Wie oft haben wir sie schon erlebt, diese völlig unlogisch wirkenden Kursbewegungen z.B. nach Notenbankentscheidungen. Oder abrupte, starke Impulse, die scheinbar aus dem Nichts kommen. Das verunsichert viele, weil das, was die Kurse wirklich bewegt, zwar vollkommen logisch, zugleich aber vielen Anlegern nicht klar ist. Was steckt hinter dieser „Mechanik der Märkte“? Die vergangene Woche bietet sich ideal an, um das zu erläutern.
Während ich diesen Beitrag schreibe, ist das Ergebnis der Bundestagswahl weitgehend klar. Aber wie der DAX heute darauf reagieren wird, weiß ich nicht. Einfach, weil es offen ist. Was zugleich ein perfekter Aufhänger für diese Kolumne ist, denn das ist genau der Grund, warum ich Prognosen zwar interessiert und oft amüsiert lese, aber ihnen nicht folge: Was an den Börsen passiert, ist eben nicht vorhersagbar. Es wird aber oft so dargestellt – und das birgt für Anleger eine Gefahr:
Nämlich die zu glauben, man wisse, was passieren wird und als Folge daraus der eigenen Gewissheit stur zu folgen … auch, wenn die Kurse gerade dabei sind, in die Gegenrichtung zu laufen und aus sicher geglaubten Gewinnen Verluste werden. Aber wieso denken viele, dass die Börse logisch und damit berechenbar sei?
Nachrichten machen Kurse heißt es … aber meist ist es umgekehrt
Die Anleger wollen erfahren, was vorgeht. Und die Medien sollen ihnen das liefern. Das Problem dabei ist: Das alles ist nicht ganz unkompliziert. Einfache Wahrheiten gibt es selten. Und diejenige Klientel, die die Hauptrolle in alldem spielt, ist von den Medien nicht darstellbar: Die Menschen und ihre meist emotional eingefärbten und plötzlichen Entscheidungen. Also versucht man, Nachrichten an die Kursbewegungen zu koppeln und letztere damit zu erklären, was aber oft nicht korrekt ist. Was man auch daran merken könnte, dass, je nach Tagestendenz, die Anleger gestern angeblich Angst vor steigenden Zinsen/Inflation/Rezession oder was auch immer hatten, weil DAX oder Dow Jones fallen, einen Tag später aber angeblich höchst zuversichtlich sein sollen, dass steigende Zinsen/Inflation/Rezession etc. keine Gefahr seien, weil DAX und/oder Dow Jones wieder steigen.
Wachen Sie morgens mit der komplett gegenteiligen Marktmeinung des Vortages auf und drehen ihr Depot auf links? Gut, es ist halt einfacher, in einer Schalte von bestenfalls drei, vier Minuten das, was gerade über die Nachrichtenticker lief, mit den Kursen zu verbandeln. Aber selten werden Sie hören, dass die Reaktion seltsam sei oder unlogisch. Im Zweifelsfall werden die Nachrichten einfach so zurechtgebogen, dass es passt. Und der Anleger damit auf den falschen Dampfer geschickt. Der richtige Dampfer folgt einer grundsätzlichen Überlegung:
Alle anderen denken und handeln nicht komplett anders als Sie!
Der Antrieb, den Sie bei Ihren Entscheidungen zu kaufen, abzuwarten oder zu verkaufen haben, haben die meisten anderen auch … wenn nicht sogar alle. Und ich behaupte jetzt mal, dass Sie nicht bei einer bullischen Konjunkturzahl umgehend kaufen und am nächsten Tag, wenn auf einmal bärische Daten kommen, wieder verkaufen. Die Nachrichten liefern uns das Gesamtbild, mehr nicht. Eines, das dann auch noch sehr individuell und subjektiv wahrgenommen wird. Dieses Bild zeichnet den Hintergrund für Entscheidungen. Aber ein unmittelbarer Auslöser sind Nachrichten eher selten. Und wenn wir mal auf die Bundestagswahl und die Börse aktuell sehen:

Es gab, zumindest Stand Sonntag 22 Uhr, keine komplette Überraschung. Angenommen, jemand hätte im Vorfeld des Wahltermins gekauft oder verkauft, hätte dieser Jemand am heutigen Montagmorgen also noch keine Grundlage, etwas anderes zu tun … letztlich wird es ohnehin dauern, bis sich absehen lässt, wann eine neue Regierung steht und aus welchen Parteien sie zusammengesetzt ist.
Trotzdem wird es heute zu kräftigen Kursbewegungen kommen. Aber wenn man eigentlich noch nicht klar weiß, was daraus wird, kann der Wahlausgang dann wirklich die eigentliche Basis des Geschehens sein? Ich meine: Der Auslöser ist sie durchaus. Aber was da am Ende bei DAX & Co. herauskommt, muss deswegen noch lange keine logische Ableitung der Wahl sein.
Investoren sind alle Menschen. Wenn es um Geld geht, verstehen sie einerseits wenig Spaß und gehen die Sache oft emotional an. Hinzu kommt, dass vielen das nötige Fachwissen fehlt. Aber ob mit oder ohne Basiswissen in Sachen Börse: Die Anleger verkaufen, wenn sie fürchten, dass es ab jetzt eher abwärts geht und kaufen, wenn sie, aus ihrer ureigenen Sicht der Dinge heraus, mit steigenden Kursen rechnen. Aber woran machen sie das fest? An den nonstop einlaufenden Nachrichten, an Bilanzen, an Konjunkturdaten?
Es sind nicht die Nachrichten, die die Zahnräder der Kurse drehen … es ist die Herde!
Eher nicht, sondern vor allem an dem, was sie unmittelbar vor sich sehen: den Kursbewegungen. Und tun Sie und ich das nicht am Ende auch? Sehen wir eine Hausse und sagen uns: Gut, eigentlich denke ich, dass der DAX zu teuer ist, also steige ich lieber aus? Oder sagt man sich, wenn man nicht gerade passionierter Trader mit großem Hang zum Risiko ist, nicht vielmehr: Naja, der DAX ist teuer bewertet, aber der Trend weist nach oben, also bleibe ich dabei? Eben. Aber was ist denn dann letzte Woche passiert?

Als der DAX am Mittwochmorgen noch ein neues Verlaufshoch markierte und dann gegen 10:30 Uhr auf einmal anfing zu fallen, dachte ich an ein kurzes Ausatmen. Das hatten wir am Dienstagmorgen ja schon mal gesehen … und da wurde der Rückgang von in der Spitze ca. 150 Punkten stur über den Rest des Tages wieder aufgekauft, wie der vorstehende Chart zeigt, der den DAX für die letzte Woche auf 15-Minuten-Basis abbildet. Aber diesmal blieben die Käufer weg. Das überraschte mich und viele andere zweifellos auch. Die große Frage ist jetzt: warum? Was war am Mittwoch anders als am Dienstag?
Von der Nachrichtenseite her nichts. Vom Umfeld an sich auch nicht. Auch seitens der Markt- und Charttechnik nicht … zumindest nicht auf den ersten Blick. Überkauft war der DAX vorher auch schon. Und er notierte, wie der oberste Chart auf Wochenbasis zeigte, über allen Aufwärtstrendkanälen, war damit also einerseits heiß gelaufen, andererseits aber ohne charttechnische Widerstände unterwegs und damit nach oben frei. Aber wenn man sich den Intraday-Chart genauer ansieht, findet man etwas, was die Sache ausgelöst haben und dazu geführt haben könnte, dass ab dann immer mehr Anleger ausstiegen, weil sie merkten: Hier stimmt etwas nicht. Nicht, weil sie das genau an etwas hätten festmachen könnten, aber man bekam eben den Eindruck, die Herde beginnt gerade, die Richtung zu wechseln. Also, was war da? Der folgende Chart zeigt, was aus meiner Sicht die Sache ins Rollen brachte:
Erst reagieren die Handelsprogramme, dann folgen die emotionalen Entscheidungen
Wir sehen hier den gleichen DAX auf 15-Minuten-Basis wie oben, hier aber mit Gleitenden Durchschnitten, die bei Handelsprogrammen und Tradern wichtige Orientierungen für ihre Entscheidungen sind. Und da sehen wir:

Als es am Dienstag zu diesem ersten „Ausatmen“ kam, landete der DAX nach knapp 150 Punkten im Bereich dieser Linien. Dort setzten die Handelsprogramme, wohl aber auch viele rein charttechnisch agierende Trader, sofort erneut zum Kauf an. Am Mittwoch aber war der DAX in ebenso kurzer Zeit nach derselben Distanz durch diese Linien durchgerutscht. Das bedeutete für manche Computerprogramme: Nicht kaufen … und ggf. sogar schon „verkaufen“.
Und das führte zum Grundsatz in Sachen „Mechanik der Märkte“: Überwiegt das Kaufvolumen das Verkaufsvolumen, geht es eben aufwärts, umgekehrt abwärts … so simpel ist die Sache.
Als es nach eigentlich ganz normalen Gewinnmitnahmen durch diese kurzfristigen Leitlinien ging, kippte das Verhältnis Käufer zu Verkäufern … und der DAX fiel weiter. Und das intensivierte sich, als die Linien für die Systeme, die einen längeren Zeitraster auf Stundenbasis nutzen, ebenso brachen, hier könnten die auf 15 Minuten eingestellten Systeme sogar schon angefangen haben, Short zu gehen. Das sehen wir im folgenden Chart:

Und die Anleger bzw. die Trader? Die tun genau das, was Sie und ich auch tun: Sie schauen sich die Sache an und urteilen aus der Situation heraus. Wir hatten beobachten können, dass der DAX abrutschte und anders als in den Wochen zuvor auf einmal Gegenreaktionen entweder schwach waren oder ganz ausblieben. Das setzt dann den Prozess in Gang, der uns reagieren lässt:
Die Kurse sind wir … und wir sind die Kurse: Das ist die simple „Mechanik der Märkte“
Wir schauen, ob andere kaufen. Kaufen sie nicht, lassen wir es normalerweise auch bleiben. Weil alle genau dasselbe tun, warten viele, handeln aber wenige. Bis ein erster Impuls kommt, z.B. in diesem Fall, dass der Erholungsversuch des Donnerstags auf Abgaben traf und der Index gegen Handelsende unter das Tief des Vortages rutschte. Das ist für viele dann ein Signal, dass hier etwas faul ist, auch, wenn sie meist gar nicht sehen, dass der DAX seither unter den nach unten gedrehten Leitlinien lief und die Erholungsversuche des Donnerstags ebenso wie des Freitags genau dort nach unten abgewiesen wurden, was andeutet, dass die ersten Handelsprogramme jetzt Short agieren.
Es sind die Kurse selbst, die Reaktion darauf also, was die anderen tun, was uns leitet, nicht der Blick auf Nachrichten, die ein Auslöser sein können, aber nie müssen. Heult man den falschen Mond an, weil man nicht erkennt, dass die Anleger nicht wie Roboter scheinbar logisch und emotionslos auf irgendwelche „News“ reagieren, sondern – wie wir letztlich alle – einer vom anderen „abschaut“ und es damit die subjektiven Einschätzungen eines jeden von uns sind, die die Bewegungen und am Ende auch den Trend ausmachen, kann man übel auf die Nase fallen. So, und jetzt, was wird die Wahl bewirken?
Die Kurse müssen uns leiten, kein „müsste aber“ auf Nachrichtenbasis
Genau das ist ja der Punkt. Wer versteht, dass es am Ende auf die simple Regel hinausläuft, ob heute mehr Käufer oder mehr Verkäufer antreten und das wiederum unser aller Wahrnehmung und somit die aus der Wahrnehmung heraus folgenden, zukünftigen Handlungen beeinflusst, wagt sich gar nicht erst auf das dünne Brett, das vorhersagen zu wollen. Es wird darauf ankommen, wer heute was und wann tun wird. Das wird Folgeentscheidungen auslösen … und am Ende des Tages steht der DAX ggf. ein paar hundert Punkte höher oder tiefer. Und da hilft dann kein „aber“ und kein Pochen auf eine den Markt selten leitende Logik:
Wer realisiert, dass z.B. aus reinen Gewinnmitnahmen überzeugt bullischer Trader durch die Kette aus Aktion und Reaktion durchaus mal „aus Versehen“ eine mittelfristige Abwärtswende werden kann, was dazu führt, dass aus Bullen wegen der Folgen ihres eigenen Handelns Bären werden, schaut an der Börse aktuell nicht auf das exakte Wahlergebnis, sondern nur und konsequent auf die Kurse!
Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Börsenwoche!
Ihr
Ronald Gehrt
Sie möchten ein Depot für Ihre GmbH, AG oder UG eröffnen und Betriebsvermögen in Wertpapieren anlegen? Informieren Sie sich jetzt über unser Wertpapierdepot für Geschäftskunden: Mehr zum Firmendepot über LYNX
--- ---
--- (---%)Displaying the --- chart
Heutigen Chart anzeigen