Der VW-Konzern legte am Dienstag die Verkaufszahlen für 2024 vor und lag marginal über den Befürchtungen. Die Aktie legte zu, aber das Plus wirkte kraftlos … und es ist aus charttechnischer Sicht auch noch nicht allzu viel wert.
Man hatte im Vorfeld mit einer Zahl knapp unter neun Millionen verkaufter Fahrzeuge gerechnet, der VW-Konzern meldete dann am Dienstag 9,027 Millionen. Besser als befürchtet, sicher. Aber wenn man sich überlegt, dass es 2019, im Jahr vor Corona, noch knapp elf Millionen waren, bleibt diese Zahl bedrückend, auch wenn sie „nur“ 2,3 Prozent unter der Absatzzahl des Jahres 2023 lag.
Dabei legte der Absatz in Europa zwar im vierten Quartal um 0,7 Prozent zu, in den USA wurden sogar vier Prozent mehr Fahrzeuge verkauft. Aber wenn man sich ansieht, dass man damit in Westeuropa auf 834.000 und in den USA auf 288.000 Fahrzeuge im Schlussquartal kam, dafür aber China ein Absatzminus von acht Prozent hinnehmen musste und dabei 871.500 Stück über die Theke gingen, können diese kleinen Fortschritte das „Problem China“ eben nicht aufwiegen.
Dass diejenigen, die hoffen wollten, aus diesem „weniger schlimm als befürchtet“ ein „besser als gedacht“ machten, ist zwar nicht überraschend. Aber es ist fraglich, ob das kleine Plus von 1,08 Prozent, das dabei herauskam, die Aktie einer echten Aufwärtswende näherbringt.
Expertenmeinung: Denn das Problem der gedrückten Margen kommt davon ja nicht vom Tisch. Volkswagen hat Probleme. Und es sind Probleme, die nicht in Windeseile lösbar sind und Umsatz, Marge und Gewinn zurück auf die Überholspur bringen könnten. Das wird sich hinziehen. Womöglich lange. Wenn man die Aktie als Long-Trade überhaupt in Erwägung ziehen wollte, dann rein auf der Trading-Ebene, auf Basis charttechnisch bullischer Signale.
Dass es gelang, sich aus dem im Juli 2024 etablierten Abwärtstrendkanal zu befreien und die 20-Tage-Linie seit der Jahreswende als eine Art Leitstrahl der Käufer funktioniert, ist natürlich ein positiver Aspekt und ein Grund, die Aktie zumindest für den Moment von der Liste potenzieller Short-Trades zu streichen. Aber die Dynamik dieser Aufwärtsbewegung ist auffallend mager. Die Aktie schleppt sich eher nach oben, als dass sie wirklich durchstarten würde.
Was daran liegen mag, dass die Akteure der Vorzugsaktie angesichts der letzten Endes unverändert negativen Rahmenbedingungen nicht zutrauen, dort nach oben auszubrechen, wo sie es müsste, um auch auf mittelfristiger Ebene bullisch zu werden und aus dem aktuellen, charttechnischen Niemandsland herauszukommen.
Es geht um die auf der Oberseite durch die 200-Tage-Linie verstärkte Widerstandszone zwischen 95,80 und 100,25 Euro. Solange die Aktie diese Zone nicht überboten hat und das idealerweise von ermutigenden Bilanzzahlen begleitet wird (in Bezug auf Ausblicke wäre ich da vorsichtig, da müsste „Zählbares“ her), wäre jederzeit die Möglichkeit gegeben, dass der Kurs wieder in den jetzt erst einmal verlassenen Abwärtstrendanal zurückfällt.
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Am Montag fing die VW Vorzugsaktie den Tag zwar stark an, ließ dann aber nicht minder stark nach. Am Ende des Tages standen ein Minus und die Erkenntnis, dass das, worauf man sich bei VW jetzt im Streit um die Arbeitsplätze geeinigt hat, eher nicht der große Wurf war.
Die am Montagmorgen vorgelegten Eckpunkte der Einigung des VW-Konzerns mit Betriebsrat und Gewerkschaft wurden von den Marktteilnehmern unübersehbar skeptisch gesehen. Statt Kündigungen, Lohnkürzungen und Werksschließungen avisierte man einen umfassenden Stellenabbau ohne betriebsbedingte Kündigungen bis 2030, ein Einfrieren der Löhne bis 2027, dafür aber eine neue Arbeitsplatz-Sicherung bis 2030. Durch diese Maßnahmen sollen 1,5 Milliarden Euro pro Jahr an Kosteneinsparungen gelingen. Nicht genug, so einige Analystenstimmen. Zumal:
Ein Eingrenzen der Kosten verkauft nicht mehr Autos. Das mag die Marge stabilisieren und mit ihr den Gewinn pro Aktie, aber was ist mit den Verkaufszahlen? Sicher, das ist letztlich eine ganz andere Baustelle, aber die Frage steht natürlich weiter im Raum. Man hatte insgesamt nicht den Eindruck, dass die Probleme am Montag einer effektiven Lösung bereits sehr nahe gekommen wären. Dass diese Einigung einen fatalen Arbeitskampf zum Start des neuen Jahres abwenden dürfte, ist da für das bullische Lager ein schwacher Trost. Aber noch ist die Aktie charttechnisch für die Bullen ja nicht verloren:
Expertenmeinung: Der Ausbruch aus dem Juli-Abwärtstrendkanal ist dadurch zwar erst einmal misslungen. Aber solange die VW-Aktie die 20-Tage-Linie (per Montagabend bei 84,25 Euro) nicht auf Schlusskursbasis unterschreitet, könnten die Käufer zurückkommen. Allerdings wäre ein solcher „Nachschuss“ erst dann als Erfolg anzusehen, wenn die Vorzugsaktie zumindest über dem Tageshoch des Montags schließt, das bei 90,26 Euro lag. Und auch dann wäre der Weg eher steinig, denn die letzten Zwischenhochs bilden bis hinauf zur derzeit bei 101,80 Euro verlaufenden 200-Tage-Linie eine ganze Phalanx an möglichen Ansatzpunkten für bärische Gegenangriffe.
Die Volkswagen Vorzugsaktie wackelt, aber noch ist sie nicht gefallen. Dennoch, die Chance, dass man die Enttäuschungs-Reaktion nach dieser Einigung im Tarifstreit verspätet doch noch als positiv einordnet, ist nicht überragend groß. Jedenfalls nicht groß genug, um über die Long-Seite auch nur nachzudenken, bevor der Kurs nicht über diesem Tageshoch vom Montag bei 90,26 Euro aus dem Handel geht.
Im März 2021 erreichte die VW Vorzugsaktie mit 252,20 Euro fast das bisherige Jahrhundert-Hoch aus dem Jahr 2015. Jetzt sind über zwei Drittel dieses damaligen Kurses verloren. Das wirkt, als wäre die Aktie ein Schnäppchen … aber die Lage hat sich seither eben verändert.
2021 war das Jahr der großen Hoffnungen. Die Mehrheit war fest überzeugt: Corona wird bald nur noch eine böse Erinnerung sein … und dann werde es losgehen mit dem Raketen-Wachstum. Die in den Lockdown-Phasen eingesparten Gelder werden in den Konsum fließen, Optimismus wird Denken und Handeln beherrschen, zumal die Kredite weiter billig sind und Inflation kein Thema. Das trieb sehr viele Aktien massiv höher, erst Anfang 2022 kam bei den allerletzten Himmelsstürmern die Realität an.
Eine Realität, die Lieferengpässe statt einem Füllhorn an Waren brachte, rasant steigende Preise statt einem Verbraucher-Schlaraffenland und schnell steigende Kreditzinsen statt dem schon so sehr gewohnten, billigen Geld. Der Volkswagen-Konzern parierte die Inflation auf die einfachste Weise: Man hob die Preise an. Und das saftig. Was dazu führte, dass das Unternehmen 2023 mit 31,92 Euro pro Aktie so viel Gewinn erzielte wie noch nie. Die Aktie war da aber längst auf dem absteigenden Ast. Der Grund:
Expertenmeinung: Zunächst war man nur skeptisch, ob die Verbraucher dieses Spiel auf Dauer mitmachen würden. Zwar führten die Lieferengpässe 2022 zu vielen „Panik-Käufen“, weil einige dachten, lieber teuer kaufen als gar nichts bekommen. Aber die 2021 bis 2023 gegenüber den Vorjahren deutlich gestiegenen Gewinne machten ja für jeden sichtbar, dass die Preise nicht nur die gestiegenen Kosten ausglichen, sondern dass man im Kielwasser der Inflation auch dafür sorgte, dass die eigene Kasse lauter klingelt. Und genau so kam es auch:
Die Verkaufszahlen fielen. Und wie auch andere große Autobauer machte man es, wie man es nicht machen sollte: Weniger Verkäufe wurden durch noch höhere Preise kompensiert. Ein Weg, den so manches BWL-Erstsemester als fatal einordnen würde. Das Ergebnis: VW spricht längst von „Krise“, will, dass der Staat hilft, plant Entlassungen in fünfstelliger Höhe und Werksschließungen. Die IG Metall und der Betriebsrat stehen auf den Barrikaden und wollen verhindern, dass die Belegschaft für die Entscheidungen des Vorstands büßen muss, kurz:
Die Lage ist aufgeheizt. Und Lösungen, die dazu führen könnten, dass sich diese Misere schnell und nachhaltig in Wohlgefallen auflöst, sind nicht in Sicht. Und die potenziellen Käufer bekommen das alles live mit und dürften keineswegs „amused“ sein.
Dass die Aktie auf Basis der 2024er-Gewinnschätzung ein selbst für einen Automobilkonzern untypisch niedriges Kurs/Gewinn-Verhältnis von 3,7 ausweist liegt daran, dass Gewinn und Aktie in etwa im Gleichschritt gefallen sein dürften. Für 2025 läge dieses Kurs/Gewinn-Verhältnis sogar nur bei 3,0. Aber das basiert darauf, dass viele Analysten unterstellen, dass der Konzerngewinn im kommenden Jahr wieder anzieht … und das ist etwas, was man angesichts dieser verfahrenen Lage und dem damit verbundenen Image-Schaden für VW zumindest als „äußerst offen“ einstufen sollte.
Die Aktie ist stark gefallen, sie versucht, in der Nähe des Corona Crash-Tiefs von 2020 bei 79,38 Euro einen Boden zu bilden … aber ein Schnäppchen, das ist die VW Vorzugsaktie trotzdem nicht, auch diese Unterstützung könnte, wenn jetzt auch noch Streiks auf die Bilanz drücken fallen. Bevor nicht Lösungen statt Streit die Nachrichten dominieren, wäre meine Einstufung: wegbleiben!
Die Krise bei Volkswagen spitzt sich zu. Erste Streiks stehen bevor und in Indien droht eine mögliche Milliardenstrafe. Die Hütte brennt lichterloh.
Damals wurde bekannt, dass das Unternehmen 3 der 10 Werke in Deutschland schließen könnte und Gehaltskürzungen von bis zu 18 % plant. Es droht der Verlust zehntausender Arbeitsplätze. Gleichzeitig jedoch fordert die IG Metall 7 % mehr Gehalt.
Dass bei VW derzeit Welten aufeinanderprallen, ist demnach keine Übertreibung. Ich hatte in dem Artikel einige Möglichkeiten aufgezeigt, wie man eine für beide Seiten akzeptable Lösung finden kann, die auch langfristig sachdienlich ist.
Es dürfte sich von selbst erklären, dass man nicht mal im Traum damit rechnen kann, dass sich die beiden Konfliktparteien tatsächlich in diese Richtung bewegen würden.
Und heute flattern die nächsten Hiobsbotschaften herein. Dem VW-Konzern wird vorgeworfen, in seinen zwei Werken in Indien seit 2012 Steuern hinterzogen zu haben.
Dem 95-seitigen Dokument der indischen Zollbehörden zufolge hat VW bewusst gegen Zollvorschriften verstoßen. Neben einer möglichen Nachzahlung von 1,4 Mrd. USD, drohen obendrein Milliardenstrafen.
Wer nicht hören will, muss fühlen
Bei Volkswagen brennt die Hütte lichterloh, und statt sich an einen Tisch zu setzen, geht man auf Konfrontationskurs. Die Friedenspflicht für die Entgelttarifverträge endet zum 30. November 2024, und daher hat die IG Metall für den ersten Arbeitstag danach direkt die ersten Warnstreiks angekündigt.
„Wer nicht hören will, muss fühlen“ – so titelt die IG Metall auf ihrer Seite (Quelle: IG Metall).
Man will es dem Feind mal richtig zeigen. Dass man sich damit am Ende auch ins eigene Fleisch schneidet, spielt keine Rolle mehr: „Damit weiß es nun also selbst die Wall Street in den USA. […] Anfang Dezember wird die erste Warnstreik-Welle über die Volkswagen-Standorte rollen“.
Wer den letzten Artikel zu VW gelesen hat, weiß, dass ich kein Freund des Managements und der meisten strategischen Entscheidungen bin, die in den letzten Jahren getroffen wurden. Aber was sollen die Hinweise der Gewerkschaft auf die Wall Street? In den USA kräht kein Hahn nach VW und dort sitzen auch nicht die Aktionäre. Die Aktionäre sind neben Porsche und Qatar vor allem deutsche Kleinanleger und das Land Niedersachsen – also wir alle.
Und selbst wenn das nicht so wäre, kann ich nichts Gutes daran finden, wenn es mit dem Kurs von VW abwärts geht – scheinbar ganz im Gegensatz zur IG Metall:
VW-Aktienkurs so schwach wie zuletzt bei Dieselgate und Corona – fast 20 Prozent Verlust seit dem “Schwarzen Montag” (Link zur IG-Metall bei Volkswagen)
Ich würde es natürlich niemals unterstellen, aber der Artikel liest sich so, als würde man sich insgeheim darüber freuen, dass es mit dem Kurs von VW abwärts geht.
Denen zeigen wir es!
Mit einer derartigen Haltung, dass man es der anderen Seite „mal richtig zeigen muss“, ist aus meiner Sicht niemandem geholfen. Dasselbe gilt für den Vorstand, der statt andere Optionen zu prüfen, direkt mit dem Vorschlaghammer, Werksschließungen und Gehaltskürzungen um die Ecke kommt.
Im letzten Artikel hatte ich bereits einige andere Ansätze aufgezeigt, um die Probleme zu lösen. Eine andere Möglichkeit wäre eine Umstellung auf eine Vier-Tage-Woche.
Im Jahr 1993 stand Volkswagen wegen einer Absatzkrise schon mal vor drastischen Massenentlassungen. Die Lösung war die Einführung der Vier-Tage-Woche ab 1994, bei der die Wochenarbeitszeit auf 28,8 Stunden reduziert wurde. Die Angestellten verzichteten auf bis zu 20 % ihres Lohns, arbeiteten dafür weniger, und die Produktion lief weiterhin fünf Tage pro Woche.
Der Lohnverzicht kam nicht bei jedem gut an, aber die Jobs waren gerettet. Dieses Modell wurde bis 2006 beibehalten.
Heute sind die Probleme zwar vielschichtiger, aber es gibt auch Parallelen: Volkswagen hat zu viel Personal für zu wenig Arbeit und steht vor strukturellen Herausforderungen. Die Gewerkschaft IG Metall versucht wie damals, Entlassungen und Werksschließungen zu verhindern.
Ein Modell aus der Vergangenheit für die Zukunft
Vielleicht könnte ein ähnlicher Ansatz auch heute wieder die Lösung bringen. Den meisten Angestellten bei VW dürfte es lieber sein, 80 % zu arbeiten und eine Jobgarantie zu haben, als eine Kündigung zu riskieren. Der Schritt würde die zu hohen Personalkosten bei VW mit einem Schlag reduzieren und die Profitabilität erhöhen. Damit ließe sich so viel einsparen wie mit der Entlassung von mehr als 20.000 Mitarbeitern in Deutschland.
Dass die Personalkosten bei VW zu hoch sind und dass an dieser Stelle etwas passieren muss, steht unterdessen fest. Der Anteil der Personalkosten an den Gesamtkosten ist bei VW in etwa anderthalbmal so hoch wie bei BMW oder Mercedes.
Alle weiteren Anpassungen sind mit der Zeit möglich. Jedes Jahr gehen rund 3 % der Belegschaft in Rente, hinzu kommen rund 2 % Fluktuation durch Jobwechsel. Das entspricht etwa 6.000 Mitarbeitern pro Jahr. Werden sie nicht oder nur teilweise ersetzt, kann die Zahl der Mitarbeiter dadurch innerhalb weniger Jahre deutlich gesenkt werden, ohne auch nur eine betriebsbedingte Kündigung.
Das würde sicherlich nicht alle Probleme lösen, aber einen großen Teil davon, und das sehr schnell und mit möglichst wenig Reibung. Damit würden auch die Hauptforderungen beider Konfliktparteien erfüllt: Senkung der Personalkosten und keine Kündigungen.
Wenn ich jedoch tippen müsste: Bevor man sich an einen Tisch setzen wird, wird es zu einem heißen Streik und gegenseitigen Beschuldigungen kommen. Dabei ist heute schon klar, dass man am Ende einen Kompromiss finden muss. Man könnte sich das ganze Tohuwabohu also auch einfach sparen.
Werksschließungen: Ein Kompromiss ist schwierig
Doch für das Thema Werksschließungen lässt sich nur schwer ein Kompromiss finden. VW stellt die Standorte Dresden, Osnabrück und Emden in Frage. In Dresden arbeiten rund 300 Menschen, in Osnabrück 2.300 und in Emden 8.000. Die Sachlage ist je nach Standort eine völlig andere. VW könnte den Mitarbeitern eine Stelle an einem der anderen Standorte anbieten, aber das ist sicherlich nicht für jeden eine Lösung.
Wer beispielsweise in Dresden verwurzelt ist, für den könnte das nicht allzu weit entfernte Chemnitz eine Option sein. Aber für die Mitarbeiter in Emden, ist die Sache sehr viel schwieriger. Das nächstgelegene Werk in Hannover ist drei Autostunden entfernt.
Darüber hinaus müssen auch die gesellschaftlichen Folgen bedacht werden. Dresden hat mehr als eine halbe Million Einwohner. Das Leben dort wird weitergehen, auch ohne 300 Stellen bei VW. Osnabrück hat 167.000 Einwohner. VW ist mit 2.300 Stellen ein wirtschaftlich relevanter Faktor, aber nicht der einzige.
In Emden mit seinen knapp 50.000 Einwohnern sieht das anders aus. Fallen hier 8.000 Arbeitsplätze bei VW weg und weitere bei all den Unternehmen, die direkt oder indirekt an der Wertschöpfung von VW hängen, könnte es zu einem wirtschaftlichen Niedergang der Region kommen. Ich denke nicht, dass man das den Menschen dort aufbürden kann oder darf.
Soll sich doch ein anderer drum kümmern
Es hilft zwar nichts mehr, aber man hätte es niemals so weit kommen lassen dürfen. Die Probleme wären abwendbar gewesen.
Bereits 2021 hat der damalige VW-Chef Diess davor gewarnt, dass 30.000 Stellen wegfallen könnten. Seitdem dürften mehr als 20.000 Mitarbeiter von VW in Deutschland in die Rente gegangen sein oder sie haben sich einen neuen Job gesucht. Man hatte lange genug Zeit, stattdessen hat man nichts getan. Dabei wäre es so einfach gewesen – ein Einstellungsstopp hätte ausgereicht.
Der unsägliche Umgang mit den Unternehmensgewinnen hat sein Übriges getan. Warum hat man in den letzten Jahren immer wieder üppige Boni und eine unsinnig hohe Dividende ausgeschüttet, statt Rücklagen zu schaffen? Warum verfährt man seit Jahrzehnten so und wundert sich dann, dass das immer wieder zu denselben Problemen führt?
Volkswagen hat wahrlich schon genug Probleme, doch mit der Insolvenz von Northvolt flattert jetzt die nächste Hiobsbotschaft herein.
Damals wurde bekannt, dass das Unternehmen 3 der 10 Werke in Deutschland schließen könnte und Gehaltskürzungen von bis zu 18 % plant. Gleichzeitig drohen zehntausende Arbeitsplätze durch Restrukturierungsmaßnahmen wegzufallen, was zu einer massiven sozialen und wirtschaftlichen Belastung führen könnte.
Grund dafür sind unter anderem Überkapazitäten in der Produktion, insbesondere im Bereich der Elektroautos, die aufgrund hoher Preise und mangelnder Nachfrage schwer absetzbar sind. Trotz Milliardeninvestitionen in Elektromobilität steht Volkswagen unter Druck, während die Konkurrenz in diesem Bereich erfolgreicher ist.
Darüber hinaus prallen bei VW wortwörtlich Welten aufeinander. VW plant massive Entlassungen, fordert eine pauschale Kürzung des Haustarifs um 10 % und für alle anderen Mitarbeiter sogar Gehaltseinbußen von 18 %. Die IG Metall verlangt stattdessen 7 % Lohnerhöhung.
Es geht auch anders
Wie man diese Diskrepanzen überbrücken soll, ist mir persönlich schleierhaft. Ich hatte in der letzten Analyse klar zum Ausdruck gebracht, wie unvernünftig VW aus meiner Sicht wirtschaftet, und das ist einer der Gründe, warum man sich jetzt zu solchen Maßnahmen genötigt sieht. Es ist mal wieder so, dass die einfache Belegschaft die Fehler des Managements ausbaden muss. Auf der anderen Seite halte ich jedoch auch die Forderung nach einer Gehaltserhöhung um 7 % für überzogen und ich sage Ihnen auch warum:
Es geht nicht darum, dass sich den Mitarbeitern von VW nicht 7 % mehr gönnen würde, doch die Gehaltserhöhungen würden die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens noch zusätzlich schädigen. Kurzfristig bekommen die Mitarbeiter mehr Gehalt, langfristig steigt dadurch jedoch die Wahrscheinlichkeit, dass sie ihre Jobs verlieren. Damit ist am Ende niemandem geholfen. Es muss ein gesunder Mittelweg gefunden werden, damit VW im Wettbewerb bestehen kann. Dafür muss aber auch zugesichert werden, dass es keine betriebsbedingten Kündigungen geben wird und die Mitarbeiter in Deutschland gehalten werden.
Man kann die Zahl der Beschäftigten in Deutschland auch verringern, ohne jemanden vor die Türe zu setzen. Jedes Jahr gehen tausende Volkswagen-Mitarbeiter in Rente, auch ohne Frühverrentung. Hinzu kommt die übliche Fluktuation durch Jobwechsel.
Darüber hinaus sollte VW dringend darüber nachdenken, wie sinnvoll es ist, in guten Jahren nahezu den gesamten Gewinn als Dividende und Boni auszuschütten, statt endlich Rücklagen für schlechte Zeiten zu schaffen.
Ich denke, das wäre für alle Seiten die bessere Alternative. Aber vielleicht stehe ich mit dieser Meinung auch allein da. Ich halte sie trotzdem für richtig.
Hiobsbotschaft ohne Wirkung
Und damit kommen wir zu der neuesten Hiobsbotschaft, die erstaunlicherweise keine nennenswerte Kursreaktion bei Volkswagen ausgelöst hat. Aus Börsensicht ist das ein positives Signal.
In der Regel bedeutet dies, dass das Sentiment den absoluten Tiefpunkt erreicht hat. Es kommt oft vor, dass Aktien oder Indizes in diesen Situationen ein vorläufiges oder finales Tief ausbilden.
Grund zur Freude besteht dennoch nicht, denn mit der Insolvenz des Batterieherstellers Northvolt könnten sich die 1,4 Mrd. Euro, die Volkswagen in das Unternehmen gesteckt hat, in Luft auflösen. Das ist selbst für einen Großkonzern wie VW keine Kleinigkeit, denn aktuell entspricht die Summe etwa 3,4 % des Börsenwerts.
Der schwedische Batteriehersteller Northvolt hat Gläubigerschutz nach US-Recht beantragt und sucht dringend nach neuen Investoren, um seine finanzielle Lage zu stabilisieren. Das Unternehmen, das ursprünglich die europäische Abhängigkeit von chinesischen Batterien verringern sollte, kämpft mit Milliardenschulden und dem Rückzug großer Aufträge, wie etwa einem 2-Milliarden-Euro-Deal von BMW.
Northvolt steht am Abgrund
Den Gerichtsunterlagen zufolge verfügt man nur noch über flüssige Mittel in Höhe von 30 Millionen Dollar. Northvolt wäre demnach binnen weniger Wochen das Geld ausgegangen. Daher verhandelt man seit Monaten mit den bisherigen Geldgebern und anderen Investoren.
Da das Unternehmen einen Schuldenberg von 5,8 Milliarden Dollar hat, ist es jedoch keine Überraschung, dass man damit keinen Erfolg hatte. Wer will schon Geld investieren, wenn die Lage derartig verfahren ist?
Denn das fehlende Kapital, die hohen Schulden und das Ausbleiben von Aufträgen sind nicht die einzigen Probleme. Northvolt ist auch immer wieder hinter den eigenen Zielen zurückgeblieben und konnte die Kapazitäten nicht wie geplant ausbauen. Daher nimmt der CEO jetzt auch gleich seinen Hut. Kurzum: Bei Northvolt ist so gut wie alles schiefgelaufen und ob sich das strauchelnde Unternehmen wieder berappeln wird, steht in den Sternen.
Die ganze Sache zeigt mal wieder, dass es selten zum Erfolg führt, wenn man nach planwirtschaftlicher Manier ein Unternehmen aufbauen will. Dazu ist eben nicht nur Kapital notwendig, sondern viel mehr.
Die Aussagen des scheidenden Geschäftsführers klingen dabei wie Hohn. Demnach beginnt für ihn und Northvolt eine wichtige neue Phase. Der Chapter-11-Antrag verschaffe dem Unternehmen die notwendige Zeit, um den Betrieb hochzufahren und sich letztlich langfristig aufstellen zu können. Daher sei es für ihn ein guter Zeitpunkt, die Geschäfte an die nächste Führungsgeneration zu übergeben.
Wir dürfen gespannt sein, wer das notwendige Kapital zur Verfügung stellen wird. Neben VW gehören auch BMW und Goldman Sachs zu den Eigentümern, vielleicht lässt dort ja jemand ein paar Milliärdchen springen.
Das im September markierte, bisherige Jahres-Verlaufstief der VW Vorzugsaktie bei 87,72 Euro ist jetzt in Schlagdistanz geraten. Angesichts der Nachrichtenlage wundert es ein wenig, dass es noch nicht unterboten ist, aber was nicht ist, könnte schnell kommen. Und dann?
Volkswagen hat die 2024er-Prognose gesenkt, eine zu geringe Gewinnmarge bei der Kernmarke VW beklagt und will diese mit Werksschließungen und Entlassungen wieder steigern. Die viele Jahre geltende Arbeitsplatzgarantie ist Geschichte, Streit ist angesagt. Dass die Vorzugsaktie darauf bislang noch einigermaßen moderat reagiert hat, lässt den Gedanken aufkommen, dass viele Marktteilnehmer das Gesamtbild, das sich hier präsentiert, noch nicht im Blick haben. Aber die Schlagzeilen werden schon dafür sorgen, dass sich das ändert.
Der VW-Konzern will, dass die Mitarbeiter auf zehn Prozent ihres Lohns verzichten und dieser dann für zwei Jahre unverändert bleibt. Wenn man bedenkt, dass der Konzern ja noch keineswegs rote Zahlen schreibt und andere Konzernbereiche außerhalb der Kernmarke VW noch stattliche Margen vorweisen können, ist das nichts, was Betriebsrat und Gewerkschaft klaglos hinnehmen werden. Immerhin war die Entscheidung, die Preise im Kielwasser der Inflation so weit hochzutreiben, dass der Konzern 2023 einen Rekordgewinn einfuhr, jetzt aber die Käufer streiken, nicht die Idee der Arbeiter.
Und während VW will, dass die Belegschaft auf Lohn verzichtet, fordert die IG Metall sieben Prozent mehr Lohn für das kommende Jahr. Eine ebenso extreme Forderung, denn die Metallbranche, zu der die Autobauer gehören, steht unter Druck. Da dann ein Vielfaches der Inflationsrate an Lohnzuwachs zu fordern, zeugt nicht von Vernunft, denn am Ende würden die gestiegenen Kosten Entlassungen nach sich ziehen.
Expertenmeinung: Da braut sich also ein heftiger Sturm zusammen. Was die IG Metall und die Unternehmen der Metallbranche angeht: Erste Warnstreiks laufen bereits im Südwesten und machen die Lage schlimmer. Aber was VW und die IG Metall angeht, stürmt es ganz besonders. Denn hier stehen sich zwei, beide für sich genommen fatale, Forderungen gegenüber, die im Konzern für allerhöchsten Unfrieden sorgen werden. Arbeitskämpfe würden die Lage indes verschlimmern. Und die Erfahrung lehrt, dass sich beide Seiten gerne so lange beharken, bis ein massiver Flurschaden angerichtet ist.
Dabei ist es für einen Anleger völlig egal, wer an weiter sinkenden Umsätzen, Margen und Gewinnen am Ende wirklich schuld wäre. Entscheidend ist, dass gerade die Weichen in diese Richtung gestellt werden.
Die Vorzugsaktie droht jetzt aus der seit August geltenden Seitwärtsspanne nach unten herauszufallen. Würde dieses bisherige Jahrestief von 87,72 Euro unterboten, wäre das nächste charttechnische Kursziel das Corona Crash-Tief von 2020 bei 79,38 Euro. Aber wenn ein konjunktursensibles Unternehmen, das ohnehin schon mit der Nachfrageschwäche in Europa und China zu kämpfen hat, auch noch in einen Arbeitskampf rutscht, könnten die Unternehmensgewinne tatsächlich bis in den roten Bereich rutschen. Und das könnte auch relativ schnell passieren, je nachdem, wie dieser Streit ausartet.
Unterhalb dieses 2020er-Tiefs würde sich keine potenzielle Supportlinie finden, die jünger wäre als 15 Jahre, daher wäre ein „freier Fall“ nicht komplett auszuschließen. Dem bärischen Lager dürfte das längst klar sein. Es wäre daher an der Zeit, dass auch die Bullen realisieren, dass die Aktie jederzeit zu einem „fallenden Messer“ werden könnte.