Ausgewählte Trader beantworten unseren standardisierten Fragebogen. Die Vergleichbarkeit der Fragen und die Unterschiedlichkeit oder eben die Ähnlichkeit der Antworten zeichnen dieses Interviewkonzept aus. Heute antwortet uns der Berufstrader Ulrich Maier.
Guten Tag Herr Maier, die Lynxbroker-Redaktion freut sich sehr, dass Sie sich Zeit für ein Interview mit uns nehmen. Vielleicht können Sie sich uns zu Beginn ein wenig vorstellen und uns erzählen wann und wie Sie auf die Börse gekommen sind?
Hallo! Wirtschaft und Börse hat mich schon als Jugendlicher interessiert. 1997 als 16 jähriger habe ich dann mein ganzes Geld zusammengekratzt und mit der Unterschrift meines Vaters Daimler und SAP Aktien gekauft. Als dann kurz darauf der Neue Markt Hype losging war ich vollends infiziert und handelte immer aktiver. Jede Neuemission wurde gezeichnet, Börsenzeitschriften verschlungen und mit Freunden über Börse gefachsimpelt. Und natürlich kam es wie es kommen musste. Durch die anfänglichen Gewinne wurde das Geld immer noch riskanter investiert und als die Blase dann platzte verlor ich den Großteil meiner Gewinne.
Nachdem ich meine Wunden geleckt hatte und erstmal ein paar Jahre nichts von der Börse wissen wollte, entfachte 2003 ein Freund während meines Studiums erneut mein Börseninteresse. Von da an lief es dann auch so gut, dass ich bis zu meinem Uni-Diplom genug Tradingkapital zusammen hatte, um den Sprung in die Selbständigkeit als Daytrader zu wagen.
Jeder erfolgreiche Trader oder Anleger hat zu Beginn seiner Laufbahn als „Lehrgeld“ mindestens ein, wenn nicht gar mehrere Konten „platt“ gemacht, so hört man immer wieder. Können Sie auch auf schmerzhafte Niederlage zurückblicken und was haben Sie daraus gelernt?
Ja, aus Fehlern lernt man. Leider sind Fehler an der Börse oft sehr teuer. Aus meiner neuen Markt Zeit hatte ich ein Depot mit ca. 8 Depotleichen, welche ich oft gar nicht mehr verkaufen konnte, sondern ausbuchen lassen musste. Sowas ist mir danach nie wieder passiert und wird mir auch nie wieder passieren. Mittlerweile habe ich keine Probleme mehr, Verluste zu realisieren bevor sie zu groß werden.
Aber natürlich gibt es auch heute noch sehr schmerzhafte Verluste und Phasen, in denen es nicht so rund läuft.
Gab es außer Verlusten noch andere Schwierigkeiten (z.B. psychologisch, zu wenig Startkapital…) die Sie schließlich meistern konnten?
Die Umstellung vom Studenten-Trader auf Vollzeit-Trader war in meinem Kopf schwerer als ich dachte. Auf einmal war das beschützende Studentenumfeld nicht mehr vorhanden und ich war dadurch mental so gehandicapped, dass ich über Monate kein Geld an der Börse verdient habe, obwohl ich die letzten 2 Semester fast Vollzeit getradet habe und dabei stetig profitabel war. Dazu kam noch der Druck von allen möglichen Seiten, mir doch einen „anständigen“ Job zu suchen.
Heute, viele hochprofitable Jahre später, lache ich darüber. Aber damals hat mich das schon das ein oder andere Mal daran zweifeln lassen, ob ich den richtigen Weg eingeschlagen habe.
Was glauben Sie, warum sind Sie als Trader erfolgreich in diesem Geschäft geworden und haben letztendlich den Durchbruch geschafft, während viele andere letztlich scheitern?
Wichtig war sicherlich mein großes Interesse für Börse und Wirtschaft.
Dazu kommt, dass ich schon immer gut mit Zahlen umgehen konnte und mich gut selber motivieren kann.
Und wenn ich ehrlich bin, war natürlich auch viel Glück dabei, genau zur richtigen Zeit, am richtigen Ort zu sein und die richtigen Leute zu kennen. Die Zeit von 2003-2007 war rückblickend ein Paradies für Aktientrader in Deutschland. Jede Menge Tradingchancen, hohes Volumen in Nebenwerten, steuerliche Begünstigungen dank Halbeinkünfteverfahren, keine Shortverbote, neue Broker mit günstigen Konditionen etc. etc. Damals konnte man auch mit relativ wenig Tradingkapital große Gewinne einfahren.
Hätte ich fünf Jahre früher oder fünf Jahre später studiert, hätte ich heute wahrscheinlich einen anderen Job.
Haben Ihnen Vorbilder oder Mentoren geholfen ihren Weg zu finden?
Ja! Das kann ich auch nur jedem Börsenneuling dringend empfehlen. Holt Euch Hilfe! Lest Bücher, Börsenforen, Börsenbriefe, fragt Freunde und Bekannte mit Börsenerfahrung, geht zu Börsenclubs etc. etc.
Wenn man Skifahren lernen will, macht man einen Skikurs. Wer einen Beruf erlernt, macht eine mehrjährige Lehre. Nur an der Börse meinen viele Neulinge, man könne sofort loslegen und die Gewinne kommen von alleine. Aber das einzige was an der Börse von alleine kommt, sind Verluste. Haha, ich weiß wovon ich rede.
Ich selbst habe so ziemlich jedes Börsenbuch verschlungen, lese Börsenforen hoch und runter, habe einige Börsenbriefe abonniert und habe befreundete Trader mit denen ich viel über Börse rede.
Allerdings ist mir das Lernen nie schwer gefallen, sondern kam irgendwie von selber, weil mich Börse und Wirtschaft schon immer interessiert haben und ich das meiste auch gelesen hätte, wenn ich einen ganz anderen Job hätte.
Mit welchem bekannten Trader oder Investmentlegende würden Sie denn gerne einmal einen Kaffee trinken?
Oh, da gibt es einige:
Jim Rogers, Warren Buffet, Ed Seykota und Paul Tudor Jones
Wie sieht Ihr Tagesablauf aus, halten Sie sich strikt an einen speziellen Tradingplan oder führen ein Trading-Tagebuch?
Da ich zu 80% nur deutsche Aktien handle geht bei mir ein „normaler“ Tradingtag von 7.30 Uhr bis ca.
17.45 Uhr mit folgendem Ablauf:
7.30 Uhr an den Rechner und erst mal News und Börsenforen, wie z.B. www.peketec.de lesen. Dazu aktualisiere ich meine Watchlist noch mit Werten, welche an diesem Tag interessant werden könnten, da sie Zahlen gebracht haben, die letzten Tage sehr volatil waren oder sonst wie in mein Raster fallen.
Von 8 Uhr bis 9 Uhr handle ich die Vorbörse, welche gerade in volatilen Börsenphasen oft die besten Tradingchancen liefert.
Nach der Xetra-Eröffnung um 9 Uhr handle ich dann meist bis ca. 11 Uhr.
11-13.30 Uhr lange Mittagspause mit Sport, Essen, Familie etc.
13.30 bis 17.45 Uhr Nachmittagshandel, bei dem oft mit der US Eröffnung nochmal Bewegung in die Kurse kommt. Der Tradingtag endet dann meistens mit den Xetra-Schlussauktionen in Deutschland und danach lass ich den Tag nochmal in meinem Tradingtagebuch Revue passieren.
Natürlich gibt es sehr volatile Börsenphasen, in denen ich von 7 Uhr morgens bis um 22 Uhr abends durchgehend vor dem Rechner sitze. Und genauso gibt es sehr „langweilige“ Börsenphasen, in denen die Mittagspause schon um 9.30 Uhr beginnt und bis 14.30 Uhr geht.
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Das soziale Umfeld von Arbeitskollegen oder Kunden fehlt bei den meisten Berufs-Tradern. Viele sind deshalb auch in sozialen Netzwerken unterwegs um sich mit Trader-Kollegen auszutauschen. Sehen Sie sich als beruflichen „Lonely Wolf“ bzw. wie gehen Sie mit diesem Thema um?
Ja, das ist ein großes Thema, welches ich am Anfang meiner Selbständigkeit auch unterschätzt habe. Börse ist zu einem großen Teil Psychologie. Von daher ist es ungemein wichtig, dass man sich beim Traden gut fühlt und sich ein dementsprechendes Umfeld aufbaut.
Gerade am Anfang fand ich es sehr schwer, den ganzen Tag alleine vor meinem Rechner zu sitzen und habe mir dann zeitweise ein Büro mit einem befreundeten Trader geteilt und bin in eine WG mit Freunden gezogen, um wieder ein soziales Umfeld um mich zu haben. Und auch das Chatten mit befreundeten Tradern war von Anfang an sehr wichtig für mich und hat einen Teil des fehlenden sozialen Umfeldes ersetzt.
Mittlerweile trade ich wieder von Zuhause aus und genieße es, den ganzen Tag meine einjährige Tochter in der Nähe zu haben.
Was bedeute Ihnen Trading bzw. eigenständiges Anlegen und was ist für Sie das schönste daran?
Ich habe mein Hobby zum Beruf gemacht, bin mein eigener Chef und verdiene gutes Geld. Darüber hinaus bin ich räumlich flexibel und habe das auch schon mit mehrmonatigen „Arbeits-Urlauben“ in Kapstadt oder Berlin ausgenutzt. Aktuell plane ich mit meiner Familie einen mehrmonatigen Aufenthalt auf Mauritius.
Und durch die zeitliche Flexibilität habe ich die letzten Winter keinen guten Tiefschnee-Skitag verpasst.
Was will man mehr? Für mich ist Trading der schönste Beruf der Welt.
Aber natürlich gibt es auch nicht so schöne Seiten. Gerade wenn es mal ein paar Wochen nicht rund läuft wird aus dem Traumjob schnell ein Frustjob. Dazu steht der Beruf Daytrader seit der Finanzkrise im öffentlichen Ansehen irgendwo zwischen Zuhälter und Politiker.
Was würden Sie denn beruflich machen, wenn das mit dem Trading nicht geklappt hätte?
Mmmhhh, schwer zu sagen. Ich wollte mich schon immer selbständig machen. Evtl. wäre ich heute selbständiger Wirtschaftsprüfer und Steuerberater.
Ist Ihnen mal ein außergewöhnlicher Trade gelungen an den Sie gerne zurückdenken?
Ja, da gibt es einige.
Erst vor ein paar Monaten, am 15.01.2015, hatte ich meinen bis jetzt besten Tradingtag dank einem sehr lukrativen Forex-Trade im Schweizer Franken. Nach der Entscheidung der SNB, den Frankenkurs freizugeben, bin ich den EUR.CHF (Anm. d. Red.: Euro in Franken) zu im Schnitt 0,89 long gegangen und habe nach weniger als einer Stunde den Trade zu im Schnitt 1,04 geschlossen.
Dazu habe ich im DAX an diesem Tag ziemlich genau das Paniktief getroffen und konnte hier auch über 200 Punkte mitnehmen. Das hat sich natürlich toll angefühlt. Gerade auch, weil ich Forex oder Index-Trades ansonsten eher selten mache.
Generell habe ich aber leider die Erfahrung gemacht, dass sich Verlusttrades mehr ins Gehirn einbrennen und man an ihnen länger zu knabbern hat, als man sich über sehr gute Trades freut.
Jeder Trader oder Anleger braucht einen individuell passenden Handels-Stil basierend auf Techniken, Märkten und Zeitrahmen. Wie sieht Ihr Stil aus, nach welchen Gesichtspunkten wählen Sie Ihre Trades aus?
Ich würde mich als diskretionären Contrarian bezeichnen. Ich handle also nach eigenem Ermessen bzw. nach Erfahrungswerten aus dem Bauch heraus und meistens gegen den vorherrschenden Trend. Vereinfacht gesagt, suche ich nach einem Shorteinstieg für einen (kurzfristigen) Pullback, wenn eine Aktie stark gestiegen ist und nach einem Longeinstieg für einen (kurzfristigen) Rebound, wenn eine Aktie stark gefallen ist.
Näher möchte ich auf meinen Tradingstil gar nicht eingehen, da es jede Menge funktionierender Tradingmethoden gibt und sicherlich noch deutlich profitablere als die von mir verwendete. Aber meiner Erfahrung nach, muss der Tradingstil vor allem zu einem selber passen, zur eigenen Persönlichkeit, vorhandenen Zeit und der Kontogröße. Das Trading muss sich gut anfühlen!
Ich habe für mich festgestellt, dass ich mit meinem Tradingstil die besten und vor allem die konstantesten Ergebnisse erziele, weil er sehr gut zu meiner Persönlichkeit passt.
Welche Wünsche und Ziele haben Sie als Trader/Anleger und im privaten Bereich?
Natürlich hat man als Trader monetäre Ziele was sein Vermögen, den Monatsgewinn, Jahresgewinn etc. angeht. Und nach meiner Erfahrung ist es auch sehr wichtig, seine Ziele zu definieren und niederzuschreiben. Beispielsweise hatte ich zu Beginn meines Tradings das Ziel, über 10.000 Euro im Monat zu verdienen und habe dementsprechende Zettel überall in der Wohnung und vor allem im Büro platziert. Nach ein paar Monaten hat es geklappt.
Heute ist es mir vor allem wichtig, keine Verlustmonate und möglichst wenige Verlustwochen im Jahr zu haben. Damit lebt es sich entspannter und die Gewinne kommen von alleine.
Welche Hobbies begeistern Sie, d.h. wie verbringen Sie tradingfreie Tage am liebsten?
Ich bin begeisterter Sportler und gehe in der Mittagspause gerne ins Fitnessstudio, zum Mountainbiken oder Schwimmen. Dazu gerne Bergwandern, Skifahren, Klettern und Laufen.
Und natürlich verbringe ich so viel Zeit wie möglich mit meiner Familie.
Welche Tipps geben Sie unerfahreneren Kollegen oder Lesern mit auf den Weg?
Die Börse ist ein Haifischbecken! Wagt euch nur sehr gut vorbereitet hinein!
Traut keinen Aktien-Tipps und macht einen großen Bogen um selbsternannte Börsenexperten!
Findet euren eigenen Trading- bzw. Anlagestil, der zu eurer Persönlichkeit passt!
Herr Maier, herzlichen Dank für das interessante Gespräch.
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*Anmerkung der Redaktion: Name und Bild zum Schutz der Privatsphäre geändert.