Am Montag bezeichnete das Weiße Haus es als „Fake News“, am Mittwoch war es auf einmal wahr: Donald Trump setzt die gerade erst implementierten Zusatz-Zölle für viele Länder aus. Der Nasdaq 100 schoss senkrecht nach oben. Aber ob der jetzt gutgemachte Boden trägt?
Wer dachte, extremer könnten die Schwankungen an den Aktienmärkten nicht mehr werden, wurde am Mittwoch eines Besseren belehrt. Am Tageshoch legte der Nasdaq 100 nach der kurz nach 19 Uhr unserer Zeit kommunizierten Entscheidung, die gerade erst vor einer Woche verkündeten Zusatzzölle für „über 75 Länder“ auf einen Pauschalzoll von zehn Prozent zu senken, unglaubliche 12,55 Prozent zum Dienstags-Schlusskurs zu.
Diese Aussetzung soll für 90 Tage gelten. Der Präsident schrieb, die große Bereitschaft vieler Länder, verhandeln zu wollen, habe ihn bewogen, diesen Ländern die Zeit für entsprechende Deals auch zu geben. Wie man in 90 Tagen mit der halben Welt Handelsabkommen schaffen will, bleibt offen. Aber der Aktienmarkt feierte diese Aussage, als sei der Spuk der immer höher geschraubten Zölle und die damit verbundene, dramatische Gefahr einer Kombination aus Rezession und Inflation vorüber. Ist sie das denn?
Expertenmeinung: Das ist sie nicht. Donald Trump hob die Einfuhrzölle für chinesische Waren erneut auf jetzt 125 Prozent an, weil, so Präsident und Finanzminister, sie sich gewehrt haben. Ebenso kündigte Trump am gleichen gestrigen Abend an, Zölle auf Pharmaprodukte zu erheben, die bislang von den Zöllen ausgenommen waren, und schrieb da von 25 Prozent und mehr. Und man sollte nicht übersehen, dass die Zölle auf Autos, Stahl und Aluminium trotzdem bestehen bleiben. Es ging nur um diese Liste des von Trump genannten „Tag der Befreiung“, dem 2. April. Der Zollstreit ist also nicht vorbei.
Davon abgesehen, dass niemand auch nur im Ansatz absehen könnte, welche Länder wirklich einen „Deal“ erreichen und wie der dann aussehen könnte. Das Problem, dass billigere Waren in die USA kommen und das auch und gerade, weil die USA ihre Produktion einfacher Güter über Jahrzehnte ausgelagert haben, löst das ja nicht. Daher bleibt für die Unternehmen egal welcher Branchen, ob in den USA oder im Rest der Welt, die Crux bestehen, auf die es dem Aktienmarkt durchaus ankommen müsste: Man hat keine Planungssicherheit.
Diese Entscheidung gestern kam völlig überraschend. Die Trader hatten keine Zeit, erst nachzudenken und dann zu kaufen, der Nasdaq 100 schoss binnen der ersten Viertelstunde bis zu 6,6 Prozent nach oben, wie der Chart auf Intraday-Basis zeigt, der den Nasdaq 100 ab Montag zum Handelsstart auf 15-Minuten-Basis abbildet.

Der Rest des Anstiegs basierte nach der ersten, größten Kaufwelle, die durch Stop-Loss-Eindeckungen der Bären intensiviert wurde, auf den Käufen derjenigen, die, vor die Frage „friss oder stirb“ gestellt, entschieden haben, lieber die hohen Kurse zu schlucken. Für ein genaueres Abwägen über die Bedeutung dieser Entscheidung blieb da keine Zeit.
Wenn man sich diese Zeit aber über Nacht nimmt, stellt sich angesichts der gigantischen Kursgewinne binnen kürzester Zeit die Frage: Werden heute wirklich so viele noch kaufen, dass Gewinnmitnahmen einfach „weggekauft“ werden? Angesichts des Umstands, dass morgen schon wieder vieles anders sein kann, und, das kommt hinzu, angesichts des Chartbilds?
Denn dieses Chartbild war gestern nicht nur auf Intraday-Basis interessant. Sie sehen im Chart auf Tagesbasis, dass der Nasdaq 100 durch diese Kursexplosion in den Kreuzwiderstand aus dem Zwischentief von Mitte März bei 19.153 Punkten, der 20-Tage-Linie bei 19.225 und der Februar-Abwärtstrendlinie bei etwa 19.500 Punkten hineingelaufen ist.

Und, noch wichtiger: Dadurch hat der Index beide großen Abwärts-Kurslücken, die am Morgen des 3. April und des 4. April entstanden waren, geschlossen. Damit steht die Frage im Raum:
Wird nach dem zweitgrößten Kursanstieg in der Geschichte der Nasdaq danach genug weiter gekauft, um den Nasdaq 100 nicht nur aus dem bärischen in neutrales Terrain zu ziehen, was gelungen wäre, wenn dieser Kreuzwiderstand überboten ist, sondern ihn auch wieder bullisch zu bekommen?
Dazu müsste er über die 200-Tage-Linie (aktuell bei 20.269 Punkten) und die Nackenlinie des Doppeltopps (bei 20.536 Punkten) hinaus. Und dazu müsste eine Mehrheit der Trader zu dem Schluss kommen, dass die Rahmenbedingungen jetzt nicht nur vorerst aus einer Abwärtsspirale herausgelöst, sondern wieder positiv sind. Trotz der fortbestehenden Zölle, trotz China, trotz der Unberechenbarkeit politischer Entscheidungen, die die Rahmenbedingungen festlegen. Und das ist offen genug, um sich sehr genau zu überlegen, ob man einem derartigen Anstieg noch hinterherlaufen will.
Investoren, Anleger und Trader genießen mit einem Depot über LYNX den direkten Zugang zu nationalen und internationalen Börsenplätzen in Deutschland, Europa, den USA und Asien. Handeln Sie an 150 Märkten, in 33 Ländern und 24 Währungen. Jetzt informieren: Alle Märkte
--- ---
--- (---%)Displaying the --- chart
Heutigen Chart anzeigen