Trendbetrachtung auf Basis 6 Monate: Wer sich um die Weihnachtszeit ein wenig Nervenkitzel gönnen will, hat entweder die Möglichkeit, sich einen netten Thriller im TV anzusehen oder auf die ein oder andere China-Aktie zu setzen. Denn die Volatilität ist hier hoch, was für Anstiege, aber vor allem auch für Korrekturen gilt.
Ein Beispiel ist die JC.com-Aktie, welche beim letzten Kaufsignal an den chinesischen Börsen im September kurzfristig beinahe 80 % zulegen konnte, um danach wieder rund 30 % zu verlieren. Das ist nichts für schwache Nerven. Und gestern startete der Markt in China erneut durch. Ein Grund war die Ankündigung Chinas, den geldpolitischen Kurs weiter zu lockern, um das Inlandswachstum im Jahr 2025 anzukurbeln. JD.com legte daraufhin einen Kurssprung von mehr als +11 % hin.
Expertenmeinung: Die Aktie der größten Online-Plattform in China gehört definitiv zu den bekannteren Papieren, wenn man sich für diesen Markt interessiert. Wenn hier einmal ein Trend beginnt, kann dieser enorme Renditen einbringen, doch man muss auch mit der Kehrseite der Medaille leben.
Heftige Gaps nach oben als auch nach unten machen das Papier teils unberechenbar für gute Stopps. Somit wird die Risikokontrolle deutlich erschwert. Aus rein technischer Sicht haben wir gestern zwar ein Kaufsignal erhalten, doch die Aktie schloss beinahe am Tief des Tages. So richtig überzeugend sieht das bislang nicht aus. Anleger sollten daher auf das gestrige Gap achten. Solange dieses nicht geschlossen wird, haben die Bullen kurzfristig wieder das Zepter in der Hand.
Aussicht: NEUTRAL
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China hat einen Crash erlebt, wie es ihn bei uns zuletzt in der Finanzkrise gegeben hat. Ist das eine gigantische Gelegenheit oder gerechtfertigt?
In der Zwickmühle
Im Reich der Mitte gelten Immobilien als die einzige sichere Investition. Daher hat die Bevölkerung den in den letzten Jahrzehnten den zunehmenden Wohlstand zum großen Teil in Immobilien gesteckt.
Ganze Geisterstädte wurden gebaut, viel davon auf Pump. Inzwischen übersteigt das Angebot an Wohnraum längst den Bedarf. Dadurch sinken die Preise, was wiederum den Wohlstand der Besitzer mindert, also von nahezu allen Chinesen, die über ein nennenswertes Vermögen verfügen.
Aus diesem Dilemma gibt es nur einen Ausweg: Entweder muss die Nachfrage steigen oder das Angebot sinken.
Das Problem ist jedoch, dass in China dank der Ein-Kind-Politik eine demografische Zeitbombe tickt. Die Bevölkerung vergreist und schrumpft. Die Nachfrage kann also unmöglich steigen, sie wird massiv sinken.
China wird in den nächsten Jahrzehnten hunderte Millionen Einwohner verlieren, daran lässt sich nichts mehr ändern. Das bedeutet, dass die Angebotsseite umso stärker reduziert werden muss.
Dazu müsste man die Bauaktivität in China massiv senken, doch das würde zu Massenarbeitslosigkeit führen, denn mehr als jeder zehnte Angestellte arbeitet in diesem Sektor.
Wer auf der falschen Seite steht, geht unter
Es ist eine Zwickmühle, für das es keine Lösung zu geben scheint. Hinzu kommt eine Jugendarbeitslosigkeit von geschätzten 15-20% und die Maßnahmen der USA, sich unabhängiger von China zu machen. Den letzten Faktor sollte man nicht unterschätzen. Für viele chinesische Unternehmen wird mit den USA der größte Markt wegbrechen.
In China brennt die Hütte lichterloh, daher hat der Hang Seng zwischenzeitlich auch die Hälfte an Wert verloren. Wir im Westen nehmen das kaum wahr, doch dort hat man einen Crash erlebt, wie es ihn bei uns zuletzt 2008/2009 gab.
All das wissen unsere Leser bereits aus früheren Artikeln. Doch zuletzt hat sich der Wirtschaftskrieg zwischen China und den USA weiter verschärft.
Die USA haben die Einfuhrzölle für chinesische Elektroautos von 25% auf 100% erhöht. Für Lithium Batterien und Teile wurden die Einfuhrabgaben von 7,5% auf 25% erhöht. Die Zollgebühren für kritische Rohstoffe wie Graphit sowie Solarzellen und Halbleiter steigen von 25% auf 50%. Die Gesetzesinitiative wurde von beiden Parteien unterstützt. Es scheint eins der wenigen Themen zu sein, bei denen sich Demokraten und Republikaner einig sind.
Die USA ziehen die Daumenschrauben an
China steht also vor enormen Herausforderungen, viele davon sind hausgemacht, doch die Abkehr des Westens wiegt mindestens genauso schwer. Wo soll China zukünftig all die Waren verkaufen, wenn die USA und Europa sie nicht mehr möchten und wieder mehr selbst produzieren?
Es ist kein Zufall, dass in den strategisch relevanten Sektoren massive Investmentprogramme laufen und dass in den USA, Europa und anderen als verlässlich erachteten Partnerstaaten plötzlich wieder zahllose Fabriken entstehen.
Und das ist nur einer von vielen Gründen, warum chinesische Aktien im Westen in Ungnade gefallen sind. In den letzten Jahren kam es zu derartig vielen Betrugsfällen, dass man sie kaum zählen kann.
Die Bücher etlicher chinesischer Unternehmen waren und/oder sind frisiert, das Vertrauen ist dahin.
Hinzu kommen die geopolitischen Spannungen wegen Taiwan und Vorfälle wie der bei Alibaba. Hier wurden die westlichen Aktionäre um ihre Beteiligung an Ant Financial größtenteils beraubt. Die wenigsten werden sich noch daran erinnern, aber 2011 transferierte Jack Ma Ant Financial von Alibaba in ein neues Unternehmen, das damals vollständig ihm gehörte.
Wir werden systematisch ausgeraubt
Bei Yahoo, dem größten ausländischen Einzelaktionär von Alibaba, bekam man erst Monate später Wind davon. Als Yahoo dann gerichtlich dagegen vorgehen wollte, lachte man in China nur herzlich. Nach dem Rechtsverständnis im Reich der Mitte besitzen die westlichen Aktionäre nämlich nichts – zumindest keine Anteile an chinesischen Unternehmen.
China befindet sich seit Jahrzehnten auf einem internationalen Raubzug. Das beginnt bei Raubkopien und zieht sich über Hackerangriffe, Industriespionage, Patentrechtsverletzungen bis an die Börse.
Der Branchenverband Bitkom beziffert den Schaden, der durch Cyber-Angriffe im Jahr 2023 angerichtet wurde auf über 200 Mrd. Euro.
Das sind Ergebnisse einer Studie im Auftrag des Digitalverbands Bitkom, für die mehr als 1.002 Unternehmen quer durch alle Branchen repräsentativ befragt wurden. Rund drei Viertel (72 Prozent) aller Unternehmen waren in den vergangenen zwölf Monaten von analogen und digitalen Angriffen betroffen, weitere 8 Prozent vermuten dies, ohne entsprechende Angriffe zweifelsfrei nachweisen zu können (Quelle: Bitkom).
46 Prozent der betroffenen Unternehmen konnten Angriffe nach Russland zurückverfolgen (2021: 23 Prozent), 42 Prozent wurden aus China angegriffen (2021: 30 Prozent).
Sollte der tatsächliche Schaden wirklich bei 200 Mrd. Euro liegen, wären das in etwa 200 Euro je Bundesbürger und Monat.
Rückblickend muss man sich die Frage stellen, wie und warum wir das so lange zugelassen haben und noch immer zulassen. Wann werden wir endlich etwas dagegen unternehmen?
Doch statt etwas zu unternehmen, verkauft man ein Drittel des Hamburger Hafens an China…
Das Vertrauen in China und chinesische Aktien ist mit gutem Grund erschüttert. All das hat aber nicht verhindert, dass chinesische Aktien zwischenzeitlich massive Rallyes vollzogen haben und das kann wieder passieren.
Es ist nur wichtig, dass man sich der Gefahren bewusst ist.
Bei JD dürfte man all diesen Thesen natürlich nicht zustimmen, dass es ein Vertrauensproblem gibt, scheint man dort aber erkannt zu haben.
Für chinesische Unternehmen gibt aus meiner Sicht nur eine Möglichkeit, um wieder Vertrauen zu schaffen und das sind Aktienrückkäufe und noch besser Dividenden. Wenn das Geld auf den Konten der Aktionäre landet, beweist man damit, dass das Geld auch wirklich verdient wurde und vorhanden ist.
Abgesehen von dem massiven Kurssturz der JD-Aktie dürfte das wesentlich dazu beigetragen haben, dass man Aktienrückkäufe und eine Dividende beschlossen hat.
Den Büchern zufolge besitzt man aktuell 11,3 Mrd. USD an Barmitteln, was fast einem Viertel des Börsenwerts entspricht. Obendrein lag die P/E kürzlich noch bei etwa 7.
Wenn das alles so ist, ergeben Buybacks natürlich Sinn. Vom ersten Januar bis zum 15. Mai hat man insgesamt für 1,3 Mrd. USD eigene Aktien eingezogen, rund 3,1% aller ausstehenden Papiere.
Darüber hinaus hat man im April eine Dividende in Höhe von 0,76 USD je Aktie ausgeschüttet. Zum damaligen Kurs entsprach das in etwa einer Dividendenrendite von 2,8%.
Sollte sich dieser Trend fortsetzen und JD zuverlässig eine Dividende zahlen und Aktienrückkäufe durchführen, könnte das zu einem Umdenken führen. Zumindest JD würde dadurch wieder als vertrauenswürdig gelten.
Aktuell kommt JD auf eine forward P/E von 10,6. Seit dem Börsengang in den USA war die Aktie nie günstiger als in den letzten Wochen. Der KUV lag in dieser Zeit durchschnittlich bei 0,90 und aktuell bei 0,33.
Aus technischer Sicht ist die Lage ebenfalls interessant. Seit dem Börsengang war die Unterstützungszone bei 20-25 USD immer wieder der Ausgangspunkt für ausgedehnte Rallyes. Dazu könnte es jetzt wieder kommen.
JD macht Nägel mit Köpfen. Dem Kursverfall soll mit massiven Aktienrückkäufen und einer ordentlichen Dividende entgegengewirkt werden.
Die Stimmung ist im Keller
JD.com ist eines der führenden chinesischen E-Commerce-Unternehmen und zählt zu den größten Online-Händlern weltweit. Das Unternehmen bietet eine breite Palette von Produkten an, darunter Elektronik, Kleidung, Lebensmittel, Haushaltswaren und mehr.
Das Geschäftsmodell von JD.com basiert auf einem vertikal integrierten Ansatz, bei dem das Unternehmen sowohl als Händler als auch als Online-Marktplatz fungiert.
Im Gegensatz zu anderen E-Commerce-Plattformen kontrolliert JD.com den gesamten Lieferkettenprozess, einschließlich Lagerhaltung, Logistik und Lieferung. Das ermöglicht es JD.com, strenge Qualitätsstandards aufrechtzuerhalten und eine schnelle Lieferung anzubieten (in vielen Regionen 24 Stunden), was zu einer hohen Kundenzufriedenheit führt.
JD.com bietet auch weitere Dienstleistungen an, wie z.B. Online-Zahlungen, Finanzdienstleistungen und Cloud-Computing.
China ist ohne jeden Zweifel der Kernmarkt, doch JD ist auch international tätig und hat Partnerschaften mit verschiedenen globalen Unternehmen geschlossen, um seine Reichweite zu erweitern.
Déjà-vu
Heute ist JD ein wahrer Gigant. In den letzten fünf Jahren konnte man den Umsatz von 67,3 auf 150,5 Mrd. USD steigern. Damit gehört man zu den umsatzstärksten Unternehmen der Welt.
Zeitweise fand das an der Börse Anklang und der Kurs ging durch die Decke. Seitdem Anfang 2021 das Allzeithoch markiert wurde, ging es jedoch stetig abwärts. Man erlebt es nicht oft, dass sich der Kurs eines Großkonzerns erst verfünffacht und anschließend wieder die kompletten Kursgewinne abgegeben werden.
Das liegt nicht nur daran, dass chinesische Aktien in Ungnade gefallen sind. Der gemeldete Gewinn von JD ist 2021 massiv eingebrochen, was viele Anleger verschreckt hat.
Seitdem befindet sich die Aktie in einer Abwärtsspirale. Der Kursdruck ist so hoch, dass die geschäftlichen Fortschritte bisher vollständig ignoriert werden. Inzwischen ist die Aktie an einem Punkt angekommen, an dem das Chance-Risiko-Verhältnis wieder gut ist.
Es fühlt sich wie ein Déjà-vu an, denn die erste Analyse zu JD.com hatte ich im Januar 2019 verfasst. Damals notierte die Aktie in etwa auf demselben.
Wann schlägt sich das in den Kursen nieder?
Bisher wurden die geschäftlichen Resultate der jüngeren Vergangenheit komplett ignoriert. Während der Kurs um 80% gefallen ist, ist der Umsatz massiv gestiegen und JD ist längst wieder profitabel.
Im Geschäftsjahr 2022 legte der Umsatz um 9,9% auf 151,7 Mrd. USD zu und das Ergebnis konnte von -3,6 auf +1,5 Mrd. USD gesteigert werden. Das entspricht einem Gewinn von 0,28 USD je Aktie.
Der freie Cashflow war noch wesentlich höher, der gemeldete Gewinn dürfte demnach ein Understatement sein. Das Ergebnis (non-Gaap) lag bei 0,93 USD je Aktie.
Im letzten Geschäftsjahr hat sich die positive Entwicklung fortgesetzt. Der Umsatz konnte in lokaler Währung um 3,7% gesteigert werden, in Dollar waren es 152,8 Mrd. USD. Das Ergebnis legte von 1,5 auf 3,4 Mrd. USD zu, was 2,14 USD je Aktie entspricht.
Die Erwartungen wurden in jedem einzelnen Quartal übertroffen, doch die Kurse sanken weiter. Erst letzte Woche, nachdem man die Zahlen zum Schlussquartal vorgelegt hatte, sendeten die Bullen ein Lebenszeichen.
Das könnte die Trendwende einleiten
Bei JD will man den Kursverfall nicht mehr tatenlos hinnehmen, daher hat man Aktienrückkäufe in Höhe von 3,0 Mrd. USD beschlossen, was in etwa 9% des Börsenwerts entspricht.
Darüber hinaus hat man die Dividende auf 0,76 USD je Aktie erhöht, was einer Dividendenrendite von 3,17% entspricht. Der Stichtag ist der 5. April, ausgezahlt wird die Dividende am 23. April.
Das sind die richtigen Schritte. Im Westen gibt es berechtigte Zweifel an den Buchhaltungspraktiken in China. Aktienrückkäufe und eine ordentliche Dividende sind der beste Beweis dafür, dass das operative Geschäft profitabel ist und das Geld in den Büchern auch real ist.
JD wird durch die Buybacks und die Dividende 4,2 Mrd. USD an die Aktionäre ausschütten. Der Bilanz zufolge hat man derzeit 10,13 Mrd. USD an Barmitteln, man kann es sich also leisten.
Darüber hinaus wird erwartet, dass der Gewinn in diesem Jahr von 2,14 auf über 3,00 USD je Aktie steigen wird. Dadurch würde die P/E von 11,2 auf 8 sinken.
Kehrt das Vertrauen der Anleger zurück, hat die Aktie erhebliches Potenzial. Bei den Wachstumsraten wäre eine P/E von 15 problemlos zu rechtfertigen – und dass trotz der politischen Risiken in China. Wäre das Unternehmen nicht im Reich der Mitte ansässig und tätig, wäre die Bewertung vermutlich 3-4x so hoch.
Die beste vertrauensbildende Maßnahme, abseits von steigenden Gewinnen, sind weitere Aktienrückkäufe und eine Erhöhung der Dividende. Sollte das Ergebnis in dem Umfang zulegen, wie es erwartet wird, könnte und sollte man diese Schritte unternehmen.
Aus technischer Sicht steht die Aktie am Scheideweg. Kurzzeitig sah es danach aus, dass die Aktie endlich über das Widerstandsband bei 24,15 – 24,50 USD ausbrechen könnte. Doch den Bullen ging bereits nach einem Tag die Puste aus.
Sollte ein Ausbruch per Wochenschluss gelingen, würde sich das Chartbild erheblich aufhellen. Das erste Kursziel läge dann bei 29 USD, die übergeordneten Kursziele sind jedoch deutlich höher.
Für langfristige Investoren ist es jedoch kein Beinbruch, dass der Ausbruch vorerst nicht geglückt ist. Je länger die Durststrecke ist, desto größer ist anschließend das Kurspotenzial. Das gilt vor allem dann, wenn zwischenzeitlich im großen Stil Aktienrückkäufe durchgeführt werden.