Hang Seng China Enterprises Index: Was passiert hier gerade?

von Ronald Gehrt

Einige US-Marktstrategen raten massiv zum Einstieg in den chinesischen Aktienmarkt. Grund: die Welle an Stimuli seitens der chinesischen Regierung und der Notenbank, um das unter den Erwartungen bleibende Wachstum in Fahrt zu bringen. Aber ist es wirklich so einfach?

Man gibt den Banken mehr Anreiz, Geld zu verleihen und den Unternehmen und Verbrauchern mehr Anreiz, dieses Geld zu leihen … und alle Wachstumssorgen sind passé? So simpel wäre es, wenn alle wie auf Knopfdruck tun, was die Entscheider von ihnen erwarten. Aber auch, wenn in China vieles reguliert und gesteuert ist: Die Bürger zu mehr Konsum zu zwingen, das geht nicht.

Doch am Aktienmarkt hat man genau das in einer nahezu unglaublichen Kaufwelle eingepreist. Der Hang Seng China Enterprises Index, kurz HSCEI, der die größten 50 chinesischen, in Hongkong frei handelbaren Unternehmen umfasst, ist binnen drei Wochen um fast 40 Prozent gestiegen. Und hat damit, Sie sehen es im Chart auf Wochenbasis, den höchsten Level seit Anfang 2022 erreicht, als man noch nichts von dem Beben des Immobilienmarkts und der Konsumschwäche ahnte.

Hang Seng China Enterprises Index: Chart vom 07.10.2024, Kurs 8.330,85 Punkte, Kürzel: HHI.HK | Online Broker LYNX
Hang Seng China Enterprises Index: Chart vom 07.10.2024, Kurs 8.330,85 Punkte, Kürzel: HHI.HK | Quelle: TWS

Bis zum Hoch des Jahres 2021, als man dachte, Corona sei bald vorbei und dann würde eine Zeit gewaltigen Wachstums anbrechen, wäre zwar noch einiges an Spielraum. Aber die Frage ist, ob man sich da nicht schon jetzt übernommen hat, indem man ein Szenario einpreist, das womöglich gar nicht kommt?

Expertenmeinung: Rein charttechnisch passt bei dieser Hausse des HSCEI alles, keine Frage. Der Index hat im Sommer einen Boden auf der 200-Tage-Linie ausgebildet, diesen im September abgeschlossen und die massive Widerstandslinie um 7.000 Punkte mit Schwung überwunden. Danach ging es ohne Momentums-Verlust über die Widerstandszone 7.758/7.986 und am Montag erneut ein Stück weiter nach oben, aber:

Die Dimension dieses Kursanstiegs sowie die sogar auf Wochenbasis überkaufte Markttechnik (hier im Chart der RSI) machen klar: Bei einer derart extremen Kaufwelle muss das Fundament in Form der Rahmenbedingungen felsenfest daherkommen. Und das tut es nicht.

Es ist schon nicht ideal, dass man hier auf Basis reiner Hoffnungen agiert. Und das so schnell und extrem, dass man es sich dreimal überlegen sollte, jetzt noch dem Getrommel der Marktstrategen zu folgen, die proklamieren, dass man in China quasi alles kaufen könne. Aber nüchtern betrachtet sind auch diese Hoffnungen an sich eher dünnes Eis, denn eines sollte man nicht übersehen:

In China gab es einen gewaltigen Immobilienboom, der jetzt dem großen Katzenjammer gewichen ist. Und wir wissen aus der Erfahrung der US-Immobilienkrise ja nur zu gut, dass man solche Probleme nicht einfach mit mehr Geld und weniger Zinsen lösen kann. Der Konsum in China ist nicht deswegen so mager, weil die Leute kein Geld hätten. Er ist mager, weil die Verbraucher durch das Platzen der Immobilienblase misstrauischer und vorsichtiger geworden sind, was die Zukunft angeht. 

Niedrigere Zinsen und Anreize wie weniger Kapitalbevorratung bei Banken und niedrigere Anzahlungen beim Kauf von weiteren Immobilien über die eigene hinaus setzen darauf, dass sich Chinas Verbraucher einfach trotz Immobilienkrise eine Wohnung als Investition zulegen und/oder wie die Roboter mehr Konsumgüter kaufen, nur, weil die Kredite dafür jetzt etwas weniger Zinsen kosten. Aber ohne Vertrauen in solides Wachstum wird das nicht passieren. Und dass Chinas Regierung nebst Notenbank derart hektisch mit Maßnahmen um sich wirft, zeigt, dass man zu lange zu wenig getan hatte. Man hat keinen Plan … und den vorsichtig gewordenen Verbrauchern wird das nicht entgehen.

Solange der HSCEI Widerstände überwindet, statt unter Unterstützungen zu fallen, kann man sicherlich auf dem fahrenden Zug bleiben, denn wann der letzte eingestiegen ist, der nur die Hausse sieht und nicht deren Fundament abklopft, ist bei einer derartigen Dynamik nie absehbar und selten eng an charttechnische Ankerpunkte gebunden. Immerhin dominieren hier vor allem Emotionen und nicht der Verstand. Aber jetzt, nach einer 40 Prozent-Rallye in so kurzer Zeit, noch über einen neuen Long-Trade nachzudenken, das wäre sogar höchst riskant, wenn das Fundament dieser Hausse wirklich etwas taugen würde.

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