Lassen Sie sich den Artikel vorlesen:
|
„What goes up, must come down“ … eigentlich weiß das an der Börse jeder. Und wenn sich ungewöhnlich massive Scheren zwischen den Performances einzelner Indizes und Branchen auftun, werden sich die, sobald das fundamental berechtigte Maß zu weit überschritten wird, schließen. Genau das zeichnet sich gerade ab, insbesondere in Bezug auf die Überflieger-Aktien der Nasdaq. Wieso also regen sich gerade alle so darüber auf?
Eigentlich kann es auf diese Frage nur eine Antwort geben: Weil vermutlich zu viele zu lange zu viel Geld mit zu hohen Hebeln in zu wenige Aktien gestopft haben und denen jetzt der A… auf G… geht. Und zwar weil man, wie die Börsenpsychologie weiß, vor allem dann ernstlich glaubt, rasante, umfangreiche Gewinne werden nonstop immer größer, wenn man sich durch sein eigenes Tun (nämlich, die Sache zu übertreiben) in eine innere Zwangslage manövriert, die vor allem dann entsteht, wenn man mit hohem Hebel herumzockt und schon kleine Rücksetzer große Probleme auslösen. Aber das ist … hoffentlich … nicht das Problem der Mehrheit der Investoren.
Bis jetzt ist noch nichts angebrannt
Klar, dass Aktien, die vorher Wochen und Monate schon beim kleinsten neuen Rekordhoch eine Schlagzeile lostraten, auch umgehend zu „Breaking News“ werden, wenn sie auf einmal fünf oder zehn Prozent nachgeben. Aber wenn wir uns mal die Charts in diesem Beitrag ansehen, so sehen wir sofort: Bis jetzt ist das alles nur ein medial „gehypter“ Sturm im Wasserglas. Was den Nasdaq 100 angeht, der bei dem bisherigen Rücksetzer ebenso heraussticht wie zuvor bei der Aufwärtsbewegung, hat dieser bislang nur in etwa die Dimension der Korrektur des Aprils. Also alles noch im Rahmen des Normalen. Kein Grund zur Aufregung. Oder?
Nein, bis jetzt tatsächlich nicht. Dass bestimmte Indizes oder Branchen von Anlegern bevorzugt werden und andere dann zurückbleiben, ist normal und gleicht sich mittelfristig fast immer aus. So sehen wir im vorstehenden Chart, dass, was vorher stärker stieg, an den US-Börsen jetzt eben auch stärker fällt. Und wir sehen im nächsten Chart, dass diese Schere, die durch eine auffallende Outperformance des DAX zwischen Herbst 2022 und Sommer 2023 entstanden war und die ich im Juni 2023 an dieser Stelle thematisiert hatte, nicht größer wurde und sich jetzt zu schließen beginnt, indem der vorausgelaufene DAX jetzt wackelt und der Dow Jones in den letzten Wochen erheblich aufholt.
What goes up, must come down … eigentlich ist das völlig normal
Und das ist auch in Bezug auf Einzelwerte normal, natürlich immer im Rahmen der Fundamentals. Es ist nur dann denkbar, dass auf einmal die Letzten die Ersten sein werden, wenn sich die Rahmenbedingungen erheblich verändern. Aber eine Übertreibung, in der wenige Aktien zu lange von zu vielen präferiert wurden und daher eine chart- und markttechnische Überhitzung ebenso wie eine Überbewertung zu korrigieren haben, wird eben immer mal wieder auf den Boden der Realität zurückgeholt. Ebenso können Aktien, die der Markt als die Schwächsten ansieht und die dadurch vom bärischen Lager so lange attackiert wurden, dass selbst diese de facto ja durchaus schwachen Titel überzogen gefallen sind, alleine durch Eindeckungen von Short-Positionen immer mal wieder steigen.
Die nachfolgende Grafik zeigt die stärksten und schwächsten drei Aktien des Nasdaq 100, gerechnet ab Jahresanfang, aber im Chart gezeigt ab dem Ende der April-Korrektur. Wir sehen:
Auch hier wird eine zuvor immens weit auseinander klaffende Schere jetzt wieder kleiner. Aber das heißt ja nicht, dass sich das, was in den letzten Monaten als „richtig“ galt, komplett auf den Kopf stellen müsste, sprich die Tech-Favoriten ab jetzt massiv unter Druck geraten und bleiben, während Branchen, die man vorher als „langweilig“ und nicht gewinnträchtig genug ansah, in den kommenden Monaten auf einmal in den Hausse-Modus übergehen. Eigentlich.
Je extremer der Boden überspannt wurde …
Aber die Sache ist dennoch nicht ohne Risiko, d.h. dass man jetzt am Aktienmarkt nervöser wirkt als im April, ist nicht völlig unberechtigt … aus zwei Gründen:
Erstens ist eine kleine, aber abrupte Korrektur wie die bisherige in dem Fall noch bei Weitem nicht genug, wenn sich herausstellen sollte, dass die Bullen in Bezug auf die „Magnificent Seven“, die Pacemaker der Nasdaq-Hausse bzw. in Sachen „KI-Hype“ den Bogen überspannt haben. Denn bei einem Hype ist sehr vieles Erwartung und weniges bereits Fakt. Weder ist klar, wie viel zuerst investiert werden musste bzw. noch muss, bis das große Geld fließt. Noch ist klar, wie viel Gewinne die „KI“ letztlich bringen wird … und wem.
Wie schon beim „Internet-Hype“ vor einem Vierteljahrhundert werden auch jetzt an der Börse aktuell Aktien von allen Unternehmen durch die Decke gekauft, von denen man annimmt, dass sie am Ende zu den großen Gewinnern gehören könnten. Damals waren das am Ende aber nur einige. Viele Unternehmen, die man damals blind und unlimitiert gekauft hatte, sind heute vergessen. Das wird diesmal nicht anders sein. Und auch die wildesten Zocker wissen das sehr wohl … auch, wenn man das gerne verdrängt. Das schürt die Nervosität, wenn es auf einmal anders läuft als gedacht.
Zweitens stecken diese Schlagzeilen an, machen auch die nervös, die es gar nicht sein müssten. Wer gelassen und mit konsequenten Stop Loss trendkonform agiert, müsste eigentlich nichts fürchten. Aber dieser massive „Turnaround“ des Bias in der Berichterstattung kann die bislang noch überschaubare Nervosität steigern. Und wenn dann weitere Abgaben auftauchen, die z.B. dazu führen, dass eine Aktie wie Nvidia, das Flaggschiff des KI-Hype, die im Chart gezeigte, seit drei Tagen belagerte Unterstützungslinie bricht und dadurch ein Topp vollendet, kann die Sache auch ohne Not aus dem Ruder laufen.
Zu viele wollten zu lange zu viel. Damit war der Bogen heftig überspannt … und dann können eben, wenn der Bogen bricht, auch die Folgen heftiger ausfallen als normalerweise. Was heißt:
Jetzt ist eine ruhige Hand zwingend
Es kann bei einer normalen Korrektur bleiben, die momentane Aufregung vieler überzogen sein. Aber es muss nicht. Noch müssten die bisherigen Top-Performer ein gutes Stück nachgeben, bevor sie als „auskorrigiert“ gelten könnten. Zugleich müssen die Käufe in „Underdogs“ nicht weitergehen. Es ist ein reines Nervenspiel, ob die Sache aus dem Ruder läuft oder nicht. Ich kann da ebenso wie Sie alle nicht mehr tun, als zuzusehen, was weiter passiert. Diejenigen, die im ungünstigen Fall finanziell übel auf dem Bauch landen und diejenigen, die eine solche Situation gewinnbringend zu nutzen verstehen, unterscheidet da dann eigentlich nur eines:
Letzte wissen, dass wir jetzt eine Situation vor uns haben, in der kurzfristige Überreaktionen die Lage eskalieren lassen können, in der aber, wenn die ausbleiben, alles umgehend wieder in ruhiges Fahrwasser kommt. Wer die nötige Erfahrung hat weiß: Da geht es um emotionale Entscheidungen … und Emotionen kann man weder vorhersehen noch eingrenzen. Daher ist der beste Weg, jetzt gut durch die kommenden Wochen zu kommen einzusehen, dass eine gelassene, konsequente Reaktion auf das, was passiert, jetzt zwingend, eine „Markmeinung“ oder Zwänge durch zu viel Risiko hingegen äußerst toxisch sind.
An der Börse ist nichts unmöglich, heißt es oft. Leicht dahingesagt, wenn der Markt friedlich daherkommt. Aber wenn wir in einem Umfeld stehen wie jetzt, dann hat man dieses „Unmögliche“ auf einmal direkt vor der Nase. Da ist eine ruhige Hand gefragt. Und egal, ob Sie Long oder Short engagiert sein sollten: Achten Sie auf ihre Risiko-Exposition, zu große Positionen müssen so lange reduziert werden, bis der ruhige Nachschlaf wieder sichergestellt ist!
Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Börsenwoche!
Ihr
Ronald Gehrt
Sie möchten ein Depot für Ihre GmbH, AG oder UG eröffnen und Betriebsvermögen in Wertpapieren anlegen? Informieren Sie sich jetzt über unser Wertpapierdepot für Geschäftskunden: Mehr zum Firmendepot über LYNX
--- ---
--- (---%)Displaying the --- chart
Heutigen Chart anzeigen