Börse aktuell

Hier erfahren Sie, was an der Börse aktuell geschieht. Unser Börsenexperte Ronald Gehrt beobachtet täglich das aktuelle Börsengeschehen und fasst die neuesten Börsendaten und Börsenberichte wöchentlich für Sie zusammen. Mit Börse aktuell bringen wir die wichtigsten Börsennachrichten auf den Punkt und kommentieren, was momentan an der Börse los ist.

Börse: Aktuelle Nachrichten der Woche

Neues von der Börse: Unsere aktuellen Börsennachrichten informieren Sie jede Woche über die derzeitige Börsenentwicklung. Was beschäftigt die Börse? Was steht diese Woche an? Diktieren Bullen oder Bären die Märkte? Sollten Sie Ihre Investitionen erhöhen oder lieber Gewinne mitnehmen? Wir geben Ihnen die Antworten auf diese Fragen, wagen einen Ausblick auf die kommende Börsenwoche und bewerten anstehende Ereignisse, die Auswirkungen auf den Börsenverlauf haben könnten.


Börse aktuell vom 23.-29.09.2024

Ist das jetzt schon eine „Milchmädchen-Hausse“?

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DAX
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Wie heiß gelaufen ist der Aktienmarkt derzeit? Haben wir schon den Punkt erreicht, ab dem man diese Rekordjagd als eine hochexplosive „Milchmädchen-Hausse“ ansehen muss? Klären wir erst einmal, was das eigentlich sein soll und dann, wo wir da aus meiner Sicht stehen.

Also: Was soll das sein, eine „Milchmädchen-Hausse“? Als der Aktienmarkt (nicht nur in den USA, aber da ganz besonders) in den Jahren vor dem Crash 1929 und der nachfolgenden, jahrelangen Super-Baisse immer höher kochte, lag das vor allem daran, dass immer mehr Leute, die weder Erfahrung am Aktienmarkt noch den Hauch des nötigen Basiswissens hatten, auch ein Stück vom Kuchen abhaben wollten und extrem unvernünftig agierten.

Kredite für Aktienkäufe gab es überall, mit den Aktien selbst als Sicherheit. Aber zu horrenden Zinsen, weil die Kreditgeber wussten, dass die Aktien ein wackliges Unterpfand sind. Die Kreditnehmer hingegen sahen nur die rasant steigenden Kurse, pfiffen auf die Wucherzinsen und kauften wie wild. Dadurch waren auch viele einfache Leute, die eigentlich das Geld für Aktien nicht übrig hatten, auf einmal nicht nur Anleger, sie waren Spekulanten … meist indes ohne zu ahnen, wie groß die Risiken waren, die sie eingingen.

Der Name ist eher willkürlich, man hätte es auch „Schuhputzer-Hausse“ nennen können

Es hieß, man konnte in New York keine Meile mit dem Taxi fahren, ohne dass der Fahrer entweder Aktientipps haben wollte oder ungefragt welche von sich gab. Der Schuhputzer wusste über den Markt Bescheid, der Klempner, der Eismann oder eben die Mädchen in den Milchgeschäften. Zumindest dachten sie das.

Diese Spekulationswelle sorgte für immer weiter steigende, aber auch volatilere Märkte … und endete mit einem gigantischen Knall, wobei damals wie bei jedem anderen Abriss nicht absehbar war, wann genau und auf welchem Kursniveau das passieren würde. Nur dass es passieren musste, war den eher wenigen, die noch bei Sinnen waren, völlig klar. Am Ende verloren immens viele Menschen alles … und vor allem das führte dazu, dass es mit dem 1929er-Crash nicht getan war, sondern die Weltwirtschaftskrise folgte, die die Aktienmärkte bis 1934, als Roosevelt den „New Deal“ umsetzte, massiv drückte.

Dieser Spitzname kommt also aus der damaligen Zeit, wobei „Milchmädchen“ wohl einfach am besten klang, nehme ich an. Man könnte das Phänomen überbordender Gier und massiven Leichtsinns auch „Taxifahrer-Hausse“ oder „Schuhputzer-Hausse“ nennen. Der Name ist nicht der Punkt, was dahintersteht, ist entscheidend.

Es muss nicht alles genau wie damals sein … es geht vor allem um den Leichtsinn

Natürlich trug es entscheidend zur damaligen Katastrophe bei, dass es schon fast üblich war, auf Kredit zu spekulieren, aber es ging vor allem um den Leichtsinn an sich. Im Zuge des Internet-Wahns 1999/2000 lief das sehr, sehr ähnlich, während ich die Phase vor dem Crash 1987 und die vor dem Platzen der Subprime-Blase 2008 eher nicht als Milchmädchen-Hausse, sondern „nur“ als Phase überzogener Sorglosigkeit ansehen würde. Einen Run völlig unbedarfter Anleger gab es hingegen vor 1929, vor 2000 und … jetzt?

Wer behauptet, dass so etwas früher einmal denkbar war, aber doch heute nicht, möge sich erinnern: 2000 ist nicht lange genug her, um behaupten zu können, dass die Bestrafung zu großen Leichtsinns eine Sache früherer Zeiten sei. Davon abgesehen, dass es nie um das konkrete Umfeld geht. Es geht um das Verhalten der Marktteilnehmer. Und das ändert sich nie, weil sich die Menschen an sich auch nicht ändern. Die Geschichte belegt das ja immer wieder und in jeder Hinsicht.

Börse aktuell: Entwicklung Nasdaq 100 von 1998 bis 2003 mit Absturz nach Hausse | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Börse aktuell: Entwicklung Nasdaq 100 von 1998 bis 2003 mit Absturz nach Hausse | Quelle: marketmaker pp4

Seitdem der Corona-Crash im Februar und März 2020 so rasant aufgeholt wurde, ist eine ungewöhnlich große Zahl an Anlegern neu hinzugekommen, die alle mit dem Eindruck gestartet sind, dass jeder Rücksetzer am Aktienmarkt eine todsichere Gewinnchance ist und nichts, aber auch gar nichts die ewige Hausse wird kippen können. Und dass weder die Inflation noch der Ukraine-Konflikt und die hohen Zinsen den Anstieg der Märkte stoppen konnten, dient ihnen als unwiderruflicher Beweis. Aber dabei wird eines übersehen:

Die Kurse steigen, solange mehr Volumen in Käufe als in Verkäufe geht. Ob das mit Blick auf die Rahmenbedingungen auch so passt oder nicht, hängt davon ab, ob diejenigen, die da kaufen, wissen was sie tun oder nicht. Passt das Umfeld nicht, ist schlagartig Feierabend mit der Hausse, wenn der Klientel der Ahnungslosen und Leichtsinnigen das Geld ausgeht … und sei es nur für kurze Zeit. Was dann passieren kann, wenn auch die „Milchmädchen“ angetreten sind, sprich jeder, der grundsätzlich könnte, auch dabei ist und dem Markt damit Expertise und Käufer zugleich knapp werden.

Ist das so? Und kommen die Faktoren des fehlenden Grundwissens und des Leichtsinns noch obendrauf?

Börse „lernen“? Wozu denn!

In den letzten zwei Monaten kamen alleine drei Leute aus meinen Bekanntenkreis an und verkündeten, dass sie jetzt auch am Aktienmarkt mitmischen werden. Alle drei ohne den Hauch von Basiswissen oder gar Erfahrung. Der eine sagte nur, er lasse seinen Bankberater jetzt monatlich sein Geld an der Börse verwalten … und wusste nicht mal, was genau der dann damit macht. Der zweite wollte von mir wissen, welche „Handy-App“ für Trading ich empfehlen würde (hat vorher noch nie eine Aktie gekauft), der dritte erklärte mir sogar, er werde jetzt über eine Broker-App Daytrading machen, denn er kenne da zwei, die würden da richtig viel Geld machen und davon leben.

Da sinkt einem, der wie ich jetzt seit 35 Jahren an der Börse herumhantiert, anfangs alles gelernt und gelesen hat, was man lernen und lesen konnte, ein Wirtschaftsstudium als Basis hat und trotzdem oft genug auf die Fr***e gefallen ist, der Kopf auf die Tischplatte. Vor allem eines ist heftig: Glauben Sie, dass auch nur einer der drei zukünftigen Börsen-Gurus mich gefragt hätte, wo man für Aktien-Trading gute Tutorials finden könne, welche Bücher man lesen soll, wie man am besten Paper-Trading angeht oder ähnliches? Keiner. Diese Leute wollen nichts lernen und nichts wissen, sie wollen „haben“. Und zwar Gewinn. Weil sie ernsthaft angesichts des medialen Getrommels um ein neues Rekordhoch nach dem anderen meinen, dass man dazu nichts können muss. Willkommen am Vorabend von 1929!

Wenn viele niedrige Kurse mit „billig“ verwechseln

Aber es könnte ja sein, dass das nur Zufall ist, drei Extrembeispiele, die mir halt über den Weg liefen, aber die meisten anderen klug, besonnen und mit dem nötigen Basiswissen ans Werk gehen. Könnte es. Aber der folgende Chart lässt mich vermuten, dass das nicht der Fall ist. Er zeigt, dass momentan seltsamerweise vor allem Aktien laufen, die „billig“ sind. Schauen Sie hier mal beim MDAX: Abgebildet sind diejenigen unter den 60 MDAX-Aktien, die weniger als zehn Euro kosten, Zeitraum: ein Monat. Dazu noch Delivery Hero als eine typische „Mode-Aktie“ der ersten Generation der „Ich muss nichts wissen um reich zu werden“-Spekulanten aus der Corona-Zeit, die immer dann aus dem nichts steigt, wenn diese Klientel mal wieder umfassender aktiv wird.

Börse aktuell: Entwicklung von MDAX Aktien mit Kursen unter 10 Euro von August bis September 2024 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Börse aktuell: Entwicklung von MDAX Aktien mit Kursen unter 10 Euro von August bis September 2024 | Quelle: marketmaker pp4

Bis auf thyssenkrupp und Evotec, die jetzt aber auch aufholen, sind alle diese „billig“ wirkenden Aktien in den letzten Wochen auffallend besser gelaufen als der Index selbst. Trotz der alten Börsen-Regel, dass, was billig wirkt, noch viel billiger werden kann, weil Aktien nie nur aus Versehen einen niedrigen Kurs haben. Was jeder Investor weiß. Aber wer von Tuten und Blasen keine Ahnung hat, weiß es eben nicht. Wenn ich so etwas sehe, sehe ich eine Milchmädchen-Hausse.

Meme-Aktien: Heißt es nicht, „mit Geld spielt man nicht“?

Als Meme-Aktien bezeichnet man für den Gesamtmarkt unbedeutende Aktien, die in Internet-Foren massiv gepusht und von Gruppen von Marktteilnehmern dann gezielt gekauft werden, angeblich, um es den bösen Short-Sellern, die man oft irrigerweise mit dem Banken-Establishment gleichsetzt, zu zeigen. Eine dieser 2021 auf diese Weise durch die Decke (sehen Sie sich im Chart rechts die prozentuale Veränderung an!) gezockten und dann sang- und klanglos eingebrochenen Aktien war die der Computerspiele-Kette Gamestop.

Börse aktuell: Börse aktuell: Entwicklung Gamestop Aktie von 2020 bis 2024 mit extremen Ausschlägen | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Börse aktuell: Entwicklung Gamestop Aktie von 2020 bis 2024 mit extremen Ausschlägen | Quelle: marketmaker pp4

Diejenigen, die in Foren zum Kauf geraten und Kaufwellen organisiert hatten, wurden damit reich, denn sie kauften vor diesen Kaufwellen der Leichtgläubigen und stiegen aus, als deren Käufe den Level blanken Wahnsinns erreichten. Man hätte denken können, dass die, die am Ende die Dummen waren, daraus gelernt hätten. Aber im Mai und Juni 2024 ging der Irrsinn erneut los … mit dem gleichen Resultat. Wenn diejenigen, die die Ahnungslosen am Nasenring durch die Arena führen, zuletzt wieder ein ideales Umfeld für eine Runde „Abzocke“ sahen, ist das für mich ein erneuter Hinweis darauf, dass wir das „Milchmädchen-Stadium“ längst erreicht haben.

Die Gefahr an sich ist noch kein Verkaufssignal!

Zu erkennen, dass da eine Menge Leute auf dünnem Eis tanzen, während sie glauben, über das Wasser laufen zu können, heißt: Obacht, die Sache wird jetzt richtig „tricky“. Es heißt aber nicht, dass man an der Börse aktuell alleine deswegen Haus und Hof versetzen und Short gehen sollte. Das wäre in etwa genauso gewitzt wie blind sein Erspartes in Aktien zu stecken und zu glauben, rauf ist der einzige Weg für die Kurse.

Man darf nicht vergessen, dass es über zwei Jahre dauerte, bis die bis dahin auf von niemandem erahnte Größe gewachsene Blase 1929 platzte. Und vor dem Dot.Com-Crash im März 2000 ging es zwar nicht unbedingt allzu lange nach oben, dafür aber, siehe den Nasdaq 100-Chart ganz oben, extrem schnell und weit. Wer bereits Short ist, muss daher ganz genau wissen, wie man sich in einer von ihrer Größe und Dauer nicht eingrenzbare Hausse auf der Gegenseite positionieren und verhalten muss.

Aber man muss ja auch nicht glauben schaffen zu können, was so unwahrscheinlich ist, dass man es besser lassen sollte: Genau am Hoch zu verkaufen und auf Baisse zu setzen. Das klappt wenn, dann nur durch Zufall und gelingt einem von hundert. Wichtig ist nur eines: Man muss um die Gefahren wissen und immer dann, wenn immer mehr andere leichtsinnig werden, umso vorsichtiger vorgehen – das ist völlig ausreichend, um nicht unter die Räder zu kommen, die am Ende jedes Mal die Milchmädchen unter den Marktteilnehmern erwischen.

Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Börsenwoche!

Ihr

Ronald Gehrt

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Börse aktuell: DAX, Dow Jones und Co.

Die heutigen Top-News und Börsenmeldungen zum DAX und der Börse USA mit dem Dow Jones, dem Nasdaq und dem S&P 500 als weltweit einflussreiche Indizes bilden einen Schwerpunkt unserer aktuellen Berichterstattung von der Börse. Auch gute Aktien, die momentan sehr stark im Fokus der Anleger stehen und steigende Börsenkurse prophezeien, werden wir Ihnen hier vorstellen. So bekommen Sie einen umfassenden Börsenausblick und können Ihre eigenen Börsenprognosen verifizieren oder falsifizieren.

Börse: Aktuelle Entwicklung und Trends

Die aktuelle Entwicklung und der aktuelle Trend an der Börse werden maßgeblich von Wirtschaftsnachrichten, Konjunkturdaten und Neuigkeiten von börsennotierten Unternehmen bestimmt. Diese wirken sich nicht nur auf Aktienkurse aus, sondern auch auf andere Assetklassen wie börsengehandelte Fonds, Optionen und Futures. Des Weiteren werden durch Börsennachrichten auch die Anleihemärkte und Rohstoffmärkte in Bewegung versetzt. Daher haben wir auch die Zinsen, den Ölpreis und Goldpreis immer im Blick.

Börse: Aktuelle Tipps zum Marktgeschehen

Neben Börsennews bekommen Sie auch hilfreiche Tipps, um das gegenwärtige Marktgeschehen besser zu interpretieren. Der Börsenmarkt setzt sich aus vielen verschiedenen Märkten zusammen. Jedes Land, jede Branche und jedes Finanzprodukt wird von individuellen Faktoren beeinflusst, sodass es schwierig ist, alle Märkte mit ihren jetzigen Chancen und Risiken zu verfolgen und zu analysieren. Mit Börse aktuell liefert Ihnen unser Börsenprofi die Börseninformationen, die wirklich wichtig sind, und zugleich eine kompakte Börsenvorschau der Woche.

Börse aktuell: Die letzten Nachrichten

Man sagt, dass ziemlich viele Anleger abergläubisch sind. Und wenn man sich überlegt, wie stark völlig unsinnige „Indikationen“ wie der Zehn-Tage-Indikator zu Jahresanfang oder der Super Bowl-Indikator beachtet werden, mag man das gern glauben. Aber wieso steigen dann die Aktienmärkte an einem Freitag, den 13. auffällig oft?

Zunächst einmal zu dieser Behauptung, dass der Anteil an abergläubischen Anlegern größer ist als unter der Bevölkerung insgesamt. Ich behaupte jetzt mal, dass das bislang noch niemand wirklich eindeutig ermittelt hat. Zumal man ja eher ungern vor anderen zugibt, z.B. beim Zerbrechen eines Spiegels innerlich schon mal mit dem Leben abzuschließen. Aber ich könnte mir durchaus vorstellen, dass das tendenziell zutrifft, denn die Börsen könnten manche allemal dazu bringen, sicherheitshalber eine Hasenpfote zu streicheln, bevor sie einen Trade wagen. Weil?

Gefahren „bannen“, indem man gezielt dagegenhält? An der Börse nicht ungewöhnlich.

Weil man hier stets Entscheidungen unter Ungewissheit treffen muss. Im täglichen Leben weiß ich im Groben, was mich morgen erwartet. Sicher, auch da könnte mir ungeplant ein Klavier auf den Kopf fallen, aber an der Börse hängt ein solches Klavier jeden Tag über einem. Jeden Moment könnten Gewinnwarnungen kommen, eine wilde Kaufwelle aus dem Nichts einsetzen, Notenbanker in Reden oder Interviews unverhofft Entscheidendes von sich geben. Die meisten Marktteilnehmer kommen damit zurecht, einfach, weil die Börse und das Unerwartete einfach zusammen gehören, das liegt in der Natur der Sache. Manche aber hadern mit diesem Aspekt und verfallen auf Indikatoren wie die oben genannten, auf Glücksbringer oder ziehen halt an einem Freitag, den 13. den Kopf ein.

Dass der Freitag, der 13. eigentlich ohne triftigen Grund ein Unglückstag sein soll, dürfte den Abergläubischen nicht beruhigen. Ob er nun auf den Freitag, den 13. Oktober 1307 zurückgeht, an dem der französische König die Verhaftung aller Mitglieder des Templerordens befahl oder auf den Börsenroman „Freitag, der 13.“ von T.W. Lawson aus dem Jahr 1906, sei mal dahingestellt. Ein echtes Argument, um an einem solchen Tag besonders vorsichtig zu sein, wäre beides nicht. Aber man weiß ja nie, gell?

Aber wieso rasseln die Aktienmärkte dann nicht jedes Mal, wenn der 13. ein Freitag ist, in den Keller? Eben drum! Denn wer fürchtet, dass dieser Tag Unglück bringen könnte, kann hier aktiv dagegen wirken, indem er eben gezielt an diesem Tag nichts aus dem Depot verkauft, sondern eher das dräuende Unglück „austreibt“, in dem er/sie kauft. Bei negativen Nachrichten, die rational betrachtet fallende Kurse nach sich ziehen müssten, erleben wir das ja auch sehr oft: Das „Wegkaufen“ von Gefahren ist an der Börse ja schon fast normal. Warum also nicht auch den Freitag, den 13. auf diese Weise „bannen“?

Die Statistik ist beeindruckend – Freitag der 13. scheint für die Bullen ein Glückstag zu sein

Aber das alleine kann doch nicht wirklich dazu führen, dass ein solches Datum nicht nur nicht negativ auffällt, sondern im Gegenteil einer der Tage ist, an dem die Aktienindizes am häufigsten steigen?

Da mir kein Forschungsjahr bewilligt wurde, in dem ich mit einer Strichliste a) das Verhältnis von Tagen mit steigenden zu denen mit fallenden Kursen über Jahrzehnte ermitteln und b) dies mit den Aufwärts- und Abwärts-Tagen an einem Freitag, den 13. ins Verhältnis setzen könnte, habe ich nur die letzten gut zehn Jahre auf Freitage, die auf einen 13. fielen, abgeklopft. Das Ergebnis:

Börse aktuell: Kursentwicklung S&P 500 am Freitag, den 13. von 2022 bis 2024 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Börse aktuell: Kursentwicklung S&P 500 am Freitag, den 13. von 2022 bis 2024 | Quelle: marketmaker pp4

Zwischen dem 1. Januar 2014 und Freitag, den 13. September 2024 haben wir 18mal einen solchen Tag gesehen. An 12 davon stieg der S&P 500, den ich hierfür als einen Index ausgewählt habe, der für Tendenzen am Aktienmarkt insgesamt mit am besten geeignet ist. Der vorstehende Chart zeigt dabei nur die letzten drei Jahre, sonst wird es zu unübersichtlich, weil man hier ja einen Chart auf Tagesbasis braucht, um sehen zu können, was der Index an diesen vermeintlichen Unglückstagen getrieben hat, die es in diesem Zeitraum viermal gab.

In 12 von 18 Fällen aufwärts … eine Zwei-Drittel-Chance auf steigende Kurse an einem vermeintlichen Unglückstag … da könnte man ja glatt erneut dem Glauben verfallen, dass hinter diesem Tag etwas Mysteriöses steckt. Tut es aber nicht. Der Grund, wieso dieser Tag auffällig oft steigende Kurse sieht, liegt nicht bei dunklen Mächten, sondern es ist die Position in Bezug auf die die Märkte ja immer kräftig beeinflussenden Abrechnungen an der Terminbörse, der diese auffällig gute Performance verursacht.

Ein Freitag der 13. fällt immer in die Tage der Terminmarkt-Richtungsentscheidung

Es ist letztlich also einfach nur ein Zufall, dass ein Freitag der 13. in zweierlei Hinsicht besonders ist. Einmal als vermeintlicher Unglückstag, zum anderen aber als ein Tag in der Phase, in der meistens bereits ausgefochten wird, in welche Richtung der Markt zur nächsten Abrechnung am Terminmarkt laufen soll. Der Grund:

Eine solche Abrechnung findet immer am dritten Freitag eines Monats statt. Da ein Freitag der 13. zwingend der zweite Freitag eines Monats ist, ist also der auf ihn folgende Freitag immer ein Abrechnungstermin an der Terminbörse.

Börse aktuell: Zusammenhang Freitag, der 13. und die Abrechnung an der Terminbörse | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Börse aktuell: Zusammenhang Freitag, der 13. und die Abrechnung an der Terminbörse | Quelle: marketmaker pp4

Und in Bezug auf solche Abrechnungen, bei denen es für die großen Akteure am Terminmarkt ja immer um gewaltige Summen geht, beginnt das Ringen, ob eine solche Abrechnung eher am oberen oder am unteren Ende der Handelsspanne der letzten Wochen ablaufen soll, in der Regel bereits am Donnerstag und Freitag der Woche davor, spätestens aber dann am Montag der Abrechnungswoche. Da die Tendenz, solche Abrechnung „as high as possible“ ablaufen zu lassen, sehr deutlich überwiegt, sind Donnerstage und Freitage vor einer Abrechnung gerne mal Tage, an denen es richtig rund geht, meist dabei aber eben aufwärts. Im vorstehenden Beispielchart gingen die Attacken der Terminmarkt-Bullen eben erst am Montag nach dem Freitag, den 13. November 2015 los, aber oft passiert das vorher. Was alles mit diesem Datum als vermeintlichem Unglückstag also gar nichts zu tun hat.

Wurde auch diesmal am Freitag den 13. die Richtung des Terminmarkts in Stein gemeißelt?

Dabei sehen wir öfter mal das Muster, was wir auch aktuell sehen: Der Donnerstag ist der starke Tag gewesen, am Freitag ging es dann eher moderat weiter aufwärts, aber eben aufwärts. Die Bullen am Terminmarkt haben also ihre Duftmarke gesetzt, jetzt kommt es darauf an, ob sie das auch bis zur Abrechnung an diesem Freitag durchhalten.

Börse aktuell: Kursentwicklung S&P 500 vorm und am Freitag, den 13. September 2024 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Börse aktuell: Kursentwicklung S&P 500 vorm und am Freitag, den 13. September 2024 | Quelle: marketmaker pp4

Wobei das diesmal gar nicht mal so absolut sicher ist, weil erfahrene Trader sehen konnten, dass man es gegen die Rahmenbedingungen versucht. Gegen die Rahmenbedingungen, weil weder die US-Inflationsdaten am Mittwoch noch die EZB-Entscheidung am Donnerstag wirklich Wasser auf die Mühlen der Bullen waren. Was man auch daran erkennt, dass der S&P 500 am Mittwoch nach den Inflationsdaten erst einmal kräftig abrutschte, bevor man dann mit aller Macht das Ruder herumriss.

So etwas ist ein bisschen wacklig … und das weiter oben zu sehende Beispiel der Dezember-Abrechnung im dem Jahr 2015 (d.h. der zweiten, im Chart gezeigten) zeigt ja auch, dass es nach dem Richtungsentscheid keineswegs zwingend nur noch in die eingeschlagene Richtung gehen muss, sondern es auch mal zu einem heftigen Konter der Gegenseite kommen kann. Die kommenden Tage werden also spannend … aber wie gesagt: All das hat mit dem Nimbus, dass Freitage, die auf einen 13. fallen, Unglück bringen, wenig bis gar nichts zu tun!

Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Börsenwoche!

Ihr

Ronald Gehrt

Diesmal geht es um alles, um die Demokratie, die Wirtschaft, die Geopolitik, das zumindest kann man in den Medien lesen, hören und sehen. Wobei je nach Ausrichtung entweder Harris oder Trump den Untergang, der/die andere die Rettung bedeuten, aber: Erstens blasen die Medien jede Wahl dergestalt auf. Zweitens wird am Ende vieles weniger heiß gegessen, als es medial vorher gekocht wurde. Und drittens, und das ist mit entscheidend, geht es bei der US-Wahl 2024 nicht nur um Trump oder Harris, die Sache ist komplizierter. Sehen wir uns das mal an.

Seit 1992 habe ich jede US-Wahlnacht vor dem Bildschirm verbracht – auch bei den „Midterm Elections“ – und werde auch zukünftig keine dieser Wahlen verpassen. Aber das tue ich weniger als Trader denn als interessierter Beobachter, weil sich das Wahlsystem in den USA sehr von dem unseren unterscheidet und dadurch äußerst bemerkenswerte Konstellationen entstehen können.

Dass die für die Geopolitik und die Wirtschaft, für das Leben des Einzelnen und für die Börsen immense Bedeutung haben können, ist zwar richtig. Aber so simpel, wie die meisten Medien das darstellen, ist es nicht. Als Investor sollte man daher wissen, was genau da abläuft und wie wichtig das Ergebnis für die Märkte wirklich ist. Auch, wenn dieser Beitrag die Knackpunkte letztlich nur streifen kann: Einiges sollte man auf jeden Fall im Hinterkopf haben, wenn man diese Wahl 2024 als Basis des eigenen Tradings nutzen möchte.

Die kurzen Beine der politischen Börsen und das Schwarz/Weiß-Denken der Anleger

Der oft strapazierte Spruch, „politische Börsen haben kurze Beine“ trifft oft zu. Aber ganz und gar nicht immer. Ein massiver politischer Wandel kann die Börsenlandschaft durchaus lange Zeit durcheinander wirbeln. Sicher, die US-Unternehmen konnten bislang fast ungebremst tun, was sie wollen … und daran dürfte sich auch ab 2025 nicht viel ändern, egal, wer diese Wahl gewinnt. Und die Leitzinsen und mit ihnen die Kosten für Refinanzierungen werden weiter von der US-Notenbank bestimmt, die ihre garantierte Unabhängigkeit von der Politik bewahren wird, auch egal, wer die Wahl gewinnt. Aber es macht für die Wachstumsperspektive schon einen entscheidenden Unterschied aus, wer fürderhin mehr und wer weniger Steuern zahlen muss, wen neue Gesetze fördern und wer davon gebremst wird.

Das kann auch den Wert des US-Dollars zu anderen Währungen deutlich beeinflussen, kann die Attraktivität von US-Anleihen für internationale Investoren fördern oder verringern, die Schaffung neuer Produktionsstandorte in den USA und, natürlich, die übergeordnete Tendenz der Aktienmärkte mit bestimmen. Nur übersieht man dabei gerne eines:

Wird die Politik vor ein Problem gestellt, muss es gelöst werden. Und ob man das aus eigener parteipolitische Ausrichtung nun gut oder unerfreulich findet: Meist gibt es für jedes Problem nur einen „besten Weg“… und der muss gegangen werden, egal, ob man im Vorfeld der Wahl anderes propagiert hat oder nicht. Daher stellt sich die Frage, ob der Wahlsieger/die Wahlsiegerin das Zeug hat, das Land voranzubringen nicht vor der Wahl, sondern erst, wenn man wirklich sehen kann, ob und wie Probleme angegangen und gelöst werden.

Daher ist das typische Schwarz/Weiß-Denken, dass Republikaner bessere Wirtschaftspolitik machen und daher für den Aktienmarkt besser sind als ein demokratischer Präsident, zu kurz gedacht. Sicher, je komplizierter die Ausgangslage, desto eher neigen viele dazu, die Sache auf einfache Faustregeln zu reduzieren. Aber sehen Sie sich dazu einfach mal an, wie der Dow Jones unter den letzten Präsidenten seit 1980 gelaufen ist. Der Chart ist, um die Dimension der Performance besser erfassbar zu machen, logarithmisch skaliert:

Börse aktuell:Kursentwicklung Dow Jones während der Präsidentschaft von Demokraten bzw. Republikanern von 1980 bis 2024 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Börse aktuell:Kursentwicklung Dow Jones während der Präsidentschaft von Demokraten bzw. Republikanern von 1980 bis 2024 | Quelle: marketmaker pp4

Dass Demokraten keine „Wirtschaft können“, erschließt sich aus diesen Performances ebenso wenig wie die Schwarz/Weiß-Denkweise, dass ein republikanischer Präsident automatisch bullisch für den Aktienmarkt wäre. Und wenn man es sich genauer überlegt, ist das auch logisch denn:

Inflation, Arbeitsmarkt, Schulden, Verbraucherstimmung: Meist spielt die Politik eine Nebenrolle

Auf einen Großteil der Faktoren, die auf die Börsen einwirken, hat die Politik wenig bis gar keinen Einfluss, egal, wer gerade im Weißen Haus sitzt. Der Lobbyismus großer US-Unternehmen erstreckte sich schon immer auf beide Parteien, beeinflusst politische Entscheidungen daher permanent. Gewerkschaften sind bei der Entwicklung der Löhne und damit der Kaufkraft eine entscheidende Kraft, die Notenbank mit ihrer Geldpolitik ebenso. Was den Konsum als entscheidenden Faktor des Wirtschaftswachstums angeht, spielt die Politik daher nicht selten nur eine Nebenrolle.

Inflationsphasen, geopolitische Konflikte, verzerrende Ereignisse wie Corona: Oft hat die Politik damit nichts zu tun oder muss sich mit „Erblasten“ vorheriger Regierungen herumschlagen. Dass das im Wahlkampf so ganz anders wirkt, ist normal, schließlich setzen die Kandidaten auf das kurze Gedächtnis und/oder das fehlende Wissen eines Teils der Wähler, die sie damit erreichen wollen, dass sie Amtsinhabern bzw. der Gegenpartei Missstände in die Schuhe schieben, die auf dem Gemüt der Wähler lasten. Aber man sollte eben genauer hinsehen, Beispiel Inflation:

Wenn Donald Trump im Zuge des Wahlkampfs Joe Biden für die Inflation bzw. das so viel höhere Preisniveau von Waren verantwortlich macht, neigen diejenigen, die am stärksten darunter leiden schon dazu, das unbesehen zu glauben, weil die Inflation schließlich in Bidens Amtszeit fiel. Aber sie war letztlich – und das ja nicht nur in den USA – eine Spätfolge der Lockdowns, eine Konsequenz der daraus resultierenden Materialengpässe. Und die Anfangsphase von Corona lag in Trumps Amtszeit, die Inflation war somit mehr eine „Erblast“ als eine Entwicklung, die nur auf Bidens Amtszeit basieren würde.

Ebenso wenig schuld war Bush Junior daran, dass der Dow Jones in seinen acht Jahren Amtszeit ein Minus auswies. Die Immobilienblase und der Zusammenbruch der Subprime-Spielchen hatte nur insofern mit der Regierung zu tun, als dass diese das nicht ausreichend erkannt und reguliert hat, aber man darf unterstellen, dass das unter jeder anderen Administration genauso schlecht gelaufen wäre.

Börse aktuell:Kursentwicklung Dow Jones und Veränderung US-BIP während der Präsidentschaft von Demokraten bzw. Republikanern von 1988 bis 2024 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Börse aktuell:Kursentwicklung Dow Jones und Veränderung US-BIP während der Präsidentschaft von Demokraten bzw. Republikanern von 1988 bis 2024 | Quelle: marketmaker pp4

Auch die überbordende Staatsverschuldung ist regelmäßig, so auch diesmal, ein beliebtes Wahlkampfthema, um die gerade regierende Partei zu diskreditieren. Aber letzten Endes ist die Staatsverschuldung seit dem Ende der Clinton-Ära im Januar 2001 jedes Jahr gestiegen, egal, ob der Präsident Demokrat oder Republikaner war.

Dementsprechend überschaubar ist die Bedeutung der Politik für Wachstum und Aktienmarkt, abgesehen von den vorgenannten Faktoren der Besteuerung oder starken Eingriffen in die Macht der Großunternehmen … was indes seit dem „New Deal“ von Franklin Delano Roosevelt vor 90 Jahren niemand mehr ernsthaft gewagt und geschafft hat.

Kurzfristig kann die Wahl extreme Reaktionen auslösen … aber die sind „Kopfsache“!

Ist die Wahl also eigentlich ein rein medial aufgeblasener Non-Event, der keine dauerhafte Folge vor allem für die US-Aktien haben wird? Vorsicht, so einfach ist es dann auch wieder nicht. Denken wir an den extremen Run der US-Aktien nach Trumps Wahlsieg im November 2016. Aber man muss dabei eines bedenken: Es hätte auch ganz und gar anders laufen können.

Da zwischen der Meldung, dass Trump wider Erwarten doch noch gewonnen hat (die am 9.11.2016 gegen Mitternacht US-Ostküstenzeit bzw. gegen sechs Uhr morgens unserer Zeit kam) und der Eröffnung der Wall Street eine Menge Zeit lag, zwischen der Meldung und dem Handelsstart des DAX aber nur drei Stunden, ist es der Chart des DAX, der das am besten verdeutlicht:

Börse aktuell:Kurzfristige Entwicklung DAX nach der US-Wahl 2016 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Börse aktuell:Kurzfristige Entwicklung DAX nach der US-Wahl 2016 | Quelle: marketmaker pp4

Als klar wurde, dass nicht Clinton, sondern Trump das Rennen gemacht hat, brachen die US-Index-Futures in der Nacht haltlos ein. Noch am Morgen, als der DAX in den Handel startete, war das Minus groß, so dass dieser mit einer kräftigen Abwärts-Kurslücke in den Tag ging. Aber als der reguläre US-Handel dann um 15:30 Uhr unserer Zeit startete, war aus dem Minus schon ein Plus geworden, das immer größer wurde und dann, nach ein paar Tagen unentschlossenen Wassertretens, Richtung Jahresende in eine regelrechte Hausse überging. Weil?

Man hatte am Markt einfach entschieden, Trumps Sieg als bullisch einzuordnen. Und das funktionierte gerade deswegen, weil man eben nicht vom Wahlsieger alleine abhängig machen kann, wie es weitergeht. Es geht darum, ob genug Trader am Markt das glauben wollen oder nicht. Daher muss man, sollte man sich jetzt, zwei Monate vor dieser Wahl 2024, positionieren wollen, im Hinterkopf haben: Es ist nicht nur wichtig, wer gewinnt, sondern auch, wie die Masse der Anleger das dann einordnet.

Und dazu ist nicht nur die Wahl des Präsidenten wichtig, sondern auch und gerade ein anderer, oft außerhalb der USA übersehener Punkt: Es ist entscheidend, ob ein neuer Präsident auch wirklich regieren kann.

Achtung, am 5. November finden auch Senats- und Repräsentantenhaus-Wahlen statt!

Was abschließend zu der Aussage im Eingangs-Absatz zurückführt, dass es hier nicht nur um Trump kontra Harris geht. Am Dienstag, den 5. November wird nicht nur der US-Präsident gewählt, sondern zugleich über alle 435 Sitze im Repräsentantenhaus und über ein Drittel der Mitglieder des Senats abgestimmt. Anders als bei uns, sondern eher angelehnt an das französische Wahlsystem gilt daher:

Ein neu gewählter Präsident muss keineswegs nach der Wahl über eine Mehrheit seiner eigenen Partei in einer oder, idealerweise, in beiden Kammern des US-Kongresses (d.h. Senat und Repräsentantenhaus) verfügen.

Die Präsidentschaftswahl läuft, wenn man es schnell zusammenfassen will, wie folgt ab: In jedem der 50 US-Bundesstaaten wird der Sieger der Wahl zwischen Trump und Harris jeweils ermittelt. Wer gewinnt, bekommt alle sogenannten „Wahlmänner“ des Staates zugesprochen, deren Zahl von der Bevölkerungsstärke des Bundesstaates abhängt. Diese Gesamtheit der Wahlmänner aus den 50 Bundesstaaten wählt dann im Dezember den Präsidenten. Was dazu führen kann (aber nie muss), dass ein Kandidat zwar auf die gesamten USA bezogen prozentual mehr Stimmen bekommen hat, aber der andere Kandidat mehr Wahlmänner hat und deswegen trotzdem Präsident wird. Das alleine macht diese Wahlen so spannend. Doch unter dem Präsidenten stehen ja noch die zwei Kammern des Kongresses, das Repräsentantenhaus und der Senat.

Die Mitglieder im 435 Sitze umfassenden Repräsentantenhaus sind immer nur für zwei Jahre gewählt (daher sind auch die sogenannten „Midterm Elections“ so wichtig). Und auch hier gilt: Wer die meisten Stimmen in einem der 435 Wahlkreise bekommt, kriegt den Sitz. Das muss dann aber nicht der Kandidat sein, der zur Partei des kommenden Präsidenten gehört. Und Wähler, die zwar beim Präsidenten die eine, bei ihrem „Congressman“ im Wahlkreis aber die andere Partei bevorzugen, sind nicht selten.

Die 100 Mitglieder im US-Senat sind für jeweils sechs Jahre gewählt. Jeder Bundesstaat, egal wie groß oder klein, stellt zwei Senatoren. Hier wird am 5. November nur ein Drittel neu gewählt, aber auch da ist dann offen, welche Partei die kommende Mehrheit stellt, weil der Senat derzeit in einem Patt dasteht und nur der Vizepräsident (derzeit Kamala Harris), quasi als 101. Stimme, Entscheidungen der Demokraten durchsetzen kann. Was bedeutet:

Börse aktuell:Entwicklung Dow Jones nach den Midterm Elections 2022 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Börse aktuell:Entwicklung Dow Jones nach den Midterm Elections 2022 | Quelle: marketmaker pp4

Die Börsen dürften ein Problem bekommen, wenn der neue Präsident und die Mehrheiten in Senat und Repräsentantenhaus nicht zusammenpassen, vor allem, wenn in beiden Kammern des Kongresses die Gegenpartei die Mehrheit bekäme. Das wäre noch deutlich unerfreulicher als ein Präsident, den die Börse weniger bevorzugt hätte, denn das hieße zwar einerseits, dass die Politik kaum noch imstande ist, sich in die Wirtschaft einzumischen, weil man sich gegenseitig neutralisiert. Aber es hieße eben auch, dass man keine positiven Entscheidungen treffen kann, außenpolitisch kaum handlungsfähig wäre und die Refinanzierung des Staates unsicher würde.

Wird es dazu kommen? Oder „passt“ nach dem 5.11. für die Anleger alles und Dow Jones & Co. ziehen nach oben davon? Angesichts dieses ziemlich komplexen Wahlsystems könnte das sogar noch kurz nach der Wahl offen bleiben. Ein Thema, das spannender kaum sein könnte, daher wird dieser Beitrag nicht der letzte zu diesem Themenkreis sein!

Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Börsenwoche!

Ihr

Ronald Gehrt

Dass viele Medien stur versuchen, Konjunkturdaten und Statements mit dem Kursverhalten von Indizes wie dem Euro Stoxx 50 zu koppeln, obwohl es den „homo oeconomicus“, der so handeln würde, nicht gibt, ist problematisch. Bewegt werden die Kurse fast immer von anderen Motiven.

Irgendwas kann da ja wohl nicht stimmen. Erst heißt es, die USA rutschen in die Rezession, weil gerade einmal zwei Daten, nämlich die vom Arbeitsmarkt und den Einkaufsmanagern vom Juli, richtig schlecht ausfielen. Aber all die anderen schwachen Daten zuvor, die schienen keinen gestört zu haben. Und dass der europäische Leitindex Euro Stoxx 50 mit in die Tiefe gerissen wird, wirkt zwar einigermaßen nachvollziehbar, aber zwingend war das nicht, immerhin ist die konjunkturelle Situation hier eine andere.

Aber dann ist die Krise auf einmal abgeblasen, die propagierten „Not-Zinssenkungen“ der US-Notenbank nicht mehr vonnöten, weil nur eine einzige Zahl, nämlich der Einzelhandelsumsatz im Juli, besser ausgefallen war? Im Ernst? Und was war mit den schlechter als avisiert ausgefallenen Konjunkturindizes der regionalen US-Notenbanken von New York und Philadelphia, die normalerweise als wichtig erachtet werden? Mit der Industrieproduktion, die nicht nur im Juli schwächer war als erwartet, sondern bei der auch der Juni deutlich nach unten korrigiert wurde? Oder das von der Uni-Michigan ermittelte US-Verbrauchervertrauen, bei dem die Beurteilung der aktuellen Lage unerwartet negativ ausfiel, so schlecht wie seit Anfang 2023 nicht mehr … alles für die Börse aktuell irrelevant?

Börse aktuell: Entwicklung Eizelhandelsumsätze in den USA von 2010 bis 2024 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Börse aktuell: Entwicklung Eizelhandelsumsätze in den USA von 2010 bis 2024 | Quelle: marketmaker pp4

Dass das wirklich viele glauben, kann einem keiner erzählen. Vor allem nicht, wenn zugleich an der Terminbörse eine grandiose Chance bestand, die überrumpelten Trader zur am 16. August vollzogenen Abrechnung gleich zweimal auf dem falschen Fuß zu erwischen, zuerst mit einem unerwarteten Kursrutsch und dann mit einer unerwarteten Rallye.

Der US-Notenbankchef hat nichts unerwartet Positives verkündet

Trotzdem hacken viele medial weiter auf diesen gut ausgefallenen Einzelhandelsdaten herum, als wären sie die einzig relevante Konjunkturzahl. Und ignorieren, das noch obendrein, dass ein zu kräftiger Konsum ja eigentlich unerfreulich für die Inflation wäre, die für die US-Notenbank ein Problem wäre. Wobei das Canceln der Rezessionsrisiken und das Beibehalten der Erwartung kräftiger Zinssenkungen bei einer bislang noch klar über der Zielzone liegenden Inflation – vor allem in den USA – ja ohnehin nicht zusammenpassen.

Ha, mag da mancher einwenden, das sieht die US-Notenbank aber anders. Tut sie das? Als US-Notenbankchef Powell am Freitag im Zuge des Notenbanker-Treffens in Jackson Hole sagte, dass es Zeit sei, die Geldpolitik anzupassen, machte er damit deutlich, dass man seitens der US-Notenbanker ein Umfeld sieht, in dem man mit Zinssenkungen beginnen könne.

Börse aktuell: Entwicklung der Rendite von US-Staatsanleihen mit 10 Jahren Laufzeit | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Börse aktuell: Entwicklung der Rendite von US-Staatsanleihen mit 10 Jahren Laufzeit | Quelle: marketmaker pp4

Er sagte nicht, dass die US-Leitzinsen ab jetzt wie ein Strich und in großen Schritten nach unten gefahren werden. Es werde, richtigerweise und wie immer so kommuniziert, von den zukünftigen Konjunkturdaten abhängen, wie man da konkret vorgeht. Und siehe der vorherige Absatz: Wir haben ein nur mäßiges Rezessionsrisiko und eine noch zu hohe Inflation, so dass man da, solange sich das nicht ändert, höchst langsam und behutsam vorgehen muss.

Am Aktienmarkt aber tut man gerade … wie seit Monaten … so, als würde die Zeit des billigen Geldes, in der immens viel mehr Geld in Konsum und Aktien fließen kann, unmittelbar bevorstehen. Obwohl faktisch nichts für ein solches „Goldilocks-Szenario“ spricht, sondern der Zinssenkungsprozess Jahre dauern kann und vermutlich auf halbem Weg bei einem „neutralen Zins“ endet. Wie kann es sein, dass alle das glauben? Tatsächlich muss man die Frage anders stellen:

Nein, es gibt ihn nicht, diesen „homo oeconomicus“!

Wer glaubt denn, dass alle das glauben? Ist der auf einmal an der Börse aktuell wieder dynamisch aufwärts laufende Euro Stoxx 50 denn der Beleg dafür? Das ist er nicht.

Niemand kann den Marktteilnehmern in die Köpfe schauen, niemand weiß also wirklich sicher, was sie zu ihren Aktionen motiviert. Das weiß man spätestens, seit die Idee der Volkswirte aus früheren Jahrzehnten, dass alle alles wissen können und deswegen auch immer rational entlang dieses Wissens handeln, ein ums andere Mal durch scheinbar unlogische, bisweilen sogar absurde Impulse widerlegt wurde. Den „homo oeconomicus“ gibt es nicht. Sie sind es nicht, ich bin es ebenso wenig. Wenn man sich fragt, was den Euro Stoxx 50 und die anderen großen Indizes an den Aktienmärkten in Europa und den USA wirklich gerade antreibt, tut man daher gut daran, a) einzelne Daten als explizite Auslöser zu vergessen und b) sich mal zu fragen, warum man selbst bei seinen Trades etwas tut oder lässt.

Mir beispielsweise waren diese Einzelhandelsdaten zwar nicht egal, aber ich habe sie ins Gesamtbild aller Daten eingefügt und das wiederum als einen Teil meiner Lagebeurteilung genutzt. Der andere Teil ist, was wirklich gerade passiert: der Trend, die Charttechnik, die markttechnischen Indikatoren, das Sentiment. Und so handeln nicht nur zwei, drei andere. So handeln die meisten.

Börse aktuell: Entwicklung Euro Stoxx 50 im Trendkanal von 2019 bis 2024 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Börse aktuell: Entwicklung Euro Stoxx 50 im Trendkanal von 2019 bis 2024 | Quelle: marketmaker pp4

Denken wir an die vielen das Geschehen entscheidend mitbestimmenden Handelsprogramme, an die rein technisch agierenden Trader, die Entscheider bei den Hedgefonds: Sie agieren alle stur entlang der Trends. Sicher, die vielen wenig erfahrenen Anleger, die das Geld und damit den „Treibstoff“ für all diese Akteure liefern, agieren oft emotional. Aber auch sie sehen sich an, was die Kurse machen und nicht irgendein „müsste eigentlich“ in Sachen Konjunkturdaten, die die meisten ja auch gar nicht interpretieren können und wollen.

Und wenn wir dann noch mit einbeziehen, dass das Gros der „Privaten“ fast immer nur auf steigende Kurse setzt, erklärt sich das, was der Euro Stoxx 50 da treibt, weitaus besser als mit der wackligen Krücke einer einzigen über den Prognosen ausgefallenen Konjunkturzahl aus den USA, mit der man das Rezessionsrisiko wegreden, schnelle, weitreichende Zinssenkungen aber als sicher beibehalten will.

Zumal man sich ja immer fragen darf, wieso die Euro-Indizes so sklavisch hinter den US-Indizes herlaufen müssen, obwohl das, was in den USA passiert, nicht 1:1 auf die Eurozone übertragbar ist. Aber das ist ein anderes Thema, zurück zum Index: Was treibt er denn gerade konkret, der Euro Stoxx 50?

Die Chart- und Markttechnik schufen die Basis für die Aufwärtswende, nicht US-Konjunkturdaten

Wir sehen einen Euro Stoxx 50, der genau da drehte, wo er drehen musste, um einer solchen Rallye den Boden zu bereiten. Am 5. August drehte er im Bereich des Hochs vom Sommer 2023 nach oben und verteidigte dann auf Schlusskursbasis die Unterstützungszone 4.569/4.593 Punkte. Zugleich war der Index markttechnisch überverkauft, der RSI-Indikator hatte erstmals in diesem Jahr die überverkaufte Zone erreicht. Dass da Trader, die Short waren, ihre Gewinne mitnahmen und leer verkaufte Aktien eindeckten, was die Kurse zwangsläufig höher zieht, wundert nicht.

Dann kam die Terminmarkt-Abrechnung näher, eine grandiose Chance, all diejenigen, die zur Absicherung Put-Optionen gekauft hatten, dies- wie jenseits des Atlantiks ins Leere laufen zu lassen. Das war verbunden mit einem „Gap-Close“ nach dem anderen und der Rückeroberung von Chartlinien wie der 200-Tage-Linie. Die technisch agierenden Trader und Handelssysteme waren zwangsläufig Käufer. Aber nur die Handelsprogramme denken nicht. Hedgefonds, technische Trader, diese Klientel weiß ganz genau, dass diese Rallye kein Fundament seitens der Rahmenbedingungen hat. Aber!

Börse aktuell: Entwicklung Euro Stoxx 50 mit Unterstützungen und Widerständen und dem RSI von 2023 bis 2024 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Börse aktuell: Entwicklung Euro Stoxx 50 mit Unterstützungen und Widerständen und dem RSI von 2023 bis 2024 | Quelle: marketmaker pp4

Das ist ja kein Grund, um einfach mitten in einem dynamischen Impuls auszusteigen und auf die Short-Seite zu wechseln. Man liefe Gefahr, von denen, die weiter kaufen, überrollt zu werden und so doppelt zu verlieren: entgangene Long-Gewinne und Verluste mit den Short-Trades. Also wartet man … worauf?

Es läuft, solange es läuft

Dass die Käufe abebben, dass man erkennt, dass dem Markt die Käufer ausgehen. Darauf, dass Widerstände nicht mehr problemlos überboten oder schnell wieder unterschritten werden. Darauf, dass die Markttechnik und/oder das Sentiment, sprich die Stimmung, verdächtig heiß laufen. Passiert das nicht, geht es einfach weiter, bis die Luft raus ist. Daher ist dieser so banal wirkende Spruch letztlich eine sicher simple, aber doch zutreffende Aussage: Solange es läuft, läuft’s.

Aber wehe, wenn der Schwung raus ist und die Kurse unter bestimmte Levels rutschen, ab denen die Käufer eigentlich zugreifen müssten, aber durch Abwesenheit glänzen. Dann springt dieser große Kreis an jetzt noch bullischen Akteuren ganz schnell vom Zug, eben weil sie wissen, dass der ganz am Ende sowieso gegen eine Felswand fahren würde, weil die Rahmenbedingungen nicht passen.

Derzeit würde ich vermuten, dass die jetzt leicht überbotene Widerstandszone 4.820/4.884 Punkte und die knapp darunter, bei 4.791 Zählern, verlaufende 200-Tage-Linie als Lackmustest für die Bullen dienen könnte, d.h. ein Rücksetzer muss dort aufgefangen werden, sonst könnte man schnell konstatieren: Jetzt läuft’s nicht mehr.

Aber wie gesagt: Ob eine Erwartung realistisch ist, spielt keine Rolle, solange sie gut klingt und genug mitmachen. Und Letzteres ist ja eine Art zeitweiliges Perpetuum Mobile: Eine kräftige Bewegung zieht immer mehr Käufer an und hält sich dadurch vorerst auch ohne Kontakt zur Realität am Leben. Und noch ist das beim Euro Stoxx 50 der Fall, da mögen all diejenigen, die versuchen, die Sache strikt logisch anzugehen, den Kopf schütteln, wie sie wollen: Noch läuft’s!

Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Börsenwoche!

Ihr

Ronald Gehrt

Der Selloff war heftig, die dann scheinbar aus dem Nichts heraus entstandene Rallye aber noch mehr. Es scheint, als hätten diejenigen, die ins fallende Messer griffen, alles richtig gemacht. Aber ist das wirklich so? Das kommt darauf an, ob auch die Rahmenbedingungen wieder steigende Kurse unterstützen und welche Rolle die Terminbörse bei der Rallye spielte. Und die könnte groß gewesen sein.

Immer dann, wenn die Volatilität am Aktienmarkt ungewöhnlich hoch ist, dominieren die nach unten und nach oben rasenden Kurse die Wahrnehmung vieler Akteure komplett. Dann sind es die Kurse selbst, die die Schlagzeilen dominieren und nicht die Faktoren, die sie eigentlich bewegen sollten, sprich die Rahmenbedingungen. Das mag ein Grund sein, weshalb momentan kaum jemand die Frage in den Raum stellt, was denn genau in den vergangenen zwei Wochen passiert ist, das dazu geführt haben könnte, dass an der Börse aktuell statt „senkrecht runter“ doch wieder „senkrecht rauf“ angezeigt ist. Würde man sich diese Frage stellen und nach entsprechenden Faktoren suchen, würde man nämlich schnell den Eindruck gewinnen:

Da ist nichts. Sehen wir uns dazu zunächst an, was auf einmal dazu geführt haben soll, dass diese vorher monatelang die Risiken ignorierende Hausse von eben auf gleich zu Ende sein müsste:

Diese Sache mit dem nassen Handtuch

Anfang August kamen zwei Konjunkturdaten, die die vorher vor allem überhitzte Hightech-Aktien betreffende Korrektur in einen Selloff verwandelten: Der US-Einkaufsmanagerindex des verarbeitenden Gewerbes und die US-Arbeitsmarktdaten für Juli. Richtig ist zwar, dass beides schlecht ausfiel, wie der Chart des Einkaufsmanagerindex unten unterstreicht. Falsch ist aber, dass man damit nicht hätte rechnen können. Andere Konjunkturdaten hatten seit Monaten angedeutet, dass die US-Wirtschaft durch den Druck der hohen Leitzinsen am Ende doch noch in die Knie gehen könnte. Für einen solchen Abverkauf konnte es daher nur zwei Gründe geben:

Börse aktuell: Entwicklung US-Einkaufsmanagerindex von 2014 bis 2024 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Börse aktuell: Entwicklung US-Einkaufsmanagerindex von 2014 bis 2024 | Quelle: marketmaker pp4

Entweder wurden extrem viele Marktteilnehmer wie mit einem nassen Handtuch, dass einem um die Ohren gehauen wird, aus seliger, aber nicht faktisch unterfütterter Ruhe gerissen, weil man die Zeichen, die man hätte sehen können, nicht sehen wollte. Oder große Adressen hatten diesen Abverkauf relativ gezielt auf diesen Moment gelegt und angeschoben, weil sie sich ziemlich sicher sein konnten, dass das vorherige Ignorieren der Faktenlage zu einer panischen Reaktion führen würde, wenn es erst einmal stärker abwärts geht.

Welchen Sinn das haben soll? Dazu kommen wir gleich, wenn es um die Terminbörse geht. Zunächst der Blick auf die dann auf einmal umhergereichten Argumente, wieso das alles völlig überzogen war.

Doch alles im Griff? Starke Behauptung … aber wo sind die Beweise?

Die Inflationsdaten in den USA fielen im Großen und Ganzen genau wie erwartet aus. +0,2 Prozent zum Vormonat in der Gesamt- ebenso wie in der Kernrate, bei der man die volatilen Preise für Nahrungsmittel und Energie herausrechnet. Und 3,2 Prozent in der Jahresrate der Kernrate. Nur bei der Gesamtrate kam man auf 2,9 statt auf die erwarteten 3,0 Prozent. Das wurde als Argument für die Rücknahme des Abverkaufs herumgereicht, aber wenn das ein „Game Changer“ sein soll, müssten sehr viele ein sehr sonniges Gemüt haben, zumal: Wenn die Preise unter Druck geraten, dann könnte man das ja ganz genauso als Signal für eine wegbrechende Konjunktur werten. Was man aber, wollte man die wieder nach oben sausenden Kurse wirklich als Spiegelbild der Meinung der Mehrheit der Anleger sehen, offenbar nicht tat.

Börse aktuell: Entwicklung US-Inflationsrate von 2015 bis 2024 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Börse aktuell: Entwicklung US-Inflationsrate von 2015 bis 2024 | Quelle: marketmaker pp4

Erstaunlich, zumal es mit „bad news“ weiterging, und zwar am Donnerstag. Die US-Industrieproduktion fiel im Juli, die wichtigen Konjunkturindizes der regionalen Notenbanken von New York und Philadelphia (im folgenden Chart Letzterer, der „Philly Fed-Index“) fielen bärisch aus, allein der Einzelhandelsumsatz lag über den Erwartungen. Was aber allein noch kein Argument dafür wäre, dass die Rezession abgeblasen ist, die Notenbank aber dennoch zügig die Zinsen senken werde und damit ruckzuck alles gut wird. Denn mal davon abgesehen, dass man bei Konjunkturdaten nie einen einzelnen Monat als ultima ratio sehen kann:

Börse aktuell: Entwicklung Philly Fed-Index von 2014 bis 2024 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Börse aktuell: Entwicklung Philly Fed-Index von 2014 bis 2024 | Quelle: marketmaker pp4

Mehr Konsum, aber weniger Produktion. Kaum Bewegung bei der Inflation und miese Stimmung bei den Verbrauchern, die, um das zu ergänzen, im Zuge des von der Uni Michigan ermittelten Verbrauchervertrauens die aktuelle Lage so schlecht einschätzen wie zuletzt Anfang 2023, das ist kein Gesamtbild, das für Aktien bullisch wäre. Und vor allem keines, das dem, was man als Grund für den vorherigen Selloff sah, widersprechen würde. Die Kurse stiegen trotzdem. Und das rasant.

Alles wird gut? Der Anleihemarkt scheint das anders zu sehen …

Fiel denen, die „den Dip kauften“, wie man neudeutsch sagt, wenn man entgegen den Grundregeln des Investierens in fallende Kurse hinein gegen die Tendenz kauft, gar nicht auf, dass die US-Notenbanker zu dem Geschrei nach „Emergency Cuts“ und zu den drastisch angehobenen Zinssenkungsprognosen der US-Banken kaum Kommentare abgaben?

Fiel ihnen zudem nicht auf, dass der US-Anleihemarkt, der die Zins- und Konjunkturerwartung großer, erfahrener Adressen weit besser abbildet als die Aktien, zwar fallende Renditen sah, durch die man stärker und schneller sinkende Leitzinsen abbildete, danach aber keine Korrektur der Renditen nach oben vollzog? Die man aber hätte sehen müssen, wenn man dort, bei diesem viel mehr von Profis dominierten Markt, davon ausgehen würde, dass es in Sachen Rezession eine irgendwie geartete Entwarnung gibt?

Börse aktuell: Entwicklung der Rendite von US-T-Bonds mit 10 Jahren Laufzeit von 2023 bis 2024 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Börse aktuell: Entwicklung der Rendite von US-T-Bonds mit 10 Jahren Laufzeit von 2023 bis 2024 | Quelle: marketmaker pp4

Scheinbar nicht, denn wir wissen es ja: Der Aktienmarkt stieg nicht einfach, er haussierte und hat damit den Großteil der Korrektur bereits aufgeholt. Die Frage ist aber, ob das hält. Denn Vorstehendes deutet ja an, dass das Fundament, ein „alles wieder gut“, nicht existiert. Was jedoch existiert, ist die Rückkehr der Gier.

Was besonders schnell der Fall ist, wenn man vorher sorglos und gierig war, dann einen Schock verpasst bekam, panisch ausstieg, jetzt zu hören bekommt, dass das alles ein Fehlalarm war und dadurch der Eindruck entsteht, dass man seine Positionen entweder teurer zurückkaufen muss oder Gefahr läuft, die Super-Hausse zu verpassen. Aber irgendwer muss diese „Super-Hausse“ ja begonnen haben. Wie könnte das abgelaufen sein? Dazu sollte man sich der „Mechanik der Märkte“ erinnern:

Wer am meisten Geld in den Ring wirft und am entschlossensten agiert, bestimmt, in welche Richtung die Kurse laufen. Das ist nicht nur logisch, das nutzen die mit dem nötigen Kleingeld auch konsequent aus. Und warum auch nicht, denn so funktioniert die Börse ja. Sehen wir uns das an den konkreten Charts von Nasdaq 100 und DAX mal an und überlegen, wie es abgelaufen sein könnte:

Im richtigen Moment angestoßen, wird aus rutschen ein Absturz

Mal angenommen, Sie wären Entscheider bei einer dieser großen Adressen am Markt, hätten das nötige Kapital, um mit gezielten Aktionen den Markt zu bewegen … und die nötige Erfahrung, um ihre Pappenheimer, sprich das Verhalten der Anleger zu kennen: Würden Sie nicht versuchen, ordentlich Gewinn zu machen, wenn sich eine Gelegenheit wie diese ergibt?

Versetzen Sie sich einmal in die Lage eines solchen Entscheiders, der sieht, dass der Aktienmarkt heiß gelaufen ist. Dass zugleich, wie immer in solchen Phasen, das Gros der Anleger immer weniger auf die Risiken achtet, aber dafür immer riskanter agiert. Und der sieht, dass die Anleger ohnehin bereits im ersten Stadium der Nervosität sind, weil heiß gelaufene „KI-Aktien“ gerade scharf korrigieren, was zwar immer mal passieren kann und wird, womit viele aber nicht umgehen können. Und:

Sie wissen dass Ihre Kollegen auf anderen, entscheidenden Stühlen bei Hedgefonds oder Banken im Eigenhandel das genauso erkennen und daraus die gleichen Schlüsse ziehen, so dass Sie darauf setzen können, dass andere „Große“ eine gezielte Aktion noch intensivieren, statt dagegenzuhalten. Was würden Sie wohl tun? Dem Markt mit den Ihnen zur Verfügung stehenden Milliarden einen Schubs geben? Aber natürlich würden Sie das. Denn Sie haben nicht nur die Mittel, Sie haben auch ein Motiv: Eine Menge Gewinn in kurzer Zeit erzielen.

Börse aktuell: Entwicklung Nasdaq 100 mit Widerständen und Unterstützungen im Jahr 2024 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Börse aktuell: Entwicklung Nasdaq 100 mit Widerständen und Unterstützungen im Jahr 2024 | Quelle: marketmaker pp4

Das „Anschubsen“ war einfach. Zuerst galt es, den Versuch einer Gegenbewegung nach oben beim Nasdaq 100 genau da abzuschießen, wo es wehtut: Im Bereich der Widerstandslinie um 19.500. Dazu ließen sich auch Long-Positionen abbauen, schließlich wussten diese Entscheider, dass es in den nächsten Tagen kräftig abwärts gehen würde, denn das wollten sie ja selbst auslösen. Um noch ein wenig Schwung hinein zu bringen, boten sich Leerverkäufe in Einzeltiteln an.

Tag 2 brach dann die mittelfristige Aufwärtstrendlinie, Tag 3 auch noch die Unterstützungszone 18.330/18.440 Punkte und, zumindest anfangs, die 200-Tage-Linie. Dazu jetzt ein Blick auf die Nachrichten dieses Tages 3, Montag, der 5.8.: Diese Aussagen über mögliche „Emergency Cuts“ gingen um, zugleich hatte man gleich den Namen „Black Monday“ parat. Was löst das bei unerfahrenen Anlegern aus? Angst.

Und was tun unerfahrene Anleger, wenn sie plötzlich in Angst um ihr Geld versetzt werden? Sie versuchen, das Risiko loszuwerden. Denn das mit dem Zukaufen in fallende Kurse, das tut man, wenn es „normal“ abwärts geht, das hier aber war ein anderes Umfeld. Stop Loss-Orders wurden ausgelöst und intensivierten den Druck, keiner kapierte so recht, wieso das alles ausgerechnet jetzt passiert, aber Rettungsanker waren ja zu bekommen: Put-Optionen! Und da sind wir jetzt bei des Pudels Kern.

Und alles wieder rauf: Nach der „Pflicht“ folgt die „Kür“

Kauft man Put-Optionen mit relativ nahem Laufzeitende auf einen großen Index, kann man damit sein Depot engmaschig gegen fallende Kurse absichern. Der Wert des Depots schrumpft dann zwar, was die darin befindlichen Aktien angeht, aber für eine begrenzte Zeit, nämlich bis zu deren Laufzeitende, wird das durch Gewinne bei diesen der Absicherung dienenden Puts ausgeglichen.

Gerade in den USA ist das ein gängiger Weg, denn auszusteigen traut man sich als unerfahrener Anleger eher nicht, weil man Angst hat, ausgerechnet am Tief zu verkaufen und dann teurer wieder einsteigen zu müssen. Außerdem ist der Gedanke verlockend, dass es wie folgt laufen wird: Man kauft einen Put, sagen wir einfach mal zu 50 US-Dollar pro Option, verkauft ihn zu 200 am Tief und nimmt diesen Gewinn, um in die zum selben Zeitpunkt dann ja billigeren Aktien zuzukaufen. Klingt clever, klappt aber selten, denn:

Erfahrene, große Adressen kennen, wie gesagt, ihre Pappenheimer. Sie, die großen Adressen, sind es oft, die den in Panik geratenden Anlegern diese Puts verkaufen und diese o.g. beispielhaften 50 US-Dollar einnehmen. Und sie sind es, die keineswegs am Ende der Laufzeit tief in die Tasche greifen, 200 US-Dollar auszahlen und damit einen fatalen Verlust machen wollen. Und sie sind diejenigen, die das auch zu verhindern wissen, denn wer Bewegungen anschieben kann, ist nun einmal immer in der Vorderhand, weil schneller als die anderen. Was in diesem Fall so gelaufen sein könnte:

Man deckt in die Panik der anderen die „oben“ leer verkauften Aktien und Short-Positionen in Indizes wie z.B. Futures mit tadellosem Gewinn ein. Man tut das nicht im „Nirgendwo“, sondern versucht dabei wichtige Supportlinien zu verteidigen. So die 200-Tage-Linie beim Nasdaq 100 oder, wie im folgenden Chart zu sehen, die wichtige Supportzone um 17.000 Punkte beim DAX. Damit hat man schon einmal einen schönen Short-Gewinn erzielt, immerhin war man derjenige, der auf viel höherem Niveau durch den selbst ausgeübten Druck das ganze Gerutsche angeschoben hat. Aber das ist nur die „Pflicht“, es bleibt: die Kür!

Börse aktuell: Entwicklung DAX mit Widerständen und Unterstützungen im Jahr 2024 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Börse aktuell: Entwicklung DAX mit Widerständen und Unterstützungen im Jahr 2024 | Quelle: marketmaker pp4

Das Stoppen des Abverkaufs in einem Moment, in dem viele andere gerade denken, die Welt gehe unter, ist perfekt … zum einen, weil man seine eigenen Short-Positionen mit Gewinn loswird, während andere gerade erst angefangen haben, Short zu gehen. Zum anderen, weil die völlige Überraschung, dass der Markt abrupt auf dem Absatz kehrt macht, die Gier sofort wieder aufleben lässt. Die technisch orientierten Trader realisieren die Verteidigung der wichtigen Supportlinien und kaufen, das treibt den Markt zusätzlich zu der die Kurse höher ziehenden Wirkung des Eindeckens leer verkaufter Aktien nach oben.

Und so läuft eine Kaskade an Käufen ab, indem jetzt die gerade erst gebrochenen, wichtigen Chartmarken eine nach der anderen zurückerobert werden. Da muss man dann als „großer Spieler“ am Terminmarkt gar nicht so viel eigenes Kapital aufwenden, zumal ja dann auch die Medien sofort umschwenken und von einer Übertreibung in Sachen Kurseinbruch schreiben. Ziel:

Aus den an die panischen Akteure verkauften Put-Optionen soll ebenso ein Gewinn entstehen, indem man die Indizes wie DAX oder Nasdaq 100 schnell und bis zur Abrechnung der nächstgelegenen Laufzeit über die Basispreise der meisten, als Absicherung von den nervösen Anlegern gekauften Puts zieht, so dass die dann wertlos verfallen. Und diese Abrechnung war am Freitag. Beispiel:

Eine große Adresse fand im Zuge des Selloffs reißenden Absatz bei Nasdaq 100 Put-Optionen Basispreis 19.000. Man bekam, einfach mal einen Preis genannt, 50 Dollar pro Stück, hätte aber, wenn die Options-Abrechnung am Tief des Index stattgefunden hätte, ein Vielfaches auszahlen müssen. So aber sauste der Index locker zur Abrechnung zurück über 19.000. Auszahlungsbetrag somit: null … und der Verkaufspreis wird zum Reingewinn.

Hinter dem Vorhang wird es doch erst richtig interessant

Lief es so ab? Sicher kann man das nie sagen, denn weder kann man allen Akteuren in die Köpfe schauen noch weiß man, wer genau Optionen gekauft und wer sie verkauft hat. Aber es ist erstens ein Prozedere, das wir über Jahrzehnte immer wieder sehen, nämlich das Erzielen von Gewinnen durch gezieltes Abschieben des Marktes und das Erwischen der wenig erfahrenen Anleger auf dem falschen Fuß. Zweitens würde es erklären, wieso sich diese Rallye derart extrem darstellte, obwohl sich das Rezessionsrisiko in den wenigen Handelstagen gar nicht verändert hat.

Warum man eine solche Erklärung, die den Terminmarkt einbezieht, selten findet? Weil man seit eh und je in den meisten Medien so tut, als spiele die Terminbörse irgendwie keine Rolle, als würde sie nichts anderes sein als ein Wettbüro, das keinen Einfluss darauf hat, ob die Pferde schnell oder langsam laufen. Das basiert zum einen darauf, dass die Sache ziemlich komplex ist und nie immer gleich abläuft. Zum anderen vermutlich auf der Sorge der großen Adressen, die Anleger könnten denken, dass da unsichtbare Hände die Trends bestimmen. Dass das genauso auch der Fall ist und einfach nur die Normalität der Börse beschreibt, ist zwar so. Aber man möchte vielleicht den vielen Privatanlegern, die sich nie wirklich mit dem befasst haben, mit dem sie Geld verdienen wollen, ihre Illusionen nicht nehmen.

Aber ist man, wenn es so wie beschrieben lief und auch fürderhin immer mal wieder ähnlich laufen wird, nicht nur ein Spielball der „Großen“?

Jein. Denn schließlich ist es nur normal, dass man selbst als „kleines Licht“ nicht bestimmen kann, wohin die Kurse laufen. Entscheidend dahingehend, ob man am Ende zu denen gehört, die mittelfristig an der Börse etwas verdienen, ist, dass man versteht, wie der Markt „tickt“, was hinter bestimmten Bewegungen stecken könnte. Dazu muss man sich mit dem Thema befassen, auch das wäre, eigentlich, eine Selbstverständlichkeit.

Dann und nur dann ist man imstande, sich von Emotionen und reißerischen Schlagzeilen zu lösen und damit nicht mehr zu den letzten zu gehören, die am Ende einer Baisse entmutigt verkaufen und erst wieder einsteigen, wenn eine Hausse schon kurz vor dem Kollaps steht. Sicher, das muss nicht jeder mögen … aber für mich ist gerade der Blick hinter die Vorhänge, der Versuch, das „Warum“ von scheinbar unlogischen Bewegungen zu ergründen und von diesen Erkenntnissen zu profitieren, der Grund, warum ich der Börse niemals überdrüssig werde. Ach ja … und was heißt das jetzt für die kommenden Wochen?

Und ab jetzt wieder abwärts … auch wegen der „Gaps“?

Wenn wir festhalten, dass die großen Adressen am Terminmarkt jetzt gleich zweimal trefflich verdient haben … viele jetzt plötzlich glauben, der Weg nach oben sei wieder frei und reichlich zurück- oder zugekauft haben … und darüber hinaus die Rahmenbedingungen genauso kritisch sind wie zuvor, wäre die Schlussfolgerung, dass es jetzt recht bald wieder abwärts gehen müsste, zwar zulässig, aber:

Börse aktuell: Entwicklung S&P 500 mit Widerständen und Unterstützungen im Jahr 2024 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Börse aktuell: Entwicklung S&P 500 mit Widerständen und Unterstützungen im Jahr 2024 | Quelle: marketmaker pp4

Ob es wirklich so laufen wird, ist immer offen, denn vieles dessen, was wie oben beschrieben abgelaufen sein könnte, wird kurzfristig, aus der Situation heraus, entschieden. Einen „Plan“ für kommende Wochen zu entwickeln, hieße, das Element zu ignorieren, das immer wieder alles auf den Kopf stellt: das Unerwartete.

Ja, jetzt würden auch die rein technisch orientierten Trader, die um diese Sogwirkung der jetzt erledigten Terminbörsen-Abrechnung wissen, nach unten schauen und feststellen: Jetzt müssten z.B. diese im Chart des S&P 500 markierten Aufwärts-Kurslücken (Gaps) geschlossen werden (zu diesem Thema finden Sie einige grundsätzliche Erläuterungen in einem meiner älteren Artikel hier: https://www.lynxbroker.de/boerse/trading/trading-strategien/gap-trading-so-koennen-sie-kursluecken-gewinnbringend-nutzen/). Aber ob es wirklich so kommt? Da hilft nur eines: Augen auf!

Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Börsenwoche!

Ihr

Ronald Gehrt

Wenn es an den Börsen wie aktuell mal wieder hektisch zugeht, sehe ich mir gerne an, was die US-Investmentbanken zu sagen haben. Ihre Beobachtungen sind da ebenso interessant wie wichtig. Was sie daraus schließen jedoch weniger. Denn die Zukunft wird gerade in chaotischen Phasen nicht davon bestimmt, was sein müsste, sondern von Emotionen und geschickten, großen Tradern. Und wenn man über Letztere nachdenkt, sollte man das Bären-Lager besser nicht vergessen.

Auffällig war, dass die US-Banken sofort mit den wegsackenden Kursen ihre Erwartungen an die US-Notenbank hochschraubten. Citigroup und JP Morgan sehen sogar zwei 50 Punkte-Senkungen in diesem Jahr, nachdem man vor dem schwachen Einkaufsmanagerindex und den mageren US-Arbeitsmarktdaten nur eine einzige von 0,25 Punkten sah. Sogar von einem „Emergency Cut“, einer Senkung außerhalb der regulären Sitzungen, war die Rede. Goldman Sachs indes machte klar: 

Ansichten der US-Investmentbanken zur Lage

Der Marktstresslevel mag erhöht sein, bewegt sich aber nicht auf einem Niveau, das die Fed zum Eingreifen bringen würde, so das Investmenthaus. Und in der Tat wäre das nach diesen ja eigentlich nur mäßig miesen Konjunkturdaten und der bislang noch in einem ganz normalen Rahmen laufenden Korrektur der US-Indizes massiv übertrieben.

Ich würde dazu ja sagen „Ball flachhalten, da kommen schließlich vor den nächsten Sitzungen von Fed und EZB noch die August-Arbeitsmarktdaten“ … aber flache Bälle will derzeit ja niemand spielen.

Und was wissen die US-Investmentbanken zur Gesamtsituation zu berichten? Goldman Sachs meint, dass es immer klarer werde, dass die US-Verbraucher den Gürtel enger schnallen, während für JP Morgan das Rezessionsrisiko von 25 auf 35 Prozent gestiegen ist und CEO Jamie Dimon nicht damit rechnet, dass die Inflation auf zwei Prozent zurückkommt. Gut, das sind Beobachtungen, aber keine Wegweisungen. Denn dass die US-Konjunktur jetzt eben doch den Druck hoher Zinsen spürt, kann jeder Anleger selbst sehen, entweder durch einen Blick vor die Haustür oder auf die Konjunkturdaten.

Und jetzt zum Aktienmarkt. Nach Ansicht eines Goldman Sachs-Marktstrategen ist die Korrektur noch nicht abgeschlossen, da die Bewertungen an der Börse aktuell weiter ungewöhnlich hoch sind (sieh an, hat vorher niemand wissen wollen). Und JP Morgan sieht zwar die Möglichkeit, dass der Abgabedruck weitergeht, stellt aber fest, dass der Verkaufsdruck von großen Adressen abnimmt und Hedgefonds im Saldo am Rallye-Donnerstag auf der Käuferseite standen.

Allerdings schrieb man auch, dass die Privatanleger in die fallenden Kurse massiv gekauft hätten. Was hieße, dass die normalerweise eine echte Korrektur abschließende Kapitulation der weniger erfahrenen Dauer-Bullen noch nicht da ist. Auch die Bank of America beobachtete zum Wochenschluss, dass die Privaten einfach stur weiterkaufen, sprich die abkippenden Kurse als Chance und nicht als Warnsignal wahrnehmen. Das ist kurzfristig ein entscheidender Grund, warum es zum Wochenschluss wieder aufwärts ging. Aber ist dieser Rücksetzer damit wirklich „durch“, der Weg nach unten zugestellt und der nach oben frei?

Börse aktuell: Entwicklung Dow Jones mit aktuellen Entscheidungszonen im August 2024 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Börse aktuell: Entwicklung Dow Jones mit aktuellen Entscheidungszonen im August 2024 | Quelle: marketmaker pp4

„Die Bären“ an sich gibt es nicht

Das glauben viele, nicht zuletzt, weil die erdrückende Mehrheit am Aktienmarkt ja immer nur Long ist. Das prägt die Wahrnehmung. Und das eigene Handeln nicht minder, weswegen es mich absolut nicht überrascht, dass die Privatanleger mehrheitlich nicht konsequent auf Basis vernünftig gesetzter Stoppkurse ausgestiegen sind, sondern einfach trotz bärischer Signale in vielen Charts stur weiter gekauft haben. Wie kürzlich ein Kollege so treffend schrieb: Sehr viele kennen es ja auch nicht anders, als dass ein Rücksetzer immer eine Kaufgelegenheit war. Die letzte, größere Baisse geht auf die Jahre 2008/2009 zurück!

Aber auch, wenn das Geld der Privaten im übergeordneten Bild den Trend macht, weil letztlich diejenigen, die dieses Geld zu verwalten haben, seien es Pensionsfonds, Fonds oder ETFs, nicht dauerhaft gegen einen einfach weitergehenden Strom frischen Geldes agieren können: Kurzfristig geht das sehr wohl, insbesondere wenn es um Hedgefonds und andere, große spekulative Trader geht. Und die können nicht nur bärisch agieren, sie tun es auch … wenn sie sich dabei Chancen ausrechnen.

Wobei ich kurz mal abschweifen möchte: Es gibt keine „Bullen“ und „Bären“ in dem Sinne, in dem sie oft medial gezeichnet werden. Wenn es um diese Thematik geht, geht es nicht um Privatanleger, die Aktien kaufen, sondern um erfahrene Trader. Und da ist niemand aus Prinzip immer „Bulle“ oder immer „Bär“. Die Bären an sich gibt es also nicht. Es gibt nur Trader, die bärisch agieren könnten … wenn sie es denn wollen. Und, wollen sie, die Bären?

Das ist ja der springende Punkt: Das weiß man ja nie genau, weil man dazu wissen müsste, was in den Köpfen zahlloser Akteure rund um den Globus vorgeht und ob das, was die sich so überlegen, auch in Taten mündet. Was die Sache knifflig macht, denn wer heute bullisch daherkommt, könnte morgen schon massiv auf den Markt eindreschen. Also kann man nur eines tun: Die Rahmenbedingungen und die Charts genau abklopfen und horchen, ob da irgendetwas klingt, als könnte es für massivere Short-Attacken lukrativ sein.

Börse aktuell: Entwicklung Nasdaq 100 mit aktuellen Entscheidungszonen im August 2024 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Börse aktuell: Entwicklung Nasdaq 100 mit aktuellen Entscheidungszonen im August 2024 | Quelle: marketmaker pp4

Die Rahmenbedingungen wären für einen größeren Abwärtsimpuls perfekt, wenn…

Eine sich abkühlende Konjunktur in den USA trifft jetzt auf eine ohnehin längst um die Nulllinie dahin vegetierende Wirtschaft in der Eurozone. Und auf einen chinesischen Markt, der weiterhin nicht richtig in Fahrt kommt und vor allem durch steigende Exporte zulegt … die indes wiederum Druck auf die Eurozone- und US-Unternehmen ausüben, die das nicht verkaufen, was China im Ausland an den Kunden bringt. Diese Gemengelage beginnt auch auf die Gewinne der großen Unternehmen zu drücken, wie die jüngste Welle an Quartalsergebnissen zeigt, die weit weniger übertroffene Prognosen aufwies wie sonst in den letzten Jahren. Und das, obwohl sich die Analysten bemühen, im Zweifel lieber zu tief zu schätzen. Eine grundsätzlich perfekte Ausgangslage dafür, die Kurse gezielt erneut anzuschubsen. Es sei denn…

…man würde bei den großen Tradern mehrheitlich zu dem Schluss kommen, dass da noch dermaßen viel frisches Geld seitens der Privatanleger in den Markt strömen wird, dass man mit Short-Trades einfach überrannt würde. Aber genau das ist jetzt eben fraglicher als in den vielen Jahren zuvor, eben weil die Leitzinsen hoch sind. Das macht Anleihen als Alternative für viele attraktiv, vor allem für diejenigen, die auch früher lieber Bonds hielten. Und teure Kredite und stark gestiegene Preise können mehr und mehr Menschen nicht mehr so kompensieren für in der Anfangszeit, als man noch genug „Überschuss-Geld“ auf dem Koto hatte. Da kommt Goldman Sachs‘ Hinweis auf den enger geschnallten Gürtel zum Tragen. Und die Leitzinssenkungen?

Die wirken eben erst einmal bremsend, bevor sie stimulieren. Auch, wenn es wirklich so kommt, die „Fed“ den Leitzins noch im laufenden Jahr zweimal um 0,5 Prozent herunternimmt und die EZB zumindest mit 0,25er-Schritten nachzieht:

Damit sind Kredite und Investitionen noch lange nicht wieder billig. Und wer kann, wartet auf deutlich tiefere Zinsen, so dass die unter „Privaten“ so verbreitete Mär, dass erste Zinssenkungen sofort einen Wachstumsschub und damit eine Super-Hausse auslösen, nicht nur deswegen wacklig ist, weil die Kurse für eine Super-Hausse vorher erst einmal hätten fallen müssen. Und die Charts?

Börse aktuell: Entwicklung DAX mit aktuellen Entscheidungszonen im August 2024 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Börse aktuell: Entwicklung DAX mit aktuellen Entscheidungszonen im August 2024 | Quelle: marketmaker pp4

Die Charts: Noch haben die Bären gar nicht richtig angefangen

Die sind noch einmal spannender als die Rahmenbedingungen, denn hier sehen wir: So richtig tragfähig sind die mit ein, zwei Tagen immer auftauchenden Aussagen, die Korrektur sei vorbei, nicht. Sie kann es trotzdem sein, keine Frage, falls man sich bei den großen Adressen entschieden hat, mit den Privatanlegern mitzuziehen und wieder richtig zuzulangen. Aber das ist nicht nur aufgrund des Umstands offen, dass man nicht weiß, was die großen Trader vorhaben. Es ist auch aus rein charttechnischer Sicht nicht zwingend.

Wenn Sie sich die diesen Artikel begleitenden Charts der großen Indizes Dow Jones, Nasdaq 100, DAX und Euro Stoxx 50 ansehen, werden Sie feststellen, dass zwar wichtige Supportlinien gefallen sind, diese aber bislang mit wenigen Ausnahmen noch nicht zurückerobert wurden. Darüber hinaus fällt mir auf, dass diese drei massiv schwachen Tage zum Start in den August mehr aussehen wie eine Kombination aus Verkäufen von Fonds oder ETFs, bei denen Geld abgezogen wurde, so dass sie verkaufen mussten und aus einer Kaskade von ausgelösten Stop Loss-Verkaufsorders. Es wirkt aber nicht wie eine gezielte, umfassende Attacke großer, auf die bärische Seite übergelaufener Trader. Was mich vermuten lässt: Die Bären sind noch gar nicht in größerem Umfang aufgetaucht. Und das könnte noch kommen, wenn … ja wenn was?

Börse aktuell: Entwicklung Euro Stoxx 50 mit aktuellen Entscheidungszonen im August 2024 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Börse aktuell: Entwicklung Euro Stoxx 50 mit aktuellen Entscheidungszonen im August 2024 | Quelle: marketmaker pp4

Glaskugel sinnlos: Wie es weitergeht, entscheidet sich aus dem Augenblick heraus

Ob man einen größeren Short-Trade eingeht, entscheidet sich immer an bestimmten, neuralgischen Punkten im Chart in Verbindung mit der Marktstimmung und den Rahmenbedingungen. Genauso, wie potenzielle Käufer ihre Kauforders ruckzuck löschen, wenn sie sehen, dass der Kurs mit dramatischem Schwung an den Punkt rutscht, an dem sie kaufen wollen, weil sie fürchten, dass die da einfach überrannt werden, entscheiden auch die Short-Seller aus der Situation heraus. Was für die kommenden Tage konkret folgende Möglichkeiten offerieren würde:

Entweder, es kommt gleich heute oder morgen zu einer massiven Attacke, noch bevor wichtige Charthürden erreicht sind. Das könnte das Ziel haben, den Bullen deutlich zu machen, dass sie auf verlorenem Posten stehen und weitere Käufe gar nicht erst versuchen sollten.

Oder, zweite Möglichkeit, die Bären warten bis zu den im Chart hervorgehobenen Widerstandszonen. Denn sollte der Kaufdruck dann erlahmen, hätten sie eine sicherere Ausgangsbasis und könnten mit engeren, knapp über diesen neuralgischen Bereichen platzierten Stop Loss arbeiten. Das wäre der Normalfall, so läuft es oft … wenngleich nicht immer!

Oder aber sie tauchen gar nicht auf, d.h. Dow, DAX & Co. sausen einfach ungebremst durch die Widerstände nach oben durch und gehen sofort die alten Hochs an. Was dann denkbar wäre, wenn diejenigen, die bärisch gestimmt sind, erkennen, dass sie zu wenige und zu schwach sind, um die hoffnungsvollen Bullen kleinzukriegen. Zwar bleibt der Faktor der anfangs bremsenden Zinssenkungen und der schwachen Konjunktur, verbunden mit der hohen Bewertung der Aktienmärkte, eine gute Basis für die Bären. Aber dann würden diese mehrheitlich wie gesagt erfahrenen Akteure wohl warten, bis den Bullen Geld, Zuversicht oder beides ausgeht und dann erst angreifen.

Das alles ist also eine Art Eiertanz für beide Seiten. Was man tun will und ob man es dann wirklich tut, ist immer davon abhängig, was die anderen tun … und das weiß man eben erst, wenn es passiert. Hüten Sie sich daher davor, eine feste Meinung dazu zu haben, was in den kommenden Wochen passieren wird … denn wie schon letzte Woche geschrieben, ist es wie immer in hoch volatilen Phasen das Unerwartete, das den Taktstock führt!

Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Börsenwoche!

Ihr

Ronald Gehrt