Der S&P 500 hat ebenso wie Dow Jones und Nasdaq 100 am Mittwoch drastische Verluste hinnehmen müssen. Ein Minus von 2,95 Prozent tilgte den Gewinn eines ganzen Monats binnen zwei Stunden. „Schuld“ sei die US-Notenbank, hieß es. Ist das so?
Eigentlich hat die US-Notenbank am Mittwochabend nichts verkündet, das hätte überraschen dürfen. Trotzdem sackten die US-Indizes erheblich weg. Es scheint, dass viele Akteure zu oft bei Warnsignalen weggeschaut haben. Zudem dürfte der Verfalltermin übermorgen eine Rolle gespielt haben. Die Frage ist: Liegt das Kind jetzt im Brunnen? War es das mit dem Gipfelsturm? Zunächst der Blick auf die charttechnische Lage:
Der S&P 500 ist durch dieses drastische Minus, das eine Phase trügerischer Ruhe ablöste, zwar heftig angezählt, aber noch nicht K.O. Er ist dadurch zwar aus seinem seit August laufenden, keilförmigen Aufwärtstrend herausgefallen. Aber noch ist ein symbolischer Level nicht unterboten: das „Trump-Gap“.
Diese Kurslücke, die am Tag nach der US-Wahl entstand, reicht von 5.783 bis 5.865 Punkte. Erst, wenn diese Lücke geschlossen würde und der Index dann weiter abrutscht, dieses „Gap-Closing“ also nicht als Gelegenheit zum Zukauf gesehen und genutzt wird, brennt hier richtig etwas an. Wenn wir uns allerdings ansehen, wo der S&P 500 am Mittwochabend aus dem Handel ging, wird klar: Der Spielraum, bis man beginnt, in diese Kurslücke hineinzurutschen, liegt bei sieben Punkten oder, um es nüchtern zu sagen, quasi bei null. Problem dabei:
Den meisten Akteuren, vor allem aber den großen Adressen, ist völlig klar, dass der S&P 500 überkauft war, zu teuer bewertet und man sich in Sachen „Trumponomics“ einfach die potenziellen Rosinen als Kaufargument herausgepickt hat, während man die damit einhergehenden Risiken ignorierte. Das könnte man der US-Notenbank vorwerfen: Dass sie mit ihren Projektionen eben diese Risiken in Erinnerung brachte. Was indes nur richtig ist. Was war da passiert?
Expertenmeinung: In Bezug auf den Leitzins erst einmal gar nichts. Der wurde wie erwartet um einen Viertelpunkt gesenkt. Und zudem hieß es vorher, am Markt habe man längst realisiert, dass die „Fed“ im Januar dann erst einmal nicht weiter senken, sondern abwarten wird, was sich nach der Amtsübernahme des neuen Präsidenten tut. Soweit, so harmlos.
Was offenbar wie ein nasses Handtuch ins Antlitz schlummernder Bullen wirkte, waren die neuen Projektionen in Sachen Wachstum, Arbeitsmarkt, Inflation und Leitzinsen. Alle Vierteljahre werden die aktualisiert. Und da lag dann der Stein des Anstoßes: Zuletzt hatte die Notenbank angedeutet, dass der Leitzins Ende 2025 um ein Prozent unter dem zum Jahresende 2024 liegen würde. Jetzt hat man diesen Ausblick auf die eigenen Entscheidungen deutlich verändert:
Die Leitzins-Projektion liegt nur noch einen halben Punkt tiefer, sprich man rechnet bei der US-Notenbank selbst jetzt nur noch mit zwei Senkungen um 0,25 Prozent im neuen Jahr statt wie im September noch mit vier. Das wiederum ist eine Reaktion darauf, dass man die Inflationsrate nicht mehr wie im September bei 2,1 Prozent per Ende 2025 sieht, sondern bei 2,5 Prozent. Aber wie kann das die Marktteilnehmer derart unerwartet treffen?
Man hat doch sehen können, dass die Inflation 2024 weniger deutlich zurückging als gedacht, vor allem in der Kernrate will es nicht richtig abwärts gehen. Man hat doch sehen können, dass die Löhne stärker stiegen als erwartet, was die Inflation fördert. Man weiß doch, welche Pläne Donald Trump mit der US-Wirtschaft hat und dass das ein potenzielles Glutnest für eine aufflammende Inflation ist. Nichts davon ist hinterrücks hinter irgendwelchen Vorhängen hervorgezaubert worden … und trotzdem ein derart massives Minus?
Sicherlich gab es da viele, die all das, was man hätte sehen können und müssen, einfach nicht sehen wollten. Aber trotzdem überrascht es, dass so viele überrascht waren. Wenn sie es denn waren. Denn es kann sehr gut sein, dass dieser Abverkauf nur deswegen so extrem ausfiel, weil schon morgen die große Abrechnung an der Terminbörse stattfindet. Da geht es um Milliardensummen, die verdient werden, wenn die Kurse auf dem Level in die Abrechnung laufen, auf dem man sie erwartet bzw. braucht. Aber sie können auch verloren werden, wenn es anders kommt.
Es ist möglich, dass die Abwärts-Reaktion direkt nach der Vorlage der Entscheidung und der Projektionen so deutlich war, dass große Adressen am Terminmarkt bei der Frage „fight oder flight“ die Flucht gewählt haben und long ausgerichtete Positionen glattgestellt oder durch Short-Trades gehedgt haben. Das hieße: Möglich, dass sich der S&P 500 schnell wieder fängt. Aber Vorsicht:
Möglich ist es, sicher ist es nicht im Geringsten. Denn man sollte im Hinterkopf haben, dass die großen Spieler am Markt ganz genau wissen, dass der S&P 500 eine historisch brandgefährlich hohe Bewertung erreicht hat, nahe am oberen Ende des 2020er-Aufwärtstrendkanals war und sogar auf Monatsbasis markttechnisch überkauft ist. Es ist daher möglich, dass viele nur mit optimal hohen Kursen in den Jahresultimo kommen und dann zügig Kasse machen wollten. Und bei dieser brenzligen Situation kann es sein, dass man sich jetzt anders entscheidet und sich sagt: Lieber nehme ich die Gewinne mit, solange sie noch da sind. Was wiederum bedeutet: Die Sache mit „fight or flight“ ist noch nicht vorbei … und dieser Index ist auf einmal ein heißes Eisen.
Nutzen Sie für Ihre Börsengeschäfte ein Depot über den Online-Broker LYNX. Alles aus einer Hand: Aktien kaufen, Optionen handeln, Futures traden oder in ETFs investieren.
Informieren Sie sich hier über den Online Broker LYNX.
--- ---
--- (---%)Displaying the --- chart
Heutigen Chart anzeigen