Kennen Sie einen Herrn namens Lloyd Blankfein? Nicht? Dann stehen sie damit nicht allein. Und doch ist Mr. Blankfein einer der mächtigsten Männer der Welt. Vielleicht gerade deswegen, weil er sich vom Rampenlicht eher fernhält. Und auch “seine” Bank zog es in den Jahren nach der Immobilienkrise in den USA, in der sie aus den Schlagzeilen nicht mehr herauskam, vor, eher dezent aufzutreten: Goldman Sachs.
Die Macht und der Einfluss dieser gewaltigen Investmentbank werden dadurch indes nicht geringer. Es wird nur weniger wahrgenommen. Was für ein Unternehmen, das mit großen Möglichkeiten ausgestattet ist und diese auch zu nutzen versteht, nur von Vorteil sein kann.
Lloyd Blankfein selbst geriet bislang nur einmal, 2009, in den Fokus der Investoren. Damals sagte er in einem Interview auf dem Höhepunkt der Subprime- und Immobilienkrise als Antwort auf die herbe Kritik, die Banken hätten diese Krise zum Schaden der Allgemeinheit zu verantworten: “Ich bin nur ein Banker, der Gottes Werk verrichtet.” Ob das ein wenig selbstironisch oder bierernst gemeint war, wurde nie klar.
Doch man darf gespannt sein, ob sich die vorher und nachher geübte mediale Zurückhaltung des Goldman Sachs-Bosses in den kommenden Wochen und Monaten fortsetzen wird. Denn es hat den Anschein, als wäre die Investmentbank mit dem Start des neuen US-Präsidenten ein wenig unglücklich.
Sorge über den Kurs des Präsidenten
In einer Ende der Vorwoche publizierten Lagestudie erklärten die Goldman Sachs-Volkswirte laut Bloomberg, dass sich das Risikoprofil einen Monat nach Beginn des neuen Jahres etwas ungünstiger darstelle als zur Jahreswende. Und diese Einschätzung fußt auf drei Punkten:
Die Probleme, Obamas Gesundheitsreform zeitnah durch eine neue Struktur zu ersetzen, deuten an, dass auch andere Projekte der Trump-Administration nicht so schnell Realität würden, wie die Investoren das im Vorfeld dachten. Steuerreformen und die Erneuerung der Infrastruktur könnten womöglich erst 2018 einen Effekt auf die Konjunktur zeigen.
Die harsche Vorgehensweise beispielsweise in Bezug auf das Einreiseverbot für Menschen aus sieben muslimischen Ländern vergrößert die Kluft zwischen den beiden politischen Parteien. Einen Konsens zu erreichen wird in allen Bereichen deutlich schwieriger.
Dass Donald Trump seine Wahlkampfversprechen in Bezug auf Einwanderung und Welthandel wirklich so radikal umsetzen will, war so nicht erwartet worden. Das könne deutlich negative Konsequenzen für die US-Wirtschaft und die Finanzmärkte haben, so der Bericht. Das hier verwendete Wort “disruptive” könnte man auch mit der krasser wirkenden Formulierung “zerstörerisch” übersetzen.
Goldman Sachs kann es sich leisten, Kritik zu üben
Das wird Mr. Trump nicht gefallen haben. Aber wer kann sich solche Kritik leisten, bei einem Präsidenten, der offenbar keine Kritik vertragen kann? Andere vielleicht nicht. Goldman Sachs schon.
Dabei geht es nicht um die schiere Größe der Investmentbank. Unter den Top 10 der Welt taucht Goldman Sachs nicht auf, 2013 lag sie auf Platz 24. Auch, wenn die Umsätze und Gewinne, die dieses Geldhaus vorweisen kann, nicht von Pappe sind: Es geht um ihren Einfluss. Der sich unter anderem darin äußert, dass Goldman Sachs-Banker nach ihrer Zeit dort oft in sehr wichtige Positionen wechseln, vor allem in die Politik. Die Grafik zeigt nur einige Beispiele, wo ehemalige Goldman Sachs-Banker danach agierten bzw. heute noch agieren.
Und Donald Trump hat sich, im Widerspruch zu seiner lautstarken Banken-Schelte im Wahlkampf, mit Steve Mnuchin, Steve Bannon und Gary Cohn drei ehemalige Goldman Sachs-Mitarbeiter in seinen engsten Kreis geholt. Das würde nicht automatisch bedeuten, dass diese Personen weiterhin im Sinne ihres früheren Arbeitsgebers agieren. Aber es kann bedeuten, dass die Goldman Sachs-Strategie sanfter, dezenter Einflussnahme auch Trump erfassen wird.
Nun könnte man einwenden, dass es sich die US-Banken nicht leisten können, den Präsidenten gegen sich aufzubringen. Schließlich wolle man etwas von ihm: Dass er die “Fußfesseln”, die die Obama-Administration ihnen als Quittung für die verheerende Subprime-Krise anlegte, entfernt werden. Und Trump, der nach außen hin im Wahlkampf publikumswirksam gegen die Macht der Wall Street und der Banken wetterte, veranlasste auch zur Freude der US-Banken, dass man den Dodd/Frank-Act, ein Gesetz, dass den US-Banken die Spekulation auf eigene Rechnung verbot, “überprüfen” solle.
Aber Goldman Sachs weiß um seine Machtfülle. Ein US-Präsident, der gleichzeitig Steuern senken und die Ausgaben erhöhen will, der sich mit seinen Handelspartnern anlegt und trotzdem ein “Job-Wunder” zu erschaffen gedenkt, muss mit einem wachsenden Haushaltsloch agieren. Das ist ein Szenario, das auf mittlere Sicht katastrophal enden kann. Aber kurzfristig könnte es den US-Großbanken durchaus zum Vorteil gereichen. Ohne sie, die – und das gilt nicht nur für Goldman Sachs – eng mit der Politik verwoben sind, kann er nichts erreichen. Dass dabei sein versprochener Kampf gegen das politische Establishment ein wenig unter den Tisch fallen wird, wird Trump wohl nonchalant herunterspielen.
Die Erfahrung der letzten Jahrzehnte lehrt dabei, dass eher ein Präsident fällt als eine US-Bank dieser Größe. Denn Lehman Brothers ist kein Beispiel dafür, dass die US-Banken in ihrer Stärke und Machtfülle instabil wären. Lehman Brothers war ein Bauernopfer. Damals wurde der fallen gelassen, auf den alle am ehesten verzichten mochten. Eine Investmentbank wie Goldman Sachs hingegen hat seit ihrer Gründung 1869 schon viele Präsidenten kommen und gehen sehen.
Die Goldman Sachs-Aktie
Die mittlerweile bestätigten Erwartungen, dass Goldman Sachs in der neuen Amtsperiode eine weit wichtigere Rolle spielen werde als unter Barack Obama und dass nun eine Deregulierung in Bezug auf die Restriktionen nach der Subprime-Krise erfolgen werde, haben die Aktie der Investmentbank seit dem überraschenden Wahlsieg Trumps am 8. November um in der Spitze 36 Prozent nach oben gezogen. Rechnet man die Performance ab Ende Juni hinzu, als es nach dem Referendum in Großbritannien zu einer ersten, überraschenden Kehrtwende am Aktienmarkt kam, beträgt der Anstieg in der Spitze sogar knapp 80 Prozent. Kann das so weitergehen?
Dass der Kurs zuletzt konsolidierte liegt daran, dass die von Goldman Sachs selbst befürchtete, ungünstige Entwicklung im Fall der Fortsetzung des bisherigen Politik-Stils von Donald Trump mit der US-Konjunktur automatisch auch die Bankenlandschaft treffen würde. Das kann die Aktie in Schwierigkeiten bringen. Aber nur, wenn die wichtige Unterstützungszone im Bereich 215/220 US-Dollar brechen würde, wäre hier wirklich etwas angebrannt. Bemerkenswert ist dabei:
Durch diese “Trump-Rallye” hat der Aktienkurs jetzt wieder in etwa das Niveau vor dem Ausbruch der Subprime- und Immobilienkrise erreicht, in deren Folge die Banken nahe an den Zusammenbruch gerieten und die Goldman-Aktie in der Spitze 80 Prozent an Wert verlor. Es scheint, als wäre jetzt jeglicher Nachhall dieser Krise vom Tisch. Aber gerade dieser Anschein birgt Gefahren.
Denn bislang gibt es wenig Anzeichen, dass die großen Banken weltweit aus dem gelernt hätten, was damals die Weltwirtschaft in den Abgrund riss. Wenn Trump ihnen jetzt die Fußfesseln löst, wer will da behaupten, das Spiel ginge nicht sofort wieder von vorne los? Schon heute liegt das Volumen der Derivate an den Finanzmärkten meilenweit über dem, was 2007 erreicht worden war. Und es sind die Großbanken, die hier ganz vorne mitspielen.
Und wer meint, dass man nach solchen Erfahrungen nicht mehr mit dem Feuer spielen würde, dem ließe sich entgegnen: Banken wie Goldman Sachs wissen ganz genau, dass sie “too big to fail” sind. In finanzieller ebenso wie in politischer Hinsicht.
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