Das Ziel der Chartanalyse ist es bekanntlich, aus der vergangenen Kursentwicklung eines Basiswertes eine Prognose für die Wertentwicklung in der Zukunft abzuleiten. Dies kann beispielsweise die Fortsetzung eines bestehenden Aufwärts- oder Abwärtstrends sein oder aber eine Trendumkehr. An bestimmten Stellen im Chart ist eine Kurserholung oder ein Kursrücksetzer aus Sicht von Charttechnikern wahrscheinlicher als an anderen. Diese sogenannten Unterstützungen und Widerstände gibt es deswegen, weil sich viele Anleger bei ihren Handelsentscheidungen entweder an runden Kursmarken wie z.B. 50 EUR oder 100 EUR oder an Kursniveaus orientieren, an denen es bereits in der Vergangenheit zu „Wendepunkten“ kam. Im Chart können Unterstützungen und Widerstände als waagerechte Linien eingezeichnet werden.
Unterstützung
Charttechniker sprechen von (charttechnischen) Unterstützungen (Unterstützungslinien oder Unterstützungszonen), wenn sich der Kurs oberhalb eines in der Vergangenheit relevanten Kurslevel befindet. Beispielsweise könnte ein Wertpapier hier bereits in der Vergangenheit wieder nach oben gedreht haben. Genauso gut könnte der Kurs aber auch auf dem Weg nach oben zunächst einige Male an dieser Marke abgeprallt sein, ehe das Kursniveau übertroffen wurde. Damit ist auf dem Niveau der ehemaligen Hürde durch einen „Rollentausch“ von Widerstand und Unterstützung nun eine charttechnische Unterstützung zu vermuten. Diese stellt ihre Relevanz für den Anleger aber erst dann unter Beweis, wenn an dieser Stelle Käufer auftreten, die den Kurs über der relevanten Marke halten. Ein kurzzeitiges Unterschreiten ist möglich, allerdings sollte es keinen Schlusskurs unter der Unterstützung geben.
Unterstützung im Aufwärtstrend (idealtypisch):
Unterstützungslinie und Unterstützungszone
Handelt es sich bei der Unterstützung um ein präzises Kursniveau von z.B. 45,50 EUR, so wird von einer (horizontalen) Unterstützungslinie gesprochen, ist der Bereich der früheren Wendepunkte etwas breiter, z.B. von 43 EUR bis 45 EUR, so wird auch von einer Unterstützungszone (auch Unterstützungsniveau oder Unterstützungslevel) gesprochen.
Rollentausch: Widerstand wird zur Unterstützung am Beispiel des DAX Langfristcharts
Widerstand
Alles was für eine Unterstützung zutrifft, gilt umgekehrt auch für charttechnische Widerstände. Ein Widerstand bedeutet, dass sich der Kurs eines Wertpapiers schwertut, eine markante, höher liegende Kursmarke zu überwinden. So kann es beispielsweise bereits in der Vergangenheit einen oder mehrere erfolglose Anläufe gegeben haben, das betreffende Kursniveau zu überschreiten. Wie umgekehrt bei einer Unterstützung könnten auch eines oder mehrere Zwischentiefs eines früheren Abwärtstrends an dieser Stelle gelegen haben, so dass es auch hier einen „Rollentausch“ zwischen Unterstützung und Widerstand gibt. Auch eine runde Kursmarke wie z.B. 100 EUR kann den Zweck eines Widerstands erfüllen.
Widerstand im Abwärtstrend (idealtypisch):
Widerstandslinie und Widerstandszone
Handelt es sich bei dem Widerstand um ein präzises Kursniveau von z.B. 45,50 EUR, so wird von einer (horizontalen) Widerstandslinie gesprochen, ist der Bereich der früheren Wendepunkte etwas breiter, z.B. von 43 EUR bis 45 EUR, so wird auch von einer Widerstandszone (auch Widerstandsniveau oder Widerstandslevel) gesprochen.
Rollentausch: Unterstützung wird zum Widerstand am Beispiel des DAX Jahrescharts
Psychologisch wichtig: Runde Chartmarken
Anleger lieben runde Marken, denn sie suchen für Handelsentscheidungen nach irgendeiner Form von Orientierung. Neben vergangenen Hoch- und Tiefpunkten wird dieser Zweck oft auch von runden Chartmarken erfüllt. So ist es für Anleger im Aufwärtstrend verlockend an einer runden Kursmarke wie 100 EUR zu verkaufen oder im Abwärtstrend z.B. bei 50 EUR zu kaufen. Diese runden Zahlen werden bei Aktienindizes oft auch in den Medien als psychologisch wichtige Levels dargestellt. Der Dow Jones Index beispielsweise testete die 1.000-Punkte Marke zwischen 1966 und 1982 fünfmal und konnte das Level erst Ende 1982 überwinden.
1.000 Punkte: 17 Jahre lang Widerstand für den Dow Jones Index
Trendumkehr: Das Durchbrechen von Unterstützungen und Widerständen
Als sehr bedeutend und oft richtungsweisend für die weitere Kursentwicklung gilt es, wenn ein maßgebliches Level signifikant unter- oder überschritten wird. Man spricht auch von einem Trendbruch oder einer Trendumkehr. Das Unterschreiten einer Unterstützung wird negativ bzw. als potenzielles Verkaufssignal gewertet, das Überschreiten eines Widerstands als „Chartausbruch“ als mögliches Kaufsignal entsprechend positiv. Dabei wandelt die Chartmarke ihre Funktion um und funktioniert bei einer anschließenden Kursbewegung zur ehemaligen Unterstützungslinie als Widerstand bzw. bei einem Rücksetzer zum ehemaligen Widerstand als Unterstützung.
Trendbruch 1: Chartausbruch über Widerstand
Trendbruch 2: Chartdurchbruch unter Unterstützung
Retests von Widerständen und Unterstützungen
Lehrbuchmäßig würde der Kurs nach dem Trendbruch den Widerstand bzw. die Unterstützung in einem sogenannten „Retest“ nochmals berühren, bevor sich der neue Trend endgültig etabliert. Ein solcher Retest ist zwar häufig, aber kein Muss für eine Tremdumkehr. Charttechniker sprechen von einer etwa 50 %igen Wahrscheinlichkeit für einen Retest.
Retest Unterstützung
Retest Widerstand
Fehlsignal bei Unterstützungen und Widerständen
Kehrt der Kurs nach dem Durchbrechen unmittelbar unter den Widerstand bzw. über die Unterstützung zurück, so spricht man von einem Fehlsignal. Fehlsignale haben oft eine sehr schnelle und heftige Kursreaktion in die Gegenrichtung zur Folge, so dass viele Anleger auf dem falschen Fuß erwischt werden.
Fehlsignal 1: Die Bullenfalle
Ein kurzzeitiger Anstieg über einen Chartwiderstand z.B. auf ein neues Zwischenhoch, ein sogenannter Fehlausbruch, sorgt des Öfteren dafür, dass optimistische Anleger, an der Börse auch „Bullen“ genannt, beispielsweise mit Call Optionen oder Käufen auf weiter steigende Kurse setzen. Wenn die Kurse dann aber entgegen den Erwartungen zu fallen beginnen und diese Bewegung weiter anhält, so ist der Investor aufgrund eines Fehlsignals in eine sogenannte Bullenfalle getappt.
Beispiel Bullenfalle
Fehlsignal 2: Die Bärenfalle
Ein kurzzeitiger Kurseinbruch unter eine Unterstützungslinie sorgt in einem Aufwärtstrend des Öfteren dafür, dass pessimistische Anleger, an der Börse auch „Bären“ genannt, beispielsweise mit Put Optionen oder Leerverkäufen auf eine Trendwende nach unten setzen. Wenn sich die Kurse dann aber entgegen den Erwartungen erholen und weiter stark ansteigen, so liegt ein Fehldurchbruch vor und der Investor ist in eine sogenannte Bärenfalle getappt.
Beispiel Bärenfalle
Allgemeine Fakten zu Unterstützungen und Widerständen
Unterstützungen und Widerstände existieren nur deshalb, weil Investoren und Anleger glauben, dass sie real sind. Sie entstehen, wenn bei ausreichend Anlegern ein Konsens besteht, dass ein Kauf oder ein Verkauf auf einem bestimmten Level Sinn ergibt. Da viele charttechnisch orientierte Anleger im Bereich von Unterstützungen kaufen und bei offensichtlichen Widerständen verkaufen, wird der Effekt beider Phänomene zu einer „selbsterfüllenden Prophezeiung“.
Generell gilt jedoch auch: Je öfter eine Unterstützungsniveau oder Widerstandsniveau vom Kurs angelaufen (getestet) wird, desto schwächer wird selbiges und desto wahrscheinlicher wird ein Unterscheiten bzw. eine Überwindung. Denn wenn zu viele Anleger auf ein bestimmtes, sehr offensichtliches Ereignis setzen, so tritt an den Märkten oft das Gegenteil ein d.h. das Brechen einer runden Marke, eines Widerstands und einer Unterstützung wird wahrscheinlicher.
Widerstände und Unterstützungen als Entscheidungshilfe für Anleger
Widerstände und Unterstützungen werden von vielen Anlegern beachtet und können daher zur Entscheidungsfindung bei Wertpapierkäufen und Wertpapierverkäufen oder zur Platzierung von Stopp Ordern mit herangezogen werden. Vermeiden sollten Anleger allerdings Kauforders und Verkaufsorders genau auf Unterstützungen, Widerständen oder runden Kursmarken zu platzieren – außer in Antizipation einer psychologisch bedingten Kursreaktion. So macht es möglicherweise Sinn knapp unterhalb von Widerständen zu verkaufen und knapp oberhalb von Unterstützungen zu kaufen. Ansonsten besteht die Gefahr, dass die Kurse einen Tick früher drehen und der Investor keine Ausführung erhält. Auch für Stopp-Loss Orders sollte die Anziehungskraft psychologisch wichtiger Kurslevels berücksichtigt werden. Stopp Orders sollten deshalb mit ausreichend Sicherheitsabstand unter wichtige Unterstützungen oder runde Marken gesetzt werden und möglichst nicht darüber. Aufgrund der Möglichkeit von Fehlsignalen, sollten für Investmententscheidungen möglichst auch noch andere Kriterien als charttechnische Unterstützungen und Widerstände herangezogen werden.
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