Börse aktuell

Hier erfahren Sie, was an der Börse aktuell geschieht. Unser Börsenexperte Ronald Gehrt beobachtet täglich das aktuelle Börsengeschehen und fasst die neuesten Börsendaten und Börsenberichte wöchentlich für Sie zusammen. Mit Börse aktuell bringen wir die wichtigsten Börsennachrichten auf den Punkt und kommentieren, was momentan an der Börse los ist.

Börse: Aktuelle Nachrichten der Woche

Neues von der Börse: Unsere aktuellen Börsennachrichten informieren Sie jede Woche über die derzeitige Börsenentwicklung. Was beschäftigt die Börse? Was steht diese Woche an? Diktieren Bullen oder Bären die Märkte? Sollten Sie Ihre Investitionen erhöhen oder lieber Gewinne mitnehmen? Wir geben Ihnen die Antworten auf diese Fragen, wagen einen Ausblick auf die kommende Börsenwoche und bewerten anstehende Ereignisse, die Auswirkungen auf den Börsenverlauf haben könnten.


Börse aktuell vom 28.-03.11.2024

China: An diesem seidenen Faden hängt die Weltwirtschaft … und er ist nicht stabil

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Wenn irgendein Unternehmen schwache Bilanzzahlen abliefert oder den Ausblick senkt, ist immer von China die Rede. Die schwache Nachfrage dort drücke Umsatz und Margen, das hört man aus der Chemiebranche, der Medizintechnik, der Luxusgüterindustrie und von den Auto- und Maschinenbauern. Chinas Regierung versucht, das Wachstum dort zu beleben. Aber ob das am Ende eine gute Sache wird, ist zumindest fraglich.

In der nächsten Woche wird nicht nur die US-Wahl die Schlagzeilen bestimmen, auch das Thema China dürfte wieder brandaktuell werden. Denn über die bisherigen Maßnahmen hinaus hat man in Peking weitere Stimulus-Schritte angekündigt, die aber bislang noch nicht konkretisiert wurden. Zwischen dem 4. und dem 8. November wird das chinesische Parlament zusammentreten. Zwar kann Chinas Regierung eigentlich auch ohne dieses Parlament tun, was sie will. Aber es darf vermutet werden, dass man die bis dahin ausgearbeiteten, neuen Maßnahmen dort abnicken lassen will.

Man hofft auf steuerliche Entlastungen in China … aber wird das wirklich etwas ändern?

Was da beschlossen wird, wird aufgrund des Umstands, dass die schwache Nachfrage in China – sei es der Investitionsbereich oder der Konsum – für immens viele US- und Eurozone-Unternehmen von größter Bedeutung ist, die Aktienmärkte in Bewegung versetzen. Denn was man bislang an Stimuli beschlossen hat, weist eine entscheidende Schwäche auf: Da ist wenig bis nichts für den sprichwörtlichen „Mann auf der Straße“ dabei.

Börse aktuell: Entwicklung Shanghai Composite im Jahr 2024 - Reaktion auf Konjunkturmaßnahmen | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung Shanghai Composite im Jahr 2024 – Reaktion auf Konjunkturmaßnahmen | Quelle: marketmaker pp4

Zwar hat Chinas Notenbank die Leitzinssätze mehrfach gesenkt, die Richtschnüre für den Zinslevel bei Ratenkrediten und Hypotheken darstellen. Aber ansonsten ging es vor allem um Stimuli für die Banken und die massiv wankende Immobilienbranche. Das mag diese eine Zeit lang stabilisieren. Aber Schmerztabletten zu verabreichen heilt die Krankheit nicht. Und das gilt genauso für billigere Kredite. Denn die Verbraucher damit an die Front schicken zu wollen, würde voraussetzen, dass die auch wirklich mehr auf Kredit kaufen würden und das bislang nur deswegen nicht getan haben, weil ihnen diese Kredite zu teuer sind. Aber das ist eben mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht der Punkt.

Deshalb geht man davon aus, dass Chinas Regierung jetzt auch an das Thema Besteuerung herangeht. Und grundsätzlich wäre das auch der einzige Weg. Denn wenn ich mehr in der Tasche habe und damit mehr kaufen kann, ohne einen Kredit aufnehmen zu müssen, kann das einiges ändern, in einem Land, in dem schon zu viele zu lange zu viele Kredite aufgenommen haben. Es kann, aber es muss nicht. Und ob das die derzeit schwachen Investitionen der Unternehmen befeuert oder dann auch teurere Konsumgüter wie Luxusartikel oder teurere Autos wieder mehr gekauft werden, steht auf einem ganz anderen Blatt.

Der Karren steckt im Morast … noch stärker zu schieben, ist da nicht unbedingt klug

Zurück zum Thema der das alles auslösenden „Krankheit“. Deren Name ist „Schulden“ … und zu viele chinesische Konsumenten haben sich von ihr anstecken lassen, weil sie sie nicht nur für harmlos, sondern sogar für förderlich hielten. Als China begann, sich zu einer Industriemacht zu entwickeln, sollte das schnell passieren. Man baute auf die gewaltigen Ressourcen des Landes und wollte Europa, Japan und den USA so schnell wie möglich ebenbürtig sein. Aber das funktioniert nur, wenn man neben dem Export auch das Binnenwachstum und den Konsum massiv anschiebt. Das passierte entscheidend über den Immobilienmarkt und Kredite. China erlebte einen Bauboom … aber der schoss über das Ziel hinaus:

Börse aktuell: Entwicklung der Industrieproduktion von China von 1995 bis 2024 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung der Industrieproduktion von China von 1995 bis 2024 | Quelle: marketmaker pp4

Die Preise für Immobilien stiegen massiv, aber zugleich entstand ein Überschuss an Wohnraum, weil viele, die diesen hätten besetzen können, die explodierten Preise nicht bezahlen konnten (oder wollten). Man könnte sagen, dass China den Wunsch, so schnell wie möglich zur entscheidenden Größe in der Weltwirtschaft zu werden, mit dem Preis einer Immobilienblase bezahlte … und dabei ignorierte, dass die USA ihnen durch deren Immobilienblase zu Anfang des Jahrhunderts vorgemacht hatten, wie man es nicht machen sollte. Jetzt steckt der Karren im Morast: Die großen Immobilienkonzerne sind weiter zu einem großen Teil massiv in Nöten, die Immobilienpreise bröckeln ab, Wohnraum steht oft ungenutzt herum.

Da nun Banken die Kreditvergabe zu erleichtern und die Bedingungen für den Kauf weiterer Immobilien herunterzufahren ist nichts anderes als eine Schmerztablette: Es dämpft die aktuellen Symptome, aber es heilt nichts. Im Gegenteil. So versucht man, den Teufel mit dem Beelzebub auszutreiben, indem man einen durch zu viel Kredit in den Sumpf gefahrenen Karren durch noch viel mehr Kredite wieder aus dem Morast holen will. Das erinnert an ein im Matsch festgefahrenes Auto: Wenn die Reifen schon durchdrehen, ist Vollgas zu geben der eindeutig falsche Weg.

Nach Boom kommt Baisse … es wäre besser, das zu akzeptieren

Ein problematischer Lösungsansatz also, nicht zuletzt deswegen, weil der Schuldenberg schon zu hoch ist, weil man versucht hat, was man in Europa und den USA auch schon versuchte: den normalen Konjunkturzyklus auszutricksen, indem man Schwächephasen durch Wachstum auf Kredit ausmerzt. Nur führt das eben dazu, dass, wer es sich irgendwie und nötigenfalls eben massiv auf Pump leisten konnte, oft schon alles hat: das zweite oder dritte Auto, den x-ten Fernseher, neue Möbel, eine renovierte Wohnung, ein Ferienhaus etc.

Zwar haben in den USA und Europa die Inflation und der Zinsanstieg das Phänomen noch verschärft, weil deswegen vieles an Investitionen und Anschaffungen vorgezogen wurde, das man jetzt eben erledigt hat, so dass das Auftrags- und Nachfrageloch nicht überraschen kann, in dem viele Unternehmen sitzen. Ein typisches Beispiel dafür war die kürzlich lancierte Meldung, dass die europäische Fahrradbranche weiterhin mit rückläufigen Absatzzahlen ringt und erst 2026 eine Erholung erwartet. Erst kam der Boom … und jetzt eben die Baisse, weil sein neues Rad hat, wer es haben wollte.

Börse aktuell: Entwicklung der Inflation in China von 1998 bis 2024 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung der Inflation in China von 1998 bis 2024 | Quelle: marketmaker pp4

Aber auch ohne dieses in China großenteils ausgebliebene Phänomen ist es eben zweifelhaft, dass man Unternehmen und Verbraucher, die ohnehin schon durch das jahrelange Voranpeitschen des Wachstums zu viele Schulden haben, durch billigere Kredite und laxere Sicherheitsvorkehrungen für die Finanzindustrie animieren könnte, noch mehr Kredit aufzunehmen. Nicht, nachdem sie gerade live erleben, wie die Rechnung dafür aussieht. Zumal besonnene Menschen ja verstehen müssten:

Das, was China jetzt in die Bredouille gebracht hat, würde so ja nur übertüncht, das Problem der Überschuldung aber zugleich größer, so dass der Zusammenbruch des Kartenhauses nicht verhindert, sondern nur auf der Zeitachse nach hinten verschoben wird. Und dann eher noch schlimmer ausfallen würde. Deshalb setzen viele auf diese angekündigten, aber noch nicht konkretisierten, weiteren Maßnahmen der Regierung, aber:

Verbraucher sind nicht einfach nur Rädchen im Getriebe – es müsste Vertrauen aufgebaut werden

Auch wenn Peking jetzt, wie man es vermuten darf, an Steuersenkungen herangeht, ist das kein Selbstläufer für mehr Wachstum und weniger konjunkturelles Absturzrisiko. Denn auch, wenn dann auch Verbraucher mit geringem oder mittlerem Einkommen in das Maßnahmenpaket einbezogen würden:

Die Leute sehen doch, dass die Sache gerade nicht rund läuft. Und sie sehen eine Regierung, die alle möglichen Maßnahmen „raushaut“, was an das „Gießkannen-Prinzip“ erinnert: Überall reichlich gießen und hoffen, das irgendwas dann schon wachsen wird. Schuld ist aber die Wachstumsphase à la Brechstange der vergangenen Jahrzehnte, ebenso wie bei uns vieles im Argen liegt, weil man nach Subprime- und Euro-Krise die Probleme nicht löste, sondern mit Nullzinsen zugekleistert hat. Wenn solche zugedeckten und daher dann nicht mehr sichtbaren Wunden aufbrechen, sind sie meist schon massiv entzündet. China versucht gerade das Gleiche.

Börse aktuell: Entwicklung Shanghai Composite und Hang Seng Enterprises im Vergleich von 2019 bis 2024 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung Shanghai Composite und Hang Seng Enterprises im Vergleich von 2019 bis 2024 | Quelle: marketmaker pp4

Aber in China ist der Kapitalismus (in seiner chinesischen Version) noch relativ neu. Ich würde mich nicht wundern, wenn viele dort genauer darüber nachdenken, als es hier der Fall wäre, ob sie mit durch Steuersenkungen höherem finanziellen Spielraum und etwas billigeren Krediten wirklich wie ein Zahnrädchen im Getriebe Pekings loslaufen und sich ein teures Auto leisten. Würden Sie das tun, wenn Sie gleichzeitig mit Sorge registrieren, dass der Immobilienmarkt trotz jahrelangem Gewurstel nicht auf die Füße kommt, die Verbraucherstimmung wackelt und die Symbole für das Wohl und Wehe der Wirtschaft in Form der Aktienindizes ebenso?

Eben. Es wäre daher ziemlich gewagt zu glauben, in China würden Unternehmen und Konsumenten tun, was wir selber nicht tun würden. Man müsste das Zutrauen stärken, eine positive Erwartung an die kommenden Jahre aufbauen. Doch diese bisherigen Maßnahmen, die nach dem Motto „viel hilft viel“ wirken, als würde die Hütte längst stärker brennen, als man es bislang dachte, bewirken eher das Gegenteil.

Auch, wenn die US-Wahl die Aktienmärkte nächste Woche wohl in starke Schwankungen versetzen wird: Wenn es zutrifft, dass Chinas Regierung die Konkretisierung der avisierten, weiteren Konjunkturmaßnahmen in die Phase der Parlamentssitzung legt, wird China nächste Woche womöglich noch weit mehr an richtungweisenden Impulsen liefern als die Wall Street – und die könnten zwar, müssen aber keineswegs nach oben führen!

Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Börsenwoche!

Ihr

Ronald Gehrt

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Börse aktuell: DAX, Dow Jones und Co.

Die heutigen Top-News und Börsenmeldungen zum DAX und der Börse USA mit dem Dow Jones, dem Nasdaq und dem S&P 500 als weltweit einflussreiche Indizes bilden einen Schwerpunkt unserer aktuellen Berichterstattung von der Börse. Auch gute Aktien, die momentan sehr stark im Fokus der Anleger stehen und steigende Börsenkurse prophezeien, werden wir Ihnen hier vorstellen. So bekommen Sie einen umfassenden Börsenausblick und können Ihre eigenen Börsenprognosen verifizieren oder falsifizieren.

Börse: Aktuelle Entwicklung und Trends

Die aktuelle Entwicklung und der aktuelle Trend an der Börse werden maßgeblich von Wirtschaftsnachrichten, Konjunkturdaten und Neuigkeiten von börsennotierten Unternehmen bestimmt. Diese wirken sich nicht nur auf Aktienkurse aus, sondern auch auf andere Assetklassen wie börsengehandelte Fonds, Optionen und Futures. Des Weiteren werden durch Börsennachrichten auch die Anleihemärkte und Rohstoffmärkte in Bewegung versetzt. Daher haben wir auch die Zinsen, den Ölpreis und Goldpreis immer im Blick.

Börse: Aktuelle Tipps zum Marktgeschehen

Neben Börsennews bekommen Sie auch hilfreiche Tipps, um das gegenwärtige Marktgeschehen besser zu interpretieren. Der Börsenmarkt setzt sich aus vielen verschiedenen Märkten zusammen. Jedes Land, jede Branche und jedes Finanzprodukt wird von individuellen Faktoren beeinflusst, sodass es schwierig ist, alle Märkte mit ihren jetzigen Chancen und Risiken zu verfolgen und zu analysieren. Mit Börse aktuell liefert Ihnen unser Börsenprofi die Börseninformationen, die wirklich wichtig sind, und zugleich eine kompakte Börsenvorschau der Woche.

Börse aktuell: Die letzten Nachrichten

Es wird mal wieder Zeit für einen Blick auf das „große Ganze“. Wie stehen die Aktienmärkte derzeit da, was tut sich bei den Indikatoren im Hintergrund, wie sehen einige wichtige Rahmenbedingungen aus? Ein Rundumschlag für den Herbst 2024.

In erster Linie ist es der Trend, der für einen Anleger entscheidend ist. Ihm zu folgen ist immer weit aussichtsreicher, als sich gegen ihn zu stellen. Denn dass ein Trend endlich ist, mag zwar sein. Aber bis es soweit ist, kann man an ihm verdienen. Doch es schadet nie, immer mal wieder abzuklopfen, wie solide das Fundament eines solchen Trends ist. Denn auch, wenn man nie vorher weiß, wann genau er endet: Sind Risse im Sockel, wird dieses Ende eben deutlich wahrscheinlicher. Sehen wir uns mal einiges dazu an:

Der Trend ist weiterhin voll intakt … aber er zeigt Ermüdungsrisse

Rein aus charttechnischer Sicht passt an der Börse aktuell noch alles. Die Aufwärtstrends der großen Indizes sind intakt, wie wir es hier beispielhaft beim marktbreiten US-Index S&P 500 sehen. Kein Wunder, immerhin schlossen viele dieser Indizes am Freitag auf Rekordhoch. Und grundsätzlich wäre da noch Luft nach oben, auch, wenn die ebenfalls am Freitag absolvierte und Aufwärtstrends oft intensivierende Abrechnung am Terminmarkt jetzt als Zugpferd ausfällt. Die obere Begrenzung des Anfang 2020 etablierten Trendkanals des Index würde am Jahresende bei 6.250 Punkten liegen. Zwar fällt die negative Divergenz des RSI-Indikators auf, der im Gegensatz zum Index selbst zuletzt keine neuen Hochs mehr erreichte. Aber das ist „nur“ ein Warnsignal, ein zeitnaher Abwärtsschwenk wäre deswegen nicht zwingend.

Börse aktuell: Entwicklung S&P 500 von 2019 bis 2024 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung S&P 500 von 2019 bis 2024 | Quelle: marketmaker pp4

Was hingegen auffällt ist, dass bestimmte Bereiche und Branchen nicht mehr mitlaufen. Das äußert sich am US-Markt dahingehend, dass zum einen der Nasdaq 100 zuletzt noch keine neuen Hochs erreichte, ausgerechnet der Index also, der sonst dauernd Vorreiter ist. Zum anderen darin, dass der Dow Jones ebenso wie der den Gesamtmarkt gut abbildende NYSE Composite in Bezug auf die gesamte, bisherige 2024er-Performance hinter dem Nasdaq 100 und dem von den dort auch gelisteten Tech-Werten mitgezogenen S&P 500 her hinken. So etwas kommt im Zuge einer Branchenrotation zwar schon mal vor. Im Auge behalten sollte man es aber trotzdem, vor allem in Bezug auf unseren Markt.

Börse aktuell: Entwicklung DAX, MDAX, SDAX und TecDAX im Vergleich im Jahr 2024 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung DAX, MDAX, SDAX und TecDAX im Vergleich im Jahr 2024 | Quelle: marketmaker pp4

Denn was DAX & Co. angeht, ist die Sache deutlich extremer. Der vorstehende Chart zeigt, dass die DAX-Hausse ein Alleinflug ist: MDAX, SDAX und TecDAX weisen für das laufende Jahr nahezu keine Gewinne auf. Was nicht unbedingt wundert, immerhin kann von Wachstum in Deutschland insgesamt keine Rede sein. Da zudem die Zahl der DAX-Aktien, die besser gelaufen sind als der Index, deutlich kleiner ist als die Hälfte, ist auch die Marktbreite nicht gut: Da hätten wir einen dieser Risse im Fundament, auf die man achten muss.

In den USA passt das aber bislang noch. Wenn wir uns hier die Zahl neuer 52-Wochen-Hochs an der New York Stock Exchange (NYSE) ansehen und das mit dem in grün abgebildeten NYSE Composite Index vergleichen, sehen wir zwar, dass die Zahl neuer Hochs am Freitag deutlich niedriger lag als im September, obwohl der Index seither weiter gestiegen ist, aber:

Börse aktuell: Entwicklung NYSE Composite und neue 52-Wochen-Hochs im Vergleich von 2006 bis 2024 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung NYSE Composite und neue 52-Wochen-Hochs im Vergleich von 2006 bis 2024 | Quelle: marketmaker pp4

Diese neuen Hochs beziehen sich auf die Schlusskurse des Freitags. Um da von der Liste zu fliegen reicht es daher ja, nur eine Winzigkeit tiefer zu schließen als am Vortag. Daher ist wichtiger, dass die Zahl der Hochs insgesamt höher liegt als üblich. Kritisch würde es aber, wenn diese neuen Hochs auf hohem Niveau hektisch zu schwanken beginnen wie 2007, das würde eine zunehmende Gier in Verbindung mit Planlosigkeit der Trader indizieren … und das würde dann wirklich unmittelbare Gefahr bedeuten. Apropos Gier: Wie steht es mit der Stimmung?

Gute Stimmung ist bullisch. Zu gute Stimmung aber nicht.

Die Stimmung am US-Markt, wo sie recht tauglich (trotz seiner potenziellen Fehlerquellen) vom sogenannten „Fear & Greed“-Index gemessen wird, war zuletzt von Gier geprägt. Nicht schlimm, solange es nicht ausartet. Doch genau das scheint gerade der Fall zu sein, vor ein paar Tagen und erneut am Freitag erreichte der Indikator erstmals seit März wieder die Zone extremer Gier (extreme Greed) Diesen von CNN Business publizierten Index finden Sie unter diesem Link: https://edition.cnn.com/markets/fear-and-greed

Das Problem dabei ist: Dort, wo die Stimmung unbedingt genauso gut sein muss, um diesen Überschwang der Anleger zu unterfüttern, ist sie es nicht. So weist das US-Verbrauchervertrauen nicht aufwärts, sondern ist seit 2019 in einem Abwärtstrend unterwegs, wie der folgende Chart zeigt:

Börse aktuell: Entwicklung Dow Jones und US-Verbrauchervertrauen im Vergleich von 1999 bis 2024 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung Dow Jones und US-Verbrauchervertrauen im Vergleich von 1999 bis 2024 | Quelle: marketmaker pp4

Und eigentlich ist eine gute Verbraucherstimmung für eine stabile Hausse zwingend. Gut gelaunte, optimistische Verbraucher stärken den Konsum als tragende Säule des Wachstums und unterstützen dadurch steigende Unternehmensgewinne als Grundlage für eine Hausse. Steigen die Kurse ohne eine solche Stütze, wird die Sache fragil. Und immerhin haben die Gewinne der im S&P 500 gelisteten 500 US-Unternehmen die bisherigen Rekorde des Jahres 2021 noch nicht überboten … der Index selbst aber sehr wohl. Was sich auch in einem untypisch hohen Kurs/Gewinn-Verhältnis niederschlägt, hier in der folgenden Grafik das des Dow Jones:

Börse aktuell: Entwicklung Kurs-/Gewinnverhältnis der 30 Dow Jones Aktien von 1994 bis 2024 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung Kurs-/Gewinnverhältnis der 30 Dow Jones Aktien von 1994 bis 2024 | Quelle: marketmaker pp4

Das durchschnittliche Kurs/Gewinn-Verhältnis der 30 im Dow Jones enthaltenen Unternehmen liegt momentan bei 26,37 und damit für eine Phase außerhalb von verzerrenden Effekten so hoch wie nur sehr selten. Verzerrungen ergeben sich, wenn die Unternehmensgewinne durch eine Rezession oder Sonderfaktoren wie Corona plötzlich fallen, schneller und weiter, als die Kurse hinterher rutschen können. Da entstehen dann für kurze Zeitspannen ungewöhnlich hohe Kurs/Gewinn-Verhältnisse. Eine solche, die hohe Bewertung begründende Situation haben wir derzeit aber nicht. Und besonders auffällig ist, dass das auch den Profi-Tradern klar ist, die momentan auffallend zurückhaltend damit sind, auf Kredit zu traden. Das sehen wir hier:

Börse aktuell: Entwicklung S&P 500 und US-Börsenkredite im Vergleich von 2000 bis 2024 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung S&P 500 und US-Börsenkredite im Vergleich von 2000 bis 2024 | Quelle: marketmaker pp4

Erreicht der US-Aktienmarkt ein neues Rekordhoch, sieht man das gleiche in der Regel auch beim Volumen der Kredite, mit denen Profi-Trader die Sicherheitsleistungen für Derivate-Trades wie CFDs oder Futures finanzieren. Doch während der US-Markt das Ende 2021 markierte Hoch längst weit überboten hat, bleiben diese Margin-Kredite auffallend unter deren letztem Hoch zurück. Die Profis sind also deutlich zurückhaltender mit Trading auf Kredit, als sie es sein müssten, wenn sie diese Hausse für grundsolide halten würden. Ein weiteres Warnsignal.

China: Achten Sie auf diese Basis der Bullen-Hoffnungen!

Ganz entscheidend aber dürfte der Faktor China sein. Die vor allem durch einen massiv ins Wanken geratenen, zuvor blasenartig gewachsenen chinesischen Immobilienmarkt entstandene schwache Nachfrage in China ist für Unternehmen in den USA und Europa gleichermaßen ein Problem, denn vor allem in China sitzt die Basis weiteren Wachstums. Mit dem umfassenden Paket verschiedenster Maßnahmen zur Belebung des Wachstums wollen Chinas Regierung sowie die Notenbank mit der Brechstange wieder Schwung in die Konjunktur bringen. Das sorgte an den chinesischen Aktienmärkten für massive Käufe, die auch DAX, Dow Jones & Co. kräftig mit nach oben zogen, weil man unterstellt, dass die Unternehmen im „Westen“ dann automatisch ein großes Stück vom wieder wachsenden Kuchen abbekommen.

Börse aktuell: Entwicklung Shanghai Composite im Jahr 2024 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung Shanghai Composite im Jahr 2024 | Quelle: marketmaker pp4

Was man bislang aber ignorierte war, was Sie im vorstehenden Chart sehen: Weil diese Maßnahmen hektisch und wild gestreut wirken, zugleich aber auch für den „Mann auf der Straße“ direkt nichts bringen, haben in China Zweifel eingesetzt, ob diese Stimuli wirklich erreichen, was man in Peking erwartet. Die wichtigen Indizes in China wie der hier gezeigte Shanghai Composite Index haben bereits die Hälfte der Hausse wieder verloren und sitzen jetzt auf entscheidenden Supportlinien, das gilt für den Shanghai Composite ebenso wie für den Hang Seng China Enterprises Index. Achten Sie auf diese Indizes, achten Sie auf diese Unterstützungslinien. Wenn die fallen, kann es leicht sein, dass es genau dieser weitere Riss ist, der das Fundament der Hausse entscheidend schwächt.

Fazit: Insgesamt steht das Barometer auf „potenziell stürmisch“

Dass man im Vorfeld der jetzt nur noch gut zwei Wochen entfernt liegenden US-Wahl so tut, als wäre das bestenfalls mäßig von Bedeutung, unterstreicht zusätzlich, wie erheblich die Gier und der Leichtsinn aktuell die Lage dominieren. Auch, wenn die Charts noch passen, das „Drumherum“ passt immer weniger. Niemand könnte ernsthaft vorhersagen wollen, wo diese Hausse ihr Hoch finden wird. Aber gerade weil man so etwas erst im Nachhinein weiß, wenn einem Hoch kein neues folgte, aus einem Rücksetzer eine Korrektur wurde und die zur Überraschung der Mehrheit auf einmal nicht mehr enden will, ist es angebracht, jetzt sehr aufmerksam zu agieren!

Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Börsenwoche!

Ihr

Ronald Gehrt

Extreme Emotionen wie Panik oder Gier waren schon immer miserable Ratgeber für einen Investor. Aber auch, wenn sich viele dennoch nicht davon lösen können: Das weiß man. Eine andere innere Regung aber kann sich noch viel übler auswirken und ist vor allem deswegen tückisch, weil sie so normal und unauffällig daherkommt: der Gewöhnungseffekt.

„Man gewöhnt sich an alles“ ist ein oft strapazierter Spruch. Man hört das in Bezug auf das Kantinenessen, Haarausfall, ein Klappern im Cockpit des Autos, einen Tinnitus oder die immer gleichen Sprüche eines Kollegen. Und ja, da stimmt auch. Wenn bestimmte Dinge, die man im ersten Moment als störend und problematisch, sprich als negativ erlebt, andauernd wiederkommen, gewöhnt man sich daran und nimmt es als eine Art nicht zu ändernde Gegebenheit hin.

Der Vorteil des Gewöhnungseffekts ist, dass etwas normalerweise sehr Unerfreuliches zur Normalität mutieren kann. Man zuckt die Achseln, statt sich aufzuregen und kommt dadurch mit dem Störfaktor klar. Kurz: Der Gewöhnungseffekt hilft uns, gelassener durchs Leben zu gehen. Nur an der Börse, da kann er zu einem Problem werden. Auch und gerade, weil man sich besonders schnell an positive Dinge gewöhnt und erwartet, dass es so immer weitergeht.

Der Gewöhnungseffekt hat an der Börse auch seine guten Seiten

Gut ist, wenn sich ein Trader irgendwann daran gewöhnt, bestimmte Dinge, die er nicht mit Luftanhalten oder mit dem Fuß aufstampfen ändern kann, als gegeben hinzunehmen. Zum Beispiel, dass man zwar gerne immer am Hoch oder am Tief die Position drehen würde, das aber nun einmal illusorisch ist. Daran kann man sich nicht nur gewöhnen, man sollte es auch. Ebenso wie die Gewöhnung daran, dass eben nicht jeder Trade mit einem Gewinn enden kann … dass Verluste begrenzen unangenehm, aber klüger ist als Verluste bis zum Totalverlust auszusitzen … dass Geduld nun einmal zum Trading dazugehört … dass nicht alle gegen einen traden, auch, wenn sich das oft so anfühlt … und dass an der Börse das Unerwartete zuhause ist.

Wer verstanden hat, wie die Börse tickt, gewöhnt sich auch an die damit verbundenen Dinge, die einem nicht passen. Einfach, weil sie auch dann da bleiben, wenn man es nicht tut und die einzige Alternative wäre, maulend von dannen zu trotten, sprich das Handtuch zu werfen. Grundsätzlich ist es also auch an der Börse eine gute Sache, sich an bestimmte Aspekte zu gewöhnen. Aber eben nicht an alles. Sonst wird die Sache ganz leicht mal fatal.

Ich meine damit explizit die Phänomene, die mit Trends in Verbindung stehen. Dem Trend mit seinem Trading zu folgen, ist natürlich immer richtig. Aber eines der größten Probleme für Anleger ist es, in Trends rechtzeitig ein- und wieder auszusteigen Und das hat weniger mit Verunsicherung oder Misstrauen zu tun, sondern zu einem nicht unwesentlichen Teil mit dem Gewöhnungseffekt – vor allem, wenn vorher unkluge Entscheidungen vorausgingen, die darauf basierten, dass der Betroffene eben nicht erkannt hat, wie die Börse tickt. Das klingt kryptisch, daher will ich das konkret am Beispiel erklären.

Das kippt nie und nimmer: Wenn man an die ewige Hausse zu glauben beginnt

Nehmen wir als Beispiel die immense Hausse im Rahmen der Internet-Euphorie ab 1999, gefolgt vom sogenannten „Dot.Com“-Crash und der sich an ihn anschließenden Baisse. Das alles spielte sich zwischen Oktober 1999 und März 2003 ab. Dazu ein Blick auf den Chart des DAX, als dünne Linie dahinter der TecDAX, damals noch als Nemax unterwegs. Hier sehen wir die erste Phase bis zum Crash der Nasdaq in den USA und des Neuen Markts, sprich des damals als Nemax firmierenden TecDAX:

Börse aktuell: Anstieg und Rücksetzer - Kursentwicklung DAX und Nemax (TecDax) von 1999 bis 2000 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Anstieg und Rücksetzer – Kursentwicklung DAX und Nemax (TecDax) von 1999 bis 2000 | Quelle: marketmaker pp4

Dieser erste Chart hebt die Dimension des damaligen Anstiegs hervor. Der Neue Markt hatte seit seinem Start Anfang 1998 zwei starke Kaufwellen gesehen, aber die zweite endete Anfang 1999, seither war da in Sachen Hausse nicht mehr allzu viel los. Als der TecDAX im Juli 1999 knapp unterhalb des im Februar 1999 markierten Rekordhochs abdrehte, war man gut beraten, Gewinne mitzunehmen. Man war daran gewöhnt, dass nach „rauf“ eben auch mal „runter“ kommt, dass man in stark gestiegene Kurse daher ein wenig verkauft und nach der dann folgenden Korrektur billiger wieder einsteigen kann. Aber dann änderte sich das.

Ab Oktober 1999 gewann die da etablierte Aufwärtsbewegung immer mehr an Momentum, ohne dass man wirklich hätte begründen können, wieso. Und ab November erfasste diese Hausse auch immer mehr den DAX, trotz des Umstands, dass da nur wenig aus der „New Economy“ gelistet war. Zur Erinnerung:

Damals wurde propagiert, dass das Internet alles auf dem Kopf stellen werde, zusammen mit der Biotechnologie. Was zwar im Prinzip auch so kam, nicht aber die mit steigenden Kursen immer lauter und zahlreicher vertretene Behauptung, dass jetzt am Aktienmarkt jeder reich werden könne, er müsse einfach nur kaufen. Dass das genau das gleiche Gerede war wie in den Jahren vor dem Crash 1929, hätte jeder wissen können. Es wollte aber keiner wissen, denn immer mehr waren sich sicher: Das kippt nie und nimmer! Weil?

Börse aktuell: Anstieg und Rücksetzer - Kursentwicklung DAX von 1999 bis 2000 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Anstieg und Rücksetzer – Kursentwicklung DAX von 1999 bis 2000 | Quelle: marketmaker pp4

Weil unmittelbar mit dem Beginn des Jahres 2000 zwar immer öfter sehr scharfe Selloffs auftauchten, die aber jedes Mal sofort aufgekauft und in neue Hochs verwandelt wurden. Damit „lernten“ die Akteure nach und nach: Gewinne mitnehmen oder Stopps setzen führt nur dazu, dass man teurer wieder einsteigen muss. Lieber immer drin bleiben und jedes Mal, wenn der DAX wie vom Blitz getroffen fünf oder mehr Prozent verliert, dazukaufen. Kurz:

Man hatte sich, auch, weil die Gewöhnung an etwas Positives (Gewinne) schneller abläuft, daran gewöhnt, dass DAX und Nemax (TecDAX) nach jedem Rücksetzer neue Rekorde ausbilden werden und nutzte Abwärtsimpulse, scheinbar folgerichtig, zum Kauf. Aber dann änderte sich wieder etwas: Die Technologieindizes, allen voran die Nasdaq in den USA und mit ihr der TecDAX, brachen massiver weg als zuvor, wie der nächste Chart des TecDAX zeigt:

 „Hat doch eh alles keinen Zweck“: Wenn man in der Baisse resigniert hat

Da ich damals schon in diesem Bereich arbeitete und um mich herum in der damaligen Redaktion alles „perma-bullisch“ war und sich auch so verhielt (außer mir, der auf fallende Kurse gesetzt hatte, aber so früh, dass mir der Crash dann auch nichts mehr brachte) weiß ich:

Börse aktuell: Abverkauf - KursentwicklungNemax (TecDax) von 1999 bis 2000 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Abverkauf – KursentwicklungNemax (TecDax) von 1999 bis 2000 | Quelle: marketmaker pp4

Die Trader kauften wie besessen zu. Alles was da war, wurde in scheinbar jetzt „billige“ Aktien gestopft, nicht nur dort in der Redaktion, sondern fast überall. Die daraus entstehenden Rallyes hielten aber nicht vor. So wurde jedes „angewöhnte“ Kaufen in Abwärtsimpulse zu einem neuen Waterloo. Aber trotzdem gaben viele ihre Gewohnheit nicht auf. Warum? Weil eine „Gewöhnung“ an ein bestimmtes Verhalten in einem Umfeld, in dem sich Unsicherheit und Verzweiflung breit machen, umso hartnäckiger ist. Das haben wir vor 2000 x-mal erlebt und danach z.B. im Zuge der Subprime-Blase wieder. Statt „buy the dips“ nannte man das dann immer öfter „Einstandsverbilligung“, während man sich in den Ruin zukaufte … und dieses Verhalten beendeten sehr viele auch deswegen nicht, weil es immer wieder auch große Gegenbewegungen nach oben gab, wie der nächste Chart des DAX belegt:

Börse aktuell: Abverkauf - Kursentwicklung DAX von 2000 bis 2004 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Abverkauf – Kursentwicklung DAX von 2000 bis 2004 | Quelle: marketmaker pp4

Aber am Ende standen halt doch immer wieder neue Tiefs. Und beachten Sie die prozentuale Skalierung rechts am Chartrand. Wir reden hier nicht von einer beschaulichen Korrektur, wir reden von einer gnadenlosen Baisse. Und das führte dazu, dass eine neue Gewöhnung auftauchte:

Die, dass Zukaufen in Korrekturen zwecklos ist, dass sowieso immer nur neue Tiefs kommen und man deswegen gar nicht mehr versuchen muss, einzusteigen. Die Börse wurde zum Hassobjekt der einstigen Dauer-Gewinner. Nicht, weil die Börse böse ist, sondern weil man mit stereotypem Verhalten, sprich der Gewöhnung, am Ende eben immer auf die Nase fällt.

Und das wiederum führte dazu, dass a) die Aufwärtswende viel später kam als sie von den Rahmenbedingungen hätte kommen können und vor allem b), dass extrem viele bei dieser Wende nicht dabei waren und auch Monate, oft Jahre später immer noch nicht wieder eingestiegen sind. Weil sie durch die immer wieder abverkauften Erholungen der Vorjahre daran gewöhnt waren, dass Aufwärtsbewegungen scheitern!

Warum ist heute wichtig, was vor 25 Jahren passiert ist?

Warum bringe ich das ausgerechnet heute, fast ein Vierteljahrhundert danach, aufs Tapet? Weil ich sehe, das sich auch heute an der Börse aktuell  immer mehr daran gewöhnen, dass Gewinnmitnahmen und Stoppkurse dummes Zeug sind, weil die Aktienindizes ja sowieso immer neue Hochs markieren und nichts seitens der negativen Rahmenbedingungen diese Dauer-Hausse wird kippen können. Das Problem ist, dass die Begründung nicht stimmt:

Man belegt das mit dem Umstand, dass ja bislang auch nichts Negatives zu einer Abwärtswende geführt hat und sie damit folgerichtig auch nicht kommen wird. Aber genau das erlebte und dachte man damals auch. Auch 2000 gab es eine ganze Liste an Warnsignalen, die immer wieder erfolgreich ignoriert wurden, ebenso auch vor 1987 oder vor 2008. Und vor jeder anderen, größeren Baisse der Jahrzehnte zuvor. Doch dann kam der „Tag X“, der Tag, an dem alles auf einmal anders wurde und diejenigen, die mit ihrem Gewöhnungseffekt versehen auf das sichere, neue Hoch hin in fallende Kurse zukauften, gnadenlos untergingen. Nie konnte man diesen Tag vorhersehen, nie gab es „den“ triftigen Grund, warum das jüngste Hoch das letzte wurde. Daher:

Glauben Sie auf gar keinen Fall, dass immer alles so bleibt, wie es seit Monaten läuft. Glauben Sie das in keiner Hausse, glauben Sie das in keiner Baisse. Der Gewöhnungseffekt ist für Anleger ein immenses Risiko, weil man, auch, wenn das mehr Aufmerksamkeit erfordert, nur mit dem Gegenteil auf Dauer gut fährt. Und da heißt das Motto eben nicht „alles bleibt, wie es ist“. Es lautet: „Erwarten Sie das Unerwartete“!

Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Börsenwoche!

Ihr

Ronald Gehrt

Der Dow Jones Transportation Average wurde zeitgleich mit dem Dow Jones Industrial Average, dem heutigen Index-Flaggschiff, von Charles Dow und Edward Jones kreiert. Medial steht der Transport-Index im Schatten seines „großen Bruders“ – aber zu Unrecht. Denn er ist ein sehr wertvolles Tool wenn es darum geht, Risiken für den Gesamtmarkt einzuordnen.

Ah, es geht um diese „Dow-Theorie“, wird manch einer jetzt denken. Nein, auch, wenn der Dow Jones Transportation Average, den ich im Folgenden kurz „Dow Transportation“ nenne, da eine Rolle spielt:

Mit dieser uralten, sechs Thesen umfassenden Theorie des Index-Entwicklers Charles Dow gehe ich nicht so recht konform, weil da einige Aspekte eingebunden sind, die ich als unrichtig ansehe, z.B. die Unterstellung, dass alle Anleger alles wissen und daher auch alle Informationen in den Kursen enthalten sind. Die Realität ist eine andere: Anleger könnten alles wissen, ignorieren aber das, was ihnen nicht in den Kram passt, so dass diejenige Sichtweise, die mehr Geld in den Ring wirft, den Trend dominiert, dieser aber somit nicht mit der Faktenlage konform gehen muss.

Wobei genau dieser Aspekt einen Bogen zurück zum Dow Transportation schlägt. Denn das, was ihn aus meiner Sicht so wichtig und als Analyse-Tool wertvoll macht, ist: Er kann Signale aussenden, die die Masse zwar lange, aber eher nicht auf Dauer ignorieren kann, so dass ich ihn in den Rang eines „Frühwarnsystems“ erheben würde.

Der Dow Jones Transportation Average ist … was genau?

Dieser 1884 entwickelte Index repräsentiert seit jeher alles, was im Bereich des Aktienmarkts die Logistik umfasst. Heute sind das 20 Aktien aus den Branchen Airlines, Bahngesellschaften, Frachtschifffahrt, Paket- und Mitfahrdienste. Anfangs waren es elf Aktien, davon neun Eisenbahngesellschaften, ein Schifffahrtunternehmen und die damals wegen des Telegraphendienstes als „Nachrichtentransport-Unternehmen“ anzusehende Western Union.

Heute sind folgende Aktien mit von der Partie: Fünf Airlines (Alaska Air, American Airlines, Delta Airlines, Southwest Airlines und United Airlines), zwei Lieferdienste (FedEx und UPS), vier Frachtunternehmen (Expeditors International, Ryder, J.B. Hunt und Landstar System), der Mitfahrdienst Uber, der Autovermieter AVIS, die Lkw-Spediteure C.H. Robinson und Old Dominion Freight Line. Dazu die Schifffahrt-Logistiker Matson Inc. und Kirby Corporation und drei Eisenbahngesellschaften (Norfolk Southern, Union Pacific und CSX).

Kurz: Dieser Index enthält alles, was mit Fracht- und Personentransport zu tun hat. Wieso ist das für die Beurteilung der Lage des Gesamtmarkts von Belang?

Der Transportation-Index muss laufen, sonst stimmt was nicht

Weil dieser Index dadurch ein sehr gutes Spiegelbild der wirtschaftlichen Lage ist. Einzelne Branchen können gut oder schlecht laufen, von den Anlegern favorisiert, ignoriert oder verkauft werden und dadurch einen steigenden oder fallenden Gesamtmarkt auslösen, denken wir da z.B. aktuell an den „KI-Hype“. Aber wenn der Trend am Gesamtmarkt stabil sein soll, ist das nur möglich, wenn die konjunkturelle Lage und Perspektive der gesamten Volkswirtschaft dazu passt. Eine Baisse am Aktienmarkt bei solidem Wirtschaftswachstum hat ebenso keine lange Lebenserwartung wie eine Hausse ohne ein begleitendes, robustes Wachstum. Und genau da setzt die Betrachtung des Dow Transportation an:

Ein robustes Wirtschaftswachstum geht mit mehr Frachtverkehr, mehr Konsum und damit mehr Paketverkehr und einer verstärkten Reisebereitschaft der Verbraucher einher. Das bedeutet: Wenn das Wachstum der USA wirklich solide ist, muss es genau diesen 20 Unternehmen mehrheitlich gut gehen. Ihre Umsätze und Gewinne müssten im Aufwärtstrend sein und der entsprechende Index ebenso. Ist das der Fall, hat man für eine Hausse des Dow Jones bzw. des US-Aktienmarkts insgesamt eine gute Basis. Ist das aber nicht so, sollte man äußerst vorsichtig werden. Und das ist nicht nur in der reinen Theorie richtig. Der Dow Transportation hat in dieser Hinsicht schon oft gute Prognosequalität gezeigt, wie die folgenden Beispiele zeigen sollen:

Beispiele für den Dow Transportation als „Gefahrenindikator“

Dass es sich dabei vor allem um Warnsignale für Abwärtswenden des Gesamtmarkts handelt und der Dow Transportation als Vorbote einer Aufwärtswende eher nicht taugt, hat einen nachvollziehbaren Hintergrund:

Das Vorwegnehmen einer positiven Entwicklung ist mit großem Abstand beliebter als dunkle Wolken am Horizont in eigene Aktivität umzusetzen. Wachstum ist nun einmal positiv, das will man haben, da greift man gerne vor … und bleibt dann auch entsprechend lange geduldig dabei, wenn sich Hoffnungen nicht sofort bewahrheiten. Daher gab es beispielsweise 2003 bei der Wende nach der Baisse noch ein neues Tief im Transport-Index, während der Dow Jones ein über dem vorherigen liegendes Zwischentief ausbildete, wie wir im folgenden Chart sehen:

Börse aktuell: Entwicklung Dow Jones und Dow Jones Transportation im Vergleich von 2002 bis 2003 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Börse aktuell: Entwicklung Dow Jones und Dow Jones Transportation im Vergleich von 2002 bis 2003 | Quelle: marketmaker pp4

Aber was Abwärtswenden angeht, hat er sich auffallend oft als Warnsignal bewährt, gerade weil nicht nur die Logik, dass der Logistik- und Beförderungssektor laufen muss, wenn das Wachstum etwas taugen soll, sondern auch die Psychologie diese Funktion stützt. Denn hier, in diesen für Trader nicht so wirklich inspirierenden Branchen, zeigt sich eher die Realität als in den „spannenden“ Hightech-Aktien, die eben auch dann noch wild gekauft werden, wenn die Lage das gar nicht mehr hergeben würde. Einfach, weil man vor allem dann, wenn einem Gier und Leichtsinn die Hand führen, Gefahren nicht erkennen will oder sogar nicht erkennen kann.

Börse aktuell: Entwicklung Nasdaq 100 und Dow Jones Transportation im Vergleich von 1998 bis 2001 während der Internetblase | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Börse aktuell: Entwicklung Nasdaq 100 und Dow Jones Transportation im Vergleich von 1998 bis 2001 während der Internetblase | Quelle: marketmaker pp4

Die vorstehende Grafik zeigt, wie der Dow Transportation bereits weit vor dem „Dot.Com-Crash“ des Jahres 2000 nach unten abdrehte. Die Gier trieb die Tech-Werte derweil immer höher und höher. Aber wer sah, dass der Transport-Index bereits 1999 in die Baisse überging, war dahingehend gewarnt, dass man in Sachen Dauer-Hausse auf dünnstem Eis unterwegs war.

Ebenso als hilfreich erwies sich der Dow Transportation vor dem Platzen der Subprime-Blase 2008. Der Transportindex zeigte klar, was man eigentlich hätte erkennen können, aber mehrheitlich nicht sehen wollte: Natürlich hatte der einbrechende Immobilienmarkt massiv negative Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft. Dass der Dow Transportation schon im Sommer 2007 deutlich zurückfiel, war ein klares Warnsignal. Trotzdem markierte der Dow Jones im Oktober noch ein neues Hoch. Diejenigen, die da noch kauften, hätten sich besser vorher den Dow Transportation angeschaut.

Börse aktuell: Entwicklung Dow Jones und Dow Jones Transportation im Vergleich von 2005 bis 2008 während der Subprime-Blase | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Börse aktuell: Entwicklung Dow Jones und Dow Jones Transportation im Vergleich von 2005 bis 2008 während der Subprime-Blase | Quelle: marketmaker pp4

Das gleiche Spiel beim Corona-Crash 2020. Es war absehbar, dass hier große Probleme entstehen würden, die Weltwirtschaft nahezu zum Stillstand kommen könnte. Der Dow Transportation reagierte umgehend, als sich das klarer abzeichnete. Aber während der ein unter dem vorherigen Hoch liegendes Zwischenhoch ausbildete, erreichte der Dow Jones noch ein neues Allzeithoch. Diese Divergenz hätte man besser ernst genommen. Und wie sieht es heute aus?

Börse aktuell: Entwicklung Dow Jones und Dow Jones Transportation im Vergleich von 2019 bis 2020 während des Corona-Crashs | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Börse aktuell: Entwicklung Dow Jones und Dow Jones Transportation im Vergleich von 2019 bis 2020 während des Corona-Crashs | Quelle: marketmaker pp4

Wie sieht es aktuell aus?

Auch aktuell haben wir eine solche Divergenz, auf mittelfristiger ebenso wie auf kurzfristiger Ebene. Der US-Arbeitsmarkt kommt trotz hoher Zinsen scheinbar stark daher, die Wachstumsdaten der Regierung sind hervorragend. Aber es fällt … wenn man hinsehen will … auf, dass viele Transportunternehmen derzeit gar nicht glücklich sind. Da stimmt also irgendetwas nicht, denn wäre die US-Wirtschaft in einer Verfassung, die eine Dauer-Hausse von einem Rekordhoch zum nächsten unterfüttern würde, müssten die Transportunternehmen bester Stimmung sein und der Dow Transportation laufen wie geschnitten Brot. Das tut er aber nicht.

Börse aktuell: Entwicklung Dow Jones und Dow Jones Transportation im Vergleich von 2021 bis 2024 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Börse aktuell: Entwicklung Dow Jones und Dow Jones Transportation im Vergleich von 2021 bis 2024 | Quelle: marketmaker pp4

Der Dow Jones, aber auch die meisten anderen großen US-Indizes, markiert seit Herbst 2023 ein neues Rekordhoch nach dem anderen. Der Dow Transportation aber nicht, da liegt das bisherige Rekordhoch fast drei Jahre zurück! Trotzdem peitschte der Transportindex den Gesamtmarkt immer wieder voran, seine Rallyes waren der Beleg, dass im Transport-Sektor Leben drin ist. Aber seit Anfang 2024 passt etwas nicht. Der Dow Transportation müht sich an der Börse aktuell im Sägezahn-System voran, läuft unter dem Strich seitwärts, die Bilanzen der meisten Index-Unternehmen sind nicht überzeugend. Sehen wir uns das nochmal in „Nahaufnahme“, nur für den bisherigen Jahresverlauf, an:

Börse aktuell: Entwicklung Dow Jones und Dow Jones Transportation im Vergleich im Jahr 2024 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Börse aktuell: Entwicklung Dow Jones und Dow Jones Transportation im Vergleich im Jahr 2024 | Quelle: marketmaker pp4

Wir sehen hier, dass der Dow zwar ein Outperformer war, aber im Juli und August noch auf die Abwärts-Rucks des Dow Transportation reagierte. Aber seit einem Monat sieht das anders aus: Der Dow Transportation sackt immer wieder weg, beim Dow Jones gibt es dazu aber keine Reaktion mehr. Das ist kein Beweis, aber ein Indiz dafür, dass man es wieder einmal auf die Spitze treibt. Wann das zu einem „bösen Ende“ führt, kann eine solche Divergenz des Dow Transportation zum Gesamtmarkt nicht vorhersagen. Aber dass das Risiko jetzt größer wird, das kann man hier erkennen … und entsprechend Vorsicht walten lassen!

Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Börsenwoche!

Ihr

Ronald Gehrt

Wer Geld der Anleger verwalten und vermehren soll, kann keine bessere Werbung haben als Gewinne. Nur, wenn der Aktienmarkt zulegt, kommt viel frisches Geld von außen herein. Das Ende eines Quartals wird da besonders beachtet, Quartalsperformances sind wichtige Werbeargumente. Da lohnt es, diese Performance so gut es geht zu optimieren. Was vor allem dann oft gelingt, wenn man über einen Fahrplan verfügt, dessen Haltestellen Notenbankentscheidung, Terminmarkt-Abrechnung und Quartalsultimo heißen. Aber Letzterer ist heute … was kommt danach?

Diese zeitliche Nähe einer US-Notenbankentscheidung zu einer Abrechnung an der Terminbörse hat mir schon immer Unbehagen bereitet. Denn das sorgt für gewaltige Schwankungen und oft unlogische, nicht dauerhaft haltbare Impulse – nahezu immer nach oben – die auf wenig erfahrene Anleger wirken, als hätte die US-Notenbank mal wieder den Weg für die ewige Hausse freigemacht. Noch brenzliger wird das, wenn wie in diesem Fall die Terminmarkt-Abrechnung spät im Monat stattfindet und dadurch auch dahinter ein wichtiger, den Trend meist intensivierender Termin liegt: ein Monatsultimo oder, in diesem Fall, sogar ein Quartalsultimo.

Da bietet es sich für große Adressen, die besonders gut leben, wenn eine starke Performance zu Stichtagen wie Quartalsenden werbewirksam frisches Geld der Sparer anzieht, an, dieses Termin-Trio Notenbankentscheidung, Abrechnungstermin und Quartalsende zu nutzen, um die Performance gezielt zu befeuern. Eine ideale Basis für eine Rallye mit drei Durchgangs-Haltestellen und einer vierten hinter der Grenze, sprich im neuen Quartal, das morgen beginnt.

Die Frage ist nur, ob diese vierte, noch nicht sichtbare Haltestelle für die Bullen erneut nur eine Etappe auf dem Weg zu noch höheren Kursen ist … oder die Endstation.

Am 11. September wurde der Fahrplan geschrieben

Natürlich kann das Umfeld auch ganz von sich aus geeignet sein, zum Ende eines Quartals zackig steigende Kurse hervorzurufen. Aber das sollte man besser ein wenig abklopfen. Ja, primär ist für einen Trader der Trend entscheidend und nicht, was dahinter stehen könnte. Aber wenn dann so gar nichts dahintersteht, ist es für einen mittel- und langfristigen Investor wichtig, zu wissen, dass er gerade Potemkin’sche Dörfer bewundert. Und für einen Trader ein guter Grund, um besonders vorsichtig zu agieren. Also, wie schaut es aus mit dem Fundament dieser am 11./12. September begonnenen Rallye? Führen die drei bekannten Haltestellen in blühende Landschaften oder über eine Klippe in den Abgrund? Sehen wir uns das mal anhand des marktbreiten US-Index S&P 500 an:

Börse aktuell: Entwicklung S&P 500 im Q3 2024 mit wichtigen Ereignissen | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Börse aktuell: Entwicklung S&P 500 im Q3 2024 mit wichtigen Ereignissen | Quelle: marketmaker pp4

Auffällig war die Sache bereits am 11. September geworden. Da kamen die US-Inflationsdaten für August herein und boten keine neuen Argumente für schnellere oder stärkere US-Zinssenkungen. Die Preise stiegen wie erwartet, in der Kernrate sogar einen Zehntelpunkt stärker als gedacht, die Teuerung blieb im Jahresvergleich mit 2,5 Prozent in der Gesamt- und 3,2 Prozent in der Kernrate zu hoch. Der Chart zeigt, dass der S&P 500 an diesem Tag zuerst wegrutschte, dann aber knapp über dem Monatstief vom vorherigen Freitag drehte und einen gewaltigen Intraday-Turnaround hinlegte – und das eben ohne Grund, so sehr aus den Schuhen zu springen. In diesem Moment ließ sich ahnen: Da soll ein Zug über drei Stationen zur Bergstation laufen.

Die US-Notenbank und die Hausse: Was gab’s denn da zu jubeln?

Dann kam die US-Notenbanksitzung. Ja, die „Fed“ senkte den Leitzins um einen halben Prozentpunkt, darüber hinaus deuteten die Projektionen für den Leitzins an, dass da noch in diesem Jahr weitere 0,50 bis 0,75 Prozent drin sein könnten. Das sorgte direkt nach der Entscheidung für einen Kurssprung, doch dann kamen Verkäufe auf: Alle drei großen US-Indizes schlossen im Minus, weil Investoren erkannten, dass man mit dieser initialen Reaktion nach oben zum x-ten Mal auf den selben Geburtstag anstößt, weil man letztlich ja schon seit Ende Oktober 2023 auf genau das setzte: Auf Zinssenkungen. Sie waren der Hauptgrund dafür, dass die US-Indizes und in deren Schlepptau die der Eurozone immer höher und höher liefen. Das heißt: Da war nicht nur der Zinsschritt vom Mittwoch eingepreist, sondern auch viel von dem, was noch kommt.

Und man sah zudem, dass die Notenbank zum einen nicht erwartet, dass die Inflation sicher und schnell an die Zwei-Prozent-Zielmarke läuft und dass sie weiterhin davon ausgeht, dass der Leitzins bei einer Normalisierung der Gesamtsituation nicht wie die Jahre zuvor bei null, sondern um drei Prozent liegen wird. Zu viel für ein mit den Jahren der Nullzinsen vergleichbares Konsumwachstum als „Booster“ der Unternehmensgewinne. Also nahm man die Chane neuer Hochs wahr und machte ein wenig Kasse. Aber dann …

… passierte ein scheinbares Wunder aus Sicht der Bullen: Am nächsten Tag startete der US-Aktienmarkt nicht nur wieder höher. Er startete gleich über den abverkauften Hochs des Vortages, wie der folgende Chart des Nasdaq 100 auf Intraday-Basis (Zeitraster 15 Minuten pro Kerze) zeigt!

Börse aktuell: Entwicklung Nasdaq 100 rund um die Notenbanksitzung im September 2024 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Börse aktuell: Entwicklung Nasdaq 100 rund um die Notenbanksitzung im September 2024 | Quelle: marketmaker pp4

Dabei gab es eigentlich keine Argumente dafür. In Sachen Notenbank gab es nichts Neues. Und der am Donnerstag vor dem Start im Plus gemeldete Konjunkturindex der US-Notenbank von Philadelphia indizierte, dass die Inflation ein Risiko bleibt. Warum also dieser abrupte Sprung, losgetreten dadurch, dass mitten in der Nacht im asiatischen Handel die US-Index-Futures immer höher und höher gezogen wurden? Ganz einfach: Haltestelle Nummer 1 auf dem Weg zu Rekorden am Quartalsende, sprich die Reaktion auf die US-Notenbank, drohte zum Rohrkrepierer zu werden. Das musste „repariert“ werden. Und es wurde repariert. Damit war alles klar für Haltestelle Nummer 2, die Terminmarkt-Abrechnung.

Wo Zufälle keine sind: Rekorde zur Terminmarkt-Abrechnung, Top-Performance zum Quartalsultimo

Da die Abrechnung der Futures und Optionen mit Laufzeit September gleich am Freitag folgte, konnte da dann nichts mehr anbrennen. Nachdem der S&P 500 ein ziemlich volatiles Quartal mit zwei kräftigen Korrekturimpulsen hinter sich hatte, dürften mit der Abrechnung der Derivate über der Handelsspanne der vorangegangenen Wochen viele auf dem falschen Fuß erwischt worden sein, der S&P 500-Chart ganz oben zeigt das. Zur Freude derer, die aktiv an dieser Abrechnung auf unerwartetem Niveau mitgearbeitet haben. Aber der Chart zeigt noch etwas anderes. Einen Aspekt, der es ebenso sinnvoll wie lukrativ machte, nach dieser Abrechnung an der Terminbörse nicht nachzulassen:

Der S&P hat so zum heutigen Quartalsende doch noch ein Plus auf Quartalsbasis erreicht, wonach es lange Zeit ganz und gar nicht ausgesehen hatte. Und was könnte perfekter sein, um neue Anleger zum Einstieg zu bringen und Zweifler bei der Stange zu halten als ein „Happy End“ nach einem so volatilen Quartal? Auch, wenn der S&P 500 zum Ultimo unübersehbar an Schwung verloren hat, das Plus steht. Und es bedeutet, dass der marktbreite US-Index damit das vierte Quartal in Folge mit einem werbewirksamen Gewinn absolviert hat. Und wenn wir uns dazu mal den DAX ansehen:

Börse aktuell: DAX auf Rekordhoch - Entwicklung des Index im Jahr 2024 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Börse aktuell: DAX auf Rekordhoch – Entwicklung des Index im Jahr 2024 | Quelle: marketmaker pp4

Da bleibt in Sachen Quartalsperformance kein Auge trocken, egal, ob der Index heute noch in die Knie gehen würde oder nicht. So gesehen ist der Fahrplan der „Big Money-Player“ perfekt eingehalten worden. Keine Kunst, das ist ja nicht das erste Mal, man hat da Übung. Doch kann diese Hausse jetzt einfach so weitergehen, obwohl da mittlerweile eine ziemliche Schere zwischen Kursen und Rahmenbedingungen entstanden ist?

Diese Leiter hat morsche Sprossen … aber das ist nicht das Problem von allen

Eine gute Frage, immerhin sind jetzt immense Hoffnungen und Erwartungen an niedrigere und weiter sinkende Zinsen im Markt. Aber die sind kein Allheilmittel. In Europa nicht, in den USA nicht, in China nicht, wenn zu viele schon zu viele Schulden haben und es am Zutrauen fehlt, dass das alles irgendwie von alleine wieder laufen wird. Nur dann türme ich auf einen Berg aus Schulden noch weitere auf. Da ist das Zinsniveau zweitrangig. Und überall sind die Verbraucher vorsichtig und skeptisch geworden, während der Aktienmarkt eingepreist hat, dass alles und jeder bei auch nur einem Tick niedrigeren Zinsen wie auf Knopfdruck Fabriken und Anlagen kauft oder als Verbraucher in die Konsumtempel strömt. So wird es nicht laufen.

Diejenigen, die diesen Hausse-Zug nach den Inflationsdaten in den USA am 11. September angeschoben haben, wissen das natürlich, da geht es um große Adressen, da sitzen keine unbedarften Anfänger auf den Stühlen der Strategen. Aber sie wissen eben, dass die große Masse der normalen Anleger es nicht weiß!

Und damit hatten sie bis zum Quartalsultimo genug Anleger im Gefolge, die den Kursanstieg durch fleißige Zukäufe unterstützt haben. Und man hat, aufgrund des immens werbewirksamen Effekts eines angeblich saisonal schlechten Quartals, das auf oder nahe Rekordhochs endet, auch die Chance, gleich zu Beginn des Oktobers massive Käufe von unerfahrenen Anlegern zu sehen. Käufe, in die hinein man selbst Gewinne mitnehmen, dadurch Positionen verkleinern und, wenn es passt, sogar auf die Short-Seite wechseln könnte!

Kommt jetzt das beste Quartal von allen? Nun … Zahlen sind genügsam

Aber wie könnte Letzteres „passen“? Ist nicht das vierte Quartal das statistisch beste am Aktienmarkt? Wäre es da nicht albern, einen Abwärtsschub auch nur zu erwägen? Immerhin ist es der September, der im langfristigen Vergleich der mit Abstand schlechteste Monat ist, beim DAX im Schnitt der letzten über 65 Jahre liegt man da bei -1,78 Prozent. Und wenn dieser im Schnitt so bärische Monat einen DAX auf neuen Rekordhochs sieht, dann ist es ja nahezu unmöglich, dass es im vierten Quartal, das insgesamt im Schnitt seit 1959 beim DAX und seinen Vorgängern einen Zugewinn von drei Prozent abliefert, abwärts gehen könnte. Oder?

Das Entscheidende ist das mit diesem „im Schnitt“. Denn ein durchschnittliches Plus von 0,65 Prozent über 65 Jahre ist keine Garantie für Kursgewinne, sondern, wenn man sich mal überlegt, dass der DAX 0,65 Prozent bisweilen binnen Minuten nach oben und unten läuft, einfach nur … gar nichts. Es gab extrem starke und extrem schwache Oktober und auch welche, an denen eher wenig bis gar nichts los war. Die Gewissheit, dass der Oktober und das vierte Quartal insgesamt gut laufen müssten, ist keine.

Wenn man sich nun die Frage stellt, ob man jetzt dabeibleiben, zukaufen oder doch besser Kasse machen sollte, gälte es eines zu überlegen: Was könnten sich diejenigen für dieses vierte Quartal vornehmen, die bislang ihren selbst geschriebenen Fahrplan mit Hilfe der Anleger so perfekt einhalten konnten? 

Eine Frage, die angesichts eines DAX angebracht erscheint, der bei einem durchaus nicht bullischen Umfeld wie Nullwachstum, hohen Zinsen und ungelösten Problemen mit „Zwickmühlen-Charakter“ immerhin im bisherigen Jahresverlauf mit 16,25 Prozent schon fast das Doppelte zugelegt hat als die durchschnittliche Jahresperformance seit 1988, die gerade einmal 8,2 Prozent beträgt (jeweils für ein ganzes Jahr). Wobei man nebenbei auch mal in den Spiegel schauen und sich fragen könnte:

Wenn ich schon an Durchschnittswerte glaube und daher darauf setzen will, dass die Statistik, dass das vierte Quartal im Schnitt sehr bullisch ist, auch diesmal greift … kann ich dann ernsthaft zeitgleich die Statistik der durchschnittlichen Jahresperformance im DAX ignorieren, nach der wir gerade schon fast das Doppelte eines durchschnittlichen DAX-Jahres zugelegt haben?

Obacht, Haltestelle vier ist eine Wundertüte!

Aber zurück zu den Leuten mit dem Fahrplan. Was könnte für diese großen, trendbestimmenden Akteure jetzt interessant sein? Jetzt wurden längst Hoffnungen eingepreist, die kein allzu solides Fundament haben. Das kann dazu führen, dass man sich anschaut, ob und wie viel frisches Geld zum Start in den Oktober in den Markt fließt und in dem Moment, in dem es scheint, als könne der Strom versiegen, Positionen abbaut oder Short geht. Nun gibt es im bullischen Lager immer ein Argument, das man gegen ein solches Szenario, das aber gar nicht so selten ist (siehe die folgende Ausschnitt des obenstehenden DAX-Charts!) ins Feld führt: Wenn die Sache wacklig sein soll, warum haben sich die Bären an der Börse aktuell nicht längt gezeigt? Antwort:

Börse aktuell: DAX Rückgang im Q2 2024 nach Rekordhoch davor | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Börse aktuell: DAX Rückgang im Q2 2024 nach Rekordhoch davor | Quelle: marketmaker pp4

Warum sollten sie? Wenn man diesen Fahrplan erkennt und in aller Ruhe seinen Verlauf abwartet, bekommt man doch nur noch höhere Kurse, um Short zu gehen, wenn die Fahrplan-Käufe durch sind. Warum also vorher auf tieferem Level dagegenhalten und überrannt werden? Wenn die in der Regel ja erfahrenen Akteure im potenziell bärischen Lager sehen, dass die unbekannte, vierte Haltestelle am Rande der Klippe zu einem Abwärtsimpuls liegt, dann tauchen sie auf, vorher nicht.

Klar muss sein: Dass der Fahrplan großer Akteure vorsieht, aus einem überladenen Zug vor Haltestelle Nummer 4 auszustiegen und zuzusehen, wie der dann über die Klippe saust, ist ein mögliches Szenario, mehr nicht. Ja, der Oktober könnte einfach weiter steigende Kurse sehen. Ja, das vierte Quartal könnte ein grandios bullisches werden. Aber nur, wer versteht, dass „könnte“ ein sehr wackliger Begleiter eines randvollen Depots ist, ist auch wachsam genug, schnell und richtig zu reagieren, wenn es anders kommt als gedacht!

Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Börsenwoche!

Ihr

Ronald Gehrt

Wie heiß gelaufen ist der Aktienmarkt derzeit? Haben wir schon den Punkt erreicht, ab dem man diese Rekordjagd als eine hochexplosive „Milchmädchen-Hausse“ ansehen muss? Klären wir erst einmal, was das eigentlich sein soll und dann, wo wir da aus meiner Sicht stehen.

Also: Was soll das sein, eine „Milchmädchen-Hausse“? Als der Aktienmarkt (nicht nur in den USA, aber da ganz besonders) in den Jahren vor dem Crash 1929 und der nachfolgenden, jahrelangen Super-Baisse immer höher kochte, lag das vor allem daran, dass immer mehr Leute, die weder Erfahrung am Aktienmarkt noch den Hauch des nötigen Basiswissens hatten, auch ein Stück vom Kuchen abhaben wollten und extrem unvernünftig agierten.

Kredite für Aktienkäufe gab es überall, mit den Aktien selbst als Sicherheit. Aber zu horrenden Zinsen, weil die Kreditgeber wussten, dass die Aktien ein wackliges Unterpfand sind. Die Kreditnehmer hingegen sahen nur die rasant steigenden Kurse, pfiffen auf die Wucherzinsen und kauften wie wild. Dadurch waren auch viele einfache Leute, die eigentlich das Geld für Aktien nicht übrig hatten, auf einmal nicht nur Anleger, sie waren Spekulanten … meist indes ohne zu ahnen, wie groß die Risiken waren, die sie eingingen.

Der Name ist eher willkürlich, man hätte es auch „Schuhputzer-Hausse“ nennen können

Es hieß, man konnte in New York keine Meile mit dem Taxi fahren, ohne dass der Fahrer entweder Aktientipps haben wollte oder ungefragt welche von sich gab. Der Schuhputzer wusste über den Markt Bescheid, der Klempner, der Eismann oder eben die Mädchen in den Milchgeschäften. Zumindest dachten sie das.

Diese Spekulationswelle sorgte für immer weiter steigende, aber auch volatilere Märkte … und endete mit einem gigantischen Knall, wobei damals wie bei jedem anderen Abriss nicht absehbar war, wann genau und auf welchem Kursniveau das passieren würde. Nur dass es passieren musste, war den eher wenigen, die noch bei Sinnen waren, völlig klar. Am Ende verloren immens viele Menschen alles … und vor allem das führte dazu, dass es mit dem 1929er-Crash nicht getan war, sondern die Weltwirtschaftskrise folgte, die die Aktienmärkte bis 1934, als Roosevelt den „New Deal“ umsetzte, massiv drückte.

Dieser Spitzname kommt also aus der damaligen Zeit, wobei „Milchmädchen“ wohl einfach am besten klang, nehme ich an. Man könnte das Phänomen überbordender Gier und massiven Leichtsinns auch „Taxifahrer-Hausse“ oder „Schuhputzer-Hausse“ nennen. Der Name ist nicht der Punkt, was dahintersteht, ist entscheidend.

Es muss nicht alles genau wie damals sein … es geht vor allem um den Leichtsinn

Natürlich trug es entscheidend zur damaligen Katastrophe bei, dass es schon fast üblich war, auf Kredit zu spekulieren, aber es ging vor allem um den Leichtsinn an sich. Im Zuge des Internet-Wahns 1999/2000 lief das sehr, sehr ähnlich, während ich die Phase vor dem Crash 1987 und die vor dem Platzen der Subprime-Blase 2008 eher nicht als Milchmädchen-Hausse, sondern „nur“ als Phase überzogener Sorglosigkeit ansehen würde. Einen Run völlig unbedarfter Anleger gab es hingegen vor 1929, vor 2000 und … jetzt?

Wer behauptet, dass so etwas früher einmal denkbar war, aber doch heute nicht, möge sich erinnern: 2000 ist nicht lange genug her, um behaupten zu können, dass die Bestrafung zu großen Leichtsinns eine Sache früherer Zeiten sei. Davon abgesehen, dass es nie um das konkrete Umfeld geht. Es geht um das Verhalten der Marktteilnehmer. Und das ändert sich nie, weil sich die Menschen an sich auch nicht ändern. Die Geschichte belegt das ja immer wieder und in jeder Hinsicht.

Börse aktuell: Entwicklung Nasdaq 100 von 1998 bis 2003 mit Absturz nach Hausse | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Börse aktuell: Entwicklung Nasdaq 100 von 1998 bis 2003 mit Absturz nach Hausse | Quelle: marketmaker pp4

Seitdem der Corona-Crash im Februar und März 2020 so rasant aufgeholt wurde, ist eine ungewöhnlich große Zahl an Anlegern neu hinzugekommen, die alle mit dem Eindruck gestartet sind, dass jeder Rücksetzer am Aktienmarkt eine todsichere Gewinnchance ist und nichts, aber auch gar nichts die ewige Hausse wird kippen können. Und dass weder die Inflation noch der Ukraine-Konflikt und die hohen Zinsen den Anstieg der Märkte stoppen konnten, dient ihnen als unwiderruflicher Beweis. Aber dabei wird eines übersehen:

Die Kurse steigen, solange mehr Volumen in Käufe als in Verkäufe geht. Ob das mit Blick auf die Rahmenbedingungen auch so passt oder nicht, hängt davon ab, ob diejenigen, die da kaufen, wissen was sie tun oder nicht. Passt das Umfeld nicht, ist schlagartig Feierabend mit der Hausse, wenn der Klientel der Ahnungslosen und Leichtsinnigen das Geld ausgeht … und sei es nur für kurze Zeit. Was dann passieren kann, wenn auch die „Milchmädchen“ angetreten sind, sprich jeder, der grundsätzlich könnte, auch dabei ist und dem Markt damit Expertise und Käufer zugleich knapp werden.

Ist das so? Und kommen die Faktoren des fehlenden Grundwissens und des Leichtsinns noch obendrauf?

Börse „lernen“? Wozu denn!

In den letzten zwei Monaten kamen alleine drei Leute aus meinen Bekanntenkreis an und verkündeten, dass sie jetzt auch am Aktienmarkt mitmischen werden. Alle drei ohne den Hauch von Basiswissen oder gar Erfahrung. Der eine sagte nur, er lasse seinen Bankberater jetzt monatlich sein Geld an der Börse verwalten … und wusste nicht mal, was genau der dann damit macht. Der zweite wollte von mir wissen, welche „Handy-App“ für Trading ich empfehlen würde (hat vorher noch nie eine Aktie gekauft), der dritte erklärte mir sogar, er werde jetzt über eine Broker-App Daytrading machen, denn er kenne da zwei, die würden da richtig viel Geld machen und davon leben.

Da sinkt einem, der wie ich jetzt seit 35 Jahren an der Börse herumhantiert, anfangs alles gelernt und gelesen hat, was man lernen und lesen konnte, ein Wirtschaftsstudium als Basis hat und trotzdem oft genug auf die Fr***e gefallen ist, der Kopf auf die Tischplatte. Vor allem eines ist heftig: Glauben Sie, dass auch nur einer der drei zukünftigen Börsen-Gurus mich gefragt hätte, wo man für Aktien-Trading gute Tutorials finden könne, welche Bücher man lesen soll, wie man am besten Paper-Trading angeht oder ähnliches? Keiner. Diese Leute wollen nichts lernen und nichts wissen, sie wollen „haben“. Und zwar Gewinn. Weil sie ernsthaft angesichts des medialen Getrommels um ein neues Rekordhoch nach dem anderen meinen, dass man dazu nichts können muss. Willkommen am Vorabend von 1929!

Wenn viele niedrige Kurse mit „billig“ verwechseln

Aber es könnte ja sein, dass das nur Zufall ist, drei Extrembeispiele, die mir halt über den Weg liefen, aber die meisten anderen klug, besonnen und mit dem nötigen Basiswissen ans Werk gehen. Könnte es. Aber der folgende Chart lässt mich vermuten, dass das nicht der Fall ist. Er zeigt, dass momentan seltsamerweise vor allem Aktien laufen, die „billig“ sind. Schauen Sie hier mal beim MDAX: Abgebildet sind diejenigen unter den 60 MDAX-Aktien, die weniger als zehn Euro kosten, Zeitraum: ein Monat. Dazu noch Delivery Hero als eine typische „Mode-Aktie“ der ersten Generation der „Ich muss nichts wissen um reich zu werden“-Spekulanten aus der Corona-Zeit, die immer dann aus dem nichts steigt, wenn diese Klientel mal wieder umfassender aktiv wird.

Börse aktuell: Entwicklung von MDAX Aktien mit Kursen unter 10 Euro von August bis September 2024 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Börse aktuell: Entwicklung von MDAX Aktien mit Kursen unter 10 Euro von August bis September 2024 | Quelle: marketmaker pp4

Bis auf thyssenkrupp und Evotec, die jetzt aber auch aufholen, sind alle diese „billig“ wirkenden Aktien in den letzten Wochen auffallend besser gelaufen als der Index selbst. Trotz der alten Börsen-Regel, dass, was billig wirkt, noch viel billiger werden kann, weil Aktien nie nur aus Versehen einen niedrigen Kurs haben. Was jeder Investor weiß. Aber wer von Tuten und Blasen keine Ahnung hat, weiß es eben nicht. Wenn ich so etwas sehe, sehe ich eine Milchmädchen-Hausse.

Meme-Aktien: Heißt es nicht, „mit Geld spielt man nicht“?

Als Meme-Aktien bezeichnet man für den Gesamtmarkt unbedeutende Aktien, die in Internet-Foren massiv gepusht und von Gruppen von Marktteilnehmern dann gezielt gekauft werden, angeblich, um es den bösen Short-Sellern, die man oft irrigerweise mit dem Banken-Establishment gleichsetzt, zu zeigen. Eine dieser 2021 auf diese Weise durch die Decke (sehen Sie sich im Chart rechts die prozentuale Veränderung an!) gezockten und dann sang- und klanglos eingebrochenen Aktien war die der Computerspiele-Kette Gamestop.

Börse aktuell: Börse aktuell: Entwicklung Gamestop Aktie von 2020 bis 2024 mit extremen Ausschlägen | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Börse aktuell: Entwicklung Gamestop Aktie von 2020 bis 2024 mit extremen Ausschlägen | Quelle: marketmaker pp4

Diejenigen, die in Foren zum Kauf geraten und Kaufwellen organisiert hatten, wurden damit reich, denn sie kauften vor diesen Kaufwellen der Leichtgläubigen und stiegen aus, als deren Käufe den Level blanken Wahnsinns erreichten. Man hätte denken können, dass die, die am Ende die Dummen waren, daraus gelernt hätten. Aber im Mai und Juni 2024 ging der Irrsinn erneut los … mit dem gleichen Resultat. Wenn diejenigen, die die Ahnungslosen am Nasenring durch die Arena führen, zuletzt wieder ein ideales Umfeld für eine Runde „Abzocke“ sahen, ist das für mich ein erneuter Hinweis darauf, dass wir das „Milchmädchen-Stadium“ längst erreicht haben.

Die Gefahr an sich ist noch kein Verkaufssignal!

Zu erkennen, dass da eine Menge Leute auf dünnem Eis tanzen, während sie glauben, über das Wasser laufen zu können, heißt: Obacht, die Sache wird jetzt richtig „tricky“. Es heißt aber nicht, dass man an der Börse aktuell alleine deswegen Haus und Hof versetzen und Short gehen sollte. Das wäre in etwa genauso gewitzt wie blind sein Erspartes in Aktien zu stecken und zu glauben, rauf ist der einzige Weg für die Kurse.

Man darf nicht vergessen, dass es über zwei Jahre dauerte, bis die bis dahin auf von niemandem erahnte Größe gewachsene Blase 1929 platzte. Und vor dem Dot.Com-Crash im März 2000 ging es zwar nicht unbedingt allzu lange nach oben, dafür aber, siehe den Nasdaq 100-Chart ganz oben, extrem schnell und weit. Wer bereits Short ist, muss daher ganz genau wissen, wie man sich in einer von ihrer Größe und Dauer nicht eingrenzbare Hausse auf der Gegenseite positionieren und verhalten muss.

Aber man muss ja auch nicht glauben schaffen zu können, was so unwahrscheinlich ist, dass man es besser lassen sollte: Genau am Hoch zu verkaufen und auf Baisse zu setzen. Das klappt wenn, dann nur durch Zufall und gelingt einem von hundert. Wichtig ist nur eines: Man muss um die Gefahren wissen und immer dann, wenn immer mehr andere leichtsinnig werden, umso vorsichtiger vorgehen – das ist völlig ausreichend, um nicht unter die Räder zu kommen, die am Ende jedes Mal die Milchmädchen unter den Marktteilnehmern erwischen.

Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Börsenwoche!

Ihr

Ronald Gehrt