Die Geschichte der Aktie

von Ronald Gehrt
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Die wichtigsten Fakten der Geschichte der Aktien und des Aktienhandels

Man drückt eine Taste auf der Computertastatur oder klickt mit der Maus … und schon hat man, so man es denn möchte, Aktien gekauft oder verkauft. Für ein paar hundert Euro oder für Millionen, binnen Sekunden. Und das auch noch womöglich an einem Börsenplatz, der sich am anderen Ende der Welt befindet. Diese Aktien werden dann, ebenfalls blitzschnell, ins eigene Depot hinein oder aus dem Depot herausgebucht. Heute normal, früher Science-Fiction.

Der Handel mit Aktien ist heutzutage einfach und schnell. Doch was wir als Normalität empfinden, war noch vor zwanzig Jahren undenkbar. Wie muss es dann erst zugegangen sein, als die Aktien aus der Taufe gehoben wurden? Und wo und wann mag das gewesen sein? In diesem Beitrag machen wir einen kleinen Streifzug durch die Geschichte der Aktie … und gehen dazu, manch einer mag sich wundern, über 700 Jahre zurück.

Zuerst kamen die Börsen, erst später die Aktien

So ganz richtig ist die Aussage der Überschrift nicht, denn es gab, bevor im Jahr 1409 die erste Börse in Brügge entstand, bereits eine Aktie. Womöglich aber wirklich nur eine einzige, die als Urkunde einen Anteil von einem Achtel an einer schwedischen Kupfermine bezeugte. Dieses Papier datiert auf das Jahr 1288. Doch es sollte mehr als 300 Jahre dauern, bis sich diese Form der Veräußerung von Anteilen erneut zeigte. Die Börsen selbst aber kamen früher, denn:

An Börsen werden natürlich nicht nur Aktien gehandelt, heute nicht, damals nicht. An den ersten Börsen wurden Waren und verbriefte Kredite gehandelt. Solche Börsen entstanden im 15. Jahrhundert in den Niederlanden ebenso wie in Italien. In Deutschland tauchten diese Börsen … oder besser Börsenplätze … Mitte des 16. Jahrhunderts auf, zunächst in Augsburg, dann in Köln, Nürnberg, Hamburg, Bremen und Frankfurt. Also dort, wo Handelsknotenpunkte existierten und entsprechend viele Händler Waren und Geld bewegten.

Die erste feste Börse in einem ausschließlich für den Zweck des Wertpapierhandels vorgesehenen Gebäude entstand Anfang des 17. Jahrhunderts, laut „Wikipedia“ 1612 oder 1613, in Amsterdam. Aber was ist nun mit den Aktien?

Die ersten Aktien wurden auch gleich zur Legende

Man könnte denken, dass der Bau fester Börsengebäude zu Ehren der Aktien erfolgte. Und das ist gar nicht mal verkehrt. Denn schon bei Krediten war der Handel auf freien Plätzen nicht ganz ungefährlich, weil solche Dokumente schwer zu schützen waren. Das galt für Aktien erst recht, auch, wenn man in der Anfangszeit der Aktien genau wusste, wer wie viele davon besaß.

Die ersten dokumentierten Aktien waren Anteilsscheine der berühmten britischen „East India Company“. 101 Anteile wurden ausgegeben, um das im Jahr 1600 gegründete Unternehmen mit dem nötigen Kapital zu versehen. Denn das ist ja die Grundidee der Aktie:

Man verkauft Außenstehenden einen Anteil des Unternehmens in Form von Anteilsscheinen (Aktien), um mit dem so eingenommenen Geld das Unternehmen zu finanzieren.

Ob diese Anteile, die man „company shares“ nannte (woher sich der englische Name für Aktien – „shares“ – herleitet), wirklich gehandelt wurden … man weiß es nicht. Was man aber weiß ist, dass bald darauf die holländische Ostindienkompanie gegründet wurde (1602) und deren Aktien tatsächlich im Jahr 1603 erstmals gehandelt wurden. Man weiß sogar, dass das zwischen Jan Allertsz und Maria von Egmont geschah. Natürlich war das ein typischer „außerbörslicher“ Handel, denn die Börsen waren für Aktien noch gar nicht vorgesehen. Wie auch, es gab ja mit den Aktien dieser beiden legendären Gesellschaften nur eine Handvoll davon auf der Welt.

Aber diese ersten Aktien wären wohl als „IPO“, als Börsengang für Jedermann, ein Renner geworden. Immerhin betrieben diese Ostindiengesellschaften den faszinierenden Handel mit fernen Ländern in Übersee und all den für die damalige Zeit exotischen Waren. Und niemand wusste, wann und womit diese Schiffe zurückkehrten … und ob sie überhaupt wiederkamen. Das waren „Startups“, gegenüber denen die heutigen äußerst langweilig wirken.

In Deutschland gab es die ersten Aktien ab 1682, auch da ging es um den Überseehandel. Aber bis es so etwas wie einen ständigen Aktienhandel an den Börsen gab, sollte noch mehr Zeit vergehen.

Vor 200 Jahren: Ein regelmäßiger Handel entwickelt sich

Die wahrscheinlich erste deutsche Aktie, die regelmäßig an einer Börse gehandelt wurde, war die der Emdener Heringsfang-Company, wie aus einer Gedenkschrift der Berliner Börse aus dem Jahr 1913 hervorgeht. Das war im Jahr 1785. Nicht gerade ein allzu spannendes Metier, aber immerhin, der regelmäßige Handel begann damit.

Wirklich in Schwung kam der Aktienhandel aber erst Mitte des 19. Jahrhunderts, als zunächst der Boom der Eisenbahn begann und dann die sogenannten „Gründerjahre“ folgten, die nicht ohne Grund so genannt wurden. Unternehmen und neue Industrien schossen wie Pilze aus dem Boden. Und da, endlich, kam ab 1875 auch die Frankfurter Börse mit einem regelmäßigen Aktienhandel hinzu.

Und drüben, in den USA, wo das berühmte Gebäude der New York Stock Exchange an der Wall Street den Eindruck erweckt, schon immer da gewesen zu sein? Dort bekam die Börse im Jahr 1817 in der Wall Street ein Dach über dem Kopf, zuvor wurde, wie im Europa des frühen 17. Jahrhunderts, einfach auf öffentlichen Plätzen gehandelt.

Auch in den USA ging es ab Mitte des 19. Jahrhunderts richtig los mit dem regelmäßigen und auch durch Verordnungen geregelten Aktienhandel. Vorher gestaltete sich die Sache schleppend, Aufzeichnungen berichten, dass es in den 1820er Jahren Tage gab, an denen keine einzige Aktie gehandelt wurde. Aber auch in Amerika war es die Eisenbahn, mit der der Aktienhandel richtig in Schwung kam. Und diesen Schwung hat er sich bis heute erhalten. Aber wie ging es damals zu in solchen Börsen?

Wie es früher an der Börse zuging – Tafel, Schwamm, Kreide und viel Getöse

Um dazu ein perfektes Stimmungsbild zu erhalten, lohnt sich die Lektüre des Börsenbuch-Klassikers „Das Spiel der Spiele“ über das Leben der Börsenlegende Jesse Livermore (siehe dazu auch unserer Beitrag „Diese 10 Börsenbücher sollten Sie gelesen haben“).

In diesem 1923 erschienenen, aber bis heute erhältlichen Klassiker beschreibt Livermore seine Teenagerzeit an der Börse, wo er in regionalen Börsen (mehr Spielhallen als Börsen und „Bucket Shops“ genannt) als Kurstafel-Boy anfing. An den Börsen gab es damals einen Publikumsbereich, meist durch Holzschranken vom Bereich der Händler abgetrennt. Die Anleger riefen den Händlern Kauf- und Verkaufsgebote zu, diese brachten sie miteinander in Einklang und riefen die gehandelten Kurse laut aus (open outcry), damit jeder informiert war. Dieser Aufruf wurde dann umgehend vom Kurstafel-Boy an einer großen Schiefertafel im Hintergrund des Saals notiert: Die ersten Kurstafeln funktionierten also noch im Handbetrieb.

Je reger der Aktienhandel wurde, desto lauter und chaotischer ging es dabei zu. Vor allem, nachdem der „Börsenticker“ eingeführt wurde (1867). Das war ein Telegraph, der die Aktienkurse aus dem Börsensaal zu all den Empfängern sandte, die sich solche Geräte leisten konnten. Wenngleich die Kurse dadurch relativ zeitnah über weite Entfernungen gesendet werden konnten, dauerte es doch seine Zeit, bis entsprechende Orders außerhalb der Börse diese wieder erreichten … und bis der Anleger wusste, ob er seine Aktien kaufen oder verkaufen konnte und zu welchem Kurs, konnten Stunden vergehen. Oder, in extremen Phasen, Tage.

Die ersten Crashs um die Wende des 19./20. Jahrhunderts hatten nicht selten genau diese Ursache: Die telegraphische Übermittlung war in Extremsituationen überlastet, niemand hatte den Überblick, ob es einen massiven Angebots- oder Nachfrageüberhang gab, die Händler mussten warten, bis sie ein klares Bild über die Orderflut hatten und die Ticker wieder zur Ruhe kamen. Und bis dahin konnte viel passieren. Damals war der Aktienhandel noch ein Abenteuer, allein, was seine Abwicklung angeht.

Die „Moderne Zeit“ begann 1971 mit der Nasdaq

Und das blieb relativ lange so. Viele von Ihnen werden schon Investoren gewesen sein, bevor der Siegeszug des Internets stattfand. Sie werden sich erinnern: Bei der Hausbank Aktien über Telefon ordern zu können, war bereits ein Fortschritt der 80er Jahre. Vorher musste man noch persönlich vorsprechen, Kauf- oder Verkaufsformulare mit den entsprechenden Vordruckfarben ausfüllen (man hatte so etwas wie ein Scheckbuch mit den entsprechenden Vordrucken) und warten, warten, warten.

Die Orders gingen telefonisch an die Zentrale, von dort an die Börse zum Händler und dann die Rückmeldung den ganzen Weg wieder retour. Da man zudem über die Kursentwicklung nur über die Zeitung oder das Radio Nachricht bekam, schwebte man recht lange im Ungewissen.

So hatten selbst größere Anleger beim Crash im Jahr 1987 erst mitbekommen was passiert war, als die Frankfurter Börse, die damals nur bis 13:45 Uhr handelte, längst geschlossen war. Abenteuerliche Zeiten … aber damals waren die USA schon einen wichtigen Schritt voraus. Und deren Fortschritt gelangte jedes Mal zügig über den großen Teich nach Europa.

Zwei Elemente mussten sich entscheidend verändern, um den heutigen Börsenhandel mit seiner absoluten Zuverlässigkeit und dem atemberaubenden Tempo zu ermöglichen: Die Struktur des Handels an sich und die Möglichkeiten, Informationen zu übermitteln.

Und es war allerhöchste Zeit, denn die Umsätze im Aktienhandel explodierten förmlich. An der New York Stock Exchange wurden 1886 erstmals mehr als eine Million Aktien an einem Tag gehandelt. Aber 1997 wurde erstmals ein Umsatz von über einer Milliarde (!) Aktien erreicht – das Tausendfache dessen, was 111 Jahre vorher ein Rekord war. Das ließ sich mit herkömmlichen Techniken nicht mehr stemmen.

Ein erster Schritt war die Automatisierung des Handels, erstmal für einen ganzen Börsenplatz umgesetzt mit der Gründung der US-Computerbörse Nasdaq im Jahr 1971. Erstmals gab es kein Händlerparkett mehr, die Orders wurden von Computern abgewickelt. Das war schon einmal ein riesiger Schritt, wenngleich die meisten anderen Börsen immer noch mit klassischen Methoden agierten.

In den Neunzigerjahren kam der nächste, entscheidende Schritt: Bei der Orderabgabe war man nicht mehr auf Telefone angewiesen und wurde durch belegte Leitungen blockiert, denn das Internet trat seinen Siegeszug an. Und mit der stetig wachsenden Leistungsfähigkeit der Computer nimmt auch die Geschwindigkeit des Handels immer weiter zu: Heute wird in Millisekunden erledigt, was vor 30, 40 Jahren noch Stunden dauerte – und das weitaus transparenter als damals.

Aktien heute: Unsichtbare Werte und ein großes Plus an Sicherheit

Für jemanden wie mich, der seit gut 30 Jahren selbst Anleger ist, ist diese Zeit vor dem automatisierten Handel eine schöne Erinnerung. Da war der Aktienhandel noch etwas Besonderes, man sah alle Börsensendungen, las Börsenbücher und ging nicht ohne eine Börsenzeitung mit den gigantischen Kursteilen aus dem Haus, in denen man die Kurse nahezu mit der Lupe lesen musste. Die späten 80er waren die Zeit der ersten Optionsscheine, des Japan-Booms, kurz darauf kam die Zeit des Mauerfalls und der Wende. Der Aktienhandel war spannend, ein Abenteuer. Zumindest in der über die Jahrzehnte verklärten Erinnerung. Und heute?

Heute ist es in Wahrheit keinen Deut weniger spannend … nur weniger unsicher. Und das ist entscheidend. Sicher, seit längerer Zeit kann man sich Aktien nicht mehr aushändigen lassen und zu Hause in den Safe packen. Sie sind unsichtbare Werte geworden, die man, ohne einer Börse auch nur nahe zu kommen, vom heimischen Schreibtisch aus mit einem Knopfdruck kaufen und verkaufen kann. Aber letztlich ist ja auch unser Geld zum größten Teil unsichtbar. Bis auf das, was wir im Geldbeutel mit uns tragen, bekommen wir unser Geld ja nie zu Gesicht, weder wenn es kommt, noch wenn es geht.

Und ist es nicht phantastisch, sofort, von jedem Ort aus und zu jeder Zeit einen Überblick über sein Depot zu haben? Binnen Sekunden ein- und aussteigen zu können und das Geld in Minutenschnelle auf dem Konto zu haben?

Mancher wendet ein, dass durch das steigende Tempo und diese Möglichkeiten für Jedermann auch die Schwankungen zunehmen. Das mag sein, aber extreme Kursimpulse gibt es, seitdem es Aktien gibt. Nur kann man heute sofort darauf reagieren, früher, in der „Steinzeit der Aktie“, konnte man es nicht!

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