IPOs: Das sollten Sie als Anleger über Börsengänge wissen
Seit der großen Welle von IPOs Ende der Neunziger Jahre teilt sich die Meinung der Investoren darüber in zwei Lager. Die einen sind fest davon überzeugt, dass man mit IPOs immense Gewinne erzielt. Die anderen glauben zu wissen, dass so etwas am Ende immer schiefgeht und man damit nur Geld verlieren kann. Das wirkt seltsam. Eine Seite muss Unrecht haben – oder nicht?
Beide Lager haben Unrecht, wenn sie ihre Meinung generalisieren. Ein IPO kann einem Anleger sehr viel Gewinn einbringen, mal kurzfristig, mal auch darüber hinaus langfristig. Und man kann damit auch leicht auf dem Bauch landen. Aber das kommt darauf an, ob man da mit Bedacht vorgeht. Was Sie darüber wissen sollten, wollen wir Ihnen hier kurz darlegen. Zunächst einmal natürlich: Was verbirgt sich hinter diesem Kürzel eigentlich?
Was ist ein „IPO“?
IPO ist die Abkürzung für „Initial Public Offering“, für das erstmalige Anbieten von Aktien durch ein Unternehmen. Hierzulande sagt man dazu auch „Neuemission“. Ein Unternehmen verkauft „sich“ damit an der Börse. Wieso tut man so etwas eigentlich?
Da kommen wir schon zu einem wichtigen Punkt, denn die Antwort auf die Frage „Warum“ ist bisweilen schon eine Vorentscheidung dafür, ob ein IPO ein gutes Investment werden könnte oder nicht.
Grundsätzlich bedeutet ein IPO, dass ein Unternehmen sich Geld an der Börse beschafft, indem es Besitzanteile, sprich Aktien, an die Anleger verkauft. Dadurch werden diese Anleger Teilhaber des Unternehmens und erhalten damit auch (normalerweise) ein unmittelbares Mitspracherecht. Aber dadurch, dass die Aktien allen angeboten werden, verteilt sich diese Einflussnahme der Anleger auf so viele Köpfe, dass das Unternehmen nicht fürchten muss, dass danach auf einmal zahllose Leute massiv in ihre Arbeit hineinreden. Würde man sich mit einem anderen Unternehmen zusammentun, d.h. fusionieren, würde es schon schwieriger werden, die eigene Linie beizubehalten. Grundsätzlich geben die Unternehmen also einen Teil des Unternehmens an andere ab ohne fürchten zu müssen, dass sie dadurch in ihren Plänen beschnitten werden. Warum sollte man als Anleger da mitziehen?
Diese Frage würde sich ja grundsätzlich immer beim Kauf von Aktien stellen, bei dem man einen so verschwindend kleinen Teil eines Unternehmens erwirbt, dass Mitsprache nicht möglich ist. Man darf zur Hauptversammlung kommen, erhält dort ggf. ein Würstchen mit Kartoffelsalat gratis und damit hat es sich. Nein, es geht natürlich für uns als Anleger, ob bei einem IPO oder beim Kauf längst im Handel befindlicher Aktien, nur um zwei Dinge: Kursgewinne und Dividenden.
Der Unterschied zum Kauf längst gehandelter Aktien ist, dass man bei einem IPO eine Aktie erwirbt, von der man nicht sicher wissen kann, ob sie an der Börse einschlägt oder zum Flop wird. Daher muss man sich im Vorfeld genau mit dem Unternehmen beschäftigen, der Sache auf den Zahn fühlen … oder warten, bis diese neue Aktie eine Zeitlang gehandelt wurde um absehen zu können, ob sie sich bewährt. Nur könnte man im Letzterem Fall die sogenannten „Zeichnungsgewinne“ verpassen. Dazu gleich, zunächst die Frage: Warum geht ein Unternehmen an die Börse? Dafür kann es ganz unterschiedliche Gründe geben.
Diese Frage müssen Sie sich stellen: Warum wird der IPO durchgeführt?
In der Regel geht es darum, Geld „einzusammeln“, weil man expandieren oder Unternehmen zukaufen möchte und das nicht über große Kreditvolumen bei Banken tun oder sich zur Kapitalbeschaffung in Abhängigkeit anderer Unternehmen begeben will.
Was auch vorkommt ist ein sogenannter „Spinoff“. Dabei trennt ein Unternehmen einen Teil des Konzerns ab, lässt ihn als grundsätzlich selbständiges Unternehmen laufen und bringt es an die Börse. Man verkauft also einen Unternehmensteil an die Aktionäre, behält aber oft erst einmal die Mehrheit. Das kommt in Deutschland gar nicht so selten vor, Beispiele sind z.B.:
- Siltronic als Spinoff der Wacker Chemie
- Covestro als Spinoff von Bayer
- Infineon oder Siemens Healthineers, vorher Teil von Siemens
- Innogy als Spinoff der RWE
- Uniper als Spinoff von E.ON.
Als Beispiel sehen Sie hier den Chart des Wafer-Herstellers Siltronic, der im Jahr 2015 von der „Mutter“ Wacker Chemie an die Börse gebracht wurde. Solche Spinoff-IPOs haben einen großen Vorteil: Da geht es nicht um junge Unternehmen, sondern um Teile etablierter Aktiengesellschaften, so dass man sich genau ansehen kann, wie dieser jetzt alleine agierende, ehemalige Teil des „Mutter-Unternehmens“ sich in den letzten Jahren geschlagen hat. Und Information ist bei einem IPO das A und O!
Es gibt aber auch Situationen, bei denen es weniger um die Kapitalbeschaffung mit dem Ziel geht, das Unternehmen mit dem eingesammelten Kapital voranzubringen. Es kommt vor, dass die bisherigen Unternehmenslenker einfach auf diesem Weg ihre Anteile teilweise zu Geld machen wollen oder das Unternehmen den Mitarbeitern die Möglichkeit geben möchte, die im Lauf der Zeit an diese als Teil der Entlohnung oder als Bonus verteilten Mitarbeiteraktien an der Börse in Bares umwandeln zu können. Denn man muss natürlich sehen:
Solange ein Unternehmen zwar einerseits eine Aktiengesellschaft ist, diese aber nicht an der Börse gehandelt wird, ist es schwer, solche Aktien zu verkaufen, da kein echter Markt besteht und damit der Aktienpreis „Ansichtssache“ ist.
Ein Beispiel für das „Kasse machen“ der Chefetage bei einem IPO ist das US-Unternehmen SNAP Inc. (bekannt durch die App „Snapchat“), das im März 2017 an die Börse ging. Die ausgegebenen Aktien waren stimmrechtslos, d.h. es wurde Geld eingesammelt, das die Gründer einnahmen, ohne aber die Aktionäre mitreden zu lassen. Das ist ein Aspekt, den wir damals bereits vor dem Börsengang als kritisch hervorgehoben hatten (den damaligen Artikel finden Sie hier: „Snapchat geht an die Börse: Muss man die Aktie haben?“). Dass sich die Aktie äußerst schlecht entwickelt hat, lag keineswegs nur daran. Deutlich wird durch solche Beispiele aber: In der Tat wird nicht alles zur Kursrakete, was an die Börse gebracht wird, man muss sich das im Vorfeld sehr genau ansehen, dazu gleich mehr.
Ein ganz untypischer Börsengang war der der Musik-Streaming-Plattform Spotify im Frühjahr 2018. Denn da wurden gar keine neuen Aktien vom Unternehmen selbst angeboten. In diesem Fall wurde nur der grundsätzliche Handel ermöglicht, so dass die Mitarbeiter, die über die Jahre Aktien ihres Unternehmens erhalten hatten, diese auch, so sie es wollen, an der Börse verkaufen und zu Bargeld machen können. Es gab aber weder eine Zeichnung noch wurde diese Aktion von sogenannten Konsortialbanken begleitet. Die Aktie entwickelt sich zwar relativ ordentlich, aber es gibt mangels umlaufender Aktien nur wenig Umsatz. Mehr zu diesem IPO finden Sie in diesem Artikel: „Spotify: Einen solchen Börsengang gab es noch nie!“).
IPO Übersicht
Informationen zu geplanten und laufenden Neuemissionen und zurückliegenden Börsengängen bekannter Unternehmen 2024 finden Sie hier:
Der übliche Ablauf eines IPO
Für Börsengänge gibt es einen klar geregelten Ablauf. Wir überspringen mal die Vorstufen, in denen ein Unternehmen, sofern noch nicht der Fall, zu einer Aktiengesellschaft werden muss und die grundsätzliche „Börsenfähigkeit“ geprüft wird. Für den Anleger wird es interessant, sobald der verbindliche Börsenprospekt auftaucht, Research Reports erstellt sind und das Unternehmen zusammen mit den Konsortialbanken (das sind die Banken, die das Unternehmen beim Börsengang betreuen) auf „Road Show“ geht. Das sind Werbeveranstaltungen, bei denen das an die Börse strebende Unternehmen um Investoren wirbt. Diese Veranstaltungen sind normalerweise für sogenannte institutionelle Investoren gedacht, d.h. für Fonds, Versicherungen etc., die große Volumen an einer neuen Aktie aufnehmen könnten. Aber da sickert gemeinhin einiges an Fakten durch, die einem als Anleger im Internet zugänglich werden.
Der nächste Schritt ist dann die Festlegung der sogenannten „Bookbuilding-Spanne“. Auf Basis der Resonanz der institutionellen Investoren auf das anstehende IPO setzen die betreuenden Banken eine Preisspanne fest, in der die Aktie voraussichtlich durch die sogenannte „Zeichnung“ zu bekommen sein wird. Sollte die Nachfrage hoch sein, wird die Aktie eher im oberen Bereich der Bookbuilding-Spanne ausgegeben, bei einer wackligen Nachfrage eher am unteren Ende. Bei unerwartet hoher oder niedriger Nachfrage werden solche Bookbuilding-Spannen oft auch noch einmal angepasst.
Dann beginnt die Zeichnungsfrist. In dieser Zeit muss der Anleger seinen „Auftrag“ abgeben, d.h. er erteilt seiner Bank den Auftrag, bei der Zeichnung dabei sein zu wollen und gibt an, wie viele Aktien er haben will. Ideal ist es, wenn die eigene Bank dabei zu den Konsortialbanken gehört, weil diese nicht selten die Zeichnungsaufträge eigener Kunden bevorzugt berücksichtigen. Zum Ende der Zeichnungsfrist legen die Konsortialbanken dann den endgültigen Emissionspreis (Zuteilungspreis) fest. Sofern Sie bei der Zuteilung der Aktien berücksichtigt wurden (was immer dann offen ist, wenn die Nachfrage deutlich höher ist als die Zahl der zur Emission vorgesehenen Aktien), bekommen Sie diese Aktien dann zum Zuteilungspreis ins Depot gebucht. Und dann …
… beginnt das „Börsenleben“ der Aktie. Sobald die Zuteilung abgeschlossen ist, wird der erste Börsenkurs ermittelt. Der wiederum sich dann ausschließlich nach Angebot und Nachfrage am Börsenparkett richtet. Oft ist es so, dass der erste Kurs der Aktie (Erstnotiz) deutlich über dem Zuteilungskurs liegt. Das passiert, wenn die Nachfrage nach der Aktie groß war, die Story des Unternehmens die Anleger reizt und viele, die wegen der hohen Nachfrage bei der Zeichnung nicht zum Zuge kamen, dann sofort über die Börse mit dabei sein wollen.
Das kann eine gute Idee sein. Oder auch ein großer Fehler. Diese beiden Charts zeigen eine erfolgreiche und eine keineswegs erfolgreiche Geschichte einer Neuemission an der Börse. Der vorstehende Chart zeigt den soliden Aufwärtstrend von Zalando seit dem Börsengang im Oktober 2014, der folgende Chart die bisherige Bauchlandung der Deutsche Bank-Tochter DWS seit ihrem Börsengang im März 2018.
Worauf müssen Sie achten, um nach Möglichkeit bei einer solchen „Bauchlandung“ nicht dabei zu sein?
Zeichnen, an der Börse kaufen oder Finger weglassen? Worauf Sie achten müssen
Sie haben anhand der vorstehenden Beispielcharts gesehen, IPOs können hervorragende oder äußerst unerfreuliche Investments werden. Eine absolute Sicherheit, hier einen guten Griff zu tun, kann es niemals geben. Garantien werden an der Börse nie und nirgendwo mitgeliefert. Aber es gibt einiges, was Sie tun können, um sich eine gute Ausgangsbasis zu sichern.
- Sehen Sie sich die „Story“ des Unternehmens genau an. Haben Sie den Eindruck, dass da jemand mit starker Perspektive an den Start geht? Dann kommt hinter den ersten Punkt der Checkliste schon einmal ein Häkchen.
- Lässt sich erkennen, wie sich das Unternehmen vor seinem Börsengang geschlagen hat? Sind über einen längeren Zeitraum Umsatz und Gewinn bekannt? Wenn ja, ist das von Vorteil. Die sogenannten „Spinoffs“ bieten da meist sehr gute Informationen.
- Leuchtet Ihnen der Grund ein, warum dieses Unternehmen an die Börse geht? Und hat es klar dargelegt, wofür dieses eingesammelte Kapital eingesetzt werden soll? Das ist entscheidend, denn vage Andeutungen, man wolle expandieren, sind dünn und sollten vorsichtig stimmen.
- Ist das Interesse an der Aktie hoch … und wenn ja, warum? Ist die Nachfrage während der Zeichnungsfrist hoch, weil die Aktie mit einem gewaltigen Medienrummel an die Börse gebracht wird oder weil dieses Unternehmen wirklich eine sehr interessante Kapitalanlage werden dürfte?
- Wird die Bookbuildingspanne gesenkt, der Tag der Zeichnung womöglich nach hinten verschoben? Vorsicht, das ist grundsätzlich kein gutes Zeichen. Vor allem, wenn es heißt, das „Börsenumfeld“ sei gerade nicht günstig. Starke Unternehmen brauchen keinen steigenden Gesamtmarkt, um sich beim IPO einer hohen Nachfrage zu erfreuen.
Wenn Sie diese fünf Punkte positiv bewerten, dann ist eine Zeichnung eines solchen IPO allemal interessant.
Und wenn das IPO dann am ersten Handelstag eine vernünftige Nachfrage aufweist und nicht wie bei einem Schlussverkauf durch die Decke geht (was immer auf gefährlich viel Zockerei hindeutet), ließe sich eine solche Aktie dann auch noch an der Börse erwerben. Aber wie bei allem an der Börse gilt:
Laufen Sie schnell steigenden Kursen grundsätzlich eher nicht hinterher, da ließe es sich dann besser abwarten, bis die Aktie schon eine Zeit lang an der Börse notiert ist. Dann lässt es sich absehen, ob sie sich „bewährt“. Und vor allem haben Sie dann auch einen Chart zur Hand, durch den es Ihnen möglich ist, einen sinnvollen Stoppkurs zu setzen.
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