens der Analysten bei Aktien wie Rheinmetall, Siemens Energy oder SAP im Jahresverlauf immer wieder die Kursziele anheben musste, um nicht völlig daneben zu liegen, enthebt eine Prognose, die man am Ende eines Jahres für das Ende des nächsten abgibt, ihrem Sinn. Und ja, wenn man sich nur auf die prognostizierten Zielkurse reduziert, können solche Prognosen mehr schaden als nutzen. Aber betrachten wir sie einfach mal in einem anderen Licht:
Das „Warum“ bei der Vergabe eines Kursziels ist wichtiger als die reine Zahl!
Als die Analysten ihre Kursziele Ende 2023 abgaben, taten sie dies unter bestimmten Annahmen in Bezug auf die Rahmenbedingungen. Bezogen auf DAX und S&P 500 sah man zwar sinkende Leitzinsen als positives Element. Man sah aber auch bremsende Faktoren wie ein vermutlich dünnes Wachstum und eine eher hartnäckige Teuerung, die 2024 über der Zielzone der Notenbanken bleibt. Und man erwartete vorsichtige Verbraucher.
Was die USA angeht, hatte man den Kauftrieb der Verbraucher offensichtlich unterschätzt, die auch bei teuren Krediten nahezu ungebremst weiter konsumierten wie vor der Inflationsphase. In Europa lag man mit diesen Vermutungen aber absolut richtig. Nur die Kurse, die taten nicht, was sie rein logisch betrachtet in diesem Umfeld hätten tun müssen, nämlich bestenfalls im Geländegang nach oben kriechen. Wobei:
Eigentlich lief auch das so wie gedacht, wenn man sich den europäischen Leitindex Euro Stoxx 50 oder den MDAX ansieht. Wie die nachstehende Abbildung zeigt, ist es ja nur der DAX, der so völlig entgegen den Erwartungen stieg und ein weit über dem langjährigen Schnitt liegendes Plus erzielte. Und in dieser Hinsicht sind die Prognosen sehr wohl zu etwas zu gebrauchen:
Sie halten dazu an, die Entwicklungen der Kurse mit den Rahmenbedingungen abzugleichen und dadurch umgehend zu erkennen, wenn etwas nicht läuft, wie es normalerweise sollte. Denn immer, wenn es dazu kommt, entsteht ein Risiko. Was beim DAX hieße: Ein enormer Rückschlag, der den Index auf eine normale Bewertung zurückführt, könnte an der Börse aktuell jederzeit kommen, während die Fallhöhe bei Euro Stoxx 50 oder MDAX viel geringer wäre.
Wenn man also nicht einfach nur das Kursziel einer Prognose ansieht, sondern sich anschaut, warum der betreffende Experte dieses Ziel ausgegeben hat, bekommt man einen Einblick in die Lage, die zum Zeitpunkt der Prognose vorlag. Man kann die Erwartungen des Analysten in Bezug auf die kommende Entwicklung der Rahmenbedingungen mit dem abgleichen, was wirklich passiert und hat damit immer ein Bein auf dem Boden der Fakten.
Prognosen sind nützlich … aber nur für diejenigen, die sich die Zeit nehmen, genau hinzuschauen!
Dass diese Prognosen im Jahresverlauf dann andauernd revidiert werden bzw. werden müssen, belegt zwar, dass die Vergabe konkreter Kursziele eigentlich Unsinn ist, denn jede Revision ist ein Beweis dafür, dass man den Prognosen an sich nicht folgen sollte. Aber letzten Endes sind auch dann Begründungen zu finden. Begründungen, die das Kursziel den Veränderungen im Umfeld angleichen, die man nicht hatte vorhersehen können. Denken wir nur daran, wie wichtig für die US-Wirtschaft war, wer Anfang November die Wahl gewinnen würde. Oder wer im Februar 2025 dann bei uns die Regierung stellen wird. Wie wollte man das prognostizieren? Aber wie gesagt:
Geht man von den reinen Zahlen weg und schaut auf die Grundlagen und Annahmen, deren Ergebnis die Prognose war, wird die Sache nützlich. Da das aber auch viel mehr Aufwand bedeutet, ist es schon so:
Prognosen richten mehr Schaden als Nutzen an. Was aber weniger die Schuld derer ist, die sie abgeben, immerhin wollen die Marktteilnehmer solche Prognosen haben. Es ist vor allem die Schuld derer, die die dazu gehörige „Bedienungsanleitung“ nicht lesen. Die zu ignorieren ja, wie die Erfahrung lehrt, immer eine schlechte Idee ist.
Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Börsenwoche und einen guten Rutsch ins Jahr 2025!
Ihr
Ronald Gehrt
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