Man sagt, dass die Akteure am Anleihemarkt das Gras wachsen hören. Ganz so unfehlbar ist man da zwar nicht, aber immerhin agieren am Bondmarkt tendenziell größere und erfahrenere Marktteilnehmer. Was die Zinsperspektive angeht, sollte man da also immer mal hinschauen.
Anleihen, oder englisch Bonds, sind tendenziell Anlageinstrumente, die weit weniger Emotionen wie Gier oder Panik auslösen als Aktien. Hier denkt man eher rational, bewegt sich enger an der realen Gesamtsituation und baut Perspektiven auf Zahlen auf, nicht auf Hoffnungen. Damit können die Bond-Trader zwar trotzdem falsch liegen. Aber immer dann, wenn es auffällige Diskrepanzen zwischen Aktien und Anleihen gibt, lohnt es sich, genauer hinzusehen und abzuklopfen, wer da womöglich falsch liegt.
Aktuell fällt in Bezug auf den deutschen Anleihemarkt bzw. das Kursbarometer der wichtigen Bundesanleihen mit zehn Jahren Laufzeit, den Bund Future, auf: In den letzten Tagen fiel Letzterer recht kräftig. Was bedeutet: Die Renditen für die zehnjährigen Laufzeiten, sprich ihre Verzinsung, steigen. Müssten die nicht eigentlich fallen, jetzt, wo der Weg der Leitzinsen zügig nach unten weist?
Expertenmeinung: Müssten sie … und der Bund Future müsste damit folgerichtig steigen, nicht nachgeben. Es scheint also, dass die Bond-Trader die derzeit bei DAX & Co. allgemein als Konsens anerkannte Ansicht, dass die EZB die Leitzinsen ab jetzt stetig und zügig weiter senken werde, nicht uneingeschränkt teilen. Was für die DAX-Hausse alles andere als förderlich wäre, wenn sie richtig liegen sollten. Aber bevor man angesichts der letzten vier schwachen Handelstage im Bund Future unterstellt, dass der Anleihemarkt keine weiteren Leitzinssenkungen sieht, muss man das ein wenig einordnen:
Die Rendite deutscher Bundesanleihen mit zehn Jahren Laufzeit ist in den letzten Tagen zwar gestiegen, aber das ist noch nicht dramatisch. Ende Mai lag diese Rendite bei 2,68 Prozent, fiel dann am 1. Oktober auf das bisherige Jahrestief von 2,02 Prozent und stieg gestern dann auf 2,24 Prozent. Das ist nicht wenig, aber es ist auch kein Signal dafür, dass es mit den Zinssenkungen vorbei wäre. Eher eines, dass die EZB jetzt womöglich langsam machen wird.
Aber wieso? Gerade erst hat die Bundesregierung ihre Wachstumsprognose auf -0,2 Prozent gesenkt – ist da nicht dringender Handlungsbedarf gegeben? Außerdem ist die Inflationsrate doch schon unter zwei Prozent gefallen?
Beides ist zwar richtig, aber die EZB hat die Eurozone in ihrer Gesamtheit im Blick. Und in den meisten anderen Ländern der Eurozone ist das Wachstum nicht negativ, zumal das unmittelbare Befeuern der Konjunktur ohnehin keine Aufgabe der EZB ist. Und was die Inflationsrate angeht, muss die EZB auch die Kernrate im Blick behalten, die immer noch klar über zwei Prozent liegt. Und sie wird ebenso registrieren, dass die Ölpreise auch gestern wieder erheblich gestiegen sind, so dass auch die Inflations-Gesamtrate wieder deutlicher zulegen würde, sollte Rohöl in der Nähe des jetzt erreichten Levels verharren. Die EZB sieht auch die Lohnerhöhungen, die im Verlauf des Jahres weit über dem lagen, was die Währungshüter als inflationsneutral eingestuft haben.
Das ist es, was diese Korrektur des Bund Futures einpreist. Aber genau das ist es auch bislang: eine Korrektur. Erst, wenn das Anleihe-Barometer die mittelfristig entscheidende Supportzone zwischen 132 und 133 Prozent durchschlagen sollte, würden die Bond-Trader damit einpreisen, dass die EZB vorläufig nicht weiter senkt oder sogar, was derzeit nicht wahrscheinlich, aber deswegen noch lange nicht unmöglich ist, die Leitzinsen sogar wieder etwas anheben muss. Auf diese Zone 132/133 Prozent sollte man also achten, auch als Aktienmarkt-Trader. Denn wenn die fällt, dürfte sich die Standfestigkeit des DAX nahe seines bisherigen Rekordes deutlich verschlechtern.
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