Die meisten Menschen unterteilen das, was sie tun oder beurteilen, oft unbewusst in Abschnitte. Uhr und Kalender spielen für uns eine große Rolle. Und das gilt genauso für die Börse. Einzelne Quartale werden von den Unternehmen als Berichtsabschnitte genutzt, von institutionellen Investoren als strategische Meilensteine … und sie können daher uns Anlegern als Chance dienen. Sehen wir uns das mal an.
Wenn ich das hier fertig habe, mache ich mir erst einmal einen Kaffee … denken wir nicht fast alle so? Sagen wir uns nicht: Wenn ich diese Woche hinter mir habe, gönne ich mir erst einmal ein gemütliches Wochenende? Hört man sich nicht bisweilen sagen: Dieser Monat war heftig, aber nächsten Monat werde ich endlich sparen / abnehmen / mehr Sport treiben / gesünder essen / die Steuererklärung machen? Ich kann nicht für jeden sprechen, aber ich kenne kaum Ausnahmen:
Wenn man mal genau hinschaut, unterteilen wir unser Leben in kleine und große Abschnitte, und sei es, indem man sich sagt: Dazu komme ich nie, aber wenn ich erst einmal Urlaub habe / in Rente bin / wieder gesund bin, dann geht’s aber los! Und dieses „Abschnitts-Denken“ spiegelt sich, wen wollte es wundern, auch an der Börse wider.
Die Börse läuft in Abschnitten … und Quartalsübergänge sind da dominant
Eine „Taktung“ nach dem Kalender findet sich auch, aber deutlich weniger oft und weniger zuverlässig als bei Branchen und Einzelwerten, bei großen Indizes. Sie basiert darauf, dass zwei wichtige Termine nahe am bzw. direkt am Quartalsende liegen.
Da ist zunächst die große Abrechnung an der Terminbörse an jedem dritten Freitag des dritten Monats eines Quartals. Nur da, an diesem sogenannten „dreifachen Hexensabbat“, werden über die Optionen hinaus auch noch die Futures abgerechnet, zugleich orientieren sich die Laufzeiten vieler Optionsscheine und Zertifikate an diesen Terminen. Dadurch entsteht für die großen Adressen am Markt nach diesen nahe am Quartalsende liegenden Terminen eine Zäsur – die sich aber oft erst etwas später auswirkt, weil dann auch noch der Quartalsultimo nahe ist. Und auch der ist für die großen Akteure, vor allem für die Fonds, wichtig, denn:

Große Adressen nutzen Quartalswenden gerne zur Adjustierung ihres Portfolios
Weil wir in Abschnitten denken und Quartale dabei eine hohe Relevanz besitzen, nicht zuletzt, weil ja auch die Unternehmen quartalsweise Zwischenmeldungen abliefern, sind die Performances einzelner Quartale von besonderer Bedeutung. Die werden genau beachtet, oft dienen sie als Entscheidungsgrundlage dafür, wie Anleger ihre Positionen einordnen. Daher versuchen Fonds und Hedgefonds (ETFs haben diesen Spielraum ja aufgrund der Notwendigkeit nicht, Benchmarks genau nachzubilden), ihre Performance zu solchen Quartalsenden hin zu optimieren. Das nennt sich „Window Dressing“ – ein gutes Bild, weil man da ja in der Tat nichts anderes tut, als durch gezielte Käufe und Verkäufe das Schaufenster des eigenen „Ladens“ werbewirksam aufzuhübschen.
Sind die große Abrechnung am Terminmarkt und der Quartalsultimo aber vorüber, haben diese großen Akteure die ideale Gelegenheit, ihre strategische Ausrichtung zu überprüfen und ggf. anzupassen. Und das bietet die Basis für neue Trendimpulse, indem bestimmte Branchen, die entweder schon gut bzw. zu gut gelaufen sind oder deren Perspektiven sich eingetrübt haben, Verkaufsdruck sehen … und indem andere, die als günstig oder perspektivisch spannender eingeordnet werden, durchstarten. Und das bietet demjenigen eine Chance, der zu solchen Quartalswenden, wie wir sie jetzt gerade sehen, genau hinschaut.

Neues Quartal, neuer Trade … aber es gibt ein paar Dinge zu beachten
Die den Beitrag begleitenden Charts zeigen Beispiele für solche Fälle. Hier die Augen offen zu halten und frühzeitig zu erkennen, was offenbar nicht nur von ein oder zwei, sondern einer größeren Zahl an großen Adressen als im neuen Quartal kaufenswert angesehen wird, kann sich durchaus lohnen. Wenn man zwei Aspekte im Hinterkopf behält:
Erstens gibt es natürlich nicht nur zu Quartalswenden Richtungswechsel. Ob es im Mai 2023 der Beginn des KI-Hypes war oder die Rallye der Rüstungsaktien ab Februar: Natürlich richten sich externe Einflüsse nicht nach dem Kalender. Nur alle drei Monate einmal genauer hinzusehen, reicht also nicht aus, wenn man sein Portfolio sinnvoll an den Gesamtmarkt-Trend angepasst halten will.
Zweitens müssen solche zu Quartalswenden auftauchende Impulse nicht ein Vierteljahr lang vorhalten. Die Dynamik kann versanden, die Sache kann sogar als Bumerang enden. Und zwar dann, wenn einige der „Großen“ zwar zu Beginn eines neuen Quartals stärker auf eine bestimmte Branche oder einige der aus ihrer Sicht stärksten Aktien der Branche setzen, andere institutionelle Investoren das aber nicht mittragen und die Käufe der anderen nutzen, um eigene Positionen in diesem Bereich abzubauen oder sogar, wenn es um Hedgefonds geht, aktiv gegen den Trendimpuls zu spekulieren.

Genau hinsehen lohnt: Es kann um die ganze Branche gehen oder um Einzelwerte
Wichtig ist auch, sich zugleich Branchenindizes anzusehen und dann die wichtigsten Einzelwerte innerhalb der Branche. Denn es kann durchaus sein, dass ein Branchenindex nicht gezogen oder gedrückt wird, weil große Investoren die gesamte Branche neu bewerten und entsprechend umstrukturieren, sondern es ihnen um einzelne Aktien innerhalb der Branche geht, bei denen sie ihre Ausrichtung verändern. Ein gutes Beispiel dafür ist die Luxusgüterbranche, in der es seit einigen Jahren zu einer auffälligen Übergewichtung von Hermès kommt, während die Kering-Aktie massiv unter Druck stand und aktuell auch noch weiter steht, wie unser vorstehender Chart zeigt.
Auch bei den Halbleiter-Unternehmen haben wir eine solche interne Schere. Oben hatten wir Ihnen ja den S&P 500 Halbleiterindex als Beispiel für öfter auftretende Wendepunkte an oder nahe an Quartalswenden gezeigt. Hier einmal ein zusätzlicher Blick auf einige der wichtigeren Aktien innerhalb dieses Index. Sie sehen:

Auch da gibt es interessante Einzeltrends, die eine Beobachtung lohnen. Achten Sie da aber immer auch auf die Quartalszahlen. Liegen die, wie bei vielen Halbleitern, nahe nach einer Quartalswende, kann sich ein größerer Trendwechsel von der eigentlichen Quartalswende in den ersten Monat des neuen Quartals verlagern, weil man abwartet, bis diese Bilanzdaten vorliegen.
Die „Großen“ geben die Richtung vor
Diese Quartalswechsel sind also grundsätzlich eine Zeitspanne mit höheren Chancen auf neue, frische Trendimpulse. Ebenso wie die großen Adressen da ihre Portfoliostruktur prüfen und ggf. ändern, kann man das als Privatanleger also auch tun. Wobei man natürlich auch eigene Ideen entwickeln und umsetzen könnte, was im neuen Quartal besser laufen und was man im Gegenteil besser aus dem Depot werfen könnte, aber:
Diese institutionellen Investoren sind von der Kapitalstärke her eben diejenigen, die Trends „machen“ und aufrechterhalten können. Eine eigene Idee ist zwar individueller und spannender als mit dem Strom zu schwimmen. Aber nur, wenn man mit seiner Erwartung eines neuen Trendimpulses nicht alleine steht, wird auch etwas daraus. Da bietet die „Herde“ also schon ein wenig mehr Schutz vor unliebsamen Entwicklungen, wobei:
Wie gesagt können solche Impulse zu Beginn oder nahe am Beginn eines Quartals auch „abgeschossen“ werden. Wenn man solchen auffälligen Bewegungen folgen möchte, die auf Neuausrichtungen bei großen Adressen hindeuten, darf man das nie ohne eine konsequente Absicherung über Stoppkurse tun!
Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Börsenwoche!
Ihr
Ronald Gehrt
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