Das am vergangenen Mittwoch veröffentlichte Statement sowie die neuen Projektionen der US-Notenbank wirkten insgesamt eher widersprüchlich. Die aktuelle Lage macht den Währungshütern Probleme, keine Frage. Aber wenn die größer werden, was könnte die „Fed“ dagegen tun?
Es ist kompliziert … ein banaler Spruch, der aber für die US-Notenbank vollumfänglich gilt. Es ist wirklich kompliziert, jetzt das Richtige zu tun. Und es dürfte im weiteren Verlauf des Jahres eher noch komplizierter werden.
Wie diffizil sich die Sache darstellt, lässt sich unmittelbar daran erkennen, dass sich die aktuellen, vierteljährlich aktualisierten Prognosen der US-Notenbank (kurz „Fed“ als Abkürzung für „Federal Reserve Bank“) für Wachstum, Inflation und Arbeitslosenrate zwar durchweg in Richtung „schlecht“ veränderten, die Eigenprognose in Sachen Leitzinssenkungen aber unverändert bleib. Konkret sah das so aus:
Der Himmel zieht sich zu, aber die „Fed“ senkt die Zinsen … wirklich?
Das Wachstum des US-Bruttoinlandsprodukts sieht man bei den Statistikern der US-Notenbank jetzt nur noch bei 1,7 Prozent im laufenden Jahr. Die vorherige, im Dezember präsentierte Prognose hatte da noch 2,1 Prozent vorausgesehen. Auch die Ausblicke auf die Jahre 2026 und 2027 wurden leicht nach unten korrigiert.
In Sachen Verbraucherpreise fürchtet man jetzt einen stärkeren Anstieg: Man erwartet eine Inflationsrate von 2,7 Prozent statt zuvor 2,5 Prozent im laufenden Jahr, 2026 dann 2,2, 2027 endlich 2,0 Prozent.
Nur beim Arbeitsmarkt ist man weiterhin optimistisch, die „Fed“ erwartet 2025 am Ende eine Arbeitslosenrate von 4,4 Prozent (bislang 4,3) und 2026/2027 eine bei 4,3 Prozent. Was nach dem Lehrbuch Vollbeschäftigung bedeuten würde (<4,5 Prozent).
Wenn man aber eine Inflationsrate erwartet, die sich auch in diesem Jahr konsequent und mehr als marginal über der Zielzone von 2,0 Prozent hält, wie kann man dann weitere Leitzinssenkungen prognostizieren? Diese Frage stellten sich einige Mitglieder des Federal Market Committee (FOMC), des Entscheidungsgremiums der „Fed“, das über den Zins entscheidet, allerdings auch, denn:
Diese zwei Senkungen um je 0,25 Prozent sind ein Mittelwert und keineswegs allgemeiner Konsens im Gremium. Einige wenige Ratsmitglieder sehen gar keine Senkung, andere, allerdings auch wenige, sogar drei und mehr. Da gibt es einen Dissens, der einen guten Hinweis darauf bietet, dass man eigentlich nicht wirklich weiß, was kommt. Und erst recht nicht, was dann zu tun wäre.

Die Quadratur des Kreises: Die „Fed“ könnte vor eine unmögliche Aufgabe gestellt werden
Im Gegensatz zur EZB, die alleine Preisstabilität sicherzustellen hat und sich nicht aktiv in Wachstumsfragen einmischen darf, kann und soll das die US-Notenbank im Grundsatz tun, denn neben Preisstabilität ist die Sicherstellung günstiger Rahmenbedingungen für Vollbeschäftigung eine ihrer unmittelbaren Aufgaben. Sie kann und muss also einerseits zusehen, dass die Inflation nicht zu hoch ist, aber auch keine Deflation entsteht, andererseits aber auch ein Umfeld ermöglichen, in dem Wachstum einen gesunden Arbeitsmarkt sicherstellt. Das ist normalerweise auch machbar. In Phasen, in denen vieles nicht normal ist, kann das aber die Quadratur des Kreises erfordern. Und genau das zeichnet sich ab.
Umfassende Entlassungen im Bereich der öffentlichen Hand werden Probleme am Arbeitsmarkt und bei der Effizienz der Behörden nach sich ziehen. Zugleich werden die vom Weißen Haus verhängten Einfuhrzölle Probleme machen: Die Importeure bekommen Preisdruck, Lieferketten können reißen, Importwaren werden teurer, die heimischen Unternehmen werden das ausnutzen und so weit wie möglich ebenfalls mit ihren Preisen nach oben gehen. Auch für den Arbeitsmarkt sind Folgen der Zölle denkbar. Hinzu kommt die Verunsicherung der Verbraucher, die sich bereits in markant sinkenden Verbrauchervertrauens-Daten niederschlagen.

Das Problem für die Notenbank ist aber: Noch ist das alles nicht oder nur im Ansatz in den Daten sichtbar. Wie stark die Effekte sein werden, ist daher bislang offen. Aber grundsätzlich müsste die „Fed“ im Fall eines wegbrechenden Arbeitsmarkts, einer anziehenden Teuerung oder, wenn es dumm kommt, bei beidem zugleich, rasant handeln, denn bis Notenbank-Maßnahmen greifen, dauert es seine Zeit. Nur wäre ein präventives Handeln riskant, weil eben nicht sicher ist, was genau auf die US-Wirtschaft zukommt.
Zumal man das Problem hat, dass man eine Rezession bei zugleich anziehender Inflation nicht zeitgleich effektiv bekämpfen könnte, denn:
Entweder man versucht, die Teuerung herunterzubekommen, indem man Konsum und Investitionen und damit den Preisanstieg über Druck auf die Nachfrage durch teurere Finanzierungen bekämpft. Das aber würde die Konjunktur noch mehr unter Druck setzen.
Oder man versucht, das Wachstum wieder in Fahrt zu bekommen, indem man die Zinsen schnell und deutlich senkt und so die Nachfrage über billige Kredite befeuert. Was dann aber das Risiko beinhaltet, dass die Inflation nur noch mehr anzieht, weil ein Konsum- und Investitionsboom nun einmal preistreibend wirkt.
Beides zugleich wird man also kaum schaffen, nur könnte es sein, dass genau diese Quadratur des Kreises in Kürze gefragt wäre. Und das Problem für die „Fed“ ist eben nicht nur diese Zwickmühle an sich, sondern dass nicht abzuschätzen ist, ob sie sich überhaupt aufbaut und wenn ja, wann und wie heftig es dann laufen würde.
Die Trump’sche Zollpolitik stellt die „Fed“ vor Probleme
Donald Trump ist jetzt gut zwei Monate im Amt und hat in dieser Zeit zwar so allerhand an Stellenstreichungen zugelassen und an Zöllen verfügt, die Volkswirte warten aber vergebens auf eine Art Plan dahinter, auf Berechnungen, was das genau wann und warum bringen wird, was es für Risiken gibt und so weiter und so fort. Wohl, weil es diese Planungen und Berechnungen, z.B. seitens Finanz- oder Handelsministerium, nicht gibt. Andererseits: Wie auch, wenn Mr. Trump vieles offenbar eher spontan entscheidet. Das verstört aber nicht nur die Verbraucher, sondern auch die US-Notenbank.
Denn damit hat man keine Vorlaufzeit, kann immer nur reagieren statt proaktiv zu handeln. Wüsste man, was alles mit Einfuhrzöllen belegt wird, wie lange das andauern wird und, auch mit entscheidend, welche Nationen dann welche Gegenmaßnahmen treffen würden, könnte man zumindest grob schätzen, welche Konsequenzen das für Wachstum und Teuerung haben dürfte. So wie es die EZB am Donnerstag tat. Dort nahm man einfach mal an, die von Donald Trump für den 2.4. avisierten „25 Prozent auf alles“ treten in Kraft, dann würde, so die EZB-Statistiker, das Eurozone-Wachstum um 0,3 Prozent im laufenden Jahr gedrückt und die Inflation um 0,5 Prozent höher ausfallen als ohne Zölle. Da kann die US-Notenbank nur neidisch über den Atlantik blicken, denn die EZB hat nur einen „Gegner“ in Sachen Handel zu berechnen. Die „Fed“ kann nicht einmal ahnen, wie viele es ab wann und wie lange sein werden.

Das bedeutet, dass man vermutlich andauernd „behind the curve“ unterwegs sein, sprich der Entwicklung hinterherlaufen wird. Und wenn dann zeitgleich die Inflation steigt und das Wachstum wegbricht, hat man ohnehin ein Problem, denn:
Donald Trump und die „Fed“: Hand in Hand zu arbeiten wäre wichtig, aber …
Beides zugleich mit den Mitteln der „Fed“ zu bekämpfen ist eben nicht drin … und dass man überhaupt auch nur ein Problem löst, ist nie sicher, denn die Notenbank kann ja weder Politik noch Verbraucher zu etwas zwingen. Man kann die Steuern nicht beeinflussen, die Kreditaufnahme nur bedingt über den Zins steuern, man kann nicht in die Rechtsprechung eingreifen. Und vor allem hat man, das zeigte schon Trumps erste Amtszeit, keinen guten Draht zur Regierung. Der aber wichtig wäre, wenn es ernst wird.
Das Problem ist, dass Donald Trump nicht wirklich wie ein Ökonom handelt und seine Minister ihm offenbar selten bis nie widersprechen, egal, was er tut. Für ihn sind hohe Zinsen immer schlecht, weil sie die Wirtschaft behindern. Inflation kümmert ihn wenig, womöglich, weil diejenigen, die ohnehin genug Geld haben, damit kein Problem haben, es ist ja genug Geld da. Zumal seine Philosophie ist, dass Inflation deswegen ein nicht wirklich wichtiger Aspekt ist, weil starkes Wachstum, das Inflation erzeugt, auch für steigende Löhne sorgt, also kostet zwar alles mehr, aber es verdienen auch alle mehr, da bleibt doch alles beim alten.
Die US-Notenbank weiß, dass es nicht so ist, zumal man jetzt noch dem Risiko ausgesetzt ist, dass die Zollpolitik zum Bumerang wird und statt starkem Wachstum Stagnation entsteht, im schlimmsten Fall Rezession mit Inflation einhergeht. Und zugleich weiß man bei der „Fed“, dass Donald Trump eigentlich der Ansicht ist, dass er und nicht irgendwelche Notenbanker zu bestimmen haben, wie das mit den Zinsen zu laufen hat. Wenn es zu einer problematischen Situation kommt, wird die „Fed“ also vermutlich auch noch permanente Attacken und Forderungen aus dem Weißen Haus auszuhalten haben, womöglich wird man dort sogar versuchen, gegen das geltende Recht Notenbankmitglieder zu feuern und gegen Personen auszutauschen, die bereit sind, den Vorstellungen und Forderungen des Präsidenten nachzukommen.

Fazit: Es könnte ruppig werden, seien Sie auf Überraschungen gefasst
Dass der US-Aktienmarkt derzeit nach unten läuft, kommt also nicht von Irgendwoher. Einige mochten sich davon blenden lassen, dass die „Fed“ letzte Woche versuchte, diesem „vielleicht“ auf allen Ebenen irgendwie eine ruhige Hand entgegenzusetzen und weiterhin kommuniziert, dass die Leitzinsen in diesem Jahr zweimal sinken könnten, weil der Arbeitsmarkt noch stabil ist und das Wachstum gedrückt, aber doch erhalten bleiben könnte. Aber die Notenbank kann nicht einmal ansatzweise wissen, ob diese Projektionen eintreffen, egal welche von ihnen. Vermutlich wird man alles, und das mehrfach, korrigieren müssen.
Das ist eine Gemengelage, die Investoren fürchten wie der Teufel das Weihwasser, vor allem das internationale Kapital, daher: Es kann nicht schaden, sich in Sachen US-Aktienmarkt, US-Anleihen, Gold, Euro/US-Dollar und sicherlich auch in Bezug auf die Energiepreise darauf einzustellen, dass in nächster Zeit der ewige Begleiter der Trader, das Unerwartete, immer mal wieder hereinschaut!
Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Börsenwoche!
Ihr
Ronald Gehrt
Quellen:
Statement der US-Notenbank vom 19.03.2025; https://www.federalreserve.gov/newsevents/pressreleases/monetary20250319a1.htm
Konjunktur-Projektionen der US-Notenbank vom 19.03.2025; https://www.federalreserve.gov/monetarypolicy/files/fomcprojtabl20250319.pdf
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