Ausgewählte Trader beantworten unseren standardisierten Fragebogen. Die Vergleichbarkeit der Fragen und die Unterschiedlichkeit oder eben die Ähnlichkeit der Antworten zeichnen dieses Interviewkonzept aus. Heute antwortet uns der Gründer und Betreiber der Webseite Aktienfinder.Net Torsten Tiedt.
Guten Tag Herr Tiedt, die LYNX Broker-Redaktion freut sich sehr, dass Sie sich Zeit für ein Interview mit uns nehmen. Vielleicht können Sie sich uns zu Beginn ein wenig vorstellen und uns erzählen wann und wie Sie auf die Börse gekommen sind?
Ich bin der Gründer und Betreiber der Webseite Aktienfinder.Net, einer im Jahr 2017 gestarteten Plattform für Investoren mit mittlerweile rund 18.000 Mitgliedern. Unser Ansatz ist der Fokus auf das langfristige Gewinnwachstum von Unternehmen, da nur langfristig steigende Gewinne zu langfristig steigenden Kursen und Dividenden führen.
Die Begeisterung für die Börse habe ich von meinem Vater geerbt und wurde während eines zweijährigen Studentenjobs bei der DABbank (heute in die Consorsbank integriert) virulent.
Jeder erfolgreiche Trader oder Anleger hat zu Beginn seiner Laufbahn als „Lehrgeld“ mindestens ein, wenn nicht gar mehrere Konten „platt“ gemacht, so hört man immer wieder. Können Sie auch auf schmerzhafte Niederlagen zurückblicken und was haben Sie daraus gelernt?
Den besagten Studentenjob trat ich im Sommer 2000 an, als die New Economy Blase gerade platzte. Durch direkten Kundenkontakt erlebte ich die monatlich wachsenden Verluste spekulativer Hobbybörsianer hautnah mit. Dies hat mich früh geprägt und vermutlich davor bewahrt, selbst ein Depot gegen die Wand zu fahren. Im Nachhinein habe ich die „wilde Phase des Ausprobierens“ einfach übersprungen und war von Anfang an langfristig und fundamental orientiert unterwegs.
Gab es außer Verlusten noch andere Schwierigkeiten (z.B. psychologisch, zu wenig Startkapital…) die Sie schließlich meistern konnten?
Ein niedriges Startkapital sehe ich eher als Vorteil. Das Depotvolumen sollte mit der Börsenerfahrung wachsen. Andernfalls ist das Risiko hoher Anfangsverluste zu groß.
Die Regenerationsfähigkeit der Wirtschaft und der Glaube, dass ich ausschließlich in solide Unternehmen investierte, hat mir geholfen, auch schwere Zeiten wie die Finanzkrise zu überstehen. Wie sich im Nachhinein jedoch herausstellte, war meine Aktienauswahl nicht optimal. Große Namen und eine lange Dividendenhistorie allein machen eben noch kein erfolgversprechendes Investment aus.
In Folge war meine größte Herausforderung, mich vom Dividendenfokus zu befreien und mich auf das zu konzentrieren, was den Dividenden zugrunde liegt: dem Cash-Flow, bzw. dem Unternehmensgewinn.
Was glauben Sie, warum sind Sie als Trader erfolgreich in diesem Geschäft geworden und haben letztendlich den Durchbruch geschafft, während viele andere letztlich scheitern?
Investor, nicht Trader. Das ist ein Unterschied, weil es als Investor sehr viel einfacher ist, erfolgreich zu sein im Sinne des Erwirtschaftens einer positiven Rendite. Der Erfolgsdruck ist eines Traders ist sehr viel höher, weil er in komprimierter Zeit eine höhere Rendite zu erwirtschaften gezwungen ist. Aus diesem Grund bauen sich viele Trader parallel ein langfristig orientiertes Depot auf, um so den Erfolgsdruck abzumildern.
Im Umkehrschluss verdient man als Investor in der Regel nicht genug, um davon leben zu können. Ich erhöhe meinen Cash-Flow durch den Verkauf von Aktienoptionen und bin mit dem Aktienfinder außerdem als Unternehmer aktiv.
Haben Ihnen Vorbilder oder Mentoren geholfen ihren Weg zu finden?
Sicher haben mich diverse Erfahrungen in unterschiedlichster Form geprägt. Ich bin mir jedoch keines Börsenvorbilds bewusst, dass mein heutiges Tun entscheidend geprägt hätte oder dem ich als Vorbild nacheifern würde.
Allgemein gilt meine Bewunderung eher unternehmerischen Größen, die aus Vision Wirklichkeit entstehen lassen, dabei auch große Hindernisse überwinden und ihre Kritiker eines Besseren belehren.
Mit welchem bekannten Trader oder Investmentlegende würden Sie denn gerne einmal einen Kaffee trinken?
Ich trinke keinen Kaffee ?. Einen Tee mit dem SEC-Anti-Helden Elon Musk würde ich jedoch nicht abschlagen. Wobei ich nicht weiß, was er mir an den Kopf werfen würde.
Wie sieht Ihr Tagesablauf aus, halten Sie sich strikt an einen speziellen Tradingplan oder führen ein Trading-Tagebuch?
Ob Trader oder Investor. Beide benötigen Regeln und die Disziplin, diese Regeln einzuhalten. Für den Trader ist das Regelwerk und dessen Einhaltung allerdings anspruchsvoller. Ich selbst habe ein eigenes Regelwerk für den Verkauf von Aktienoptionen, notiere mir jeden Trade und werte diese auch aus. Ebenso habe ich eine Strategie für jedes meiner langfristig ausgerichteten Depots.
Das soziale Umfeld von Arbeitskollegen oder Kunden fehlt bei den meisten Berufs-Tradern. Viele sind deshalb auch in sozialen Netzwerken unterwegs um sich mit Trader-Kollegen auszutauschen. Sehen Sie sich als beruflichen „Lone Wolf“ bzw. wie gehen Sie mit diesem Thema um?
Trading und Investieren sind bei mir nur ein Teil des täglichen Zeitvertreibs. Das Unternehmerische nimmt die meiste Zeit in Anspruch. Teil dessen ist der Kontakt mit den Mitgliedern. Sei es per Mail, in sozialen Netzwerken oder auf dem Aktienfinder YouTube-Kanal. Die Heimarbeit ermöglicht außerdem den ständigen Kontakt mit der Familie. Ich fühle mich in diesem Umfeld wohl.
Was bedeute Ihnen Trading bzw. eigenständiges Anlegen und was ist für Sie das Schönste daran?
Das Schönste am Investieren ist der langfristige Erfolg. Wenn beispielsweise in Zeiten der Nullzinspolitik die persönliche Dividendenrendite von Aktien zweistellig geworden ist und man mehrere Hundertprozenter im Depot liegen hat.
Beim Traden hingegen befriedigt mich in erster Linie das Überwinden des eigenen Schweinhunds. Hier geht es hier um die Disziplin, das eigenen Regelwerk einzuhalten und beispielsweise eine Option ab einem gewissen Verlust zu schließen.
Was würden Sie denn beruflich machen, wenn das mit dem Trading nicht geklappt hätte?
Vermutlich Lektor im Bereich der Belletristik.
Ist Ihnen mal ein außergewöhnlicher Trade gelungen an den Sie gerne zurückdenken?
Gerne zurück denke ich an meine diversen Engagements bei Wirecard während der letzten Short-Attacken. Nicht nur, weil diese erfolgreich waren, sondern weil ich von Anfang an und zeitnah über die Geschehnisse auf dem Aktienfinder YouTube-Kanal berichtet und meine Interpretation der Geschehnisse zum Besten gegeben habe. Mein erklärtes Ziel war es, die heiße Phase von Anfang bis Ende in der Öffentlichkeit durchzuziehen und zu zeigen, dass man als Privatanleger kein Opfer institutioneller Machenschaften ist, sondern mit dem richtigen Vorgehen auch bei solch unschönen Vorkommnissen Geld verdienen kann.
Jeder Trader oder Anleger braucht einen individuell passenden Handels-Stil basierend auf Techniken, Märkten und Zeitrahmen. Wie sieht Ihr Stil aus, nach welchen Gesichtspunkten wählen Sie Ihre Trades aus?
Bei mir dominiert das Fundamentale, wobei ich mich in erster Linie am langfristigen Gewinnwachstum orientiere, um festzustellen, ob die Aktie als erfolgversprechendes Investment in Frage kommt. In einem zweiten Schritt schaue ich mir dann die Bewertung der Aktie an.
Anders bei Aktienoptionen, falls eine Ausübung für mich nicht in Frage kommt. Hier spielen Charttechnik und die implizite Volatilität für die Bestimmung des Chance-Risiko-Verhältnisses eine zentrale Rolle. Diese Trades sind für mich allerdings nicht an der Tagesordnung.
Welche Wünsche und Ziele haben Sie als Trader/Anleger und im privaten Bereich?
Als Anleger möchte ich für möglichst viele Mitmenschen Aufklärer und Vorbild sein, um sie ebenfalls zum Investieren zu bewegen. Als Trader bin ich mit ein paar Prozent mehr Rendite im Jahr zufrieden. Privat möchte ich Gesundheit, Frieden und Liebe in der Familie genießen.
Welche Hobbies begeistern Sie, d.h. wie verbringen Sie tradingfreie Tage am liebsten?
Ich lese gerne Biografien von Unternehmern und mache Ausflüge mit der Familie, wenn es die Zeit zulässt.
Welche Tipps geben Sie unerfahreneren Kollegen oder Lesern mit auf den Weg?
Eile mit Weile und Plan. Viele Anfänger sind zu ungeduldig und haben keine definierte Strategie. Beides rächt sich bitter, wenn die Kurse zu bröckeln beginnen. Hastig und in Gier eingekaufte Aktien sind schon allein aus psychologischen Gründen kein Stützpfeiler für das eigene Depot.