Die Rallye der Netflix-Aktie zeigt: An der Börse sind Euphorie und Panik nur zwei Seiten derselben Medaille. Anleger tappen immer wieder in dieselbe Falle.
Netflix und die Börsenzyklen: Lektionen für Anleger
Man könnte Artikel aus 2021, als ich immer wieder vor dem Hype um die Netflix-Aktie gewarnt habe, aus der Schublade ziehen und heute wieder veröffentlichen. Oder aber die Empfehlungen für die Aktie aus 2022 und 2023. Denn an der Börse geschieht immer wieder dasselbe.
Solange die Rallye läuft, erhöhen die Analysten ständig ihre Kursziele, in den Foren herrscht gute Stimmung, die Schlagzeilen sind positiv und die meisten Anleger konzentrieren sich nur noch auf die positiven Aspekte.
Und wenn es dann zu einem Absturz wie 2022 kommt, dann senken die Analysten ihre Kursziele wieder, in den Foren herrscht Panikstimmung, die Schlagzeilen sind negativ und die meisten Anleger konzentrieren sich nur noch auf die negativen Aspekte.
Wer so agiert, steigt ein, nachdem es bereits zu einer Rallye gekommen ist. Im schlimmsten Fall am Höhepunkt.
Und er steigt aus, nachdem eine Aktie abgestürzt ist. Im schlimmsten Fall am Tiefpunkt.
Es ist offensichtlich, dass man mit dieser Strategie keinen Erfolg haben kann. Aber genau so verhält sich die Mehrheit der Anleger.
Wenn es nicht so wäre, würden sich die Kurse nicht derartig entwickeln. Denn die Kurse fallen ja nur, wenn eine Mehrheit zu immer niedrigeren Kursen verkaufen will, und sie steigen, wenn eine Mehrheit zu immer höheren Kursen kaufen will. So einfach ist das.
Vom Höhenflug zur Risikoanalyse
Der einzige Weg, sich aus diesem sinnbefreiten Teufelskreis zu befreien, sind antizyklische Investments mit einer Haltedauer von vielen Jahren.
Wer während Crashs gute oder auch nur mittelprächtige Unternehmen kauft und dann stoisch dabei bleibt, wird immer als Sieger vom Feld gehen. Er verpasst keine Rallye und steigt nicht während Crashs aus.
Welche Performance man mit diesem Ansatz erzielen kann, zeigen der S&P 500 ebenso wie Netflix.
Selbst wenn man das absolute Tief weit verfehlt hat und 2022 beispielsweise bei 350 USD antizyklisch gekauft hat, kann man sich heute trotzdem freuen.
Doch die Mehrheit wird niemals in diesem Stil handeln, denn dazu müsste man zuerst mal realisieren, dass diese Möglichkeit besteht und noch viel schwieriger: Man müsste es umsetzen.
Ich weiß aus meiner Erfahrung und den Gesprächen mit zahllosen Anlegern jedoch, wie schwierig es den meisten fällt, während Crashs zuzuschlagen. Die Angst, dass die Aktie unmittelbar nach dem Kauf noch weiter fällt, ist schwer zu überwinden.
Man muss anders an die Sache herangehen. Machen Sie sich von vornherein bewusst, dass eine Aktie nach ihrem Kauf noch weiter einbrechen wird, denn Sie treffen mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nicht das Tief.
Nichts ist für die Ewigkeit
Wenn Sie sich das schon in dem Moment, in dem Sie den Kaufen-Knopf drücken, bewusst machen, ist der Umgang mit Buchverlusten viel einfacher. An der Börse ist das Mindset der entscheidende Faktor.
Dasselbe gilt umgekehrt, während Rallyephasen, wie wir sie derzeit erleben.
Das bedeutet nicht, dass ich Ihnen als Verfechter von Buy & Hold und Netflix-Aktionär rate, die Position komplett zu verkaufen. Aber es ist noch keiner in die Insolvenz geschlittert, wenn er nach einer 500%-Rallye sein eingesetztes Kapital aus einer Position gezogen hat.
Kein Hype hält ewig an, ebenso wie an der Börse auch kein Crash ewig weitergeht.
Das gilt auch für die Netflix-Aktie, bei der es nach den jüngsten Quartalszahlen zu einem Kurssprung um 14,5 % auf 995,68 USD gekommen ist.
Der Gewinn lag in Q4 mit 4,29 USD je Aktie über den Erwartungen von 4,20 USD. Mit einem Umsatz von 10,25 Mrd. USD hat man die Analystenschätzungen von 10,1 Mrd. USD ebenfalls übertroffen.
Auf Jahressicht entspricht das einem Umsatzplus von 16 % und mehr als einer Verdopplung des Gewinns.
Rekorde, Risiken und eine rationale Einordnung
Alles wunderbar, doch wenn Euphorie herrscht, ist es die Aufgabe eines versierten Investors, das Haar in der Suppe zu finden, statt sich über schöne Schlagzeilen zu freuen.
Ebenso wie es während Crashs die Aufgabe ist, die besten Unternehmen zu identifizieren und das Licht am Ende des Tunnels zu sehen.
Bei Netflix lassen sich problemlos Haare in der Suppe finden. Auf Jahressicht sind die Wachstumsrate und die Gewinnsteigerung erheblich, im Verhältnis zu den vorherigen Quartalen jedoch nicht.
Der Gewinn war sogar niedriger als in den drei vorangegangenen Quartalen. Dasselbe gilt für den freien Cashflow, der sowohl im Vergleich zum vorherigen Quartal als auch auf Jahressicht gesunken ist.
Unterm Strich stagnierte der freie Cashflow im Geschäftsjahr 2024.
Dabei kann es sich um ein vorübergehendes Problem handeln, vielleicht aber auch nicht.
Hinzu kommt die Frage, wie nachhaltig die aktuellen Wachstums- und Abo-Zahlen sind. Im letzten Quartal ist die Zahl der Abos um 19 Millionen gestiegen, ein neuer Rekord.
Viele Kunden dürften ein Netflix-Abo abgeschlossen haben, um die zweite Staffel von Squid Game, Mike Tyson vs. Jake Paul oder die NFL-Sendung an Weihnachten zu schauen, und anschließend wieder gekündigt haben. Ich bin einer davon und ich überlasse es Ihrer Fantasie, ob ich mir Squid Game 2, Tyson oder die NFL angesehen habe.
Darüber hinaus liefert Advertising einen immer größeren Beitrag zum Konzernumsatz. Im Schlussquartal ist Werbung am teuersten, in Q1 am günstigsten.
Ausblick und Bewertung
Netflix selbst erwartet selbstverständlich weiteres Wachstum, wenngleich auch mit einem geringeren Tempo.
Im ersten Quartal soll der Umsatz um 11 % auf 10,42 Mrd. USD steigen und der Gewinn um 6 % auf 5,58 USD je Aktie.
Einen umfassenden Ausblick für das gesamte Jahr hat man nicht vorgelegt. Man hat aber mehrfach betont, dass Werbung Top-Priorität hat und dass sich die Werbeeinnahmen 2025 verdoppeln sollen.
Im Klartext bedeutet das, dass man ein geringes Wachstum bei den Abo-Zahlen erwartet.
Der freie Cashflow soll von 6,9 auf 8,0 Mrd. USD steigen. Netflix kommt demnach auf eine forward P/FCF von 53. Man muss sich die Frage stellen, ob diese Bewertung bei den vorliegenden Charakteristiken des Unternehmens und den Wachstumszahlen gerechtfertigt ist.
Mit dem nachbörslichen Kurssprung wurde jedenfalls die FCF-Steigerung des gesamten Geschäftsjahres 2025 eingepreist.
Das KUV liefert ebenfalls einen warnenden Hinweis. Derzeit liegt das KUV bei 11 und hat damit den Höchstwert von 2021 übertroffen.
Seit dem Börsengang lag das KUV von Netflix durchschnittlich bei 7,3.
Vergegenwärtigen Sie sich bitte, dass diese Hinweise von einem Netflix-Aktionär stammen. Es geht hier also nicht darum, die Lage schlechtzureden, darum geht es mir nie.
Es geht um eine rationale Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit.
Vorbörslich notiert die Aktie 14,5 % im Plus bei 995,69 USD. Sollte der Kurssprung im regulären Handel bestätigt werden, wird die Aktie ein neues Rekordhoch markieren.
Statistisch betrachtet ist die Fortsetzung jeder Rallye im kurzfristigen Zeitfenster wahrscheinlich. Das geht so lange, bis sich keine Käufer mehr finden lassen. Sobald die ersten wichtigen Chartmarken gerissen werden, geht es dann ganz plötzlich und rapide abwärts.
Wer ein aktuelles Beispiel sucht, kann sich den Kursverlauf von Novo Nordisk anschauen.
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