Börse aktuell

Hier erfahren Sie, was an der Börse aktuell geschieht. Unser Börsenexperte Ronald Gehrt beobachtet täglich das aktuelle Börsengeschehen und fasst die neuesten Börsendaten und Börsenberichte wöchentlich für Sie zusammen. Mit Börse aktuell bringen wir die wichtigsten Börsennachrichten auf den Punkt und kommentieren, was momentan an der Börse los ist.

Börse: Aktuelle Nachrichten der Woche

Neues von der Börse: Unsere aktuellen Börsennachrichten informieren Sie jede Woche über die derzeitige Börsenentwicklung. Was beschäftigt die Börse? Was steht diese Woche an? Diktieren Bullen oder Bären die Märkte? Sollten Sie Ihre Investitionen erhöhen oder lieber Gewinne mitnehmen? Wir geben Ihnen die Antworten auf diese Fragen, wagen einen Ausblick auf die kommende Börsenwoche und bewerten anstehende Ereignisse, die Auswirkungen auf den Börsenverlauf haben könnten.


Börse aktuell vom 24.-30.03.2025

Die US-Notenbank steht vor schwierigen Zeiten

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Das am vergangenen Mittwoch veröffentlichte Statement sowie die neuen Projektionen der US-Notenbank wirkten insgesamt eher widersprüchlich. Die aktuelle Lage macht den Währungshütern Probleme, keine Frage. Aber wenn die größer werden, was könnte die „Fed“ dagegen tun?

Es ist kompliziert … ein banaler Spruch, der aber für die US-Notenbank vollumfänglich gilt. Es ist wirklich kompliziert, jetzt das Richtige zu tun. Und es dürfte im weiteren Verlauf des Jahres eher noch komplizierter werden.

Wie diffizil sich die Sache darstellt, lässt sich unmittelbar daran erkennen, dass sich die aktuellen, vierteljährlich aktualisierten Prognosen der US-Notenbank (kurz „Fed“ als Abkürzung für „Federal Reserve Bank“) für Wachstum, Inflation und Arbeitslosenrate zwar durchweg in Richtung „schlecht“ veränderten, die Eigenprognose in Sachen Leitzinssenkungen aber unverändert bleib. Konkret sah das so aus:

Der Himmel zieht sich zu, aber die „Fed“ senkt die Zinsen … wirklich?

Das Wachstum des US-Bruttoinlandsprodukts sieht man bei den Statistikern der US-Notenbank jetzt nur noch bei 1,7 Prozent im laufenden Jahr. Die vorherige, im Dezember präsentierte Prognose hatte da noch 2,1 Prozent vorausgesehen. Auch die Ausblicke auf die Jahre 2026 und 2027 wurden leicht nach unten korrigiert.

In Sachen Verbraucherpreise fürchtet man jetzt einen stärkeren Anstieg: Man erwartet eine Inflationsrate von 2,7 Prozent statt zuvor 2,5 Prozent im laufenden Jahr, 2026 dann 2,2, 2027 endlich 2,0 Prozent.

Nur beim Arbeitsmarkt ist man weiterhin optimistisch, die „Fed“ erwartet 2025 am Ende eine Arbeitslosenrate von 4,4 Prozent (bislang 4,3) und 2026/2027 eine bei 4,3 Prozent. Was nach dem Lehrbuch Vollbeschäftigung bedeuten würde (<4,5 Prozent).

Wenn man aber eine Inflationsrate erwartet, die sich auch in diesem Jahr konsequent und mehr als marginal über der Zielzone von 2,0 Prozent hält, wie kann man dann weitere Leitzinssenkungen prognostizieren? Diese Frage stellten sich einige Mitglieder des Federal Market Committee (FOMC), des Entscheidungsgremiums der „Fed“, das über den Zins entscheidet, allerdings auch, denn:

Diese zwei Senkungen um je 0,25 Prozent sind ein Mittelwert und keineswegs allgemeiner Konsens im Gremium. Einige wenige Ratsmitglieder sehen gar keine Senkung, andere, allerdings auch wenige, sogar drei und mehr. Da gibt es einen Dissens, der einen guten Hinweis darauf bietet, dass man eigentlich nicht wirklich weiß, was kommt. Und erst recht nicht, was dann zu tun wäre.

Börse aktuell: Entwicklung Inflationsrate und BIP-Wachstum der USA im Vergleich von 1971 bis 1986 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung Inflationsrate und BIP-Wachstum der USA im Vergleich von 1971 bis 1986 | Quelle: marketmaker pp4

Die Quadratur des Kreises: Die „Fed“ könnte vor eine unmögliche Aufgabe gestellt werden

Im Gegensatz zur EZB, die alleine Preisstabilität sicherzustellen hat und sich nicht aktiv in Wachstumsfragen einmischen darf, kann und soll das die US-Notenbank im Grundsatz tun, denn neben Preisstabilität ist die Sicherstellung günstiger Rahmenbedingungen für Vollbeschäftigung eine ihrer unmittelbaren Aufgaben. Sie kann und muss also einerseits zusehen, dass die Inflation nicht zu hoch ist, aber auch keine Deflation entsteht, andererseits aber auch ein Umfeld ermöglichen, in dem Wachstum einen gesunden Arbeitsmarkt sicherstellt. Das ist normalerweise auch machbar. In Phasen, in denen vieles nicht normal ist, kann das aber die Quadratur des Kreises erfordern. Und genau das zeichnet sich ab.

Umfassende Entlassungen im Bereich der öffentlichen Hand werden Probleme am Arbeitsmarkt und bei der Effizienz der Behörden nach sich ziehen. Zugleich werden die vom Weißen Haus verhängten Einfuhrzölle Probleme machen: Die Importeure bekommen Preisdruck, Lieferketten können reißen, Importwaren werden teurer, die heimischen Unternehmen werden das ausnutzen und so weit wie möglich ebenfalls mit ihren Preisen nach oben gehen. Auch für den Arbeitsmarkt sind Folgen der Zölle denkbar. Hinzu kommt die Verunsicherung der Verbraucher, die sich bereits in markant sinkenden Verbrauchervertrauens-Daten niederschlagen.

Börse aktuell: Entwicklung US-Konsumentenvertrauen von 2014 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung US-Konsumentenvertrauen von 2014 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4

Das Problem für die Notenbank ist aber: Noch ist das alles nicht oder nur im Ansatz in den Daten sichtbar. Wie stark die Effekte sein werden, ist daher bislang offen. Aber grundsätzlich müsste die „Fed“ im Fall eines wegbrechenden Arbeitsmarkts, einer anziehenden Teuerung oder, wenn es dumm kommt, bei beidem zugleich, rasant handeln, denn bis Notenbank-Maßnahmen greifen, dauert es seine Zeit. Nur wäre ein präventives Handeln riskant, weil eben nicht sicher ist, was genau auf die US-Wirtschaft zukommt.

Zumal man das Problem hat, dass man eine Rezession bei zugleich anziehender Inflation nicht zeitgleich effektiv bekämpfen könnte, denn:

Entweder man versucht, die Teuerung herunterzubekommen, indem man Konsum und Investitionen und damit den Preisanstieg über Druck auf die Nachfrage durch teurere Finanzierungen bekämpft. Das aber würde die Konjunktur noch mehr unter Druck setzen.

Oder man versucht, das Wachstum wieder in Fahrt zu bekommen, indem man die Zinsen schnell und deutlich senkt und so die Nachfrage über billige Kredite befeuert. Was dann aber das Risiko beinhaltet, dass die Inflation nur noch mehr anzieht, weil ein Konsum- und Investitionsboom nun einmal preistreibend wirkt.

Beides zugleich wird man also kaum schaffen, nur könnte es sein, dass genau diese Quadratur des Kreises in Kürze gefragt wäre. Und das Problem für die „Fed“ ist eben nicht nur diese Zwickmühle an sich, sondern dass nicht abzuschätzen ist, ob sie sich überhaupt aufbaut und wenn ja, wann und wie heftig es dann laufen würde.

Die Trump’sche Zollpolitik stellt die „Fed“ vor Probleme

Donald Trump ist jetzt gut zwei Monate im Amt und hat in dieser Zeit zwar so allerhand an Stellenstreichungen zugelassen und an Zöllen verfügt, die Volkswirte warten aber vergebens auf eine Art Plan dahinter, auf Berechnungen, was das genau wann und warum bringen wird, was es für Risiken gibt und so weiter und so fort. Wohl, weil es diese Planungen und Berechnungen, z.B. seitens Finanz- oder Handelsministerium, nicht gibt. Andererseits: Wie auch, wenn Mr. Trump vieles offenbar eher spontan entscheidet. Das verstört aber nicht nur die Verbraucher, sondern auch die US-Notenbank.

Denn damit hat man keine Vorlaufzeit, kann immer nur reagieren statt proaktiv zu handeln. Wüsste man, was alles mit Einfuhrzöllen belegt wird, wie lange das andauern wird und, auch mit entscheidend, welche Nationen dann welche Gegenmaßnahmen treffen würden, könnte man zumindest grob schätzen, welche Konsequenzen das für Wachstum und Teuerung haben dürfte. So wie es die EZB am Donnerstag tat. Dort nahm man einfach mal an, die von Donald Trump für den 2.4. avisierten „25 Prozent auf alles“ treten in Kraft, dann würde, so die EZB-Statistiker, das Eurozone-Wachstum um 0,3 Prozent im laufenden Jahr gedrückt und die Inflation um 0,5 Prozent höher ausfallen als ohne Zölle. Da kann die US-Notenbank nur neidisch über den Atlantik blicken, denn die EZB hat nur einen „Gegner“ in Sachen Handel zu berechnen. Die „Fed“ kann nicht einmal ahnen, wie viele es ab wann und wie lange sein werden.

Börse aktuell: Entwicklung der Inflation in der Eurozone von 2015 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung der Inflation in der Eurozone von 2015 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4

Das bedeutet, dass man vermutlich andauernd „behind the curve“ unterwegs sein, sprich der Entwicklung hinterherlaufen wird. Und wenn dann zeitgleich die Inflation steigt und das Wachstum wegbricht, hat man ohnehin ein Problem, denn:

Donald Trump und die „Fed“: Hand in Hand zu arbeiten wäre wichtig, aber …

Beides zugleich mit den Mitteln der „Fed“ zu bekämpfen ist eben nicht drin … und dass man überhaupt auch nur ein Problem löst, ist nie sicher, denn die Notenbank kann ja weder Politik noch Verbraucher zu etwas zwingen. Man kann die Steuern nicht beeinflussen, die Kreditaufnahme nur bedingt über den Zins steuern, man kann nicht in die Rechtsprechung eingreifen. Und vor allem hat man, das zeigte schon Trumps erste Amtszeit, keinen guten Draht zur Regierung. Der aber wichtig wäre, wenn es ernst wird.

Das Problem ist, dass Donald Trump nicht wirklich wie ein Ökonom handelt und seine Minister ihm offenbar selten bis nie widersprechen, egal, was er tut. Für ihn sind hohe Zinsen immer schlecht, weil sie die Wirtschaft behindern. Inflation kümmert ihn wenig, womöglich, weil diejenigen, die ohnehin genug Geld haben, damit kein Problem haben, es ist ja genug Geld da. Zumal seine Philosophie ist, dass Inflation deswegen ein nicht wirklich wichtiger Aspekt ist, weil starkes Wachstum, das Inflation erzeugt, auch für steigende Löhne sorgt, also kostet zwar alles mehr, aber es verdienen auch alle mehr, da bleibt doch alles beim alten.  

Die US-Notenbank weiß, dass es nicht so ist, zumal man jetzt noch dem Risiko ausgesetzt ist, dass die Zollpolitik zum Bumerang wird und statt starkem Wachstum Stagnation entsteht, im schlimmsten Fall Rezession mit Inflation einhergeht. Und zugleich weiß man bei der „Fed“, dass Donald Trump eigentlich der Ansicht ist, dass er und nicht irgendwelche Notenbanker zu bestimmen haben, wie das mit den Zinsen zu laufen hat. Wenn es zu einer problematischen Situation kommt, wird die „Fed“ also vermutlich auch noch permanente Attacken und Forderungen aus dem Weißen Haus auszuhalten haben, womöglich wird man dort sogar versuchen, gegen das geltende Recht Notenbankmitglieder zu feuern und gegen Personen auszutauschen, die bereit sind, den Vorstellungen und Forderungen des Präsidenten nachzukommen.

Börse aktuell: Entwicklung der wichtigsten US-Indizes nach der US-Wahl | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung der wichtigsten US-Indizes nach der US-Wahl | Quelle: marketmaker pp4

Fazit: Es könnte ruppig werden, seien Sie auf Überraschungen gefasst

Dass der US-Aktienmarkt derzeit nach unten läuft, kommt also nicht von Irgendwoher. Einige mochten sich davon blenden lassen, dass die „Fed“ letzte Woche versuchte, diesem „vielleicht“ auf allen Ebenen irgendwie eine ruhige Hand entgegenzusetzen und weiterhin kommuniziert, dass die Leitzinsen in diesem Jahr zweimal sinken könnten, weil der Arbeitsmarkt noch stabil ist und das Wachstum gedrückt, aber doch erhalten bleiben könnte. Aber die Notenbank kann nicht einmal ansatzweise wissen, ob diese Projektionen eintreffen, egal welche von ihnen. Vermutlich wird man alles, und das mehrfach, korrigieren müssen.

Das ist eine Gemengelage, die Investoren fürchten wie der Teufel das Weihwasser, vor allem das internationale Kapital, daher: Es kann nicht schaden, sich in Sachen US-Aktienmarkt, US-Anleihen, Gold, Euro/US-Dollar und sicherlich auch in Bezug auf die Energiepreise darauf einzustellen, dass in nächster Zeit der ewige Begleiter der Trader, das Unerwartete, immer mal wieder hereinschaut!

Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Börsenwoche!

Ihr

Ronald Gehrt

Quellen:
Statement der US-Notenbank vom 19.03.2025; https://www.federalreserve.gov/newsevents/pressreleases/monetary20250319a1.htm
Konjunktur-Projektionen der US-Notenbank vom 19.03.2025; https://www.federalreserve.gov/monetarypolicy/files/fomcprojtabl20250319.pdf

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Nach dem Abitur 1984 studierte der gebürtige Hamburger an der Universität der Bundeswehr Betriebswirtschaftslehre. Im Anschluss an seine Dienstzeit als Offizier begann seine Zeit als Analyst und Finanzjournalist. Seit 1996 war und ist er als Redakteur, Referent und Kolumnist in zahlreichen Funktionen aktiv, seit 2016 ist er unter anderem Analyst bei LYNX. Gehrt ist ein Allrounder, der in der fundamentalen, d.h. volks- und betriebswirtschaftlichen Analyse ebenso sattelfest agiert wie in den verschiedenen Disziplinen der Technischen Analyse wie Chart- und Markttechnik und Sentinentanalyse.
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Börse aktuell: DAX, Dow Jones und Co.

Die heutigen Top-News und Börsenmeldungen zum DAX und der Börse USA mit dem Dow Jones, dem Nasdaq und dem S&P 500 als weltweit einflussreiche Indizes bilden einen Schwerpunkt unserer aktuellen Berichterstattung von der Börse. Auch gute Aktien, die momentan sehr stark im Fokus der Anleger stehen und steigende Börsenkurse prophezeien, werden wir Ihnen hier vorstellen. So bekommen Sie einen umfassenden Börsenausblick und können Ihre eigenen Börsenprognosen verifizieren oder falsifizieren.

Börse: Aktuelle Entwicklung und Trends

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Börse: Aktuelle Tipps zum Marktgeschehen

Neben Börsennews bekommen Sie auch hilfreiche Tipps, um das gegenwärtige Marktgeschehen besser zu interpretieren. Der Börsenmarkt setzt sich aus vielen verschiedenen Märkten zusammen. Jedes Land, jede Branche und jedes Finanzprodukt wird von individuellen Faktoren beeinflusst, sodass es schwierig ist, alle Märkte mit ihren jetzigen Chancen und Risiken zu verfolgen und zu analysieren. Mit Börse aktuell liefert Ihnen unser Börsenprofi die Börseninformationen, die wirklich wichtig sind, und zugleich eine kompakte Börsenvorschau der Woche.

Börse aktuell: Die letzten Nachrichten

Wenn man in einer globalisierten und komplexen Welt an einem wichtigen Faden zieht, kann man nie sicher sein, was sich dann am anderen Ende der Welt, aber auch direkt vor der eigenen Nase, alles in Bewegung setzt. Donald Trumps „Zoll-Strategie“ tut genau das. Die Folgen sind unabsehbar: Sie könnten sich im Rahmen halten und womöglich Trumps Ziele erreichen. Oder die Sache kann völlig aus dem Ruder laufen. Wo liegen die Risiken?

So, wie sich US-Präsident Trump die Sache vorstellt, ist sie ebenso einfach wie effektiv. Er hebt die Einfuhrzölle für ausländische Waren an, um a) dadurch ein Druckmittel zu haben, um die betroffenen Länder dazu zu bringen, mehr US-Waren zu importieren und/oder ihre Einfuhrzölle für US-Güter zu senken oder zu eliminieren. Zugleich füllt das b) die US-Staatskasse und ermöglicht es, aufgrund der daraus erzielten Einnahmen andere Dinge zu finanzieren, medial propagiert werden da natürlich vor allem Steuersenkungen. Und c) drängt er dadurch unerwünschte ausländische Produkte vom US-Markt und protegiert die heimische Wirtschaft, was den Unternehmen mehr Gewinn, den Bürgern mehr Jobs und zugleich höhere Löhne bringen soll.

Das Dumme ist nur, dass es so einfach eben nicht ist. Denn Mr. Trump sieht oder proklamiert nur die Vorteile, nicht die Fallsticke mit drastisch negativen Konsequenzen. Ob er die nicht sehen kann oder nicht sehen will, sei mal dahingestellt. Aber wer sollte ihn davon abbringen, obige Vorteile als alleine relevant zu sehen? Seine Berater? Davon mal abgesehen, dass Donald Trump erfahrungsgemäß keiner ist, der Widerspruch oder auch nur ein „aber“ hören mag, zeichnen sich seine Berater bislang nur dadurch aus, dass sie mit ihm völlig einer Meinung sind und Kompetenz und Weitblick ihres Chefs preisen.

Man täte also gut daran, nicht damit zu rechnen, dass der Kurs korrigiert wird, wenn er in den Graben führt. Um mal einen Anhalt zu bekommen, wie leicht ein solches Gezupfe am Netz der Weltwirtschaft schiefgehen kann, muss man nicht weit in der Geschichte zurückgehen:

Materialengpässe, Inflation, Lieferketten-Chaos … nur wegen der Lockdowns.

Im Nachhinein könnte man behaupten, das, was als Folge der Corona-Lockdowns passierte, sei absehbar gewesen, weil es eine Kette in sich schlüssiger Ereignisse und Folgen war. Doch wieso hatte das dann niemand genau so vorhergesagt? Weil jede dieser Entwicklungen kommen konnte, aber nie musste und aus Entwicklungen heraus entstand, die ebenfalls so kommen konnten, aber nicht mussten. Blicken wir zurück:

Als man das öffentliche Leben und mit ihm die Produktion einfror, hatte man weltweit vor allem den Schutz der Menschen im Blick. Was die Wirtschaft anging, dachte man sich, im ersten Moment ja auch scheinbar logisch: Wenn da für ein paar Wochen die Bänder stillstehen, holt man das halt später einfach mit ein paar Zusatzschichten wieder auf. Erst mit der Zeit wurde klar, dass man mit Zitronen gehandelt hatte, weil diese Lockdowns einen Nachfrageüberhang auslösten und, vor allem, weil sie nicht überall zugleich stattfanden.

Börse aktuell: Entwicklung Industrieproduktion Europa 2017 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung Industrieproduktion Europa 2017 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4

Das führte dazu, dass in einigen Regionen zwar die Produktion lief, aber die nötigen Zulieferteile ausblieben, weil die in Zonen hergestellt wurden, in denen gerade Lockdown war und daher nichts herauskam. Oder es gab zwar Teile, die kamen aber nicht an, weil am Versandort, Zielort oder unterwegs Flughäfen oder Häfen dicht waren. Oder die Teile wurden zwar hergestellt und verschickt, konnten aber nicht verbaut werden, weil die Fabrik in einer Lockdown-Zone lag. Was dann zu Stornierungen führte, die später einen Nachfrageüberhang auslösten, die die Fabrik, die am einen Ende der Welt stillstand, weil ein Kunde am anderen Ende der Welt gerade nicht produzieren konnte, dann nicht so schnell aufholen konnte. Und dass die Lockdowns in China viel radikaler waren und länger dauerten als in Europa und den USA, machte die Sache noch komplizierter.

Und selbst wenn ein Unternehmen einigermaßen in der Spur blieb, fehlte es an Frachtraum, denn natürlich ist der in etwa so dimensioniert, dass er dem normalen Bedarf entspricht. Passiert zuerst eine Zeit lang gar nichts und soll dann auf einmal ruckzuck das Doppelte quer um den Globus transportiert werden, geht das halt schief. Und das war ja nur der erste Schritt der Probleme.

Weil die Verbraucher nach den Lockdown-Phasen wieder vor Ort kaufen konnten und wollten, war die Nachfrage, vorher weggebrochen, auf einmal immens. Aber es war eben wegen vorgenannter Entwicklungen nicht alles verfügbar, erst recht nicht in den größeren Mengen. Und so schlitterten die USA und Europa in die Inflation. Das chaotische Gewurstel bei Produktion und Transport hatte ohnehin schon die Produktions- und Frachtkosten nach oben katapultiert, jetzt gingen die Verkaufspreise über die gestiegenen Kosten hinaus noch höher, weil die Verkäufer natürlich wussten: Ist die Nachfrage groß, das Angebot aber klein, kann man fein die Preise anheben, denn wenn etwas knapp ist, zahlen manche eben problemlos viel mehr dafür.

Börse aktuell: Entwicklung der Erzeugerpreise und Inflationsrate in Europa von 2017 bis 2025 im Vergleich | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung der Erzeugerpreise und Inflationsrate in Europa von 2017 bis 2025 im Vergleich | Quelle: marketmaker pp4

Das wiederum führte zu steigenden Zinsen als Versuch, die Inflation herunterzubekommen. Da man aber wusste, dass Geld auf Pump dadurch erst einmal immer teurer wird, kauften viele zu den gestiegenen Preisen vor, um nicht zu teureren Kreditzinsen und noch höheren Preisen kaufen zu müssen … was aber die Preise erst recht höher trieb. Und wodurch jetzt, während die Zinsen sinken, die Nachfrage dennoch nicht großartig durchstartet, weil so viele bereits Anschaffungen auf Jahre hinaus vorgezogen hatten. Und bei dieser Gemengelage sind externe Faktoren wie der Ukraine-Konflikt noch nicht einmal mit drin. Sie sehen:

Welche negativen Effekte sind bereits jetzt klar absehbar?

Etwas, das im ersten Moment kontrollierbar wirkt, kann, wenn eins zum anderen kommt, völlig aus dem Ruder laufen, ohne dass irgendwer im Vorfeld die Risiken wirklich genau benennen und bewerten könnte. Einfach, weil alles passieren könnte, aber nichts wirklich zwingend passieren muss. Und dieses Verhängen von US-Einfuhrzöllen gehört in genau diese Kategorie: Die Sache wirkt logisch und überschaubar, ist aber letzten Endes wie eine Wundertüte: Man weiß nicht, was dabei wirklich herauskommt. Wobei das im Fall von diesen Zöllen nur für die Nebenwirkungen derjenigen Nebenwirkungen gilt, die unmittelbar auf der Hand liegen. Denn die gibt es ja, nur werden sie im Weißen Haus einfach nicht kommuniziert. Die da wären?

1. Ein ganz unmittelbares Problem ist, dass die höheren Zölle ja primär von den US-Unternehmen gezahlt werden müssen, die die mit Strafzöllen belegten Waren einführen und anbieten. Was sie ja nicht tun, weil sie sonst nichts zu tun haben, sondern weil die Verbraucher diese Waren haben wollen. Damit stecken sie in der Zwickmühle. Führen sie sie trotzdem weiter ein und schlagen die höheren Zollkosten auf die Verkaufspreise drauf, kann es sein, dass diese Güter niemand mehr kauft. Importieren sie sie nicht mehr, kann es sein, dass die Kunden woanders hingehen, statt vom Importeur alternativ angebotene, heimische Produkte zu kaufen. Was übrigens auch für große Unternehmen im Einzelhandel zum Problem wird, weshalb Walmart offenbar chinesische Hersteller nötigen wollte, ihre Preise in der Größenordnung der höheren Einfuhrzölle zu senken, damit die US-Handelskette selbst Verkaufspreise und Gewinnspannen halten kann. Was in China natürlich für Ärger sorgte.

2. Da dieses Hickhack absehbar war, weil Mr. Trump diese Zölle ja groß angekündigt hatte, kam es zu vergleichbaren Vorkaufswellen wie damals im Vorfeld des Hochs der Inflation nebst Zinserhöhungen ab Mitte 2022. Chinas Exporte sind im Januar und Februar drastisch gestiegen, die US-Importe ebenfalls. Die Importeure sahen zu, dass sie so viel wie möglich an Gütern, die man im Weißen Haus ins Visier genommen hatte, vor Verhängung der Einfuhrzölle ins Land schafft. Damit bestehen jetzt große Vorräte, zugleich dürften sich auch viele Verbraucher frühzeitig mit Waren aus China, Kanada oder Mexiko, ggf. auch aus Europa eingedeckt haben, die man als Anschaffung vorziehen oder auf Vorrat kaufen kann. Was bedeutet: Kurzfristig stützt das den US-Konsum und kann dazu führen, dass viele glauben, die Trump-Zölle hätten ja gar keine negative Wirkung. Aber was heute vorgezogen gekauft wird, wird morgen und übermorgen eben nicht mehr gekauft … das Loch, in das die US-Wirtschaft fallen könnte, kommt mit Zeitverzögerung!

Börse aktuell: Entwicklung der Importe der USA von 2011 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung der Importe der USA von 2011 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4

3. Die Preise werden steigen. Denn die US-Unternehmen, die auf einmal von der unliebsamen Konkurrenz befreit werden, weil deren Waren durch die Zölle teurer werden als die eigenen Produkte, dürften die Preise so weit wie möglich an das Konkurrenzlevel angleichen, will heißen: Was da dann weit unter dem Preis der Konkurrenz liegen würde, wird so weit teurer gemacht, dass man erwarten kann, dass die US-Verbraucher trotzdem dieses und nicht das künstlich durch Zölle verteuerte europäische oder chinesische Produkt nehmen. Dass Unternehmen das nicht tun, dass sie das Wohl der Verbraucher über das eigene Profitstreben stellen und die Preise auch da, wo man noch etwas herauskitzeln könnte, stabil halten … das zu erwarten ist naiv, weil es jeder Erfahrung widerspricht. Damit werden die Einfuhren teurer, die heimischen Produkte auch. Und dass die Unternehmen die Löhne proportional zu den Preisen anheben, auch das ist nicht zu erwarten.

4. Natürlich reagieren die betroffenen Länder und verhängen Gegenzölle oder verlangen, wie z.B. die kanadische Provinz Ontario bei der Lieferung von Strom in die USA, zusätzliche Gebühren. Letzteres trägt ebenso zu Inflationsdruck in den USA bei. Ersteres drückt auf die Verkaufszahlen der US-Unternehmen im Ausland. Was den Vorteil des Mehrabsatzes eigener Waren in den USA deutlich mindern wird, ggf. sogar komplett aufzehrt und ins Gegenteil verkehrt. Denn auch, wenn die USA weit mehr einführen als exportieren: Die „Angegriffenen“ und die Verbraucher dort reagieren oft sehr heftig auf derartige Aktivitäten, schließlich weiß man ja, dass diese Zölle die eigenen Unternehmen aus den USA herausdrängen sollen, ohne Rücksicht auf die Arbeitsplätze in China, Europa, Kanada, Mexiko und anderswo. Das bringt leicht genug Verbraucher auf die Barrikaden, dass so manches US-Produkt zum Ladenhüter werden kann.

Das Wundertüten-Problem bei den Nebenwirkungen der Nebenwirkungen

Aber das sind nur die absehbaren Nebenwirkungen. Damit muss es keineswegs getan sein, weil eben eine Veränderung eine oder mehrere andere erst auslöst und damit erst erkennbar macht, wenn sie stattgefunden hat. Was mir dahingehend so einfallen würde:

Gerade werden in rauen Mengen Staatsbedienstete entlassen. Die man auch dann, wenn Trumps Idee, dass die Zölle in der US-Industrie neue Jobs kreieren würden, nicht einfach von eben auf gleich in qualifizierte Techniker verwandeln kann. Die Arbeitslosigkeit wird also zunehmen, auf der anderen Seite weiterhin spezialisierte Fachkräfte fehlen – was den inflationstreibenden Lohnanstieg hoch halten wird. Damit steigt die Zahl derer, die sich höhere Preise nicht leisten können. Und von denen gibt es in den USA ohnehin schon genug. Ein solcher Wandel kann funktionieren, wenn man ihn über Jahre vorantreibt. Donald Trump will aber alles sofort. Und das ist hochgefährlich.

Dass vor allem chinesische Produkte so beliebt sind, liegt daran, dass sie billiger und, anders als vor 20 oder 30 Jahren, deswegen nicht schlechter sind. Die vielen US-Bürger, die nicht zu den Wohlhabenden gehören, haben diese Güter nicht gekauft, weil sie keine Patrioten sind, sondern, weil ihr Budget heimische, teure Produkte nicht hergibt. Wenn die Importwaren jetzt durch Zölle künstlich verteuert werden und die heimischen Hersteller die Gelegenheit beim Schopf packen, um die eigenen ein wenig teurer zu machen, wird die Kostenbelastung für viele dramatisch sein … mit unabsehbaren Konsequenzen für die US-Wirtschaft.

Börse aktuell: Entwicklung der Walmart Aktie von 2024 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung der Walmart Aktie von 2024 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4

Davon mal abgesehen werden ja auch die US-Hersteller durch die Zölle unter Druck gesetzt, denn die Welt ist nun einmal globalisiert. Die meisten Industriezweige brauchen Zulieferteile aus dem Ausland. Die jetzt durch Trumps Zölle teurer werden, nehmen wir da nur die flotten 25 Prozent obendrauf für Stahl und Aluminium. Nicht umsonst weist der Verband „Autos Drive America“ die US-Regierung jetzt darauf hin, dass diese Zölle auch die Produktion ausländischer und heimischer Autobauer im Land in die Bredouille bringen. So heißt es da: „Die Autohersteller können ihre Lieferketten nicht über Nacht umstellen, und Kostensteigerungen werden unweigerlich zu einer Kombination aus höheren Verbraucherpreisen, weniger angebotenen Modellen und der Schließung von US-Produktionslinien führen, was zu einem möglichen Verlust von Arbeitsplätzen in der gesamten Lieferkette führen wird.”

Zwar hat Donald Trump als Lösung parat, dass er dann einfach die Steuern senkt, finanziert aus den Zolleinnahmen. Aber bislang findet sich keine taugliche Schätzung, die aussagen würde, dass das, was die Zölle einbringen (vor allem, wenn entsprechende Güter dann weniger eingeführt werden) ausreichen, um nennenswerte Steuersenkungen für alle zu bezahlen, kurz: Die Staatsverschuldung müsste steigen, die Zinsen bleiben oben, die Kredite bleiben teuer.

Dann erneut gegenzusteuern, indem man noch mehr Geld für Bildung, Soziales und Healthcare zusammenstreicht, hat wiederum Folgen für das Sozialgefüge in den USA, die völlig unvorhersehbar sind, aber zumindest eines ließe sich sicher sagen: Dass dann weniger mehr, zugleich aber mehr weniger haben, ist nicht gut.

Fazit: Die Büchse der Pandora ist offen

Hier wurde im Weißen Haus nur bis zu dem Punkt gedacht, der in der allerersten Ebene Vorteile ausweist. Was aus diesen Zöllen im weiteren Verlauf an Problemen und ggf. auch lange andauernden Spätfolgen entstehen kann, wird ignoriert. Wenn man an die Folgen der Lockdowns denkt, sollte klar sein, dass man im Weißen Haus gerade agiert wie Goethes Zauberlehrling mit seinem Besen:

Man glaubt, die Sache locker im Griff zu haben, dürfte sich dabei aber irren. Doch während Goethe zur Rettung den alten Zauberer auftreten und ihn die Sache ruckzuck korrigieren lässt, ist der in unserer Realität nicht in Sicht. Daher sollte man, nicht nur, aber auch in Sachen Zölle einkalkulieren, dass uns in nächster Zeit so manche unerwartete Entwicklung ins Haus steht, die die Börsen erheblich in Wallung bringt.

Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Börsenwoche!

Ihr

Ronald Gehrt

Quellen:
Statement Autos Drive America; https://www.n-tv.de/wirtschaft/Angst-vor-Vergeltung-Tesla-meldet-Zweifel-an-US-Zoellen-an-article25628796.html?utm_source=firefox-newtab-de-de

In Europa werden die Aktienmärkte von Hoffnung und Gier getrieben, in den USA zeitgleich von Enttäuschungen und Angst gedrückt. Die Volatilität läuft dabei umso heftiger aus dem Ruder, je mehr die Emotionen den Handel bestimmen. Das macht die Kursbewegungen kurzfristig kaum noch berechenbar … aber es existieren charttechnische Schlüsselmarken, deren Überwinden oder Bruch die Sache sogar noch extremer werden ließe.

Die Kurse schaukeln sich an der Börse aktuell immer weiter auf. Was ich in der Vorwochen-Kolumne noch als hohe Volatilität bezeichnete, wirkt nach der vergangenen Börsenwoche wie ein laues Lüftchen. Dass der DAX mal mit einer größeren Kurslücke startet, ist nicht unüblich. Dass diese Lücken aber andauernd über ein Prozent ausmachen und zuletzt täglich auftraten, das ist sehr wohl ein Ausnahezustand. Und an den US-Börsen nimmt die Volatilität ebenso zu, nur bewegen sich die Kurse dort im übergeordneten Bild seit Wochen nach unten.

Diese Divergenz zwischen den beiden Wirtschaftsräumen ist ohnehin eher ungewöhnlich. Aber dass es dabei auch noch derart hektisch zugeht, macht die Sache für Anleger noch kniffliger.

Börse aktuell: DAX Entwicklung von Februar zu März 2025 - Häufige Kurslücken | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
DAX Entwicklung von Februar zu März 2025 – Häufige Kurslücken | Quelle: marketmaker pp4

Das Richtige zu tun ist in Phasen wie diesen manchmal Glückssache, aber …

Man hat nicht nur das Gefühl, am Abend nicht ansatzweise absehen zu können, wie die Märkte am nächsten Morgen aufmachen. Man muss auch damit zurande kommen, dass sehr starke Kursbewegungen in jedem Moment auftreten und einen, wenn man zufällig auf der falschen Seite steht, überrollen können. Und das, ohne zu wissen, ob es nicht wenige Stunden oder sogar nur Minuten später in die andere Richtung geht. Man steht also unter dem Dauerstress nie zu wissen, ob und wann es klug wäre, die Positionierung von Long auf Short oder von Short auf Long zu drehen und ebenso nicht absehen zu können, ob ein Impuls andauert und man daher reagieren muss oder nichts zu tun die bessere Wahl wäre.

Natürlich wirkt ein solcher Markt, als würden Chancen hinter jeder Ecke warten. Aber wenn man die Sache mit Abstand betrachtet, versteht man schnell: Weniger Bewegung, dafür aber konstantere Impulse, das bringt zwar kleinere Gewinnchancen, dafür aber eine deutlich bessere Chance/Risiko-Relation.

Börse aktuell: Entwicklung DAX und VDAX im Vergleich von 2023 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung DAX und VDAX im Vergleich von 2023 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4

… es gibt Schlüsselmarken, an denen man sich orientieren könnte

Diese ruhigeren Phasen, die den weitaus größeren Teil der Handelszeit ausmachen, werden wiederkommen, keine Frage. Aber bis dahin muss man sich eben auf „Sturm“ einstellen, indem man, wie letzte Woche schon vorgeschlagen, entschlossen die Segel refft und mit weniger Kapitaleinsatz, weniger Hebel und nie ohne Stoppkurse agiert. Denn wer jetzt zu viel wagt, könnte dann, wenn das Trading wieder einfacher wird, mit weit weniger Geld dastehen als zuvor.

Damit es anders herum läuft, muss man einige entscheidende Schlüsselmarken im Blick haben die, wenn gekreuzt, den Sturm zum Hurrikan machen könnten. Einige dieser Marken lassen sich recht gut ausmachen. Die nicht aus den Augen zu lassen, ist meiner Ansicht nach zwingend, denn wenn sie gekreuzt werden, kann das umgehend immense Reaktionen auslösen und die hektische Börse noch viel hektischer machen.

Vier Schlüssel-Indizes bieten aktuell gut definierbare Entscheidungsmarken

Keineswegs alle Indizes bieten momentan solche charttechnisch fixierbaren Ankerpunkte. Aber letzten Endes kommt es auch nur auf wenige, entscheidende Indizes an. Kippen die oder brechen nach oben aus, ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie die mit ihnen verbundenen Indizes mitziehen, recht hoch.

Der als erstes gezeigte Euro Stoxx 50 Index besteht beispielsweise zu etwa einem Drittel aus DAX-Aktien, der S&P 500 umfasst alle wichtigen US-Blue Chips aus Dow Jones und Nasdaq 100 … und der Nasdaq 100 wird von den Mega-Caps des Technologiesektors dominiert. Dazu als vierter im Bunde ein chinesischer Index, denn China wird bei der heimischen Hektik momentan zu wenig beachtet. Eine kleine Chartgalerie aktuell neuralgischer Punkte:

Europas Leitindex könnte den DAX kurzfristig noch mehr befeuern … oder ausbremsen

Vergleicht man die Performance des Euro Stoxx 50 mit der des DAX seit dem letzten markanten Zwischentief von Anfang August, so fällt auf, dass der europäische Leitindex zuletzt nicht ansatzweise mithalten konnte. Daraus ergeben sich zwei Optionen. Sollte der Euro Stoxx 50 nach oben ausbrechen, könnte das dem DAX die zweite Luft geben, immerhin stammen etwa ein Drittel der Euro Stoxx 50-Aktien aus dem DAX. Bricht der Eurozone-Index aber nach unten weg, kann das für die DAX-Hausse durchaus das Ende bedeuten. Und dass sich beim Euro Stoxx 50 kurzfristig etwas entscheiden kann, legt das Chartbild nahe:

Börse aktuell: Entwicklung Euro Stoxx 50 von 2023 bis 2024 mit aktueller Trompetenformation | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung Euro Stoxx 50 von 2023 bis 2024 mit aktueller Trompetenformation | Quelle: marketmaker pp4

Wir sehen, dass der Euro Stoxx 50 über der oberen Begrenzungszone des im Februar nach oben durchbrochenen August-Aufwärtstrendkanals hoch volatil seitwärts läuft. Dabei lassen sich Ansätze einer Trompeten-Formation erkennen, die deutlich macht, dass sich die Kurse immer weiter aufschaukeln. Ein Ausbruch aus einer solchen „Trompete“ ist in der Regel extrem stark, siehe dazu auch die heutige Analyse zu Nordex im LYNX Börsenblick. Behalten Sie den Bereich 5.350/5.380 Punkte im Auge, das ist aktuell, wenngleich noch innerhalb der „Trompete“, ein für die Bullen entscheidender Support.

Nasdaq 100: Vorerst gerettet … aber die Bären wissen, wo sie ansetzen müssten

In den letzten zwei Wochen hat der Nasdaq 100 dramatisch Boden verloren. Während man hierzulande im Haussetaumel unterwegs war, dominierten im US-Tech-Sektor die langen Gesichter. Das hat dazu geführt, dass der Index ein Doppeltopp vollendet und am Donnerstag sogar die wichtige 200-Tage-Linie unterboten hat, die er am Freitag nicht zurückerobern konnte bzw. möglicherweise nur „noch nicht“, denn:

Börse aktuell: Entwicklung Nasdaq 100 von 2022 bis 2025 mit wichtigen Chartmarken | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung Nasdaq 100 von 2022 bis 2025 mit wichtigen Chartmarken | Quelle: marketmaker pp4

Es gelang, die Anfang 2023 etablierte Aufwärtstrendlinie punktgenau zu verteidigen. Genau dort setzten Käufe ein, das unterstreicht, dass sich das bullische Lager noch keineswegs aufgegeben hat. Jetzt müssten aber umgehend überzeugende Anschlusskäufe kommen, die ausreichen, um die 200-Tage-Linie und die Nackenlinien-Zone des Doppeltopps umgehend zurück zu erobern. Gelingt das, ist die Kuh für die Bullen zunächst vom Eis. Aber die Bären sind eben auch noch da und wissen: Diese Aufwärtstrendlinie ist eine Schlüsselmarke … und der Weg, um sie zu brechen, bislang noch kurz!

S&P 500: Steht besser da als der Nasdaq 100, ist aber auch noch nicht gerettet

Eine Chance für den Nasdaq 100 dürften die Bullen beim Blick auf den marktbreiten S&P 500 sehen, immerhin listet der alle wichtigen Hightech-Aktien ebenso. Kriegt der S&P 500 die Kurve, kann das den Nasdaq 100 mit aus dem Morast ziehen. Der Vorteil hier ist, dass es am Freitag gelang, die zeitweise schon klar unterschrittene 200-Tage-Linie zum Handelsende zu retten, nachdem die Supportzone 5.651/5.670 Punkte gehalten und dies Käufer mobilisiert hatte.

Börse aktuell: Entwicklung S&P 500 von 2024 bis 2025 mit wichtigen Chartmarken | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung S&P 500 von 2024 bis 2025 mit wichtigen Chartmarken | Quelle: marketmaker pp4

Aber auch hier gilt: In dieser Woche müssten sofort Anschlusskäufe kommen, die stark genug sind, um den Index wieder über das im Chart violett hervorgehobene „Trump Gap“, diese Aufwärts-Kurslücke, die am Tag nach der US-Wahl entstand, zu tragen. Dass der Index derzeit tiefer steht als vor Trumps Wahlsieg, ist für das Bullen-Lager ein psychologisch negativer Aspekt. Den müsste man also erst einmal erfolgreich und vor allem schnell „wegkaufen“, um die Kuh vom Eis zu bekommen.

Hang Seng China Enterprises Index: Hoffnung und Trotz, die nicht bis zu uns reichen

Die hochkochenden Märkte in Europa und den USA führen leicht dazu, einen anderen aus den Augen zu verlieren. Um, wenn man doch mal hinschaut, verblüfft festzustellen, dass die Rallye des Hang Seng China Enterprises Index (kurz HSCEI) gerechnet ab Jahresbeginn sogar noch massiver nach oben führt als die des DAX. Die Überzeugung, gegen den Druck der USA bestehen zu können ebenso wie die Erwartung, dass man in Peking aufgrund dieser Entwicklung noch mehr Stimuli für die Wirtschaft liefern wird, haben die Notierungen dieses Index, der die größten 50 in Hongkong frei gehandelten Aktien aus China listet, wie eine Rakete nach oben getrieben.

Börse aktuell: Entwicklung Hang Seng China Enterprises Index von 2024 bis 2025 mit wichtigen Chartmarken | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung Hang Seng China Enterprises Index von 2024 bis 2025 mit wichtigen Chartmarken | Quelle: marketmaker pp4

Aber die in der Spitze knapp 25 Prozent, die der HSCEI seit Ende 2024 gestiegen ist, basieren eben nicht weniger auf Hoffnung und Gier wie beim DAX und gehen entsprechend mit immensen Risiken auf der Unterseite einher. Die charttechnische Schlüsselmarke wäre hier das Tief des vergangenen Dienstags und das Hoch vom Oktober 2024 im Bereich 8.209 bis 8.373 Punkte. Diese Zone darf nicht brechen, sonst kann eine Korrektur den HSCEI schnell ziemlich weit nach unten führen, denn solche Super-Rallyes haben die Nebenwirkung, dass die Kurse auf ihrem Weg nach oben keine tauglichen Supportzonen ausbilden.

Jetzt müssen die Augen offenbleiben, zumal der März ein besonderer Monat ist

Rational unterfüttert ist an der Börse so gut wie nichts, wenn es um Auffälligkeiten in der Saisonalität geht. Aber für starke Trendimpulse und markante Richtungswechsel sind ja auch höchst selten Fakten, sondern vor allem die Emotionen verantwortlich. Wenn die Richtung erst einmal gedreht hat, werden das Ganze scheinbar begründende Fakten nachgereicht und nötigenfalls halt entsprechend zurechtgebogen. Also sollte man, Logik hin oder her, im März besonders aufpassen, denn er ist für Wendepunkte nun einmal berüchtigt.

Die große Abwärtswende nach der Internetblase im Jahr 2000? Im März. Die Aufwärtsschwenks nach der Baisse 2000-2003 und 2008/2009? Im März, ebenso wie der Upturn nach dem Corona-Crash im Jahr 2020. Dass DAX & Co. in diesem Monat scharf abdrehen und die Korrektur der US-Börsen einer neuen Hoffnungswelle weicht, sprich sich die derzeit konträren Trendrichtungen ins Gegenteil verkehren, wäre also alleine aus der Erinnerung der Investoren heraus denkbar, dass der März irgendwie für so etwas prädestiniert ist. Denkbar heißt nicht, dass es wirklich so kommen muss. Aber es heißt, dass man jetzt auf jeden Fall extrem aufmerksam agieren muss!

Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Börsenwoche!

Ihr

Ronald Gehrt

Die Intensität der Kursbewegungen nimmt deutlich zu. Und das beschränkt sich, wenn wir uns mal z.B. den Bitcoin ansehen, nicht nur auf den Aktienmarkt, sondern erfasst mehr und mehr Bereiche der Börsen. Damit wird es schwierig zu erkennen, ob ein Kursimpuls Basis einer größeren Bewegung wird oder nur eine kurzfristige Irritation ist, der man nicht folgen muss bzw. sollte. Wie kann man damit umgehen?

Es ist manchmal gar nicht so leicht, sich strikt auf die Börse zu beschränken, diesmal besonders, nach dieser Übertragung des „Gesprächs“ zwischen US-Präsident Trump und seinem Vize mit dem ukrainischen Präsidenten. Aber meine Aufgabe ist es, mich um die Börsen zu kümmern, meine persönliche Meinung zu dieser politischen Entwicklung hat da nichts verloren. Festhalten darf und muss man indes: Der Anteil derer, die erkennen, dass die USA ernste Probleme schaffen, dürfte am Freitagabend weiter gestiegen sein. Und das wird alle Bereiche erreichen, die Märkte werden dadurch noch volatiler, emotionaler, unberechenbarer. Was bedeutet:

Für uns Marktteilnehmer wird es an der Börse aktuell schwieriger bis tendenziell unmöglich, zeitnah abschätzen zu können, ob ein aus dem Nichts heraus startender, immenser Impuls in zehn Minuten ins Gegenteil umschlägt oder der Beginn einer Tage oder sogar Wochen andauernden Bewegung ist. Grund:

Die Suche nach den Auslösern kostet Zeit, die zu spekulativ agierende Trader nicht haben

Reagieren die Kurse auf überraschende Nachrichten, gilt: Wer die Nachricht als erster sieht, ist im Vorteil. Für die Trader geht dann eine hektische Suche nach einer möglichen Quelle los. Ein Auslöser für starke Impulse kann letztlich ja von überall herkommen. Hat Trump irgendetwas auf seinen Media-Accounts gepostet? Kam da etwas von Notenbankern? Hat eine Unternehmensmeldung den Markt in Bewegung gesetzt? Oder hat ein plötzlicher Schub womöglich rein charttechnische Gründe? Ist es vielleicht durch strategische Aktionen großer Adressen, z.B. vor Abrechnungen am Terminmarkt, Monats- und Quartalsultimos motiviert?

Börse aktuell: Entwicklung DAX und Volatilität von 2023 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Börse aktuell: Entwicklung DAX und Volatilität von 2023 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4

Das herauszufinden kostet Zeit. Zeit, die man nicht hat, wenn man sich nicht auf ein solches Kursverhalten eingestellt hat, denn dann wird es, wenn es in die falsche Richtung geht, teuer. Das Problem dabei ist:

Bis man einigermaßen klar sieht, warum ein Kurs auf einmal schnell und weit in eine Richtung läuft, ist die Bewegung großenteils vorbei, egal, wie schnell man bei seiner Suche ist. Immer vorausgesetzt, man bekommt den Schub überhaupt mit und liegt nicht gerade im Bett, während die Futures mitten in der Nacht nach oben schießen oder einbrechen, sitzt nicht gerade beim Essen, ist im Auto unterwegs etc. Die Märkte laufen heutzutage rund um die Uhr, sogar am Wochenende gibt es indikative Index-Notierungen und die Kryptowährungen werden weiter gehandelt. Niemand kann durchgehend aufmerksam hinter dem Monitor sitzen … und das kann und sollte auch niemand wollen.

Ein Freitag mit vielen Überraschungen

Um darzulegen, wie knifflig die Sache ist, wenn sich die Volatilität hochschaukelt, weil die Risiken immer größer werden, weil zudem immer mehr Hochrisikokapital im Markt herumgeistert, während die Rahmenbedingungen immer kritischer werden, bietet sich der Freitagabend perfekt an … er ist auch der Grund, warum ich heute dieses Thema gewählt habe. Sehen wir uns das mal anhand des Intraday-Kursverlaufs des Nasdaq 100 an:

Börse aktuell: Der Einfluss von Nachrichten auf die Intraday-Entwicklung des Nasdaq 100 am 28.02.2025 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Börse aktuell: Der Einfluss von Nachrichten auf die Intraday-Entwicklung des Nasdaq 100 am 28.02.2025 | Quelle: marketmaker pp4

Wir sehen hier, dass der Index auf negative Nachrichten jeweils reagierte. Um 14:30 Uhr unserer Zeit und damit eine Stunde vor US-Handelsbeginn kamen die persönlichen Einnahmen und Ausgaben der US-Bürger für den Januar heraus. Einnahmen unerwartet hoch (+0,9 Prozent), Ausgaben unerwartet zurückgegangen (-0,2 Prozent). Die US-Verbraucher sparen also. Ein Warnsignal. Um 17:05 Uhr kam der GDP Now-Tracker der US-Notenbank von Atlanta, der das aktuelle Wirtschaftswachstum anhand einlaufender Konjunkturdaten zu messen versucht, erstmals seit Jahren und völlig unerwartet mit einem negativen Wert heraus, indizierte also, dass die US-Konjunktur rückläufig ist. Auch da ging es abwärts. Und dann kam der Eklat beim Treffen Selenskyj/Trump, gegen 18:30 wurde schon sichtbar, dass da etwas äußerst Ungutes passiert. Auch da reagierte der Nasdaq 100 entsprechend mit fallenden Kursen.

Aber was passierte dann ab 19:20 Uhr? Auf einmal kamen drei Kaufwellen, die den Index bis zum Handelsende um 2,2 Prozent über das Tief nach der Eskalation im Weißen Haus und damit gegenüber dem Vortag weit in die Gewinnzone katapultierten. Ich weiß nicht, ob es Ihnen genauso ging, aber mein erster Gedanke war, dass irgendwer auf die schräge Idee gekommen wäre, dieses Scheitern der Gespräche in Washington in eine bullische Entwicklung umzudichten. Einfach, weil da gerade etwas extrem Drastisches passiert war und man eine extreme Bewegung am Markt dann mit eben diesem Ereignis verknüpft. Andere „News“ kamen zu dieser Zeit ja nicht. Ich hatte zwar zu dieser Zeit alle Hände voll zu tun, trotzdem war es nicht gut, dass ich erst beim allerletzten der drei Schübe verstand, was da eigentlich passiert. Die Lösung zeigte sich, wenn man von diesem Mikrokosmos des Intraday-Charts auf die Tagesbasis wechselt:

Börse aktuell: Entwicklung Nasdaq 100 von 2024 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Börse aktuell: Entwicklung Nasdaq 100 von 2024 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4

Dann wird auf einmal klar, was da los war: Diese Kaufwellen hatten mit der extrem brisanten Entwicklung im Weißen Haus gar nichts zu tun, es wirkte nur so, weil sie zeitlich so nahe dran lagen. Hier ging es darum, durch ein gezieltes Dagegenhalten zu verhindern, dass dieser Eklat in Washington dazu führt, dass ausgerechnet an einem Monatsultimo, wo so etwas besonders beachtet wird, ein Selloff eine wichtige Schlüssel-Unterstützung im Nasdaq 100 durchschlägt und damit für den März eine massiv bärische Vorlage liefert.

Es war also letztlich ein Gegenangriff der bedrängten Bullen, der Dow Jones und S&P 500 (die noch nicht so extrem kritisch im Chartbild daherkamen) mitzog, weil die Schwergewichte der Nasdaq in allen drei Indizes vertreten sind. Und der dann automatisch den DAX nachbörslich mit nach oben zog. Letzteres zum einen, weil die Handelsprogramme, die da dann dominieren, nicht denken können, sondern stur nachmachen, was die US-Indizes vormachen. Und zum anderen, weil Trader am Freitagabend hierzulande vermutlich genauso wie ich dachten, da sei irgendwas bullisches passiert, das sie nur noch nicht haben finden können und sicherheitshalber einfach mitzogen. Aber was jetzt?

Eine Antwort, die nur zu neuen Fragen führt … typisch für eine volatilitätsgetriebene Börse

Wird diese Rallye am Montag vorhalten? Wird sie womöglich alleine wegen dieses Intraday-Turnarounds zu Anschlusskäufen führen? Wie weit könnten die reichen? Wird der US-Präsident am Wochenende oder am Montag (ich schreibe diesen Text am Samstagmittag) die Zölle, die am Dienstag in Kraft treten sollen, erneut „stunden“ oder nicht? Könnten Investoren, die sich über das Wochenende Gedanken machen konnten, wie sich die Rahmenbedingungen jetzt darstellen, in diese höheren Kurse hinein aussteigen oder Short gehen, so dass die Kaufwelle des Freitagabends am Montagabend Geschichte ist? Man weiß es definitiv nicht, bevor es passiert ist.

Das zeigt, wie unberechenbar der Markt momentan ist. Und angesichts solcher nicht gerade kleinen Impulse, bei denen man nie weiß, ob sie auf den nächsten Tag wirken oder alles umgehend in die Gegenrichtung läuft, birgt das für Trader ein höheres Risiko. Man kommt aus den offenen Fragen gar nicht mehr heraus, im Gegenteil, eine Antwort ist die Basis für immer wieder neue Fragezeichen, mit denen man sich konfrontiert sieht. Was kann, was muss man tun, um dem zu begegnen?

Eine simple Antwort, die aber manchmal nicht so simpel umzusetzen ist

Im Prinzip ist die Antwort recht einfach: Sorgen Sie dafür, dass Sie dieser zunehmenden Hektik nicht unter die Räder kommen. Beherzigen Sie die einfache Regel: Wer mit vollen Segeln fährt, riskiert schon bei leicht zunehmendem Sturm einen Mastbruch, also: Reffen Sie die Segel.

Runter mit dem Kapitaleinsatz. Runter mit dem Risikolevel, sprich fahren Sie die Hebel bei Derivaten herunter. Je weniger Sie bei plötzlichen Impulsen exponiert sind, desto geringer ist das Risiko, dass Sie sich von der zunehmenden Hektik der Märkte anstecken lassen und übereilt handeln.

Natürlich ist das leichter gesagt als getan. Wäre das eine ganz natürliche Reaktion, bräuchte es diese Kolumne ja nicht. Höhere Risiken bergen eben auch höhere Chancen. Man denkt sich immer:

Ja, aber wenn ich mit vollen Segeln heil durch den Sturm komme, ist mein Gewinn auch größer. Stimmt. Wenn Sie heil durchkommen.

Außerdem entstehen bei einer sich hochschaukelnden Volatilität auch schnell Verluste, bei denen man dann aber denken könnte: Blöd gelaufen, aber da es immer auf und ab geht, hole ich die ja schnell beim nächsten Schub in die Gegenrichtung wieder auf. Stimmt auch. Wenn der nächste Schub wirklich in die für Sie richtige Richtung gehen sollte. Aber wenn nicht, machen Sie sich Ihr Problem noch größer.

Je hektischer der Markt wird, desto mehr wird man davon in den Bann gezogen und kommt gar nicht dazu, den nötigen Schritt zurück zu machen, sich das „Große Ganze“ zu betrachten. Man ist im Mikrokosmos der hektisch blinkenden Kursmonitore gefangen und glaubt, mit dem zunehmenden Tempo mithalten zu müssen, um nicht abgehängt zu werden.

Mit geht es nicht anders. Aber ich versuche dann, gezielt etwas anderes zu tun … mir am Abend, wenn die wilde Hatz Pause macht, Gedanken zu machen … über die Wochenenden Bilanz zu ziehen und mein Handeln zu hinterfragen. Und ja, die Segel zu reffen. Fehlerfrei werde ich dadurch trotzdem nicht. Aber es kann helfen, den einen oder anderen teuren Fehler nicht zu machen. Und was könnte man mehr wollen, in einem Umfeld, in dem Fehler nun einmal unvermeidlich sind, weil man in einem unberechenbaren Umfeld erst erkennt, dass etwas ein Fehler war, wenn man ihn schon begangen hat?

Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Börsenwoche!

Ihr

Ronald Gehrt

Wie oft haben wir sie schon erlebt, diese völlig unlogisch wirkenden Kursbewegungen z.B. nach Notenbankentscheidungen. Oder abrupte, starke Impulse, die scheinbar aus dem Nichts kommen. Das verunsichert viele, weil das, was die Kurse wirklich bewegt, zwar vollkommen logisch, zugleich aber vielen Anlegern nicht klar ist. Was steckt hinter dieser „Mechanik der Märkte“? Die vergangene Woche bietet sich ideal an, um das zu erläutern.

Während ich diesen Beitrag schreibe, ist das Ergebnis der Bundestagswahl weitgehend klar. Aber wie der DAX heute darauf reagieren wird, weiß ich nicht. Einfach, weil es offen ist. Was zugleich ein perfekter Aufhänger für diese Kolumne ist, denn das ist genau der Grund, warum ich Prognosen zwar interessiert und oft amüsiert lese, aber ihnen nicht folge: Was an den Börsen passiert, ist eben nicht vorhersagbar. Es wird aber oft so dargestellt – und das birgt für Anleger eine Gefahr:

Nämlich die zu glauben, man wisse, was passieren wird und als Folge daraus der eigenen Gewissheit stur zu folgen … auch, wenn die Kurse gerade dabei sind, in die Gegenrichtung zu laufen und aus sicher geglaubten Gewinnen Verluste werden. Aber wieso denken viele, dass die Börse logisch und damit berechenbar sei?

Nachrichten machen Kurse heißt es … aber meist ist es umgekehrt

Die Anleger wollen erfahren, was vorgeht. Und die Medien sollen ihnen das liefern. Das Problem dabei ist: Das alles ist nicht ganz unkompliziert. Einfache Wahrheiten gibt es selten. Und diejenige Klientel, die die Hauptrolle in alldem spielt, ist von den Medien nicht darstellbar: Die Menschen und ihre meist emotional eingefärbten und plötzlichen Entscheidungen. Also versucht man, Nachrichten an die Kursbewegungen zu koppeln und letztere damit zu erklären, was aber oft nicht korrekt ist. Was man auch daran merken könnte, dass, je nach Tagestendenz, die Anleger gestern angeblich Angst vor steigenden Zinsen/Inflation/Rezession oder was auch immer hatten, weil DAX oder Dow Jones fallen, einen Tag später aber angeblich höchst zuversichtlich sein sollen, dass steigende Zinsen/Inflation/Rezession etc. keine Gefahr seien, weil DAX und/oder Dow Jones wieder steigen.

Wachen Sie morgens mit der komplett gegenteiligen Marktmeinung des Vortages auf und drehen ihr Depot auf links? Gut, es ist halt einfacher, in einer Schalte von bestenfalls drei, vier Minuten das, was gerade über die Nachrichtenticker lief, mit den Kursen zu verbandeln. Aber selten werden Sie hören, dass die Reaktion seltsam sei oder unlogisch. Im Zweifelsfall werden die Nachrichten einfach so zurechtgebogen, dass es passt. Und der Anleger damit auf den falschen Dampfer geschickt. Der richtige Dampfer folgt einer grundsätzlichen Überlegung:

Alle anderen denken und handeln nicht komplett anders als Sie!

Der Antrieb, den Sie bei Ihren Entscheidungen zu kaufen, abzuwarten oder zu verkaufen haben, haben die meisten anderen auch … wenn nicht sogar alle. Und ich behaupte jetzt mal, dass Sie nicht bei einer bullischen Konjunkturzahl umgehend kaufen und am nächsten Tag, wenn auf einmal bärische Daten kommen, wieder verkaufen. Die Nachrichten liefern uns das Gesamtbild, mehr nicht. Eines, das dann auch noch sehr individuell und subjektiv wahrgenommen wird. Dieses Bild zeichnet den Hintergrund für Entscheidungen. Aber ein unmittelbarer Auslöser sind Nachrichten eher selten. Und wenn wir mal auf die Bundestagswahl und die Börse aktuell sehen:

Börse aktuell: Entwicklung DAX von 2022 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung DAX von 2022 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4

Es gab, zumindest Stand Sonntag 22 Uhr, keine komplette Überraschung. Angenommen, jemand hätte im Vorfeld des Wahltermins gekauft oder verkauft, hätte dieser Jemand am heutigen Montagmorgen also noch keine Grundlage, etwas anderes zu tun … letztlich wird es ohnehin dauern, bis sich absehen lässt, wann eine neue Regierung steht und aus welchen Parteien sie zusammengesetzt ist.

Trotzdem wird es heute zu kräftigen Kursbewegungen kommen. Aber wenn man eigentlich noch nicht klar weiß, was daraus wird, kann der Wahlausgang dann wirklich die eigentliche Basis des Geschehens sein? Ich meine: Der Auslöser ist sie durchaus. Aber was da am Ende bei DAX & Co. herauskommt, muss deswegen noch lange keine logische Ableitung der Wahl sein.

Investoren sind alle Menschen. Wenn es um Geld geht, verstehen sie einerseits wenig Spaß und gehen die Sache oft emotional an. Hinzu kommt, dass vielen das nötige Fachwissen fehlt.  Aber ob mit oder ohne Basiswissen in Sachen Börse: Die Anleger verkaufen, wenn sie fürchten, dass es ab jetzt eher abwärts geht und kaufen, wenn sie, aus ihrer ureigenen Sicht der Dinge heraus, mit steigenden Kursen rechnen. Aber woran machen sie das fest? An den nonstop einlaufenden Nachrichten, an Bilanzen, an Konjunkturdaten?

Es sind nicht die Nachrichten, die die Zahnräder der Kurse drehen … es ist die Herde!

Eher nicht, sondern vor allem an dem, was sie unmittelbar vor sich sehen: den Kursbewegungen. Und tun Sie und ich das nicht am Ende auch? Sehen wir eine Hausse und sagen uns: Gut, eigentlich denke ich, dass der DAX zu teuer ist, also steige ich lieber aus? Oder sagt man sich, wenn man nicht gerade passionierter Trader mit großem Hang zum Risiko ist, nicht vielmehr: Naja, der DAX ist teuer bewertet, aber der Trend weist nach oben, also bleibe ich dabei? Eben. Aber was ist denn dann letzte Woche passiert?

Börse aktuell: Entwicklung DAX mit Selloff Mitte Februar 2025 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung DAX mit Selloff Mitte Februar 2025 | Quelle: marketmaker pp4

Als der DAX am Mittwochmorgen noch ein neues Verlaufshoch markierte und dann gegen 10:30 Uhr auf einmal anfing zu fallen, dachte ich an ein kurzes Ausatmen. Das hatten wir am Dienstagmorgen ja schon mal gesehen … und da wurde der Rückgang von in der Spitze ca. 150 Punkten stur über den Rest des Tages wieder aufgekauft, wie der vorstehende Chart zeigt, der den DAX für die letzte Woche auf 15-Minuten-Basis abbildet. Aber diesmal blieben die Käufer weg. Das überraschte mich und viele andere zweifellos auch. Die große Frage ist jetzt: warum? Was war am Mittwoch anders als am Dienstag?

Von der Nachrichtenseite her nichts. Vom Umfeld an sich auch nicht. Auch seitens der Markt- und Charttechnik nicht … zumindest nicht auf den ersten Blick. Überkauft war der DAX vorher auch schon. Und er notierte, wie der oberste Chart auf Wochenbasis zeigte, über allen Aufwärtstrendkanälen, war damit also einerseits heiß gelaufen, andererseits aber ohne charttechnische Widerstände unterwegs und damit nach oben frei. Aber wenn man sich den Intraday-Chart genauer ansieht, findet man etwas, was die Sache ausgelöst haben und dazu geführt haben könnte, dass ab dann immer mehr Anleger ausstiegen, weil sie merkten: Hier stimmt etwas nicht. Nicht, weil sie das genau an etwas hätten festmachen könnten, aber man bekam eben den Eindruck, die Herde beginnt gerade, die Richtung zu wechseln. Also, was war da? Der folgende Chart zeigt, was aus meiner Sicht die Sache ins Rollen brachte:

Erst reagieren die Handelsprogramme, dann folgen die emotionalen Entscheidungen

Wir sehen hier den gleichen DAX auf 15-Minuten-Basis wie oben, hier aber mit Gleitenden Durchschnitten, die bei Handelsprogrammen und Tradern wichtige Orientierungen für ihre Entscheidungen sind. Und da sehen wir:

Börse aktuell: Entwicklung DAX mit Selloff Mitte Februar 2025 - Mögliche Gründe | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung DAX mit Selloff Mitte Februar 2025 – Mögliche Gründe | Quelle: marketmaker pp4

Als es am Dienstag zu diesem ersten „Ausatmen“ kam, landete der DAX nach knapp 150 Punkten im Bereich dieser Linien. Dort setzten die Handelsprogramme, wohl aber auch viele rein charttechnisch agierende Trader, sofort erneut zum Kauf an. Am Mittwoch aber war der DAX in ebenso kurzer Zeit nach derselben Distanz durch diese Linien durchgerutscht. Das bedeutete für manche Computerprogramme: Nicht kaufen … und ggf. sogar schon „verkaufen“.

Und das führte zum Grundsatz in Sachen „Mechanik der Märkte“: Überwiegt das Kaufvolumen das Verkaufsvolumen, geht es eben aufwärts, umgekehrt abwärts … so simpel ist die Sache.

Als es nach eigentlich ganz normalen Gewinnmitnahmen durch diese kurzfristigen Leitlinien ging, kippte das Verhältnis Käufer zu Verkäufern … und der DAX fiel weiter. Und das intensivierte sich, als die Linien für die Systeme, die einen längeren Zeitraster auf Stundenbasis nutzen, ebenso brachen, hier könnten die auf 15 Minuten eingestellten Systeme sogar schon angefangen haben, Short zu gehen. Das sehen wir im folgenden Chart:

Börse aktuell: Entwicklung DAX Intraday im Februar 2025 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung DAX Intraday im Februar 2025 | Quelle: marketmaker pp4

Und die Anleger bzw. die Trader? Die tun genau das, was Sie und ich auch tun: Sie schauen sich die Sache an und urteilen aus der Situation heraus. Wir hatten beobachten können, dass der DAX abrutschte und anders als in den Wochen zuvor auf einmal Gegenreaktionen entweder schwach waren oder ganz ausblieben. Das setzt dann den Prozess in Gang, der uns reagieren lässt:

Die Kurse sind wir … und wir sind die Kurse: Das ist die simple „Mechanik der Märkte“

Wir schauen, ob andere kaufen. Kaufen sie nicht, lassen wir es normalerweise auch bleiben. Weil alle genau dasselbe tun, warten viele, handeln aber wenige. Bis ein erster Impuls kommt, z.B. in diesem Fall, dass der Erholungsversuch des Donnerstags auf Abgaben traf und der Index gegen Handelsende unter das Tief des Vortages rutschte. Das ist für viele dann ein Signal, dass hier etwas faul ist, auch, wenn sie meist gar nicht sehen, dass der DAX seither unter den nach unten gedrehten Leitlinien lief und die Erholungsversuche des Donnerstags ebenso wie des Freitags genau dort nach unten abgewiesen wurden, was andeutet, dass die ersten Handelsprogramme jetzt Short agieren.

Es sind die Kurse selbst, die Reaktion darauf also, was die anderen tun, was uns leitet, nicht der Blick auf Nachrichten, die ein Auslöser sein können, aber nie müssen. Heult man den falschen Mond an, weil man nicht erkennt, dass die Anleger nicht wie Roboter scheinbar logisch und emotionslos auf irgendwelche „News“ reagieren, sondern – wie wir letztlich alle – einer vom anderen „abschaut“ und es damit die subjektiven Einschätzungen eines jeden von uns sind, die die Bewegungen und am Ende auch den Trend ausmachen, kann man übel auf die Nase fallen. So, und jetzt, was wird die Wahl bewirken?

Die Kurse müssen uns leiten, kein „müsste aber“ auf Nachrichtenbasis

Genau das ist ja der Punkt. Wer versteht, dass es am Ende auf die simple Regel hinausläuft, ob heute mehr Käufer oder mehr Verkäufer antreten und das wiederum unser aller Wahrnehmung und somit die aus der Wahrnehmung heraus folgenden, zukünftigen Handlungen beeinflusst, wagt sich gar nicht erst auf das dünne Brett, das vorhersagen zu wollen. Es wird darauf ankommen, wer heute was und wann tun wird. Das wird Folgeentscheidungen auslösen … und am Ende des Tages steht der DAX ggf. ein paar hundert Punkte höher oder tiefer. Und da hilft dann kein „aber“ und kein Pochen auf eine den Markt selten leitende Logik:

Wer realisiert, dass z.B. aus reinen Gewinnmitnahmen überzeugt bullischer Trader durch die Kette aus Aktion und Reaktion durchaus mal „aus Versehen“ eine mittelfristige Abwärtswende werden kann, was dazu führt, dass aus Bullen wegen der Folgen ihres eigenen Handelns Bären werden, schaut an der Börse aktuell nicht auf das exakte Wahlergebnis, sondern nur und konsequent auf die Kurse!

Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Börsenwoche!

Ihr

Ronald Gehrt

Der Legende nach soll der russische Feldmarschall Potemkin der Zarin Katharina der Großen durch bemalte Kulissen moderner, schöner Dörfer vorgegaukelt haben, dass die von ihr angestrebte Verbesserung der Verhältnisse der Landbevölkerung auf gutem Wege sei. Am europäischen Aktienmarkt gibt es solche potemkin‘schen Dörfer auch, mit einem Unterschied: Die, die man damit täuschen kann, stellen sie sich selber auf.

Ich weiß, dass so etwas nun wirklich niemanden motiviert, aber ich rate jedem, der sich unerfahren und mit großen Erwartungen zum ersten Mal dem Aktienmarkt zuwendet: Fang nicht damit an, schon mal hochzurechnen, wie reich du in ein paar Jahren damit sein wirst. Geh besser erst einmal davon aus, dass das Geld weniger werden kann und kümmere dich darum, genau das zu vermeiden.

Würden alle Neuanleger nicht mit der Aussicht auf viel Geld ohne Arbeit gelockt, sondern erst einmal vor möglichen Risiken gewarnt, würde es mancher womöglich bleiben lassen. Und andere würden auf die Idee kommen, dass es womöglich gar nicht so abgrundtief dumm wäre, sich erst zu informieren, das nötige Basiswissen zu erlernen und dann mit echtem Geld am Aktienmarkt anzutreten, statt einfach mal zu machen … weil es doch allgemein bekannt ist, dass Aktien langfristig sowieso immer steigen.

Euro Stoxx 50: Neue Rekorde über alten Hochs … sehr alten Hochs.

Was auch zutrifft, keine Frage. Was man aber gerne übersieht ist, dass es durchaus einen nicht so ganz kleinen Unterschied bedeutet, ob man da gerade an einem mittel- oder langfristigen Hoch überbewertete Zocker-Aktien kauft oder nach einer Baisse billig Blue Chips einsammelt. Man könnte daran sogar an der Börse aktuell erinnert werden … wenn man denn hinsehen wollte. Denn ist es nicht verwunderlich, dass es zum Ende der Woche darum ging, das „alte Hoch“ des Euro Stoxx 50 zu überwinden? Und nein, da geht es nicht um das Hoch vom Dezember letzten Jahres oder um Hochs der letzten Tage. Es ging um das Verlaufshoch bei 5.495,18 Punkten vom 6. März 2000 (das Schlusskurs-Hoch lag bei 5.965, siehe der folgende Chart)!

Wie kann das sein? Ein 25 Jahre altes Hoch, bislang nicht wieder erreicht? Bei Aktien, die doch angeblich irgendwie immer steigen? Nun, das Problem liegt schon auch teilweise in der Gestaltung von Indizes.

Da man hier die jeweils 50 größten Eurozone-Unternehmen nach Marktkapitalisierung im Index hat, fallen immer diejenigen raus, die so stark gefallen sind, dass sie eben nicht mehr zu den Top 50 gehören. Bis zu deren Rauswurf aber drücken sie den Index durch ihren Kursabstieg. Dafür werden dann Aktien aufgenommen, die stark gestiegen sind und deswegen eine ausreichend hohe Marktkapitalisierung (i.e. die Zahl der im Streubesitz befindlichen Aktien x der aktuelle Kurs) erreicht haben, um zu diesen Top 50 zu gehören. Dieses Prinzip gilt übrigens für die meisten Indizes, so auch für DAX, MDAX, SDAX und TecDAX.

Erst muss also etwas fallen, um herausgenommen zu werden und etwas steigen, um hereinzukommen. Solche Neuzugänge müssten dann aber noch weiter steigen, um den Index höher zu ziehen. Aber das ist, gerade weil viele in Erwartung eines Aufstiegs vorher kaufen, gar nicht so selten nicht der Fall. Das ist der sogenannte „Aufstiegs-Fluch“, über den ich im täglichen Börsenblick von LYNX ja schon öfter geschrieben habe.

Börse aktuell: Entwicklung Euro Stoxx 50 von 1998 bis 2025 - 25 Jahre für ein neues Hoch | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung Euro Stoxx 50 von 1998 bis 2025 – 25 Jahre für ein neues Hoch | Quelle: marketmaker pp4

Und so kann es eben sehr wohl sein, dass ein Index wie der Euro Stoxx 50 25 Jahre braucht, um ein altes Hoch, entstanden damals im Zuge der Internetblase durch eine völlig irre Übertreibungsphase, wieder zu erreichen. Und wer meint, dass man das ja mit der geschickten Auswahl von Einzelwerten für das Depot vermeiden kann, hat Recht …

… wenn man das Wörtchen „geschickt“ auch wirklich beherzigt. Denn dafür braucht es Wissen, Disziplin, Aufmerksamkeit und Zeit. Was indes von immer mehr Menschen, die am Aktienmarkt agieren wollen, als unnötig abgetan wird, denn es läuft ja auch so, scheinbar. Dachte man übrigens vor diesem 2000er-Hoch auch. Ich war schon damals Börsen-Journalist, so etwas wie damals vergisst man nicht. Vor allem nicht, wenn die aktuelle Situation diese Erinnerung so massiv wiederbelebt. Ein potemkin’sches Dorf, das man sich selbst vor die Nase baut. Damals wie heute.  

Hausse à la Potemkin: Der Euro Stoxx 50, der DAX und der „andere DAX“

Ja, aber der DAX? Der läuft doch viel, viel besser, da braucht den Euro Stoxx 50 doch eh keiner. Wirklich? Nein, nicht wirklich. Denn dieser DAX, den die meisten als alleinigen DAX kennen, ist selbst so ein potemkin’sches Dorf, eine schöne Fassade, hinter der es aber weniger schön aussieht. Weil? Weil er ein sogenannter „Performanceindex“ ist. Und bei dem werden ausgeschüttete Dividenden der im DAX gelisteten Unternehmen gerechnet, als wären es Kursgewinne. Und auch noch sofort reinvestiert, so dass der Zinseszinseffekt die Performance noch zusätzlich künstlich aufbläht. Der Euro Stoxx 50 aber wird als Kursindex gezeigt, bei dem dieses potemkin’sche Dorf eben fehlt, deswegen wirkt es, als liefe er so schlecht im Vergleich zum DAX.

Da es beide Indizes auch in der jeweils anderen Variante gibt, also den DAX als (aber in den Medien ignorierten, weil eben viel weniger „attraktiven“) Kursindex und den Euro Stoxx 50 als Performanceindex, können wir uns hier mal ansehen, wie extrem der Unterschied zwischen diesen beiden Berechnungsweisen ist. Übrigens:

Börse aktuell: Entwicklung DAX und Euro Stoxx 50 als Kursindex und Performanceindex von 1999 bis 2025 im Vergleich | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung DAX und Euro Stoxx 50 als Kursindex und Performanceindex von 1999 bis 2025 im Vergleich | Quelle: marketmaker pp4

Ich wüsste auf Anhieb keinen Index, der außerhalb der deutschen Indexlandschaft regulär als die Performance schönender Performanceindex dargestellt würde, auch die US-Indizes nicht. Und schaut man sich im vorstehenden Chart mal an, was der DAX seit Ende 1999 ohne diese Stütze der Dividenden-Einberechnung zuwege gebracht hat und wie lange es dauerte, bis das 2000er-Hoch wieder erreicht wurde (bis 2015), ist es vielleicht gar nicht so verkehrt, sich nicht nur um zukünftige, vermeintlich sichere Gewinne zu kümmern, sondern sich auch eine Strategie zurechtzulegen, was zu tun ist, falls es doch anders kommt. Und zwar nicht erst, wenn es soweit ist.

Aber jetzt ist ja an der Börse aktuell erst einmal Super-Hause angesagt, also: Genießen und nicht zurückschauen, denn wie sagt man doch: Aufwärts immer, abwärts nimmer … oder?

Der schöne Schein suggeriert: Je höher es geht, desto geringer das Risiko

Was steigt, steigt weiter … was lange steigt, wird am Ende gut: Je länger eine Hausse „funktioniert“, desto mehr reduziert sich das Denken vieler Marktteilnehmer auf zwei Dinge. Erstens darauf, dass es irgendwie von alleine läuft, das Depot also auch dann weiter an Wert zulegt, wenn man einfach gar nichts tut. Zweitens auf die scheinbare Gewissheit, dass alle Risiken, die den Markt bislang nicht bremsen konnten, ihn, vermeintlich logischerweise, auch weiterhin nicht bremsen werden.

Man gewöhnt sich nun einmal schnell daran, dass etwas funktioniert und stellt dann die entscheidende Frage nicht mehr: Warum funktioniert es? Sollte man aber.

Denn diejenigen, die sich diese Frage sehr wohl stellen und ernüchternde Antworten vorfinden, sind eine unsichtbare, aber dauerhaft vorhandene Gefahr für schläfrige Dauer-Bullen mit Verlust des Sinns für Gefahren. Für Dauer-Bären in einer scheinbar endlosen Baisse wie zuletzt 2000 bis 2003 übrigens vice versa. Nur sind die jetzt natürlich kein aktuelles Thema.

Was ich persönlich als eines der größten Risiken sehe ist, dass sich zu viele unerfahrene Anleger nicht damit beschäftigen, was die Börsenhistorie an Beispielen und Lehren zu bieten hätte. Dann würden sie erkennen: Dieses Gefühl, dass eine Zeit lang ignorierte Risiken dadurch automatisch ungefährlich werden, hatten viele Anleger vor jedem Abwärtsschwenk nach jahrelanger Hausse auch. Immer. Egal, ob wir von der Tulpenkrise des 17. Jahrhunderts, dem Crash 1929 nebst folgender, jahrelanger Baisse oder dem Corona-Crash 2020 reden: immer.

Börse aktuell: Entwicklung S&P 500 von 2006 bis 2009 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung S&P 500 von 2006 bis 2009 | Quelle: marketmaker pp4

Und nein, mit dem Strom zu schwimmen ist kein garantierter Schutz vor bösen Überraschungen. Ich höre immer wieder den Spruch, dass man deswegen getrost der Masse folgen könne, weil „die anderen ja wohl wissen, was sie tun“. Wissen sie aber oft nicht. Vor allem dann, wenn eben diese anderen sich genauso auf angeblich vorhandene Experten in der Herde stützen, ohne zu ahnen, dass zu viele genau dasselbe denken.

Auch die Sicherheit der Masse ist so ein schöner Schein, ein potemkin’sches Dorf, das sich viele Anleger selbst vor die Nase stellen.

Und dann wäre da ja noch ein weiterer Aspekt, der oft übersehen wird: die zunehmende Bedeutung computergesteuerter Handelsprogramme.

Handelsprogramme – ein Tool wie Goethes Zauberbesen

Viele glauben nicht nur, dass die Aktienmärkte sich entlang der Nachrichtenlage bewegen … was durch Medien auch noch gefördert wird, weil man da fast immer versucht, Anlegerverhalten und die das Handeln beeinflussenden Emotionen zu ignorieren und ein Plus oder Minus nötigenfalls mit der Brechstange mit aktuellen Nachrichten verknüpfen. Sie glauben auch, dass da ja irgendwo erfahrene und superclevere Entscheider bei den großen Adressen sitzen müssen, die die Trends lenken. Was implizieren würde: Die, die das ganz große Geld bewegen, die wissen genau, was sie tun, also kann man ihnen bedenkenlos folgen.

Dazu hätte ich zwei Dinge einzuwenden. Erstens gab es diese Entscheider früher ja auch schon. Und sie lagen meistens mit falsch, wenn auf einmal der Stecker aus der Hausse gezogen wurde. Der Chaos-Strudel der internationalen Banken nach dem Platzen der Subprime-Blase macht das sehr deutlich. Und würde jemand einwenden: Naja, aber das kann ja heute nicht mehr passieren, würde ich entgegnen: Und warum nicht? Weil die Banken „gelernt“ haben und jetzt solche Risiken nicht mehr da sind? Wenn ich da an Eurokrise, FlashCrash oder Corona-Crash denke, würde ich da erhebliche Zweifel anmelden. Zumal man eine Entwicklung forciert hat, die die Sache in einem brisanten Maß weg von vernunftbegabten Entscheidungen in Richtung einer Art „Robo-Börse“ verlagert hat.

Was Handelsprogramme sind, was sie tun und wo ihre Risiken liegen, hatte ich zuletzt im Juni 2024 an dieser Stelle dargelegt. Damit Sie als Leser nicht einen Endlos-Text lesen müssen, hier nur eine extrem gekürzte Erläuterung. Der komplette Artikel „Handelsprogramm und ihre Auswirkungen“ ist unter dem folgenden Link zu finden. Wobei Sie da dann am aktuellen Artikel vorbei scrollen und darunter im Bereich „Börse aktuell: Die letzten Nachrichten“ schauen müssten, da finden Sie diesen Beitrag dann bereits aufgeklappt und lesefertig vor:

https://www.lynxbroker.de/boerse/boerse-kurse/boerseninfo/boerse-aktuell/#handelsprogramme-und-ihre-auswirkungen

Also, hier jetzt im Schnelldurchlauf: Computergesteuerte Handelsprogramme sind Systeme, die imstande sind, die früheren, großen Handelssäle bei großen Adressen großenteils oder sogar ganz zu ersetzen. Statt 50 brüllenden und teuren Tradern reicht ein Programm, das genau das an der Börse tut, was die Programmierer ihm vorgegeben haben. Extrem schnell, ohne Pausen, ohne Zweifel. Ohne Fehler?

Börse aktuell: Entwicklung Euro Stoxx 50 im Februar 2025 - Anzeichnen für Handelsprogramme | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung Euro Stoxx 50 im Februar 2025 – Anzeichnen für Handelsprogramme | Quelle: marketmaker pp4

Tja, das ist eben so eine Sache. Fast alle dieser Handelsprogramme agieren auf Basis einer Kombination aus chart- und markttechnischen Aspekten. Die Rahmenbedingungen taugen als Vorlage für solche Handelsprogramme nicht, weil sie immer kompliziert zu interpretieren sind, vom Gesamtbild abhängen und viel zu zahlreich sind. Was bedeutet:

Handelsprogramme agieren völlig unabhängig von der Gesamtsituation, die ja (eigentlich) die Vorlage für Auf- oder Abwärtstrends sein sollte. Und weil diese Programme immer größere Volumina bewegen und von sehr vielen eingesetzt werden, ist das ein entscheidender Grund, warum diese ganzen Risikofaktoren derzeit keinen Niederschlag in den Kursen finden: Diese Programme sehen sie ja nicht!

Den meisten Anlegern ist das, soweit ich das mitbekomme, nicht klar. Und auch nicht, dass diese Systeme eine für Bullen womöglich ein wenig unschöne Eigenschaft haben:

Es handelt sich hier nicht um „Kaufprogramme“. Diese Systeme können sehr wohl auch Short.

Und das würde dann genauso blitzschnell, kompromisslos und „fehlerfrei“ durchgezogen wie die derzeitige Super-Hausse. Und das ist meiner Meinung nach ein Risiko, das sogar größer ist als die anderen, denn:

Diejenigen, die diese Handelsprogramme einsetzen, haben sie in der Regel nicht programmiert. Sie lassen diese Systeme oft wie eine „Black Box“ die Arbeit machen im Vertrauen darauf, dass sie bessere Ergebnisse erzielen als Menschen und man, wenn es doch nicht so ist, die Schuld auf die „doofen Maschinen“ abwälzen kann. Damit steht man aber ungefähr so gescheit da wie Goethes Zauberlehrling mit seinem Besen, den er glaubt, völlig im Griff zu haben und der ihm dann auf bittere Weise beweist, dass das ganz und gar nicht der Fall ist.

Die Risiken sind da. Aber das sind sie immer, das ist nie das Problem

Gerade das kompromisslose Umsetzen ihrer programmierten Vorgaben könnten die computergesteuerten Handelsprogramme zu einem Element machen, dass eine Hausse beendet, die zuvor Risiken ignorierte, die diese Programme ja auch nie interessierten.

„Könnte“ heißt nicht „Muss“. Aber mal angenommen, wir sehen wieder eine solche Abwärts-Kurslücke wie an diesen Montagen Ende Januar (DeepSeek) und Anfang Februar (Zölle) und sie fiele diesmal größer aus. So groß, dass bestimmte Linien, die bei gängigen Handelsprogrammen bei Erreichen von oben Käufe zum Erhalt des aktuell verfolgten Aufwärtstrends auslösen, direkt unterschritten werden. Dann kann es sein, dass viele dieser Systeme sofort umschalten, alles, was Long da ist, glattstellen und auf Short wechseln. Dass muss nicht passieren. Aber man würde sich selbst dieses sprichwörtliche potemkin’sche Dorf vor die Nase stellen, wenn man behaupten würde, dass es nicht passieren kann.

Es war schon immer so, dass Risiken ihr Potenzial, Haussen zu brechen, erst verlieren, wenn sie als gelöst vom Tisch kommen. Und derzeit bauen sich insgesamt mehr Risiken auf als gelöst werden. Nur, wer bereit ist, diesen so praktischen, meist selbstgemachten schönen Schein beiseite zu schieben und bewusst und mit wachem Auge zu handeln, egal, ob lang- oder kurzfristig, reagiert schnell und richtig, wenn, was so viele für unmöglich halten, auf einmal doch möglich ist.

Bis dahin gilt: Irgendwann ist jede Hausse zu Ende, aber jeden Tag, der bis dahin vergeht, geht sie eben weiter.

Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Börsenwoche!

Ihr

Ronald Gehrt